- Okay. Die Information ist für uns hier oben neu. Dann freuen wir uns sehr, dafür den Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, HansJoachim Grote, zu hören.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Die Windenergie ist ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor in SchleswigHolstein. Ich glaube, das steht völlig außer Frage. Das wollen wir alle sichern. Ich glaube, alle hier im Raum wollen das. Wir sprechen also nicht mehr nur über das Ob, sondern wir sprechen über das Wo und das Wie. Aber - das müssen wir doch zur Kenntnis nehmen - es ist uns allen doch bewusst, dass der Ausbau der Windenergie bei den Menschen im Land auf Vorbehalte stößt und große Sorgen auslöst. Damit haben wir uns einfach auseinanderzusetzen.
Vielleicht erinnern Sie sich noch: Wenige Monate vor der Landtagswahl veröffentlichte der NDR eine Umfrage, die genau das bestätigte. Die Art und Weise des Ausbaus hat die Menschen verunsichert so die Aussage. Die Konsequenz ist: Die große gesellschaftliche Mehrheit für diese nachhaltige Form der Energiegewinnung beginnt zu bröckeln. Deshalb wollen und müssen wir die in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen in diesem sensiblen Bereich überdenken und bisweilen überprüfen und verändern. Daher arbeiten wir mit Hochdruck an der Auswertung der rund 6.500 Einwendungen. Ich möchte überhaupt nicht darüber philosophieren, wie und weshalb sie zustande gekommen sind und wer sie geschrieben hat. Sie sind auf den Weg gebracht worden.
Wir haben ihre Prüfung eingeleitet, und ich bin froh, dass es so viele Menschen gibt, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Wir werden jedes der Probleme, jedes der Argumente, jede Stellungnahme im Einzelnen und sehr dezidiert überprüfen. Am Ende des Prozesses wird jede Einwenderin, jeder Einwender in einer Synopse nachlesen können, wie wir mit den Argumenten umgehen, wie wir sie bewerten und wie sie in unsere weitere Planung einfließen.
Denn eines ist wichtig, nämlich dass das Ganze langfristig wirksam wird. Wir wollen gemeinsam eine Energiewende in Gesamtdeutschland auf den Weg bringen. Darüber hinaus relevante Projekte können nur mit der größtmöglichen Akzeptanz aller Menschen umgesetzt werden. Wir wollen und müssen die Energiewende mit den Menschen, mit der Zustimmung der Gesellschaft, gerade in unserem Land umsetzen.
Deshalb lautet mein Ziel: so viel Windenergie wie für die Energiewende nötig, aber auch mit so wenig Belastungen wie eben möglich. Bis 2025 soll die Windenergienutzung im Land einen Beitrag von 10 GW installierte Leistung erbringen. Das ist der Auftrag, den wir haben.
Dreh- und Angelpunkt eines verträglichen Windenergieausbaus im Binnenland ist eine verantwortungsvolle Regionalplanung, die die Folgen des Ausbaus der Windenergie für Mensch, Landschaft und Natur so gering wie möglich hält. Wie ist dieses Ziel zu erreichen? Das ist die naheliegende Frage. Sie haben sie an vielen Stellen schon sehr emotional diskutiert.
Natürlich ist bei einem Thema von derartiger Komplexität - ich erinnere an die 6.500 Einzelbewertungen und Stellungnahmen - keine Änderung in kurzer Zeit möglich. Wir streben eine Kabinettsbefassung des zweiten Planentwurfes Mitte 2018 an. Die Anhörung zum zweiten Entwurf liefe dann bis Ende 2018/Anfang 2019.
Einige wesentliche Meilensteine zur Neuausrichtung der Regionalplanung hat die neue Landesregierung bereits in den ersten 100 Tagen beschlossen. Für die Aufstellung des zweiten Planentwurfs haben wir einen gemeinsamen Zeitplan der Regionalplanung Windenergie vereinbart. Schwerpunkte bis Ende des Jahres sind die Auswertung der Stellungnahmen zum ersten Entwurf und die Überarbeitung des Kriterienkatalogs. Bei der Überarbeitung des Kriterienkatalogs haben wir bereits eine erste Vorauswahl getroffen. Doch welche Kriterien wir unverändert belassen und über welche wir in eine vertiefende Auseinandersetzung eintreten wollen und müssen, liegt nur zum Teil in unserer eigenen Hand.
Unverändert bleiben die harten Tabukriterien, da sie sich dem Einfluss der Landesregierung entziehen. Dazu gehören erstens die Innenbereiche der Siedlungen, der Nationalpark Wattenmeer und militärische Liegenschaften; zweitens die sicherheitsrelevanten Kriterien, wie zum Beispiel die Verbotszonen entlang von Straßen und Schienen; und drittens die technischen Ausschlusskriterien, wie zum Beispiel Hochspannungsanlagen. Schließlich gehören dazu auch die Kriterien, bei deren Veränderungen absehbar überhaupt kein relevanter Flächengewinn zu erwarten wäre.
Planentwurfs orientieren kann und soll, haben wir ebenfalls festgelegt. Beispielsweise sind uns folgende vier Bereiche wichtig. Erstens wollen wir die vielen kleinen Gemeinden Schleswig-Holsteins von der schwierigen Aufgabe und dem rechtlichen Risiko einer gemeindlichen Windenergieplanung entlasten. An einer zentralen Steuerung der Windenergie durch das Land in Form einer Regionalplanung halten wir daher weiterhin fest.
Zweitens streben wir eine Konzentrationsplanung an. Den oft beklagten Wildwuchs der Jahre vor 1997 wollen wir sukzessive zurückbauen. So kommen wir an vielen Stellen auch zu einer echten Entlastung der Landschaft und der Bevölkerung. Im Umkehrschluss sollen also Einzelanlagen vermieden und bestehende außerhalb der Vorranggebiete am Ende ihres Bestandsschutzes sukzessive rückgebaut werden.
Drittens richten wir unsere Planung am Energieziel von 10 GW installierter Leistung aus und nicht an einem frei gegriffenen Flächenziel.
Viertens werden wir eine Referenzanlage mit 3 MW Leistung und 150 m Gesamthöhe zur rechnerischen Grundlage der Planungen machen. Das ist insgesamt so abgestimmt. Das heißt nicht, dass nicht auch größere Anlagen gebaut werden können - selbstverständlich. Wir streben nach einer Lösung, dass diese dann aber auch einen deutlich größeren Abstand zu Wohngebieten einhalten.
Meine Damen und Herren, wie wir diese Grundsätze mit dem Lösungsauftrag verbinden, ist Gegenstand dieser Prüfung. Denn die Rechtssicherheit hat weiterhin eine hohe, sehr hohe Priorität für den gesamten Planungsprozess. Unsere Entscheidungen sollen und müssen am Ende gerichtsfest sein.
Ich will überhaupt nicht über Vorwürfe oder Diskussionen der Vergangenheit sprechen. Wir haben das ist hier wiederholt gesagt worden - ein gemeinsames Ziel für die Zukunft vor Augen. An dem Windmoratorium, also der vorläufigen Unzulässigkeit von neuen Windkraftanlagen laut Landesplanungsgesetz, hält die Koalition ausdrücklich fest. Wir brauchen den gesetzlichen Schutzschirm weiterhin, um die in Aufstellung befindlichen Windenergieregionalpläne nicht zu gefährden. Anfang 2018 werden wir über eine eventuelle Verlängerung des Moratoriums entscheiden.
Herr Hölck, ich werde gleich noch einmal auf Ihre Einwendungen zurückkommen. Wir haben auch den weiteren Umgang mit Ausnahmegenehmigun
gen vereinbart. Konkret: Wir legen restriktivere Bedingungen fest, um Widersprüche mit den Prüfaufträgen des Koalitionsvertrages zu vermeiden.
Meine Damen und Herren, die gesetzlich vorgesehene Kombination aus Moratorium und Ausnahmesteuerung hat sich bewährt. Sie haben es, sehr verehrter Herr Hölck, vorhin gesagt, und ich nehme Ihre Sorgen wirklich sehr ernst: 693 Anlagen mit einem dahinterstehenden Investitionsvolumen warten auf Ausnahmegenehmigungen. Das sind Aufträge, die hier der Wirtschaft möglicherweise zur Verfügung gestellt werden könnten. Aber die Zahl der Anträge, meine Damen und Herren, so fair sollten wir auch miteinander umgehen, sagt überhaupt noch nichts darüber aus, wie viele von ihnen tatsächlich genehmigungsfähig wären. Ich habe gerade noch einmal mit den Kollegen aus der Landesplanung gesprochen, um diese Zahlen zu hinterfragen. Nicht alles, was beantragt wird, ist auch genehmigungsfähig. Eine Zahl dazu als Beispiel: Lediglich 287 der genannten Anlagen liegen innerhalb des im ersten Entwurf veranschlagten und vorgeschlagenen Vorranggebietes. Wenn wir also dieses erste Vorranggebiet zugrunde legen, liegen von diesen 693 Anträgen lediglich 287 in diesem Vorranggebiet. Das heißt, nach derzeitiger Betrachtung der Vorranggebiete wären alle anderen Anlagen gar nicht genehmigungsfähig. Bei diesen 287 Anlagen, die in dem Gebiet liegen, kommen weitere Ausschlusskriterien hinzu, sodass sich die Zahl noch weiter signifikant reduzieren wird.
Meine Damen und Herren, wir haben seit der Einführung des Moratoriums über 380 Windkraftanlagen über Ausnahmegenehmigungen eine Genehmigung erteilt. Das heißt, trotz der schwierigen Situation nach der Aufhebung der Windenergieregionalpläne durch das OVG hat es keinen Fadenriss beim Ausbau gegeben - aber auch keinen Freifahrtschein. Damit halten wir uns strikt an die Logik des Moratoriums, an den Auftrag dieses Landtages, nämlich den weiteren Ausbau so zu steuern, dass er die späteren Regionalpläne nicht konterkariert.
Ihr zweiter Einwand, sehr geehrter Herr Hölck, ist berechtigt, die Frage: Was ist die Situation, wenn dieses Moratorium am 30. September ausläuft? Ich selber als langjähriger Bürgermeister weiß, wie es mit Verfahren ist, wie es mit einer weiteren Verlängerung aussieht. Aber wir haben - gucken Sie bitte in § 18 Absatz 2 Landesplanungsgesetz - immer noch die Möglichkeit, entweder im Einzelfall oder im Rahmen von Allgemeinverfügungen für einen bestimmten Zeitraum, wenn eine Verlängerung des Moratoriums nicht möglich wäre, darauf Einfluss
zu nehmen. Das heißt, dem Wildwuchs, den wir alle fürchten, könnte zumindest mit den derzeit bestehenden rechtlichen Möglichkeiten des § 18 Absatz 2 Landesplanungsgesetz gegengesteuert werden.
Meine Damen und Herren, in der Ausnahmeprüfung, die wir erteilen, wird sichergestellt, dass die Interessen der Antragsteller auch mit allen Schutzbelangen vor Ort in Einklang gebracht und sorgfältig abgewogen werden.
Schleswig-Holstein ist - ich glaube, darauf sind wir wirklich stolz - die Wiege der Windenergie. Von hier aus trat diese Technologie ihren Siegeszug an. Auch in der Bundesgesetzgebung ist Wind längst ein Teil der als Energiewende bezeichneten grundlegenden Strukturveränderungen in unserer Republik.
Doch wir wissen heute auch, die Aufstellung von Windrädern löst bei den Menschen in unmittelbarer Umgebung beileibe nicht nur Begeisterung aus. Ihre Sorgen und ihre Einwände wollen und - ich meine - müssen wir auch berücksichtigen. Mir ist nicht bekannt, dass sich irgendjemand hier im Raum bewusst über berechtigte Sorgen von Menschen in unserem Land hinwegsetzen will oder wird. Deshalb wird die Überprüfung des Kriterienkatalogs, des Planungskonzeptes und des Repowering-Konzeptes zügig, aber auch mit der notwendigen Sorgfalt und unter Beachtung ihrer Sorgen, die auch unser Haus teilt und die auch ich teile, vorangetrieben. Überhastete Entscheidungen bringen uns höchstens wieder schnell vor Gericht, aber nicht schnell zu einer bestandskräftigen Lösung.
Wir alle wollen die Akzeptanz für diese Innovation, für diese gute, für diese neue Technologie erhöhen. Das gelingt nur, wenn wir mit den Beteiligten ins Gespräch kommen. Nur so kann dieses Vorhaben gelingen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das gemeinsam mit diesem Haus insgesamt schaffen.
Meine Damen und Herren, ich fand diese Diskussion sehr befruchtend und anregend, aber ich glaube, sie zeigt auch, dass wir alle gemeinsam an einer Lösung zu diesem Thema in diesem Land arbeiten. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 2 Minuten 40 Sekunden überschritten. Diese Redezeit steht jetzt auch den Fraktionen jeweils zur Verfü
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Herr Innenminister, für den angenehm sachlichen Beitrag zu diesem Thema, der aber nicht über das hinwegtäuscht, was wir in der Debatte gesehen haben, nämlich das sehr unterschiedliche Verständnis der Koalitionspartner zum Thema Energiewende. Die Frau Kollegin Nicolaisen hat gesagt, die Energiewende habe nach Fukushima begonnen. Dazu kann ich nur sagen: Nach Fukushima hat der Ausstieg aus dem Ausstieg von Frau Merkel begonnen. Das hat da begonnen, aber die Energiewende hat sehr viel früher begonnen - in Schleswig-Holstein übrigens 1988, wo wir von 0,02 % Anteil regenerativer Energien an der Energieerzeugung auf über 40 % gekommen sind. Insofern ist das, was Sie sagen, ein richtiges Märchen.
Das zweite ist, Sie haben die Bürgerferne der Energiewendepolitik in der Küstenkoalition beklagt. Der Kollege Voß hat gesagt, das Gütesiegel, Energiewendeland zu sein, sei passé, so wie das mit den glücklichsten Menschen auch. Das sei nur auf Zeit vergeben. Dazu kann ich nur sagen: Der Energiewendeminister in beiden Legislaturperioden hieß Robert Habeck. Er hat heute dazu geschwiegen. Das ist Kritik an ihm, wenn Sie das hier so vortragen. Vielleicht sollten Sie sich innerhalb der Koalition einmal verständigen, was Sie da nun richtig und was Sie falsch finden. Das ist weniger Kritik an uns, sondern das ist Kritik an dem Energiewendeminister.
- Zu Herrn Albig komme ich jetzt. Die Frau Kollegin Nicolaisen hat nämlich interessanterweise zur Energiewendepolitik gesagt, das seien nur die Wahlkampfversprechen der CDU gewesen, und man sei jetzt halt in einer Koalition.
Ich erinnere mich daran, dass Herr Günther ganz persönlich den Bürgerinnen und Bürgern versprochen hat, dass die Energieziele erreicht werden und die Abstände größer werden. Herr Albig hat ihm seinerzeit entgegengehalten, dass wir uns an Recht und Gesetz zu halten haben und dass wir Wildwuchs bekommen, wenn wir das so machen. Herr Ministerpräsident, wir werden Sie am Ende genau
daran messen, was dabei herauskommt. Wir werden Sie nicht daran messen, was Sie heute sagen, sondern daran, was am Ende dabei herauskommt. Sie können sicher sein: Auf das Protokoll dieser Landtagssitzung beziehen wir uns noch.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Herr Kollege Kumbartzky, Sie haben durchaus Talent, auf der Dithmarscher Volksbühne das Rumpelstilzchen zu geben,
aber in der Sache liegen Sie daneben, denn wir haben es hier in der Tat mit einer Branche zu tun, die tatsächlich für Innovation und für Arbeitsplätze sorgt und die sehr genau darauf guckt, ob die Zeiten eingehalten werden oder nicht. Das führt dazu, dass im Zweifelsfall eine ganze Menge an Arbeitsplätzen gefährdet werden.
Der DGB-Vorsitzende Uwe Polkaehn hat gestern beim parlamentarischen Empfang des Deutschen Gewerkschaftsbundes darauf hingewiesen, dass ganz viele Menschen um ihre Arbeitsplätze bangen, wenn das passiert, was sehr wahrscheinlich ist, weil Sie sich nicht vernünftig verständigen können, dass am Ende also viele Arbeitsplätze verloren gehen und viele Investitionen nicht stattfinden können und dass dann das eintritt, was Herr Voß gesagt hat, nämlich dass wir unseren Vorsprung als Energiewendeland Schleswig-Holstein verlieren werden.
Genauso wird es dann möglicherweise kommen. Das wollen wir gemeinsam verhindern. Ansonsten schließe ich mich dem an, was der Kollege Harms über den Planungsprozess gesagt hat. Dass wir das größte Bürgerbeteiligungsverfahren eingeleitet haben, spricht nicht gegen die Vorgängerregierung, sondern für sie, weil wir genau das vermeiden wollten, was entsteht, wenn Sie sich untereinander nicht verständigen können. - Vielen herzlichen Dank.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Kollegin Eka von Kalben das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag.