Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

(Oliver Kumbartzky)

kommen müssen und nicht gelten darf: Das können wir irgendwann einmal im Umweltausschuss diskutieren, Herr Kollege Kumbartzky.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung, welches im Rahmen des Wiederbewilligungsverfahrens die Federführung hat und die verfügbaren Studien prüft, teilt die Einschätzung der Krebsforschungsagentur der WHO nicht. Da ist es schon berechtigt, einmal nachzufragen, wie es zu so unterschiedlichen Positionierungen kommen kann. - Ganz im Gegenteil: Das BfR bescheinigt Glyphosat eine relativ geringe Toxizität, dabei stützt sich das BfR unter anderem auf Studien der Glyphosat Task Force, eben eines Zusammenschlusses von Monsanto, Syngenta und Dow. Diese Unternehmen sind es, und sie setzen jährlich mehr als 5,5 Milliarden $ durch Glyphosat um. Da muss ich jetzt wirklich einmal zur Realpolitik einen kleinen Schwenk machen: 5,5 Milliarden $ Umsatz durch Glyphosat das ist mehr, als wir hier für die Flüchtlinge ausgeben, nur um einmal eine Größenordnung zu nennen.

Was ist die Ursache für die unterschiedlichen Risikobewertungen? - Schaut man sich die Mitglieder der BfR-Kommission für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände an, so fällt auf, dass dort unter anderem BASF und die Bayer CropScience AG vertreten sind. Insofern drängt sich sehr wohl die Frage auf, ob bei der sachlichen Bewertung von Glyphosat nicht auch die wirtschaftlichen Interessen eine entscheidende Rolle spielen.

(Beifall PIRATEN)

Auch bei der Risikobewertung verfolgt das BfR einen anderen Ansatz als die Krebsforschungsagentur der WHO. Das Bundesinstitut bewertet anhand von Studien nur den reinen Wirkstoff Glyphosat, Kollege Rickers, während der IARC nicht nur den reinen Wirkstoff bewertet, sondern alle glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel untersucht hat. Somit werden auch die Wechselwirkungen von und mit Beistoffen untersucht, die die Wirkung des eingesetzten Pflanzenvernichtungsmittels potenzieren. Somit gibt es allumfassende Risikobewertungen von Glyphosat. Dadurch werden sie möglich, und deswegen halte ich den Antrag der CDU für überflüssig; denn - gelinde gesagt - nach den Reden von Herrn Rickers muss ich sagen: Ihnen geht es eher darum, die Position der Agroindustrie zu unterstützen, und weniger darum, die Gefährdung durch Glyphosat einzudämmen.

Aus unserer Sicht ist es verantwortungslos, und unter einer wissenschaftlichen Studie, die das Gefahrenpotenzial eines Wirkstoffes untersuchen soll,

stellen wir PIRATEN uns nun wirklich etwas anderes vor als das, was dort zu Papier gebracht wurde.

(Beifall PIRATEN)

Bedenkt man, dass einige Studien bereits Glyphosat im Körper der Großstädter nachgewiesen haben und dieser Wirkstoff wahrscheinlich krebserregend sein könnte - es reicht das „könnte“! -, können wir den Einsatz beziehungsweise die erneute Zulassung dieses Stoffes politisch in keiner Form verantworten.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Wir begrüßen, dass sich die Küstenkoalition aufgrund unserer Ausschussdiskussion und Kleinen Anfrage des Themas angenommen hat. Wir werden für das Moratorium stimmen. Herr Rickers kann uns vielleicht noch verraten, wie die CDU dazu steht. Darüber hat er nämlich noch kein Wort verloren. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielen Dank. - Nun hat für die Kolleginnen und Kollegen des SSW Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat gehört zu den am häufigsten verwendeten Herbiziden weltweit. Allein in Deutschland wurden zuletzt rund 6.000 t jährlich verkauft. Es findet Anwendung im landwirtschaftlichen sowie im Haus- und Kleingartenbereich, um unerwünschte Pflanzen zu vernichten oder die Reifung von Getreide zu beschleunigen.

Weltweit ist mit rund 650.000 t pro Jahr ein steigender Verbrauch zu erkennen. Wir haben es hier also mit einem Global Player zu tun, mit dem die Chemiekonzerne sehr viel Geld verdienen können.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist nicht unumstritten. Unter Berufung auf wissenschaftliche Studien weisen Umweltorganisationen bereits seit Jahren darauf hin, dass Glyphosat erhebliche gesundheitliche und Umweltrisiken birgt. Wie jeder andere Pflanzenschutzmittelwirkstoff muss dieser alle zehn Jahre hinsichtlich seiner Sicherheit für Menschen, Tiere und Umwelt auf den Prüfstand gestellt werden.

(Angelika Beer)

Die Wirkstoffe werden nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie Erfahrungswerten bewertet. Im Fall von Glyphosat ist Deutschland der berichterstattende Mitgliedstaat und trägt somit eine hohe Verantwortung. Bereits 2012 hätten die Risiken neu bewertet werden sollen. Diese Entscheidung wurde seinerzeit verschoben.

Die Monografie der Internationalen Agentur für Krebsforschung zu Glyphosat, die Anfang des Jahres herauskam, hat das Thema neu befeuert. Darin kommen die Krebsforscher der WHO zu dem Ergebnis, dass es wahrscheinlich als krebserregend einzustufen ist. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu den bisherigen Untersuchungen des zuständigen deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung. Mittlerweile hat dies zu einem Streit unter Wissenschaftlern geführt über Untersuchungsmethoden oder Gründe zur unterschiedlichen Bewertung des krebsauslösenden Potenzials von Glyphosat.

Im Agrarausschuss des Bundestags hat es hierzu kürzlich eine Anhörung gegeben. Auch dort gingen die Einschätzungen zur gesundheitlichen Auswirkung des Wirkstoffs in Pflanzenschutzmitteln auseinander. Mit der Entscheidung der EU-Kommission, die Neuzulassung von Glyphosat vorläufig bis Sommer 2016 zu verschieben, ist ein wichtiger Aspekt unseres Antrags bereits erfüllt. Solange aber nicht abschließend geklärt ist, ob das Pflanzenschutzmittel krebserregend ist, muss unsere Devise ganz klar lauten: Sicherheit vor Profit.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb stellen wir fest: Mit dem Moratorium nimmt die EU ihr Vorsorgeprinzip ernst. Das ist auch gut so. Unser Antrag umfasst aber nicht nur ein Moratorium für die Zulassung, er geht viel weiter. Wir wollen darüber hinaus, dass die Anwendungsgebiete eingegrenzt werden, und es sind unbedingt weitergehende Einschränkungen zu prüfen. Damit handeln auch wir nach dem Vorsorgeprinzip, denn dort, wo der Einsatz von Glyphosat verzichtbar ist, sollte sofort gehandelt werden und nicht erst später. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe)

Jetzt hat für die Landesregierung der ehemalige Abgeordnetenkollege Robert Habeck das Wort. - Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Erlauben Sie mir, drei Anmerkungen zu machen. Erstens. Frau Eickhoff-Weber, Bücken ist schon heute gesetzliche Grundlage. Man darf Glyphosat auf Gehwegen oder Parkplätzen nicht verwenden. Das Dumme ist: Es ist nicht zu kontrollieren. Heiner Garg hätte sich schon jetzt ein Schaf kaufen müssen. Das Problem ist, dass der Einsatz von Glyphosat nicht zu kontrollieren ist, weil Glyphosat auch ohne Sachkundenachweis für den kleingärtnerischen Bereich verkauft wird, wie Bernd Voß gesagt hat, im Supermarkt.

Zweitens. Genau das hat der Bundesrat in dieser Legislaturperiode zu verhindern versucht. Statt Steuern kann mancher auch Verbote aussprechen. Der Bundesrat hat am 8. November 2013 mehrheitlich beschlossen, erstens den Verkauf von Glyphosat im Haus- und Kleingartenbereich zu verbieten, zweitens Glyphosat zur Abreifebeschleunigung von Getreide zu verbieten, Glyphosat zur Arbeitserleichterung zu verbieten und drittens Spritzen beispielsweise von Getreide kurz vor der Ernte aus Verbrauchersicht zu verbieten.

Das heißt, ein Teil der Punkte, die die regierungstragenden Fraktionen aufnehmen, sind vom Bundesrat bereits beschlossen worden. Herr Rickers, ich frage mich, was bei Bundesregierung und Bundestag daraus geworden ist. Offensichtlich ist es nicht Wille der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen, diese Punkte umzusetzen.

Drittens. Herr Rickers, ich begrüße, dass die CDUFraktion jetzt einen Antrag stellt, in dem es heißt, dass Gesundheits- und Verbraucherschutz jederzeit Vorrang haben müssen. Bei der Vorstellung des Gutachtens zur Pflanzenschutzsteuer, über die wir eben gesprochen haben, gab es einen bemerkenswerten Diskurs zwischen zwei Wissenschaftlern, die sich da in die Wolle gekriegt haben. Der eine Wissenschaftler sagte dem anderen Wissenschaftler: Wenn sich zwei Wissenschaftler nicht einig sind, zu behaupten, dass der andere unrecht hat, ist unwissenschaftlich. - Da stehen wir. Es gibt wissenschaftliche Studien, und die Frage ist: Was ist, wenn sich die Wissenschaft nicht einig ist? Herr Rickers, deshalb stoße ich mich an Ihrem Satz, die Landesregierung solle sich für eine sachliche Debatte einsetzen.

Da sich die Kollegen nicht einigen können, muss man fragen, was wir machen sollen, wenn es im Moment nicht möglich ist, sich zu einigen. Wenn

(Flemming Meyer)

ich Ihren Satz richtig interpretiere, scheint mir die einzig logische Konsequenz aus Vorsorgegründen, die auch Sie anführen, zu sein: Dann wird es eben erst einmal nicht zugelassen. Alles andere wäre kein Vorsorgeprinzip. Insofern bin ich bei den regierungstragenden Fraktionen, dass ein Moratorium, da sich die Wissenschaft nicht einigen kann, die richtige Konsequenz ist. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und frage zunächst die CDU-Fraktion, ob sie mit der Übernahme ihres Antrags durch die Fraktionen der Küstenkoalition einverstanden ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir sind vorhin auch nicht gefragt worden!)

- Sie hatten sich schon vorher dahin gehend geäußert, dass Sie nicht einverstanden sind, oder?

(Heiner Rickers [CDU]: Wir wären einver- standen! - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, möglicherweise waren Sie nicht zugegen. Der Abgeordnete Voß hat zur Kenntnis gegeben, dass die regierungstragenden Fraktionen bereit wären, den Text des Antrags der CDU-Fraktion zu übernehmen und den eigenen Antrag entsprechend zu modifizieren. Das ist möglich.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dafür brauchen Sie keine Zustimmung, Frau Präsidentin!)

Ich möchte jetzt Herrn Rickers das Wort geben und ihn noch einmal fragen, ob die CDU-Fraktion mit der Übernahme einverstanden ist und ihren eigenen Antrag dann für erledigt erklären möchte.

Fachlich ist unser Antrag natürlich hervorragend. Sonst hätten wir ihn so nicht gestellt. Deshalb wären wir begeistert, wenn Sie ihn übernähmen. Aber ich würde mit meiner Fraktion dann nicht dem gemeinsamen Antrag zustimmen. Wir erhalten unseren Antrag aufrecht und würden den Ihrigen ablehnen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Spielverderber!)

- Ich habe versucht, das zu begründen. Denn es gibt nach wie vor den Antrag eines Moratoriums, und das können wir nicht unterstützen.

Danke. Wir haben den Hinweis gehört. Dann schlage ich Ihnen vor, dass wir beide Anträge zu eigenständigen Anträgen erklären und sie nacheinander abstimmen. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion Drucksache 18/3470 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von FDP und CDU. Wer lehnt diesen Antrag ab? - Das sind die übrigen Abgeordneten im Haus. - Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt.

Ich komme jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/3409. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten von SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SSW und PIRATEN. Wer lehnt diesen Antrag ab? - Das sind wie vorher die Fraktionen von CDU und FDP. - Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen.

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, bitte ich Sie, gemeinsam mit mir auf der Tribüne den ehemaligen Kollegen Jürgen Feddersen von Pellworm zu begrüßen. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich sehe, dass wir auch eine neue Besuchergruppe haben.

(Martin Habersaat [SPD]: Das ist schon mei- ne von heute Nachmittag!)

- Okay, dann klärt sich das. Sie sind ein wenig früher gekommen. Es sind Mitglieder der SPD-Ortsvereine Glinde, Barsbüttel und Oststeinbek als Gäste des Kollegen Martin Habersaat. - Ich heiße Sie im Kieler Landeshaus ebenfalls herzlich willkommen!

(Beifall)