Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

(Anita Klahn)

Folgen tatsächlich teils fatal, sodass bestimmte Ausbildungen nicht angetreten werden, weil die zuständige Berufsschule viel zu weit weg ist.

Was mir bleibt, ist, Ihnen allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit zu wünschen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bereits viel Richtiges und Bedenkenswertes in der Debatte gehört. Die Schülerbeförderung ist aus gutem Grund eine pflichtige Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Sie ist keine Landesaufgabe. Ich halte das auch für richtig, daran nichts zu ändern, zumal - Frau Strehlau hat darauf hingewiesen - pragmatische Lösungen zwischen Kreisen sehr wohl auch heute schon auf der Grundlage der geltenden Rechtslage möglich sind. Ich würde mich freuen, Herr Harms, wenn diese Debatte, die wir heute und dann später im Ausschuss führen werden, zumindest den Effekt hätte, dass zwischen den Kreisen eine neue Diskussion in Gang gebracht wird.

Sie haben insofern recht, wenn es um die Vermittelbarkeit geht, dass die Menschen die verschiedenen Ebenen der politischen Zuständigkeiten häufig nicht so richtig auseinanderhalten können. Es ist dann aber unsere Aufgabe als Politiker, ihnen das immer wieder nahezubringen.

Ich habe verstanden, dass das Thema in der letzten Legislaturperiode auch schon aktuell war, im Jahr 2015, im Jahr 2016 und sogar im Jahr 2017. Das war schon relativ nah dran an unserer heutigen Debatte. Ich will Ihnen auch gern abnehmen, dass sich Ihre Meinung da im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat. Trotzdem bin ich Herrn Vogel für den nüchternen und differenzierten Blick auf dieses Thema dankbar, denn so einfach ist es leider nicht. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wir lösen mit einer solchen Schulgesetzänderung nicht den Fall Tönning, sondern wir würden damit eine Lösung schaffen, die das ganze Land betrifft.

(Lars Harms [SSW]: Wir lösen alles!)

Das wäre dann natürlich ein klassischer Fall von Konnexität, und das muss man wissen. Letztlich muss man natürlich dann auch - bitte verstehen Sie das nicht als Vorwurf - zum Thema Finanzierung etwas sagen und sagen, was man dann an anderer Stelle dafür nicht machen will. Ich denke, es ist gut, wenn wir uns im Ausschuss genau über die Frage, welche finanziellen Auswirkungen eine solche Regelung hätte, austauschen und uns damit vor Augen führen, über welche Regelung wir am Ende sprechen würden.

Zum Thema: Ja, freie Schulwahl ist ein wichtiges Gut und eine wichtige Errungenschaft. Dass Schülerinnen und Schüler in einem Flächenland auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule kommen müssen, ist zu Recht ausgeführt worden. Natürlich muss man aber an der Stelle die freie Schulwahl und die Mittelaufwendungen für die Schülerbeförderung abwägen.

Das hat das Land aus meiner Sicht bisher verantwortungsvoll getan. Die begrenzte Leistungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte muss der Landesgesetzgeber hier im Blick haben. Die Schülerbeförderung ist eine Leistung der öffentlichen Hand, die schlicht und ergreifend als freiwillige Leistung ihre Grenzen in den öffentlichen Haushalten und deren Möglichkeiten findet. Deshalb sagt der jetzige § 114 Absatz 2 Satz 2 des Schulgesetzes, dass die Kreise in ihrer Beförderungssatzung bestimmen können, dass nur die Kosten für den Besuch der nächstgelegenen Schule der gleichen Schulart als notwendig anerkannt werden. Sie können das übrigens auch anders regeln, so ist es nicht. Die Möglichkeit besteht schon. Insofern stellt sich also bereits da die Frage, inwiefern hier Handlungsbedarf für das Land gegeben ist.

Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt hinweisen. Es gibt ja zu dem Thema Rechtsprechung. Klar ist, dass die freie Schulwahl keinen Anspruch auf eine kostenlose Schülerbeförderung eröffnet. Das ist völlig klar. Dazu gibt es Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, die das abdecken. Es ist das Grundrecht der Eltern beziehungsweise ihrer schulpflichtigen Kinder, aber es enthebt die Eltern nicht des Risikos, dass sich der Besuch der von ihnen bevorzugten, aber weiter entfernt liegenden Schule zu ihrem Nachteil auswirkt. Insofern sind wir da rechtlich auf der richtigen Seite. Alles andere ist dann am Ende die Frage, welche politischen Schwerpunkte man setzen möchte.

Einen letzten Aspekt lassen Sie mich aber noch nennen: Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Schulentwicklungsplanung der Kreise. Darüber

(Dr. Frank Brodehl)

muss man sich im Klaren sein. Ob man dann, wenn man das tun würde, tatsächlich noch eine konsistente Schulentwicklungsplanung innerhalb der Kreise machen könnte, diese Frage muss man sich auch stellen. Ich glaube, damit macht man noch ein ganz anderes Fass auf. Ich denke, auch diesen Aspekt sollten wir in die Beratungen im Bildungsausschuss, auf die ich mich selbstverständlich freue, berücksichtigen.

Auch ich wünsche Ihnen ein wunderschönes, gesegnetes und frohes Weihnachtsfest.

(Beifall CDU, FDP und AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer dafür ist, dass der Gesetzentwurf Drucksache 19/372 federführend an den Bildungsausschuss und mitberatend an den Finanz- und Wirtschaftsausschuss überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz

Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/373 (neu)

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPDFraktion hat der Abgeordnete Tobias von Pein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

„Wenn man einem Kind Moral predigt, lernt es Moral predigen, wenn man es warnt, lernt es warnen, wenn man mit ihm schimpft, lernt es schimpfen, wenn man es auslacht, lernt es auslachen, wenn man es demütigt, lernt es demütigen, wenn man seine Seele tötet, lernt es töten. Es hat nur dann die Wahl, ob sich selbst, die anderen oder beides.“

Das ist von Alice Miller aus dem Buch „Am Anfang war Erziehung“.

Die Kinderrechtskonvention und ihre einstimmige Verabschiedung war und ist ein Meilenstein, und wenn wir über Menschenrechte und das Leben von Kindern reden, allemal.

Es geht um die Änderung der Perspektive. Man stellt die vermeintlich Schwächsten - meistens sind es nicht die Schwächsten, sondern nur die mit der schwächsten Lobby - auf Augenhöhe. Kinder und Jugendliche sind nicht länger ein Objekt des Erwachsenenrechts im Rechtssystem, sondern haben eigene Rechte. Es gibt ihnen ein explizites Recht auf Schutz und ein unbeschwertes Leben. Man kann auch einfach sagen: eine unbeschwerte Kindheit.

Die wichtigsten Artikel, ich möchte nur einige nennen, sind: das Recht auf Leben, das Recht auf beide Eltern - wir wissen, dass dies in der heutigen Zeit ein großes Problem ist, gerade im Unterhaltsrecht oder wenn wir bei Trennungsgeschichten über Schicksale von Kindern sprechen -, das Recht auf Information, das Recht auf Schutz vor Gewalt. In Deutschland haben wir glücklicherweise Gesetze geschaffen, die Gewalt gegen Kinder ächten. Im Jahr 2000 gab es, wie ich finde, einen großen Meilenstein in Deutschland, der das in richtiges Recht umgesetzt hat. - Weiter gibt es das Recht auf Gesundheit. Auch da gibt es immer noch große Verwerfungen in der Welt. - Das Recht auf Bildung darüber sprechen wir fast jeden Tag - ist immer noch nicht wirklich umgesetzt, immer noch haben Kinder nicht die gleichen Chancen, wenn sie auf die Welt kommen, und sind abhängig von dem, was sie von zu Hause mitbekommen. Unsere staatliche Aufgabe ist es ganz oft, hier zu reparieren und zu sehen, dass dieses Recht auf Bildung umgesetzt wird.

(Beifall SPD, FDP und SSW)

Das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung. Auch hier gibt es immer noch grassierende Armut und Ungleichheit. Für mich als Sozialdemokrat ist eine Schande, dass es immer noch so ist, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen leider auf der Strecke bleiben. Auch hier fangen wir bei den Kindern an! Jedes Kind wird zunächst gleich geboren, aber dann beginnt die Ungleichheit. Wir müssen bei den Kindern, ihnen sind wir es schuldig, anfangen, ihnen ein gleiches Leben zu ermöglichen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgen- stein [AfD])

(Ministerin Karin Prien)

Dann als Nächstes der Schutz vor Krieg. Wir haben über Asylpolitik, über Flüchtlingsfragen und über Migration gesprochen. Aber der Kern dahinter ist, dass wir einen Schutz der Kinder vor Verfolgung, vor Krieg umsetzen müssen. Ein aktuelles Beispiel ist die Verfolgung der Rohingyas. Ich empfehle jeder Kollegin und jedem Kollegen, der dafür noch kein wirkliches Herz entwickelt hat, eine Dokumentation, die gerade auf „arte“ gelaufen ist und über das Schicksal der Rohingyas und hier insbesondere über das Schicksal einer Familie berichtet, die sich auf den Weg gemacht hat. Ehrlich gesagt, ich war den Tränen nahe.

Kinderrechte müssen die Richtschnur politischen Handelns von Bund, Ländern und Kommunen sein. Eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz bedeutet auch eine Stärkung von Kindern in der Gesellschaft. Ich finde, der Bund muss sich bei diesem Thema endlich bewegen. In Schleswig-Holstein sind wir vorangeschritten und haben die Kinderrechte in die Landesverfassung aufgenommen. Auch das war ein Meilenstein und wird heute nicht mehr infrage gestellt. Das Grundgesetz benennt die Kinder bisher aber noch nicht explizit, und deswegen wollen wir das dort aufnehmen. Eine Aufnahme der Kinderrechte würde die Rechte der Kinder verdeutlichen, wie sie sich aus anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben, ohne die Elternrechte zu beschneiden.

Wir wollen heute die Landesregierung bitten, die entsprechenden Initiativen im Bundesrat zu unterstützen. Es freut mich, dass wir heute die Möglichkeit gefunden haben, dies fraktionsübergreifend zu unterstützen. An dieser Stelle herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen, die das mittragen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Tobias Loose [CDU])

Lassen Sie mich meine Rede mit einem Zitat der großartigen Astrid Lindgren abschließen:

„Es ist nicht leicht, Kind zu sein! Es ist schwer, ungeheuer schwer. Was bedeutet es denn - Kind zu sein. Es bedeutet, dass man ins Bett gehen, aufstehen, sich anziehen, essen, Zähne und Nase putzen muss, wenn es den Großen passt, nicht wenn man selbst es möchte … Es bedeutet ferner, dass man ohne zu klagen die ganz persönlichen Ansichten eines x-beliebigen Erwachsenen über sein Aussehen, seinen Gesundheitszustand, seine Kleidungsstücke, seine Zukunftsaussichten anhören muss. Ich habe mich oft gefragt, was

passieren würde, wenn man anfinge, die Großen in dieser Art zu behandeln.“

Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute spricht der Landtag eine bedeutsame Empfehlung aus: die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz. Ein gutes Signal von der Förde nach Berlin. Es mag Zufall sein oder nicht. Es ist der letzte Tagesordnungspunkt mit einer Aussprache vor Weihnachten, in jedem Fall auch eine gute Botschaft zum Fest.

Im Jahr 2010 ist die Verankerung der Kinderrechte in der Landesverfassung auf einen breiten Konsens in diesem Haus gestoßen und entsprechend beschlossen worden. Gestern Abend hat Wolfgang Kubicki das Grundgesetz als die weltweit beste Verfassung gewürdigt. Was liegt also näher, als in diese auch die Kinderrechte aufzunehmen? Der höchste Schutz, die höchste Verankerung ist genau das Richtige.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Viel könnte gesagt werden, aber ich will mich auf einige Punkte beschränken. Eine Verankerung im Grundgesetz mag keine unmittelbare Wirkung haben, sie ist aber eine herausragende Normierung, die ihre Wirkung entfaltet. Eine Grundgesetzverankerung genügt aber alleine nicht, sondern es kommt auch auf das Handeln in der Realität an. Wir haben einige der aktuellen sozialen Probleme heute bereits gehört. 30 % der Kinder in Städten und in manchen ländlichen Regionen wachsen von Beginn ihres Lebens an unter Armutsbedingungen auf. Soziale Ausgrenzung, Vereinsamung, ein Leben am Existenzminimum bleiben auf niemanden, am allerwenigsten auf Kinder ohne Auswirkung. Auch hier bleibt ein Handlungsfeld.

Über Lebenswege und Chancen entscheidet auch sehr die Bildung. Die Bildungswege sind bestimmend für viele junge Menschen. Viel ist bei uns in Bildung, in Betreuung, in Schulen, in Kita gemacht und geleistet worden. Ich denke, man darf sagen,

(Tobias von Pein)

dass noch nie in eine Generation so viel investiert worden ist wie in die jetzige in diesen Bereichen. Dennoch gibt es eine Reihe von Handlungsfeldern, die wir in den letzten Jahren diskutiert haben und die weiter bestehen bleiben werden. Auch hierfür hat die Grundgesetznormierung sicherlich eine Leitfunktion.