Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Ich glaube: Es lohnt sich nicht, über diesen Antrag so direkt zu reden, sondern wir müssen über etwas ganz anderes reden, nämlich uns muss klar sein, dass die Menschen, die aus diesen gescheiterten Staaten hierher kommen, aus diesen Failed States, hierbleiben werden. Diese Staaten werden sich auch in den nächsten 30 Jahren nicht erholen. Dort wird es keinen Frieden geben. Dort wird es wahrscheinlich auch kein Leben in Sicherheit geben können; jedenfalls nicht in einer Sicherheit, wie wir sie definieren würden. Wir sollten uns deshalb diesbezüglich Gedanken machen und uns vor Augen führen, dass wir wissen müssen, dass diese Menschen nicht

(Wolfgang Kubicki)

zurückkehren werden, selbst wenn es irgendeiner wollte.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie werden hierbleiben, sie werden hierbleiben müssen. Sie werden vor allen Dingen, meine Damen und Herren, ihren Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten - genauso wie alle anderen Einwanderer in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten auch. Ich glaube, das ist ganz gut.

Meine Damen und Herren, ich habe natürlich auch keine Antwort darauf, wie man mit dieser Situation umgehen soll, dass so viele Menschen kommen, die auch so vielschichtig sind: Es sind Ärzte dabei; es sind Menschen, die vielleicht noch keine Ausbildung haben; es sind Menschen, die können schnell eine Sprache lernen, und andere, die dafür etwas länger brauchen; es sind Menschen, die haben super handwerkliche Fähigkeiten, und andere, die zwei linke Hände haben - die gibt es übrigens unter Deutschen auch. Also insofern ist das auch nichts Neues. Wir müssen uns auf jeden Einzelnen dieser Menschen einstellen. Das ist das Entscheidende. Wir dürfen nicht das Asylrecht infrage stellen, nur weil wir uns nicht trauen, uns auf diese Aufgabe einzulassen. Es ist die Aufgabe der Politik, sich auf diese Aufgabe einzulassen.

Wir jedenfalls wollen weder Syrier noch Afghanen, noch Iraker, Jeminiten oder auch andere politisch Verfolgte in ihre Heimatländer zurückschicken. Das wäre unmenschlich.

(Zuruf Volker Schnurrbusch [AfD])

Wir brauchen ein modernes Aufenthaltsrecht - das ist die vornehmste Aufgabe einer modernen und humanitären Republik oder einer Gesellschaft. Wenn man ganz ehrlich ist, müssten wir das hier nicht diskutieren, sondern wir müssen von unserer Seite aus immer wieder anstoßen, dass man das im Bundestag diskutiert, weil der Bundestag eine wichtige Aufgabe hat, egal, wer in Zukunft dort regieren wird: Wir brauchen ein modernes Einwanderungsgesetz. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das es auch ermöglicht, dass die Menschen, die einen unsicheren Status haben, hierbleiben können. Das ist die vornehmliche Aufgabe. Darum müssen wir uns kümmern, darum, wie die Leute hier leben können. Das ist das Entscheidende. Wegschicken ist die falsche Lösung.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Claus Schaffer von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Das Arbeiten mit Unterstellungen und Behauptungen über das, was ich gemeint haben könnte, was wir als AfD gemeint haben könnten, was aber weder aus dem Antrag noch aus meiner Rede heraus zu ihm zu hören ist, ist nicht das, was ich mit dem Stil und der Qualität der Demokratie in diesem Haus verbinde.

(Beifall AfD - Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin - ehrlich gesagt - enttäuscht.

Ich möchte auf ein bis zwei Punkte eingehen, insbesondere, weil auf die Haushaltsberatungen Bezug genommen wurde. Es wurde unter anderem gesagt, dass wir auf der einen Seite auf Ausgaben im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise kritisch reagiert haben, auf der anderen Seite würden wir etwas fordern, was natürlich auch wieder einen finanziellen Aufwand bedeutet.

Aber, meine Damen und Herren, um wie viel höher wäre denn der Erfolg, auch in monetärer Sicht, wenn wir mit unseren Maßnahmen in den Herkunftsländern dauerhaft für Frieden sorgen könnten? Dann würden uns von dort nicht mehr Flüchtlinge aufsuchen müssen, weil wir dort tatsächlich eine wirtschaftliche Grundlage für Frieden schaffen.

Hier geht es um das Thema Rückkehr, nicht um die Frage der Integration. Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich in einem kleinen Teil dieses Gesamtthemas nicht die gesamte Breite der Flüchtlingskrise abbilden kann. Das war nicht meine Intention. Meine Intention ist es, dort weiterzumachen, wo das Rückkehrmanagement der Landesregierung sein Ende gefunden hat.

Es ist Fakt, dass es in diesem Land eine berufliche Qualifikation für Flüchtlinge mit der Zielrichtung, diese in ihren Heimatländern wirklich erwerbstätig zu machen, nicht gibt.

(Beifall AfD)

Ich habe ganz bewusst bei meiner Rede meinen Antrag als in die Zukunft gerichtet formuliert, denn jetzt haben wir Situationen, in denen sich die Sicherheitslagen tatsächlich verändern. Wenn das nach unseren Maßstäben noch nicht der Fall ist,

(Lars Harms)

dann mag das sein, dass es zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich noch nicht umgesetzt werden kann.

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen uns doch darauf vorbereiten. Wir können nicht irgendwann vor vollendeten Tatsachen stehen und so tun, als hätten wir es nicht kommen sehen. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass diesen Menschen auch eine berufliche Perspektive ermöglicht wird.

Uns oder mir direkt wird Rassismus vorgeworfen oder auch eine Verletzung der Menschenwürde, weil ich zum Beispiel jetzt vermute, dass Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak nicht über eine berufliche Qualifikation verfügen würden. Tatsächlich habe ich zum einen weder die beiden Länder erwähnt,

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

zum anderen kann ich sagen: Ich habe in meiner beruflichen Zeit sehr viele Menschen auch aus Syrien und dem Irak kennengelernt und von fehlender bis hin zu guter Ausbildung alles erlebt. Ich selbst habe eintreffenden Jurastudenten empfohlen, sich in der Flüchtlingskrise mit einzubinden und sich aktiv als Dolmetscher für die Rechtsberatung zur Verfügung zu stellen. Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, was dort passiert ist.

(Beifall AfD)

Wenn, wie von Ihnen, Herr Harms, berichtet wird, dass es in diesen Ländern keine Sicherheit geben werde, was sagt denn das über Ihre Einstellung zu den Menschen in den dortigen Ländern aus? Trauen Sie den Menschen dort nicht zu, dass sie irgendwann in der Lage sind, ihren Staat wieder aufzubauen und für Sicherheit und Ordnung zu sorgen? Das wundert mich doch arg. - Vielen Dank.

(Beifall AfD - Zuruf Lars Harms [SSW])

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben das Thema subsidiäre Schutzbedürftige aufgegriffen, und meine Aufgabe ist es, darauf detailliert und differenziert einzugehen und Ihren Antrag zu würdigen.

Dazu darf ich Ihnen Folgendes mit auf den Weg geben: Menschen, die nach Deutschland fliehen, er

halten eine rechtsstaatliche und fachliche Prüfung ihres Anliegens. Sofern die Fachleute des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erkennen, dass diesen Personen ernsthafter Schaden droht - von staatlicher oder auch von nicht staatlicher Seite -, greift das subsidiäre Schutzprinzip.

Es geht hier um Bedrohungen wie die Verhängung der Todesstrafe, es geht um Folter oder auch um ernsthafte individuelle Bedrohungen des Lebens und um die Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge von willkürlicher Gewalt.

Natürlich brauchen auch diese Menschen eine Perspektive für eine Rückkehr in ihre Heimatländer. Allerding haben sie zunächst einmal ausdrücklich ein Bleiberecht hier bei uns in Deutschland. Diese Menschen nun als erstes auf eine Rückkehr vorzubereiten, obwohl sie hier bleiben dürfen und sich integrieren sollen, meine Damen und Herren, widerspricht dem Bild der Landesregierung von humanitärer Flüchtlingspolitik.

(Beifall CDU, SPD, FDP und SSW)

Humanitäre Flüchtlingspolitik, meine Damen und Herren, bedeutet für uns, sich für eine Integration der Menschen in unserer Gesellschaft einzusetzen, die in Deutschland bleiben dürfen. Humanitäre Flüchtlingspolitik heißt aber auch verantwortungsvoller Umgang mit Betroffenen, die keine dauerhaften Bleiberechte genießen. Und genau bei diesen Menschen gilt es, sie bei ihrer Rückkehr zu unterstützen.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Die Förderung der freiwilligen Rückkehr hat dabei gegenüber einer zwangsweisen Rückführung Vorrang, und zwar nicht nur aus humanitären Gründen, meine Damen und Herren, sondern auch aus fiskalischen. Die Kosten einer geförderten freiwilligen Rückkehr sind nur etwa halb so hoch wie die einer zwangsweisen Rückführung. Zudem lässt sich auch im Zweifelsfall eine freiwillige Rückkehr wesentlich schneller für diese Menschen organisieren.

Es gibt also viele gute Gründe, die freiwillige Rückkehr und Reintegration derjenigen zu fördern, die entweder ausreisen müssen oder trotz eines Bleiberechts aus eigenem Antrieb zurückkehren wollen.

Mit Hilfe von Rückkehrberatung, Rückkehrförderung und Reintegrationsmaßnahmen gilt es, diese Personen bestmöglichst auf ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben hier und in ihren Herkunftsländern vorzubereiten.

(Claus Schaffer)

Die Landesregierung hat diesen Handlungsbedarf längst erkannt und ist bereits vor zwei Jahren aktiv geworden: Seit 2015 betreibt das Landesamt für Ausländerangelegenheiten in Kooperation mit dem Diakonischen Werk Schleswig-Holstein unter Schirmherrschaft meines Hauses ein EU-gefördertes Projekt „Rückkehrberatungs- und Managementkonzept“. Dieses Projekt läuft noch bis zum kommenden Jahr und soll in zwei weitere Projekte münden, einerseits eine flächendeckende Rückkehrberatung, andererseits in Maßnahmen zur nachhaltigen Reintegration. - Sie hören, meine Damen und Herren, dieses Thema ist nicht erst durch diesen Antrag neu auf die Agenda gekommen, sondern wesentlicher Bestandteil einer guten Integrationsarbeit. Beide Projektanträge befinden sich derzeit zur Prüfung bei der dafür bei der EU zuständigen Behörde. Die Aussichten auf eine weitere Förderung sind sehr gut.

Seit März 2017 gibt es mit Unterstützung des Landes eine mobile und unabhängige Rückkehrberatung für ausreisepflichtige oder ausreisewillige Geflüchtete in Schleswig-Holstein. Wir beteiligen uns zudem an verschiedenen länderübergreifenden Rückkehr- und Reintegrationsmaßnahmen. Personen, die aus eigenem Entschluss freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren wollen, erhalten dann ebenso finanzielle wie auch operative Unterstützung. Seit Januar 2017 ist Schleswig-Holstein in mehreren länderübergreifenden Projekten eingebunden, die Hilfen und Informationen für alle bereitstellen, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren wollen oder auch müssen.

Erlauben Sie mir einen letzten Hinweis auf die vom Land betriebenen Qualifizierungsangebote. Der zentrale Akteur für die Arbeitsmarktintegration aller Menschen in Deutschland ist der Bund. Dafür stellt er eine breite Palette an entsprechenden Maßnahmen zur Verfügung. Aber auch wir als Land setzen uns für den Aufbau einer verlässlichen Förderkette ein und schließen nach Möglichkeit auftretende Förderlücken durch eigenes Geld.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein ist ein weltoffenes Land. Die Landesregierung wird schutzbedürftigen Menschen, die nach SchleswigHolstein kommen, schnell und konsequent helfen. Für Schutzsuchende mit Bleibeperspektive gilt es, Integration zu fördern, aber auch Integration zu fordern. Das ist und bleibt unsere Leitlinie. Menschen ohne Bleiberechte soll eine freiwillige Rückkehr in Würde und eine nachhaltige Reintegration im Heimatland ermöglicht werden. Das ist nicht erst durch

diesen Antrag Kernbestandteil unserer politischen Arbeit. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD. Wer ist dagegen? - Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW und die Abgeordneten der Fraktionen von CDU und FDP. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf: