Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

Meine Damen und Herren, wir haben zur Kenntnis zu nehmen: Erstens. Die Zahl der Mannschaftssportarten geht aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und des großen Angebots weiterer Sportarten zurück. Sport wird auch von Jüngeren inzwischen

(Lars Harms)

häufig ganz bewusst aus gesundheitlichen Gründen ausgeübt. Zweitens. Hinzu kommt das deutliche Wachstum des sogenannten informellen, also des nicht vereinsgebundenen Sporttreibens. Drittens. Ein großer Teil des Sports spielt sich zunehmend in Räumen ab, die nicht von den kommunalen Sportverwaltungen betreut werden, sondern etwa von Grünflächenämtern, der Stadtplanung, dem Schul-, dem Sozial- oder dem Jugendamt. Kurz gesagt: Sport findet mittlerweile nicht mehr nur auf Sportplätzen, sondern überall statt.

Es wird in Zukunft wichtiger werden, den öffentlichen Raum insbesondere für sportliche Menschen bewegungsfreundlicher zu gestalten und nicht mehr nur ausgewählte Sportstätten, die möglicherweise eingezäunt und mit sonstigen Problemen behaftet sind.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ein weiteres Beispiel: Besonders kleinere und mittlere Vereine spüren die Auswirkungen des kommerziellen Sports und verzeichnen spürbare Mitgliederrückgänge. Vereine, die dem Trend folgen können, und große, hauptamtlich geführte Vereine, die sich professionalisieren und ihr Angebot regelmäßig anpassen, haben dagegen gute Entwicklungschancen. Das heißt: Der gemeinwohlorientierte Sport, der landläufig als Breitensport bezeichnet wird, erlebt nach allen Regeln der Marktwirtschaft einen Verdrängungswettbewerb.

Wenn dieser Wettbewerb verloren ginge, könnte nur, wer sich Sport noch erlauben kann, diesen betreiben. Ich glaube nicht, dass das unser aller Ziel ist.

Damit besteht die Gefahr einer Abkehr von der Gemeinwohlorientierung. Dies abzuwenden, muss eine Aufgabe der Zukunft sein - für die Politik ebenso wie für die Sportorganisationen -, insbesondere vor dem Hintergrund des politischen Ziels, allen Menschen Zugang zum Sport zu ermöglichen und keine Ausgrenzung aufgrund eines Wohnortes oder der ökonomischen Lage zuzulassen.

Um den Sport in unserem Land auf diese veränderten Umstände hin anzupassen und auch in Zukunft seine vielfältigen gesellschaftlichen Funktionen zu sichern, brauchen wir eine sportpolitische Gesamtsicht. Wir müssen die künftigen Herausforderungen des Sportlandes Schleswig-Holstein betrachten, um daraus Handlungsvorschläge für Vereine, Verbände, Kommunen, Gemeinschaften und auch für die Landesregierung zu erarbeiten.

Für dieses Ziel soll eine - vorhin wurde es schon wiederholt genannt - landesweite wissenschaftliche Expertise der gesellschaftlichen und sportpolitischen Entwicklung für die nächsten 20 Jahre in Auftrag gegeben werden, die von meinem Haus eng begleitet wird. Der Sport, die Kommunen, die kommunalen Landesverbände sowie die Bürgerinnen und Bürger sollen einbezogen werden.

Die Untersuchung muss die künftigen Interessen sowohl der Bevölkerung als auch des organisierten Sports und der kommunalen Sportstättenplanung gleichermaßen auswerten und miteinander verbinden. Nur so können wir daraus die künftige Entwicklung des Breiten- und Freizeitsports und ebenso die des Leistungs- und Spitzensports ableiten und gezielt fördern.

Wir werden noch in diesem Jahr die ersten Schritte gehen. Die ersten Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung möchten wir bis Ende kommenden Jahres ermitteln. 2020 könnte geeignet sein, den „Zukunftsplan Sportland Schleswig-Holstein“ - unter diesem Titel arbeiten wir an dem Thema - vorzulegen. Dies sind ehrgeizige Ziele. Ich kenne bisher allerdings keine so breit angelegte Untersuchung aus anderen Bundesländern.

Meine Damen und Herren, noch einmal: Zukunftsplan heißt nicht die Zusammenführung vorhandener Angebote und Möglichkeiten. Zukunftsplan heißt insbesondere Evaluation und Ermittlung der Zukunftsbedarfe.

Ich möchte noch eines sagen: Bei dem damit einhergehenden finanziellen und personellen Aufwand hoffe ich auch zukünftig auf Ihre Unterstützung. Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat die Frau Abgeordnete Barbara Ostmeier.

Frau Präsidentin! Eigentlich hatte ich gedacht, ich hielte meinen Dreiminutenbeitrag vor der Rede des Ministers. Wir haben aber einen so perfekten Sportminister, der einen so guten Vortrag gehalten hat, der in Gänze beinhaltete, was ich sagen wollte. Er hat noch einmal erklärt, was der Unterschied zwischen Sportentwicklungsplanung und Sportstättenplanung ist. Er hat noch einmal das Verhältnis von der Unterstützung kommunaler Sportstättenplanung

(Minister Hans-Joachim Grote)

zur Landesplanung - die perspektivische Ausrichtung, die wir auf den Weg bringen wollen - erklärt. Besser kann man es gar nicht ausdrücken.

Ich möchte noch einmal dafür werben, dass das gesamte Haus sich heute in einer Abstimmung in der Sache hinter den Antrag stellt. Dieser Antrag ist als Auftrag an die Landesregierung zu verstehen gewesen. Wir haben sehr strukturiert vieles aufgenommen, was wir als Idee hatten und was dort hineinfließen sollte. Dieses wird letztendlich im Ministerium auf den Weg gebracht, wenn man sich entschieden hat, wer es wissenschaftlich begleitet.

Ich bin mir sicher, dass wir im Innen- und Rechtsausschuss, sobald es Ergebnisse gibt, einen Bericht dazu erhalten, um dann sagen zu können: Wie sind die Vorstellungen? Was ist noch wichtig? - Selbstverständlich sind die Vereine einer der wichtigsten Gesprächspartner und auch Partner der Evaluation, die wir auf den Weg bringen wollen.

Ich würde mich im Sinne des Sports freuen, wenn wir dies gemeinsam tragen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag, Drucksache 19/255, dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Nein, nicht über- weisen! Abstimmung in der Sache!)

- Nein, es ist Überweisung an den Ausschuss beantragt worden. Wer ist gegen eine Überweisung in den Ausschuss? - Damit ist die Überweisung in den Ausschuss mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag, Drucksache 19/255, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Gibt es Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag, Drucksache 19/255, mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, AfD und SSW gegen die Stimmen der SPD-Fraktion angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Zukunftslabor soziale Sicherung

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/224

Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/267

Verlässlichkeit der sozialen Sicherungssysteme ausbauen

Alternativantrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/273

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Dr. Marret Bohn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein soziales Thema aus dem Koalitionsvertrag hohe Wellen schlägt, dann ist es das Zukunftslabor zur sozialen Sicherung. Für uns Grüne kann ich nur sagen, dass es gut ist, dass es Wellen schlägt. Erst die Koalitionsverhandlungen, heute der Landtagsbeschluss: Ich freue mich riesig, dass wir einen Schritt weiterkommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Unser soziales Netz ist gut, aber es hat auch Lücken. Daher ist es richtig und wichtig, dass wir immer wieder nachbessern und gucken, wie wir die Maschen des sozialen Netzes enger knüpfen können, damit sich nicht noch mehr Menschen abgehängt fühlen.

Die Digitalisierung wird unsere Arbeitswelt stark verändern. Es gibt viele Menschen, die sich über neue Arbeitsplätze und neue Chancen freuen. Es gibt aber auch viele Menschen, die sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, wenn die Digitalisierung voranschreitet. Gleichzeitig nimmt die Armut in Schleswig-Holstein zu. Die soziale Frage muss in Zeiten der Digitalisierung neu beantwortet werden. Eins sollte uns allen nicht nur in der Sozialpolitik klar sein: Armut ist Sprengstoff für unsere Demokratie. Deswegen sind alle Demokratinnen und Demokraten klug beraten, Armut in allen Facetten konsequent zu bekämpfen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

(Barbara Ostmeier)

In Schleswig-Holstein leben 40.000 Menschen von der Grundsicherung im Alter - doppelt so viele wie vor einigen Jahren, Tendenz steigend. Für uns Grüne ist völlig klar: Niemand sollte in einem reichen Land in Armut leben müssen. Das ist unser Ziel, und da wollen wir hinkommen.

Unser Jamaika-Bündnis wird bundesweit ganz genau beobachtet, weil es etwas völlig Neues ist. Ich freue mich darüber, dass wir uns beim Ziel in Jamaika einig sind. Wir wollen im Zukunftslabor mit Sozialverbänden, mit Gewerkschaften, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über den Weg zum Ziel diskutieren. Das Ergebnis werden wir, wenn es vorliegt, auf die Bundesebene tragen. Damit machen wir unser Land fit für die Zukunft und stellen uns den Herausforderungen der Zeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Kurzem hat es etwas ganz Ungewöhnliches gegeben, was ich vor einigen Jahren noch gar nicht für möglich gehalten hätte: Wir haben eine gemeinsame Fraktionssitzung mit CDU, Grünen und FDP durchgeführt. Es war sehr interessant, Professor Straubhaar zuzuhören und uns seine Vorstellungen eines Grundeinkommens einmal anzuhören. Das zeigt sehr deutlich: Wir meinen es ernst mit Jamaika. Wir wollen bisherige Denkbarrieren abbauen und zukunftsorientiert neue Lösungswege finden.

Ich habe mit dem Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, schon einmal über diese Ideen gesprochen und in einer gemeinsamen Veranstaltung diese Ideen gesammelt. Auch diese werden in den Prozess einfließen.

Eines ist mir persönlich noch einmal ganz besonders wichtig: Wir versprechen nicht, dass morgen alle Menschen in Schleswig-Holstein ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Wir versprechen, dass wir offen sind für die beste Lösung. Wir versprechen, dass wir uns auf den Weg machen, und wir versprechen ganz klar, dass wir mit Jamaika nach neuen Antworten auf die soziale Frage suchen.

(Beifall Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit machen wir uns bundesweit zum Spitzenreiter und setzen uns an die Spitze einer Bewegung eine Bewegung, die auch in Finnland schon ordentlich Schwung aufgenommen hat. Dort findet bereits ein Modellversuch statt. Wie ich gehört habe, gibt es in der Stadt Flensburg Aktivitäten, und es besteht Interesse daran, zur Modellregion zu werden.

Unsere Antworten aus dem Zukunftslabor gehen an die Bundesebene. Ich sage ganz deutlich: Wenn es auf der Bundesebene Jamaika geben sollte, würde ich mich freuen, wenn auch dort Diskussionen über den neuen sozialen Staat, über die neue Beantwortung der sozialen Frage geführt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen vom SSW: Für uns ist es selbstverständlich, dass Gewerkschaften und Sozialverbände mit dazugehören. Wir stimmen dem Antrag gern zu und freuen uns über die weitere Diskussion im Zukunftslabor. Ich freue mich jetzt, dass wir den Startschuss für das Zukunftslabor geben. - Vielen Dank.