Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

Ich möchte noch über einen anderen logischen Bruch in diesem Verbotsantrag reden. Sie wollen Buchstaben- und Zahlenkombinationen verbieten, das wurde eben schon ausgeführt, zum Beispiel die 88 oder die 18. Warum? - Weil diese Zahlenkombinationen als Codes genutzt werden. Aber was sind denn Codes in diesem Zusammenhang? - Codes sind Verschlüsselungen, also eine Reaktion auf die Verbote. Was wird wohl passieren, wenn wir jetzt diese Codes verbieten? - Ich hoffe, Ihnen ist die Sinnfreiheit klar geworden.

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Übrigens ist es so, dass das breite Gezeter über so etwas oft erst das Bewusstsein für bestimmte Dinge weckt. Wenn ich also zum Beispiel die Kombination NS auf einem Nummernschild sehen würde, würde ich zunächst einmal überlegen, wen ich mit den Initialen NS kenne und das vielleicht mit einer Nicole Schröder oder einem Nils Simonsen verbinden. Und die haben mit Nationalsozialismus gar nichts zu tun.

Aber lassen Sie mich einen Augenblick so tun, als ob ich den Verbotsweg für sinnvoll hielte. Da müsste die Palette der Verbote ganz schön lang werden: AH ist klar, Adolf Hitler geht nicht. EB für Eva Braun geht auch nicht. HG ist Hermann Göring. AE ist Adolf Eichmann. MB ist Martin Bormann und so weiter, OSB ist Obersalzberg.

(Lasse Petersdotter)

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich bin sicher, wir fänden für fast jede Kombination einen Verbotsgrund. Linke Codes müssten wir selbstverständlich auch verbieten, denn schließlich legen Linke in schöner Regelmäßigkeit unsere Innenstädte in Schutt und Asche und begehen bandenmäßig organisiert schwerste Straftaten.

(Beifall AfD - Zurufe SPD - Volker Schnurr- busch [AfD]: Einen wunden Punkt getroffen! - Unruhe)

Da bleibt dann am Ende gar nichts mehr übrig. Da können wir dann ja dazu übergehen, anstatt Nummernschilder Strichcodes zu vergeben.

(Zurufe SPD - Glocke Präsident)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Kay Richert.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Leider!)

Auf die Malaise mit unseren Nachbarn aus Hamburg ist der Kollege eben schon eingegangen, das muss ich dann nicht sagen. Ich bin freier Demokrat, ich bin Politiker der Mitte.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Wie kommt das denn? - Volker Schnurrbusch [AfD]: Die Stimme der Vernunft!)

Mein Weltbild ist: Ich glaube an den mündigen Bürger. Die gute Nachricht ist doch: Es haben zwar 22 % der Bürger extrem gewählt,

(Jörg Nobis [AfD]: Was heißt hier extrem?)

so viele wie noch nie, seit ich mich erinnern kann, aber 78 % haben es nicht getan. Haben Sie Vertrauen in unsere Zivilbevölkerung! Unsere Demokratie ist doch stark. Solidarität und Toleranz sind doch fest in unserer Gesellschaft verankert. Wann konnte man das besser sehen als 2015?

Ich erkenne deutlich Ihre Intention an, allein mir fehlt der Glaube an die Wirksamkeit. Extreme gibt es, und die wird es auch immer geben, denn auch in der besten Gesellschaft sind immer Enttäuschte und Ewiggestrige. Aber auch geächtete Gesinnungen lassen sich nicht verbieten. Eine echte Demokratie muss das auch aushalten, und sie wird daran nicht zerbrechen. Wir werden die Freiheit und die Rechtsstaatlichkeit gegen die Feinde von links und

von rechts auch verteidigen, da bin ich mir ganz sicher. Unsere Aufgabe ist es, den Bürgern einen Rahmen für ein selbstbestimmtes Leben mit guten Perspektiven zu schaffen. Das ist Arbeit für die Demokratie.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Das machen wir nicht, indem wir immer neue Verbote verhängen, die bei der Mehrheit der Bevölkerung nur Kopfschütteln auslösen. Und dieses Verbot löst Kopfschütteln aus.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Damit bewegen wir uns nämlich zwischen peinlich und Gedankenpolizei.

(Beifall AfD)

Unsere Vergangenheit beinhaltet zwei mörderische und menschenverachtende Diktaturen. Ich wünsche mir, dass wir kritisch und selbstbewusst damit umgehen, dass wir Verantwortung für die Taten und die Folgen der Taten unserer Urgroßväter übernehmen, ohne dabei in Lippenbekenntnisse abzugleiten, dass wir daraus lernen und trotzdem unsere Werte aus sich heraus entwickeln. Ich bin zum Beispiel stolz darauf, wie sich unsere Zivilbevölkerung in der Flüchtlingskrise gezeigt hat. Aber nicht deswegen, weil ich als Deutscher menschlich sein muss, sondern weil mir die Menschlichkeit ein echtes Anliegen ist. Der moralinsaure Zeigefinger, der auch aus diesem Antrag hervorragt, stößt die meisten nur noch ab. - Danke.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Aber sonst fehlt Ih- nen nichts?)

- Ne, eigentlich nicht.

(Beifall FDP, CDU und AfD - Wolfgang Baasch [SPD]: Da müsst ihr noch mal eine Schulung machen! - Weitere Zurufe)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis.

(Birte Pauls [SPD]: Jetzt könnt ihr ja wieder klatschen! - Weitere Zurufe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Sehr geehrte Sozialdemokraten, wenige Tage nach der Bundestagswahl und wenige Tage nach der Wahlschlappe der SPD versuchen Sie nun, sich aus dem Umfragetief zu be

(Kay Richert)

freien. Das ist mehr als verständlich. Frau Nahles hat es ja auch verstanden: Ab jetzt gibt es „in die Fresse“, hat sie gesagt. Sicherlich denken jetzt alle, die SPD wolle wieder die großen sozialdemokratischen Themen anpacken, die die Menschen bewegen, und die sie von der SPD vielleicht auch immer noch hoffnungsvoll erwarten. Das hatte ich wirklich auch gedacht und Sie vielleicht auch, meine Damen und Herren.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich habe erwartet, dass eine vom Korsett der Großen Koalition befreite SPD endlich wieder die großen sozialdemokratischen Themen aufgreift und ihr sozialdemokratisches Markenprofil schärfen wird. Große sozialdemokratische Themen liegen quasi auf der Straße, liebe Genossen. Ich habe gestern bereits darauf hingewiesen: Die Obdachlosigkeit in Schleswig-Holstein hat sich innerhalb von einer Dekade glatt verdoppelt. 10.000 Obdachlose im Land sind offensichtlich aber kein Thema für Sie.

(Beifall AfD)

Ein drastischer Anstieg bei der Zahl der überschuldeten Haushalte - die soziale Teilhabe ist für die betroffenen Menschen deutlich erschwert -: Auch das ist ebenfalls kein Thema für Sie.

Oder ein anderes mögliches SPD-Thema: die Altersarmut, Stichwort „Hartz IV für Rentner“, die oft ihr ganzes Leben hart gearbeitet und in die Sozialsysteme eingezahlt haben - für fast 40.000 Schleswig-Holsteiner reicht die reguläre Rente nicht zum Leben. Seit 2003 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. Auch das ist kein Thema für die Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Es gäbe also in der Tat viele Themen, die wir hier besprechen könnten, viele Themen, die eine SPD jetzt auf einmal offensiv angehen könnte. Selbst ich habe das irgendwie noch erwartet. Aber nein, weit gefehlt. Ich muss wirklich sagen: Mit 20,5 % sind Sie vor diesem Hintergrund noch völlig überbewertet.

(Beifall Claus Schaffer [AfD])

Aufgeschreckt von den vielen Hamburger Kennzeichen auf Schleswig-Holsteins schlechten Straßen bringt die alte Tante SPD hier im echten Norden einen Antrag zur Nazi-Symbolik auf Kfz-Kennzeichen ein. - Welch ein großer sozialdemokratischer Wurf, Herr Dr. Stegner. Sie sind wirklich auf Ballhöhe der Themen, die die Menschen im Land bewegen. Sie rücken die wahren Probleme der Republik und Schleswig-Holsteins in den Fokus der Debatte. Ich gratuliere Ihnen recht herzlich.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Rechstradikalismus ist ein wahres Thema!)

Ob des miesen Zustands der deutschen Sozialdemokratie wäre ich fast geneigt, dem SPD-Antrag schon aus Mitleid zuzustimmen, gäbe es nicht die Verpflichtung des Parlaments, mit Steuergeldern gewissenhaft umzugehen. Sie wollen nicht nur den Verfassungsschutz, der wahrlich mit islamistischen Gefährdern und der massiven Zunahme linksextremistischer Straftäter genug zu tun hat, mit der Aufgabe betrauen, eine umfassende Verbotsliste über Zahlen, Buchstaben und irgendwelche Kombinationen aus beiden zu verfassen. - Welch ein Irrwitz!

Wie muss ich mir das zukünftig denn dann vorstellen? Sehr geehrte Kollege Hartmut Hamerich, sehr geehrter Kollege Andreas Hein von der CDU, würde Ihnen dann von Amts wegen mitgeteilt, dass Sie Ihre Initialen HH beziehungsweise AH nicht mehr im Kennzeichen führen dürfen?

Oder muss dann erst ein persönliches Bedürfnis mit viel Verwaltungsaufwand nachgewiesen werden?

Die wirklich große Frage, die sich mir aber stellt, ist: Wie gehen wir in Schleswig-Holstein mit den vielen Nummernschildern der Freien und Hansestadt Hamburg um? Deswegen beantragen wir als AfD-Fraktion nicht nur die Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss, sondern auch in den Ausschuss für die Zusammenarbeit der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg. - Vielen Dank.

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ein bisschen zur Ernsthaftigkeit zurückkommen.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Zuruf: Genau!)

Ich finde schon, dass es in Ordnung ist, wenn dieses Parlament sich einmal darüber Gedanken macht, ob es irgendwelche Möglichkeiten gibt, die Außendarstellung von Nazis einzugrenzen. Das ist es einfach wert, und wir sollten das tun.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

(Jörg Nobis)