Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Lars Harms [SSW])

Denn nur so kann es uns gelingen, Akzeptanz tatsächlich auch langfristig zu erreichen. Das gelingt nicht, wenn innerhalb von wenigen Stunden - richtigerweise! - über Wirtschaftshilfen entschieden, aber monatelang über soziale Hilfen diskutiert wird. Genau dann geht die Akzeptanz verloren. Deswegen war es ein Problem, dass dieses Thema so diskussionslos und leise dahingedriftet ist und das Mietenmoratorium ab Juli 2020 einfach weg war, und zwar ersatzlos. Das Problem blieb bestehen; aber die Lösungen sind wir weiterhin schuldig geblieben. Wir sollten uns mit Expertinnen und Experten zusammensetzen und die Probleme des Alltags erörtern aus der Perspektive der Vermieterseite, aber gefälligst auch aus der Perspektive der Mieterseite. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat Jan Marcus Rossa von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Stegner, dieser Ausfall von Ihnen war echt nicht nötig.

(Beifall FDP, CDU und AfD)

Ich will Ihnen einmal zugutehalten, dass Sie hier einen Rettungsversuch unternommen haben, diesen wirklich schlechten Antrag irgendwie über die Ziellinie zu tragen.

(Heiterkeit FDP)

Wir alle haben uns ja dafür ausgesprochen, dass dieser Antrag in den Ausschuss kommt. Wir haben aber nicht ohne Grund darauf verzichtet, hierzu einen Änderungs- oder Alternativantrag einzubringen; denn Ihr Antrag ist einfach so hundsmiserabel schlecht. Das schreibe ich Ihnen hiermit ins Stammbuch.

(Beifall FDP, CDU und AfD)

Dann ist es überhaupt keine Art, sich hier in dieser Art und Weise am Kollegen Kilian abzuarbeiten.

(Zurufe SPD: Der Arme!)

Dann machen Sie auch noch einen entscheidenden Fehler: Sie bezeichnen ihn als „Vertreter der Vermieterseite“. Seine Beispiele waren aber die der Mieter! Er vertritt Mieter, nicht Vermieter, Herr Stegner. Das hätte man auch wahrnehmen können.

(Beifall FDP, CDU, Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Mit dieser Art von Polemik helfen Sie den Menschen, die unsere Hilfe brauchen, überhaupt nicht.

(Beifall FDP, CDU und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Was wir hier deutlich gemacht haben, und insofern bin ich -

Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Rossa?

(Lasse Petersdotter)

Herr Kollege Rossa, mit Ihnen habe ich mich noch gar nicht beschäftigt; aber ich will das gern tun.

(Heiterkeit SPD)

- Na, das wird ja spannend.

Ich habe sehr wohl verstanden, dass er von Mietern gesprochen hat. Aber er hat von Mietern gesprochen, die keinen Cent in die Rentenversicherung einbezahlt haben. Er hat so getan, als ob Millionen Mieter nicht verstanden hätten, dass das Gesetz keineswegs besagt, man müsse seine Miete nicht mehr bezahlen; das war die Unterstellung. Das finde ich, ehrlich gesagt, in der Tat ein bisschen schnöselig. Vielleicht kennt er solche Leute nicht; wir kennen sie schon. Sie haben zwar in der Sache genauso falsch vorgetragen, aber nicht mit ganz so abwegigen Argumenten; deswegen habe ich Sie bisher in Ruhe gelassen.

(Lachen FDP und CDU)

Aber wenn Sie jetzt dem Kollegen Kilian beipflichten, dann will ich Sie schon fragen: Wo ist - wenn Sie angeblich den Betroffenen helfen wollen, nicht solche Mietschulden anzuhäufen - eigentlich Ihre Initiative? Was ist Ihr Beitrag dazu, den Mieterschutz zu stärken? Vielleicht können Sie mir das einmal verraten, anstatt nur zu behaupten, unser Antrag sei schlecht.

- Ganz ehrlich: Die Coronapandemie ist keine Frage, den Mieterschutz zu stärken. Das hat nichts damit zu tun. Wir haben ein hervorragend funktionierendes Zivilrecht; das funktioniert auch durchaus in der Krise, wie wir wissen.

Ich habe sehr deutlich gesagt, dass es gute Argumente gegeben hat, im März 2020 ein solches Mietenmoratorium befristet für drei Monate auf den Weg zu bringen, weil es notwendig gewesen ist, sich die Situation, die Auswirkungen der Coronapandemie, insbesondere die finanziellen Auswirkungen, genau anzusehen und Mieter hier nicht in die Verlegenheit zu bringen, dass sie mit fristlosen Kündigungen wegen Mietverzugs rechnen müssen. Das war der Grund.

Das Problem ist aber geblieben: Die finanzielle Belastung, die Verschuldung, die damit einhergegangen ist, das alles sind Argumente, die Sie mit Ihrem Antrag einfach ausblenden. Ich finde, es ist Ihnen auch vorzuwerfen, wenn Sie sich hier starkmachen

wollen für schutzbedürftige Mieter, dass Sie diese Dinge ausblenden.

Was ich überhaupt nicht ertragen kann, das ist die Einseitigkeit, wie Sie Menschen stets und ständig in zwei unterschiedliche Lager aufteilen: auf der einen Seite den sozial schutzbedürftigen Mieter, auf der anderen Seite die Raubkatze in Form von Vermietern in unserer Gesellschaft. Das ist, mit Verlaub, unerträglich.

(Beifall FDP und CDU - Wortmeldung Dr. Ralf Stegner [SPD])

Herr Abgeordneter Rossa, erlauben Sie -

Ich sage Ihnen an der Stelle noch etwas. Ihre Art und Weise, wie Sie Wohnungspolitik betreiben, führt genau zu dem gegenteiligen Effekt, den wir eigentlich erzielen wollen, dass nämlich da, wo Wohnraum gebraucht wird, dieser auch gebaut wird.

(Beifall FDP und CDU)

Aber alles, was Sie machen, ist Investitionsverhinderung. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Erlauben Sie noch eine weitere Zwischenbemerkung oder Frage?

Herr Kollege Rossa, ich stelle fest, dass der Markt jedenfalls gut funktioniert, wenn es um den Bau von Luxuswohnungen geht. Er funktioniert aber weniger gut, wenn es um bezahlbares Wohnen geht.

(Widerspruch FDP)

Sie sagen, es gehe nicht um Mieterschutz. Ich sage Ihnen: Es geht sehr wohl um Mieterschutz. Wenn wir, übrigens mit unseren Stimmen, dafür sorgen, dass es Wirtschaftshilfen gibt, teilweise 75 % der Umsätze des letzten Jahres, wenn wir mit unseren Stimmen dafür sorgen, dass Wirtschaftshilfen verlängert werden bis in den Juni nächsten Jahres, Sie dann aber sagen, das mit dem Mieterschutz

(Jan Marcus Rossa)

muss aufhören im Juni diesen Jahres, dann finde ich das eine sehr einseitige Betrachtungsweise, Herr Kollege Rossa. Dann dürfen Sie uns nicht verübeln, dass sich die sozialdemokratische Fraktion in diesem Haus an die Seite derjenigen stellt, die als Mieterinnen und Mieter größere Probleme haben als andere Gruppen, denen wir helfen. Das ist der Punkt.

(Beifall SPD)

- Herr Stegner, es wäre ja schön, wenn Sie sich an die Seite der schutzbedürftigen Mieter stellen würden. Nur, die Mittel, die Sie hier in Kraft setzen wollen, bewirken das Gegenteil; die fördern Verschuldung, während ich deutlich gesagt habe - und da habe ich die Koalition hinter mir -: Wir müssen dafür sorgen, dass Mieter in die Lage versetzt werden, zum Beispiel durch das Instrument des Wohngeldes, dass sie ihre Mieten zahlen können, damit überhaupt keine Schulden entstehen können. Ich verstehe gar nicht, was daran so schwer zu begreifen ist. Das ist Mieterschutz, Herr Stegner.

(Beifall FDP und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])

Es ist wirklich ärgerlich.

Ich möchte jetzt noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, der jüngst durch die Presse gegangen ist, nämlich auf die Bemühungen, das Rechtsinstitut der gestörten Geschäftsgrundlage zu ändern, einseitig und mit der Begründung, dass man die Verhandlungsposition von Mietern verbessern möchte. Ihre Justizministerin in Berlin hat ja nicht einmal begriffen, was das Institut der gestörten Geschäftsgrundlage bedeutet. Das hat nichts mit Verhandlung zu tun. Da tritt eine Vertragsänderung kraft Gesetzes ein. Was ist denn das für ein Irrsinn, den Sie da fabrizieren?

Sie denken Ihre Maßnahmen nie zu Ende, und Sie haben immer einen Schuldigen parat; das ist der Vermieter, und auf der anderen Seite gibt es den braven und schutzbedürftigen Mieter. Das ist einfach zu simpel. So lösen Sie das Problem der Mieter in diesem Land mit Sicherheit nicht. Das muss hier so deutlich gesagt werden. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall FDP und CDU)

Das Wort hat Lukas Kilian von der CDU-Fraktion.