Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der AfD hat Herr Abgeordneter Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Der vor zwei Jahren in der Öffentlichkeit dramatisierte Kampf gegen Hasskommentare schuf den Boden für das, was seit dem 1. Oktober 2017 den Namen Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder kurz NetzDG trägt. Schon das Zustandekommen des Gesetzentwurfs erzeugte Kritik in allen gesellschaftlichen Bereichen. Schon die erste Lesung führte zu ersten

Widerständen, auch aus den Reihen von Union und SPD.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages vertrat in einem Gutachten die Auffassung, das Gesetz verstoße gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und zudem gegen Europarecht. Bei einer Anhörung brachten nicht weniger als acht von zehn geladenen Experten erhebliche Bedenken zum Ausdruck. Besonders markant fiel dabei die Stellungnahme des Geschäftsführers von „Reporter ohne Grenzen“ aus.

(Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Dieser stellte fest, dass das geplante Gesetzesvorhaben an die Methoden autokratischer Staaten erinnere und die Gefahr des Missbrauchs schaffe. Er empfahl, den Gesetzentwurf komplett zu verwerfen, um nicht negative Präzedenzfälle für andere Länder zu schaffen.

Fairerweise muss man sagen, dass es nicht nur Kritik für das Gesetzesvorhaben gab. Alexander Lukaschenko, autokratisch herrschender Staatspräsident von Weißrussland, berief sich bei der von ihm betriebenen Zensur des Internets im Kampf gegen Oppositionelle seines Landes ausdrücklich auf Bundesjustizminister Heiko Maas und sein Gesetzesprojekt. - Da darf man ruhig einmal klatschen.

(Beifall AfD - Sandra Redmann [SPD]: Sie müssen Ihre Leute aufrufen, zu klatschen? - Weitere Zurufe)

Seit dem 1. Oktober 2017 - das ist in der Tat sehr witzig, wenn von der Seite aus ein Lob kommt - haben nun die Anbieter sozialer Netzwerke drei Monate Zeit, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ein mehr als fragwürdiges Verfahren zur Löschung rechtswidriger Inhalte im Internet zu installieren.

Meine Damen und Herren, Hate-Speech und Fake News sind Begriffe, die in dem Gesetz weder erklärt noch definiert werden. Sie avancierten aber zu den zentralen Schlagwörtern oder besser Kampfbegriffen in der politischen Debatte. Eben diese Debatte ist nun in ein politisches Gesetz eingeflossen.

Dabei überwachen die Anbieter der Plattformen die Inhalte selbst. Das NetzDG nimmt den Gerichten die Entscheidungsgewalt aus den Händen und legt sie in die Verantwortung der Anbieter. Private Unternehmen entscheiden so über den Umfang der Meinungsfreiheit - einem der elementarsten Grundrechte überhaupt.

(Präsident Klaus Schlie)

Die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung im Falle strafbarer Hasskriminalität war das durchaus ehrenwerte Ziel. Das NetzDG verbessert aber eben nicht die Rechtsdurchsetzung durch Gerichte, sondern es privatisiert die Rechtsauslegung. Das ist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.

Zu löschen sind vor allem „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden. Für alle „sonstwie rechtwidrigen Inhalte“ gilt eine Löschungsfrist von nur sieben Tagen.

(Unruhe auf der Regierungsbank)

Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie. - Vielleicht ist es möglich, den unabdingbaren Gesprächsbedarf auf der Regierungsbank so zu gestalten, dass der Redner trotzdem weiterreden kann.

Was in diesem Sinne offensichtlich oder sonstwie rechtswidrig ist, sollen die Anbieter sozialer Netzwerke ebenfalls selbst entscheiden und natürlich löschen. Rechtsmittel sind nicht vorgesehen.

Bei angedrohten Bußgeldern von bis zu 50 Millionen € werden sich die Anbieter sozialer Netzwerke im Zweifelsfall für die Löschung von Inhalten entscheiden. Diese Einschätzung teilt übrigens auch Professor Holznagel, Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht in Münster: im Zweifelsfall also für die Löschung und im Zweifelsfall gegen die Meinungsfreiheit.

Der OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Harlem Désir, warnt vor Overblocking durch das NetzDG. Der Umfang des Gesetzes sei übermäßig breit, und seine Wirkung könne für die Freiheit der Meinungsäußerung allzu restriktiv sein.

Auch der UN-Sonderberichterstatter David Kaye hat in einem veröffentlichten Schreiben erhebliche Bedenken gegen das in Deutschland geplante NetzDG formuliert. Kaye sieht die Meinungsfreiheit und das Recht auf Privatsphäre gefährdet.

Das ist das Ergebnis eines Gesetzgebungsverfahrens, bei dem das Verfassungsrecht bedenkenlos einer ideologisch aufgeladenen Debatte untergeordnet wurde. Meine Damen und Herren, das NetzDG gehört in den legislativen Mülleimer und nicht in die deutsche Rechtsordnung.

(Beifall AfD)

Die politischen Zeichen dafür stehen tatsächlich günstig. Die FDP unter Christian Lindner kündigte noch im Bundestagswahlkampf eine Klage gegen das NetzDG an.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Über alle Parteigrenzen hinweg regt sich teils massive Kritik am NetzDG. Schon die Abstimmung im Bundestag am 30. Juni 2017 durch nur etwa 50 anwesende Abgeordnete lässt erkennen, wie wenig Zustimmung für ein derart verfassungswidriges Konstrukt überhaupt bestand.

(Vereinzelter Beifall AfD)

Das Netz DG in seiner jetzigen Form ist im Kern verfassungswidrig - auch in seiner Peripherie. Ich würde mich freuen, wenn es uns hier gemeinsam gelänge, etwa im Innen- und Rechtsausschuss, diese Inhalte genau zu besprechen und gemeinsam zu einer Lösung zu kommen, die unsere Rechtsordnung wieder vom Kopf auf die Füße stellt. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gewaltverherrlichende, rassistische, verfassungsfeindliche, freiheitsbedrohende, volksverhetzende Erklärungen und Aussagen gehören strafrechtlich verfolgt.

(Beifall CDU, FDP und AfD)

Da kann der Staat nicht zuschauen. Dies gilt allgemein, und dies gilt auch für das Netz. Das Netz ist nicht der Wilde Westen.

Damit, dass faktisch jeder machen kann, was er will, konnte es nicht weitergehen. Dem hat der Bund zum 1. Oktober 2017 Rechnung getragen und hat das Ziel vorgegeben, strenger vorzugehen. Er hat mit diesem Gesetz aber natürlich auch ein Stück Neuland betreten. So kann es doch auch gar nicht verwundern, dass nicht alles optimal geregelt ist, zumal von Anfang an natürlich auch eine Reihe von Fragen umstritten war. Es hat Bedenken, es hat Einwände, es hat beachtliche Hinweise gegeben. Es ist allerdings auch nicht so, dass alle Verbände gesagt hätten, sie seien grundsätzlich gegen eine Regelung dieses Sachverhalts. So ist es keinesfalls.

(Claus Schaffer)

Der von uns vorgelegte Antrag trägt dem Rechnung und schlägt vor, sich mit dem Thema ernsthaft zu beschäftigen. Die ernsthafte Überprüfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist ein beachtlicher, qualitativ durchaus wegweisender Antrag; das ist Jamaika-Politik in Schleswig-Holstein.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dies ist auch deshalb sachgerecht, weil im Gesetz eine Übergangsfrist von drei Monaten für die Betreiber vorgesehen ist; diese müssen sich ja auf die Situation erst einstellen. Wir sind also in der Phase der Praxisfindung, und es ist nichts weniger als vernünftig, nach dieser Phase eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Ich gehe davon aus, dass man sich auch in Jamaika in Berlin zu einigen Punkten positionieren wird. Die Stichworte sind die Löschungsfristen, sind die Auskunftspflichten, ist die Beweissicherung; es ist die Frage: Wer trifft die Entscheidungen, wenn es Streit gibt? Es geht um die Frage, ob Filtermaßnahmen bereits eine allgemeine Überwachung darstellen. Eine andere Frage: Geht es bei der Speicherungspflicht um eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung? Das sind Dinge, mit denen man sich hier beschäftigen muss.

Natürlich haben auch die Netzwerksbetreiber gesagt: Wenn wir das leisten sollen, dann müssen wir einen erheblich höheren personellen Aufwand betreiben. Das soll im Ergebnis angesichts dessen, was sie verdienen, nicht unsere Sorge sein. - Das sind einige der Fragen, mit denen wir uns ernsthaft beschäftigen müssen.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dann ist natürlich die Frage aufgekommen: Wäre es nicht besser, dies zunächst einmal europaweit oder sogar weltweit zu machen? Da kann ich doch nur antworten: Schön wär‘s. Aber es ist wie beim Klimaschutz: Besser zu Hause anfangen, als gar nichts zu tun.

(Vereinzelter Beifall CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja, und was machen Sie denn?)

Nötig ist es aber auch, das Unrechtsbewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen. Es muss zudem einen Konsens darüber geben, dass dies zu einer gesellschaftspolitischen Diskussion gehört.

Die Kernfrage, um die wir also zu ringen haben, ist die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten

und dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Alles hat seine Grenzen, auch im Netz; ich hatte dies vorhin schon gesagt.

Eine besondere Schwierigkeit ist die Beweissicherung. Denn was nützt ein Gesetz, mit dem man nichts packen kann? Was nützt ein Gesetz, das ein zahnloser Tiger ist? Wir hoffen, dass der Gesetzgeber, die Regierung und die Betreiber hier einen vernünftigen Weg, einen Konsens finden. Beweissicherung ist ein ganz wichtiges Thema in dieser Diskussion.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, der dritte Punkt des Antrags: Wir bitten die Landesregierung, die strukturellen Voraussetzungen

(Niesen aus den Reihen der SPD)

- Gesundheit! - für eine effektive Strafverfolgung im Bereich -

(Erneutes Niesen - Zurufe - Heiterkeit)