Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

Es ist zu begrüßen, dass sich die Koalition die Energiewende auf ihre Fahnen geschrieben hat.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP])

Eins ist klar. Sie wird nur gelingen, wenn sich eine breite politische Mehrheit dafür starkmacht und dies entsprechend politisch begleitet.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für das Gelingen der Energiewende gibt es noch unzählige Hausaufgaben, die gemacht werden müssen. Daher ist der eingangs im Antrag gewählte Ansatz, Unternehmen und Haushalte zu unterstützen, ebenso notwendig wie die Stärkung von Forschung und Entwicklung, um die Speicher- und Anwendungsmöglichkeiten von Strom voranzubringen Stichwort: Sektorenkopplung.

Denn neben dem Netzausbau gehört dieser Aspekt zu den vordringlichen Aufgaben, um die erneuerbare Energie auch für die Bereiche Wärme und Mobilität verfügbar zu machen. Damit werden gleichzeitig wertvolle Energiespeicherpotenziale genutzt.

Wir stehen in diesem Bereich noch ziemlich am Anfang. Daher müssen dieser Prozess und die Forschung weiter unterstützt und vorangebracht werden. Es ist wichtig und richtig, die entsprechenden Akteure bei uns im Land intensiv zu begleiten. Es sind die innovativen Unternehmen und Forscher, die das Salz in der Suppe der Wirtschaft sind. Sie haben den Blick nach vorn und kommen mit neuen Ideen. Dieses Potenzial gilt es zu fördern.

Ein wichtiger Aspekt ist die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hochschulen. Aber ein erfolgreiches System muss sich immer wieder selbst hinterfragen, wo es noch Potenzial für Verbesserungen gibt. Auch in diesem Punkt sehen wir unsere Politik bestätigt. Dort wo wir selbst tätig werden können oder wo wir als Politik den notwendigen

Gestaltungsspielraum haben, müssen wir handeln, um der Energiewende zum Erfolg verhelfen zu können. Das ist Politik im Sinne des Landes.

Das sehe ich auch so, wenn es darum geht, Hemmnisse abzubauen, auch wenn wir als Landespolitik dafür nicht verantwortlich sind, sprich wenn es um die Ausgestaltung der Strompreisbestandteile geht. Es kann doch nicht sein, dass die Entwicklung dadurch unnötig erschwert wird, dass Nebenkosten, Stromsteuer bei Eigenerwerb oder Doppelbesteuerung auf die Akteure zukommen, sodass unterm Strich die Belastungen höher sind als der Ertrag.

Daher ist es richtig, auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass derartige Belastungen abgeschafft werden, denn sie verhindern die Entwicklung der Sektorenkopplung und der Energiespeicherung. Letztendlich konterkariert der Bundesgesetzgeber die Ziele der Energiewende. Damit gehört endlich aufgeräumt.

Der vorliegende Antrag der Koalition ist umfangreich, und doch sind keine politischen Neuerungen zu erkennen. Vielmehr sehe ich eine Weiterentwicklung der guten politischen Arbeit der Vorgängerkoalition. Aus diesem Grund werden wir den Antrag unterstützen, sollte es nicht zu einer Ausschussüberweisung kommen. - Jo tak.

(Beifall SSW und Burkhard Peters [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich erteile nun dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Dr. Robert Habeck, das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich vier Anmerkungen zu der Debatte machen, die erste stammt aus dem letzten Wahlkampf: Meine Partei hat mit einem großen Plakat mit einem Eisbären darauf für mehr Klimaschutz geworben. Auch ich finde in der Tat, dass eine Welt mit Eisbären eine bessere Welt ist als eine Welt ohne Eisbären. Ich räume aber ein, dass ich noch keinen gesehen habe und wahrscheinlich in meinem Leben keinen sehen werde.

(Zurufe)

Ich sehe allerdings, dass der Klimawandel unmittelbar auch unser Leben betrifft, obwohl wir keine Eisbären sind, weil nämlich eine steigende Erdtem

peratur auf der Welt zu Flucht- und Migrationsbewegungen führen wird, die so oder so uns, die liberale Demokratie, bis an die Grenze der Reißfestigkeit herausfordern wird.

Entweder lassen wir die Menschen nicht rein nach Europa und müssen mit der Schuld leben, dass sie im Mittelmeer ertrinken, oder wir lassen sie rein und müssen, dürfen, sollen sie integrieren. Wenn die Weltbank gesagt hat, dass der Klimawandel bis 2030 100 Millionen Menschen zu Flüchtlingen macht und wir uns überlegen, welche Debatten wir hatten, als 850.000 zu uns gekommen sind - was passiert, wenn 10 % davon nach Europa wollen? Insofern ist der Kampf gegen den Klimawandel ein Kampf für die liberale, freie Gesellschaft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU, SPD, FDP und SSW)

Es fällt auf, dass die Leugner des Klimawandels Putin, Trump, Saudi-Arabien - Politiker beziehungsweise Länder sind, die auf die Verbrennung von fossilen Energien setzen, während die liberale Demokratie in der Regel eine Politik verfolgt, die sich den Herausforderungen, den Klimawandel zu beschränken, stellt.

Zweite Anmerkung. Es ist seit Langem beobachtbar, dass technische Entwicklungen schneller sind als politische Entscheidungen. Das konnte man bei der Energiewende selbst beobachten. Wir, die politische Klasse, haben permanent unterschätzt, wie schnell sich erneuerbare Energien verbilligen, wie stark das Netz erneuerbare Energien aufnehmen kann. Es gab vor 30 Jahren Anzeigekampagnen, mehr als 4 % erneuerbare Energien könnte das Stromnetz nicht vertragen. Wir hatten im letzten Monat zum ersten Mal 44 %. Immer haben wir unterschätzt, was an technischer Entwicklung möglich ist. Das wird mit der Digitalisierung noch viel krasser werden.

Insofern ist es völlig unmöglich, Prognosen zu geben, welche Techniken in 20, in 15, in 10 Jahren verfügbar sind. Wir werden uns vermutlich wundern, was alles geht, was alles möglich ist, in allen Bereichen, Wärme mit der Digitalisierung, Speichern mit der Digitalisierung, Verkehr mit der Digitalisierung.

Die einzige Frage, die wir uns stellen müssen, ist und diese Debatte löst der Antrag aus -: Wie versuchen wir, den Gap zwischen technischer Entwicklung und politischer Entscheidung möglichst klein zu halten? Da hilft natürlich Forschung. Das ist der Hebel, Innovation ins Land zu bringen und das, was

es in dem Bereich an Dynamik gibt, möglichst in politische Entscheidungen umzusetzen.

Insofern ist es allemal richtig, wenn die für sich jeweils super qualifizierten Standorte der Energiewendeforschung in Schleswig-Holstein kooperieren. Ich habe 2015 den Versuch gemacht und die Professoren von allen Standorten zu einem Professoren-Energiewende-Stammtisch eingeladen. Der endete allerdings mit dem Ergebnis: Jede Uni hat für sich gekämpft. Das heißt aber nicht, dass die Idee dahinter, die der Antrag der regierungstragenden Fraktionen aufgreift, falsch ist.

Ich fände es super, wenn Schleswig-Holstein als Energiewende-Plattformland, als EnergiewendeForschungsland sichtbar und erkennbar wird, und würde mich freuen, wenn wir es schafften, in den verschiedenen Bereichen der Ministerien Wissenschaft, Wirtschaft, Umwelt und Energie Bereiche zu strukturieren, die jeweils einen Plafond der verschiedenen Standorte bündeln und Schleswig-Holstein als Standort tatsächlich erkennbar und größer machen. Dezentralisierung ist sicherlich eine gute Sache, aber an dieser Stelle kann uns die Debatte zerfasern; wir sollten die Kräfte eher bündeln.

Drittens. Man wird bei den Erneuerbaren immer Probleme haben, wenn man versucht, den Preis für die Erneuerbaren nach dem Markt zu vergüten, der für fossile Kraftwerke entwickelt wurde. Denn die Investitionskosten sind vergleichsweise hoch, die Gestehungskosten, also die Materialkosten, gehen aber letztlich gen null. Entweder scheint die Sonne, oder die Sonne scheint nicht. Das heißt aber im Umkehrschluss auch: Entweder gibt es viel erneuerbaren Strom - wenn der Wind weht -, oder es gibt gar keinen erneuerbaren Strom. Eine Rechnung wird nie daraus, wenn man sagt: Wir verkaufen immer nur die Kilowattstunde.

Wir werden die Investitionskosten in der einen oder anderen Form zu fairen Bedingungen vergüten müssen. Das können wir über das EEG tun. Wenn uns die EEG-Umlage zu teuer wird oder wir es anders machen wollen, können wir es auch über andere Abgabe- und Einnahmesysteme tun.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass es mir sinnlos erscheint, die Zukunft teurer zu machen und die Vergangenheit günstig zu machen. Ich glaube, es ist genau andersrum klüger. Insofern sind alle Überlegungen richtig, die versuchen, die Systemkosten der Energiewende über eine Beschleunigung der technischen Entwicklung und eine Anreizkomponente für die Menschen, die erneuerbaren Strom nutzen wollen, günstiger zu machen.

(Minister Dr. Robert Habeck)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viertens. Zur Sektorenkopplung steht viel Gutes im SPD-Antrag. In der Tat wissen wir eigentlich, was wir zu tun haben, um neue Windkraftanlagen und den Netzausbau hinzubekommen. Das ist anstrengend. Es gibt Debatten zwischen Naturschutz und Menschenschutz, zu der Frage, wieviel Fläche wir brauchen, wie wir das Ganze synchronisieren. Aber das ist alles lösbar. Jedenfalls haben wir gute Erfahrungen gesammelt, und wir können das voranbringen.

Wo wir noch relativ am Anfang stehen, vielleicht wie vor 15 Jahren beim Ausbau der erneuerbaren Energien, ist die Sektorenkopplung, Verkehr, Wärme, Industrie beispielsweise. Da brauchen wir einen Laborcharakter, da müssen wir den Geist aus der Flasche lassen und gucken, dass die Leute, die in Start-up-Unternehmen an der Westküste mit Wasserstoff experimentieren, die Kommunen, die wie Bordesholm Speicher einsetzen, die Kommunen, die Power-to-Heat-Systeme entwickeln und erneuerbare Wärme in Systeme hineinbringen wollen, Unterstützung erfahren und nicht behindert werden.

Das könnte auch in Schleswig-Holstein die nächste Phase der Energiewende ausmachen, sicherlich auch ökonomisch eine große Chance, weil gerade diese Bereiche stark mit dem heimischen Handwerk verbunden sind. So könnten im Idealfall Klimaschutz, regionale Identität und Wertschöpfung vor Ort insgesamt eine Win-win-win-Situation werden. Daran sollten wir alle arbeiten. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 1 Minute und 50 Sekunden überschritten. Die stehen jetzt theoretisch den Fraktionen zur Verfügung. Ich sehe aber nicht, dass eine Fraktion davon Gebrauch machen möchte. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und frage zunächst den Kollegen Meyer, ob er Ausschussüberweisung beantragt hat.

(Flemming Meyer [SSW]: Nein!)

- Okay. Von anderen ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Ich lasse zunächst über den Alternativantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/336, abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von

CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD gegen die Stimmen von SPD und SSW abgelehnt.

Wir kommen jetzt zum Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/316. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der AfD angenommen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 33 auf:

Bericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Tätigkeitsbericht für das Jahr 2016

Drucksache 19/141

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich unsere Bürgerbeauftragte, Frau El Samadoni, herzlich begrüßen. - Schön, dass Sie hier sind und die Debatte verfolgen.

(Beifall)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Begrüßung der Bürgerbeauftragten darf ich den Dank an Sie sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aussprechen für einen inhaltlich qualifizierten, gut gegliederten, optisch ansprechenden und breite Themen umfassenden Bericht. Vielen herzlichen Dank!

(Beifall)

Dies sage ich auch unter dem Gesichtspunkt, dass 3.323 Eingaben, also etwa zehn pro Tag, eingegangen sind. Mehr als 90 % davon sind berechtigt, bearbeitet zu werden. Insgesamt hat es bei der Bürgerbeauftragten seit Bestehen des Amtes etwa 80.000 Anliegen gegeben. Eine große Zahl!

Die vielen Petitionen, die dort eingehen, machen deutlich, dass es Gerechtigkeitslücken in unserem Sozialsystem gibt und jede berechtigte Eingabe auch eine Mahnung ist, diese nach Möglichkeit abzustellen und zu verändern. Es genügt nicht, dass wir sie zur Kenntnis nehmen; wir müssen auch danach handeln.