Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

(Beifall CDU und FDP)

Der entsprechende Beschluss setzte seinerzeit Aufenthaltsbeendigungen in 15 ausgewählten Staaten aus klimatischen Gründen aus. Im Erlasswege hat derselbe Innenminister der SPD - natürlich nicht die SPD als Partei, sondern ihr Innenminister -, nämlich Innenminister Studt, im September 2015 erklärt, dass es künftig eine vergleichbare pauschale Regelung nicht mehr geben werde.

Herr Torsten Albig - diejenigen, die schon länger dabei sind als ich, werden sich an ihn erinnern - be

grüßte die Entscheidung hin zu einer individuellen Einzelfallentscheidung und ließ über seinen damaligen Regierungssprecher verkünden, der neue Weg sei differenzierter und klüger.

(Martin Habersaat [SPD]: Ja, der Mann ist klug!)

Liebe Kollegin Midyatli, Sie haben einmal behauptet, die Umsetzung dieses Erlasses würde uns Jamaikaner zu einem dysfunktionalen Regierungsbündnis machen. Dysfunktional ist, glaube ich, der Antrag im Zusammenhang mit Ihrer Rede.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Ich halte Ihren Antrag also für reinen Populismus; denn er geht natürlich auch zulasten der Asylsuchenden, weil eben nicht im Einzelfall geprüft werden soll, sondern eine pauschale Regelung gefordert wird. Sie erwecken bewusst den Eindruck, es gebe in Schleswig-Holstein seit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch ein CDU-geführtes Innenministerium den Wandel zu einer inhumanen Abschiebepraxis. Das ist schlicht und ergreifend Blödsinn.

(Beifall CDU und FDP)

Wir führen hier die bisherige Rechtslage fort. Ich gehe auch so weit zu sagen, dass Ihr Antrag nur dazu dienen soll, uns Jamaikaner auseinanderzutreiben. Aber das wird Ihnen, wie auch in den vorausgegangenen Sitzungen, nicht gelingen.

In der Sache selber wird Ihr Antrag aber auch nicht dem Anspruch gerecht. Die Landesregierung unter der Leitung des Ministerpräsidenten Daniel Günther bekennt sich zu den gemeinsamen Zielen, die weltoffene, tolerante und demokratische Gesellschaft in Schleswig-Holstein zu bewahren und fortzuentwickeln.

(Beifall CDU und FDP)

Wir werden dieses in der Verantwortung vor den Asylsuchenden wie auch den Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern tun.

Von diesem gemeinsamen Verständnis ist auch unser Alternativantrag getragen. Auch in diesem Jahr wird die vollziehbare Ausreisepflicht während der Wintermonate, also von Dezember bis März, mit dem vorrangigen Ziel einer freiwilligen Ausreise konsequent und auf angemessene Weise durchgesetzt werden. Eine besondere individuelle Schutzbedürftigkeit kann im Einzelfall einer sofortigen Umsetzung der Ausreisepflicht entgegenstehen.

Unsere Behörden prüfen aktuell sehr genau, ob im Einzelfall solche humanitären Härtefälle vorliegen. Führt diese Einzelfallprüfung zu der Annahme, dass eine Abschiebung in das Herkunftsland während der Wintermonate nicht zumutbar ist, sollen Betroffene und deren Kernfamilien geduldet werden. Der Schutz der Menschen, die wegen Verfolgung, Misshandlung oder Tod in unser Land fliehen, muss Priorität vor jahreszeitlichen Belastungen haben. Ich habe insoweit auch volles Vertrauen in unser Innenministerium.

Ich finde es übrigens schon ein bisschen komisch, wenn Sie jetzt auch Norwegen als Land bezeichnen, in das man keine Flüchtlinge nach den DublinRegeln zurückschicken kann.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Mit uns wird es also eine Wiedereinführung des pauschalen Winterabschiebestopps in SchleswigHolstein nicht geben. Ich fände es im Interesse einer gelingenden gemeinsamen Asylpolitik auch sehr wünschenswert, wenn auch die SPD-Fraktion dies akzeptieren könnte und zu einer gemeinsamen Integrationspolitik zurückkehren würde. Der Wahlkampf ist ja beendet.

(Zuruf Birgit Herdejürgen [SPD])

Insofern stehen wir für konstruktive und lösungsorientierte Ansätze gern zur Verfügung.

Der AfD-Antrag hat solche Ansätze leider nicht. Es bedarf in keiner Form einer Aufforderung zu etwas, was in der Praxis bereits in viel konkreterer Form durch das Innenministerium durchgeführt wird. Insofern werden wir Ihren Antrag ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Kollegin Aminata Touré.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher! In der letzten Woche haben Sie, Herr Stegner, vor etwa 350 Studierenden hier im Hause behauptet, dass ich die Unwahrheit sagte, als ich meinte, dass es seit dem Jahr 2015 keinen pauschalen Winterabschiebestopp gibt, sondern eine individuelle Einzelfallprüfung unter besonderer Berücksichtigung bestimmter

Gruppen wie Schwangere, Menschen mit Beeinträchtigung und Kinder. Ich habe noch selbstkritisch hinzugefügt, dass es dies leider auch nicht mehr mit der Küstenkoalition gab, einer Koalition, der wir selbst angehört haben.

Ich verteidige als Grüne nicht - insoweit möchte ich nicht missverstanden werden -, dass es keinen pauschalen Winterabschiebestopp gibt. Das haben wir auch schon 2015 kritisiert, als es zu einer Neuregelung kam. Wir Grüne stehen dazu, dass es inhuman ist, wenn man Menschen abschiebt und diese in ihren Heimatländern nicht auf staatlich organisierte Rückkehrhilfen hoffen können und im Freien leben müssen.

Aber was ich wirklich nicht ertrage, ist, dass Sie behaupten, es habe in den letzten beiden Jahren einen Winterabschiebestopp gegeben, und nun werde Abkehr von der humanitären Flüchtlingspolitik genommen. Damit verklären Sie zwei Dinge: erstens, dass Menschen, denen die Abschiebung droht, Angst davor haben müssen, dass es für sie keine Möglichkeit gibt, die Wintermonate über hier bleiben zu können. Es hilft den Menschen in der Sache doch überhaupt nicht, wenn man so etwas behauptet. Es gibt die Winterregelung, die seit 2015 in Kraft ist und zu der wir als Jamaika-Koalition mit unserem Alternativantrag fordern, dass diese bestehen bleiben soll.

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, CDU und FDP)

Zweitens nervt es mich im politischen Umgang miteinander, aber vor allem auch nach draußen zu denjenigen, die nicht tagtäglich Politik verfolgen und die nur Fetzen mitbekommen, was hier für ein Eindruck vermittelt wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Es ist eine Sache, die unterschiedlichen Positionen deutlich zu machen, und etwas anderes, zu beschreiben, wie die derzeitige Regelung ist. Dazu kann es keine zwei Meinungen geben. Wenn auf einem Zettel steht - nennen wir ihn einen Erlass aus dem Jahre 2015 -, dass es ab sofort keinen pauschalen Winterabschiebestopp gibt, sondern eine Einzelfallprüfung für die Wintermonate, veranlasst von einem SPD-Innenminister - nennen wir ihn Stefan Studt -, dann ist das nicht erfunden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP - Zuruf SPD: Das behauptet auch niemand!)

(Claus Christian Claussen)

- Doch, das behauptet ihr. Es ist völlig richtig, dass es in den Jahren 2013/2014 bis zum März 2015 Winterabschiebestopps für die Balkanländer, Afghanistan, Russland, Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Irak, Iran, die Türkei und Pakistan gegeben hat. Ich finde, dass es eine richtige Entscheidung war. Aber zur Wahrheit gehört auch dazu, dass im September 2015 eine neue Debatte losgetreten wurde, aus der der heute geltende Erlass entstand. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„SPD-Fraktionschef Ralf Stegner begrüßte beide Teile des Kompromisses. An der humanitären Praxis in Schleswig-Holstein ändert sich nichts.“

(Zurufe CDU: Hört, hört!)

„Aber wir wollen auch nicht Anziehungspunkt für die werden, die nicht schutzbedürftig sind.“

Ich weiß nicht, warum die Regelung 2015 als human gilt und 2017 als inhuman.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Es kann ja sein - das würde mich persönlich sehr freuen -, dass Sie Ihre Meinung dazu als Fraktion geändert haben, dass Sie heute anders davor stehen als damals. Aber diesen Geist atmet dieser Antrag in meinen Augen nicht.

(Zuruf SPD)

Dieser Antrag liest sich völlig unschuldig und als hätte es zu dieser Frage nie eine andere Meinung gegeben. Ich hätte es ja noch nachvollziehen können, wenn der Antrag irgendetwas in die Richtung gesagt hätte, wie: Die Einzelfallregelung ist missglückt. Das haben wir in den letzten beiden Jahren beobachten können, und deshalb fordern wir einen pauschalen Winterabschiebestopp wieder zurück. Ich hätte es auch nachvollziehen können, wenn Sie so etwas formuliert hätten wie: Viele der Betroffenen nehmen diese Möglichkeit nicht in Anspruch, da sie nicht informiert werden. Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Menschen über ihre Möglichkeiten aufgeklärt werden. - Das hast du jetzt getan, aber in der öffentlichen Debatte hat das nie eine Rolle gespielt. Ich kann nur mutmaßen, da ich nicht in Ihren Köpfen stecke, dass es bei diesem Antrag um die Frage geht, ob wir uns als Koalition in dieser Frage uneinig sind.

(Serpil Midyatli [SPD]: Jetzt reicht’s!)

Big Surprise: Bei der Grundsatzfrage pauschaler Winterabschiebestopp sind wir uns uneinig. Unei

nig darüber, worauf wir uns im Koalitionsvertrag verständigt haben, sind wir uns nicht. Wir haben uns auf eine Einzelfallprüfung geeinigt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Es scheint übrigens auch völlig egal zu sein, mit wem wir da koalieren. Als Sie die Möglichkeit hatten, genau das mit uns durchzusetzen, wollte Ihr Innenminister das nachher auch nicht mehr. Wir haben uns als Koalition darauf geeinigt, dass an der bestehenden Regelung zur Einzelfallprüfung nicht gerüttelt werden soll. Ich würde mich freuen, da die Positionen ja nicht allzu weit voneinander entfernt zu sein scheinen, wie suggeriert, wenn auch Sie, liebe SPD-Fraktion, unserem Antrag zustimmen würden. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, CDU und FDP)

Das Wort hat nun der Kollege Wolfgang Kubicki für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal sagen, ich habe großen Respekt, Frau Kollegin Touré, vor Ihrer Rede, nicht nur rhetorisch, sondern auch inhaltlich, obwohl ich in Nuancen etwas anderer Auffassung bin als Sie. Aber ich finde es schön, mit welcher Verve Sie hier vorgetragen haben, was dafür sprechen könnte, einen pauschalen Abschiebestopp zu veranlassen.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])