Lieber Kollege Harms vom SSW, ob aber Ihr konkreter Antrag in der Praxis noch etwas verändern kann, da die Beratungen im Bundesrat schon weit fortgeschritten sind und die Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sich dem Ende zuneigt, wissen wir nicht.
Deshalb wollen wir die Initiativen des SSW, die wir grundsätzlich unterstützen, dazu nutzen, im Ausschuss ergebnisoffen über die Fragen von Tariftreue sowie von sozialen und ökologischen Standards zu sprechen. Wir Grünen wollen in die Diskussion aber nicht nur unsere Regierungspartner und die Opposition, sondern auch Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, Vertreter der Verkehrsbetriebe und der kommunalen Spitzenverbände sowie nicht zuletzt unsere Freundinnen und Freunde aus den Gewerkschaften einbeziehen. Wir freuen uns auf die Anhörung und den weiteren Diskussionsprozess. Auf uns Grüne kann man sich bei den Themen Tariftreue und Umweltstandards verlassen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich dem SSW zu der programmatischen Offensive, die er gleich zu Beginn der Wahlperiode gestartet hat, herzlich gratulieren. Man muss anerkennen, dass der SSW sich sehr schnell in seine neue Rolle eingefunden hat und dynamisch vorangeht. Lars Harms, ich hoffe nur, das programmatische Pulver ist mit den Vorlagen, die der SSW hier eingebracht hat, noch nicht verschossen.
Ich finde es aber nachvollziehbar und gut, dass der SSW selbstbewusst die Oppositionsführerschaft für sich beansprucht. Das ist, glaube ich, berechtigt.
Meine Damen und Herren, das Thema Tariftreue war in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand der politischen Debatte in diesem Hohen Haus; das wird auch in dieser Wahlperiode so sein. Unstrittig scheint mir mittlerweile die Einschätzung zu sein, dass das Tariftreue- und Vergabegesetz reformbedürftig ist und deshalb überarbeitet werden muss. Die Frage ist nur, Lars Harms, in welche Richtung dies geschehen soll.
In unserem Koalitionsvertrag haben wir bekanntlich miteinander vereinbart, das bestehende Gesetz zu überarbeiten und dabei vor allem auf die sogenannten vergabefremden Kriterien zu verzichten. Hohe Sozial- und Umweltstandards sind uns wichtig. Aber das Vergabegesetz soll nicht dazu dienen, bestimmte politische Ziele durch die Hintertür zu erreichen. Es geht uns vor allem um die Stärkung des fairen Wettbewerbs und um Mittelstandsfreundlichkeit. Ziel muss es sein, dass sich auch Kleinunternehmen wieder verstärkt an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen.
Deshalb soll die unnötige Bürokratie, die dieses Gesetz zweifellos gerade im Bereich der vergabefremden Kriterien mit sich bringt und die niemandem wirklich nützt, in Zukunft entfallen. Dies ist übrigens von großem Vorteil auch für die öffentliche Hand; denn vor allem die Kommunalverwaltungen sollten damit einerseits zukünftig wieder mehr Angebote bekommen, vor allem aus dem Bereich des Handwerks, und andererseits von bürokratischem Aufwand entlastet werden.
Zu dem Thema Mindestlohn gab es in den vergangenen Wochen viele interessante Diskussionen, die im Wesentlichen auf Falschmeldungen und Fehlinterpretationen basierten. Herr Kollege Andresen hat es angesprochen: Der Landesmindestlohn und der vergaberechtliche Mindestlohn aus dem TTG wurden fröhlich miteinander verwechselt.
Ich erkläre es noch einmal kurz: Der Landesmindestlohn, der derzeit bei 9,18 € liegt, soll eingefroren bleiben und 2019, wenn der gesetzliche Bundesmindestlohn diesen eingeholt hat, auslaufen. Ich gehe davon aus, dass auch eine rot-grün-blaue Lan
desregierung - diese konnte sich bei der Landtagswahl nicht durchsetzen - genauso gehandelt hätte. Rot-Grün in Hamburg hat dies übrigens längst getan, und das bei einem deutlich niedrigeren Stand.
Die Tatsache, dass man ausgerechnet beim DGB Nord und in den Reihen der SPD-Landtagsfraktion den Unterschied zwischen Landesmindestlohn und vergaberechtlichem Mindestlohn nicht kannte, zeigt mir, dass wir im Sinne der Mittelstandsfreundlichkeit für mehr Übersichtlichkeit sorgen sollten.
- Herr Kollege Dr. Dolgner hat das immerhin anerkannt und seine entsprechenden Beiträge bei Facebook gelöscht. Es zeugt von Größe, dass man sich korrigiert, wenn man sich verrannt hat.
- Das zeigt mir, dass man mehr Übersichtlichkeit braucht, Frau Kollegin. Der DGB Nord hatte eine Pressemitteilung herausgegeben, aus der er diesen Passus später entfernt hat. Danach ergab aber die Pressemitteilung keinen Sinn mehr.
Lars Harms und Flemming Meyer, an den Vorlagen des SSW sind mir zwei grundsätzliche Dinge aufgefallen: Warum sollen wir uns weiterhin für die Bundesratsinitiative eines Landes zum Thema Tariftreue bei eigenwirtschaftlichen Verkehren einsetzen, wenn diese Initiative bereits beim Bundestag liegt? Soll das der erste Arbeitsauftrag für Wolfgang Kubicki im Deutschen Bundestag sein? Ich habe es nicht richtig verstanden.
Bei der Bundesratsabstimmung hatte sich übrigens Rheinland-Pfalz als damals noch einziges von der FDP mitregiertes Bundesland der Stimme enthalten, weil die Koalitionspartner unterschiedlicher Auffassung waren. Ich gehe davon aus, dass es bei uns ähnlich aussähe.
Zweite Anmerkung: Warum schlägt der SSW eine Änderung des Tariftreue- und Vergabegesetzes in der ersten regulären Landtagssitzung der neuen Wahlperiode vor, nachdem er fünf Jahre regiert hatte? Auch das habe ich noch nicht richtig verstanden.
Zu dem Gesetzentwurf haben wir auch noch eine Reihe von fachlichen Fragen, die geklärt werden sollten. Rasmus Andresen hat ein Problem benannt: Bei den Busverkehren in den Kreisen wird die Konnexität ausgelöst. - Es geht auch um die Frage, ob die zwingende Übernahme der Mitarbeiter Sinn hat, wenn man wieder mehr Wettbewerb auf der Schiene haben möchte. Bei der Vergabe der Bahnnetze könnte das vor allem die Bahn weiter stärken, weil diese das geringste Problem damit hätte. Man muss sich genau anschauen, ob das wirklich Sinn ergibt.
Also: Wir setzen uns für einen hohen Arbeitsschutz und für hohe Sozial- und Umweltstandards ein, aber wir wollen ausdrücklich auch den fairen Wettbewerb fördern und damit gerade die Chancen von Kleinunternehmen verbessern. Das ist ganz entscheidend, wenn man das mittelstandsfreundlichste Bundesland werden will. Wir wollen ausdrücklich nicht, dass es weiter unnötige Bürokratie gibt, die niemandem weiterhilft. Die Vergabestellen sollen entlastet werden.
Die SSW-Vorlagen werden wir im Ausschuss weiterberaten. Darauf freue ich mich sehr. Ich freue mich noch mehr auf die Rede des Kollegen Bernd Buchholz, die jetzt folgen wird. Dies ist nach 21 Jahren seine erste in diesem Hohen Haus. An den neuen Plenarsaal wird er sich auch noch gewöhnen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Die Fraktion der AfD verzichtet auf eine Wortmeldung. - Für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, eine Vorbemerkung.
Heute ist in der Tat für mich ein besonderer Tag, nicht nur, weil ich auf der Regierungsbank Platz nehmen darf, sondern auch, weil ich nach mehr als 21 Jahren an das Rednerpult des Schleswig-Holsteinischen Landtages zurückkehre. Ich habe diese Zeit, damals vor 21 Jahren, in ausgesprochen guter
Erinnerung, und dies deshalb, weil es über die Grenzen von Parteien und Fraktionen hinweg in diesem Haus unter den Demokraten einen Willen zur Gemeinsamkeit in vielen Fragen gegeben hat, den ich damals als sehr wohltuend empfunden habe. Die Erinnerung an diese Zeit ist für mich maßgeblich verbunden mit der Erinnerung an Persönlichkeiten wie Heinz-Werner Arens und Karl Otto Meyer.
Gerade vor diesem Hintergrund biete ich in der anderen Funktion, die ich jetzt innehabe, nicht nur den die Regierung tragenden Fraktionen, sondern insbesondere Ihnen, den Oppositionsfraktionen von SPD und SSW, ausdrücklich eine konstruktive Zusammenarbeit für die Zukunft an, und ich bitte Sie, dies nicht als Floskel, sondern als ernst gemeinten Wunsch zu verstehen. - Vielen Dank.
Nun zur Sache selbst. Wir werden in diesem Hohen Haus noch viele Gelegenheiten haben, über das Tariftreue- und Vergabegesetz zu diskutieren. Es ist vom Kollegen Vogt angesprochen worden, dass wir uns vorgenommen haben, dieses Gesetz weiterzuentwickeln und dabei auf vergabefremde Kriterien zu verzichten, weil - auch nach der Evaluierung des Gesetzes in der letzten Legislaturperiode - klargeworden ist, dass die meisten dieses Gesetz in dieser Form nicht angewandt haben und dass es auch gar nicht zu kontrollieren war.
Hier geht es speziell um die Belange des öffentlichen Personennahverkehrs. Diese sind allerdings in Schleswig-Holstein klar aufgeteilt. Für die Schiene ist das Land verantwortlich, und für alle übrigen Verkehrsmittel sind es die Kreise und kreisfreien Städte. Die klare Trennung hat sich bewährt; denn nur so kann sinnvoll auf alle und gerade auch auf die örtlichen Belange eingegangen werden.
Vor diesem Hintergrund ist die Regelung, einen Personalübergang bei einem Wechsel des Betreibers im ÖPNV in das Ermessen des Aufgabenträgers zu stellen, in Schleswig-Holstein, aus meiner Sicht jedenfalls, mehr als sinnvoll; denn nur vor Ort kann auf die jeweilige Situation angemessen eingegangen werden. Es macht beispielsweise einen großen Unterschied, ob ein großes, landesweit tätiges Unternehmen oder ein Kleinunternehmer betroffen ist, der bisher nur die entsprechenden Verkehrsdienste angeboten hat. Die Verpflichtung auch eines an der Ausschreibung beteiligten Kleinunternehmers, sämtliche Kräfte übernehmen zu müssen, schafft an dieser Stelle - jedenfalls aus Sicht der
Landesregierung - nicht mehr Wettbewerb, sondern birgt die Gefahr, dass gerade solche Unternehmen unberücksichtigt bleiben.
Deshalb sollte es aus unserer Sicht dabei bleiben, eine Kann-Regelung vorzusehen; denn es ist nicht so, Herr Kollege Meyer, dass die Frage, ob Personal freiwillig übernommen wird, nur der Unternehmer zu klären hat. Vielmehr ist es Sache des öffentlichen Auftraggebers und damit beim öffentlichen Personennahverkehr auf der Straße Sache der Kreise, zu entscheiden, ob sie die Übernahme des Personals wollen oder ob sie dies nicht wollen. Das entscheiden die Kreise, und sie entscheiden es in der Regel vernünftig.
Das Land macht von dem Ermessensspielraum regelmäßig Gebrauch, zuletzt bei der Vergabe vom Netz West. Der neue Betreiber, die DB Regio, musste den Beschäftigen des bisherigen Anbieters ein Übernahmeangebot machen. Das war richtig und wichtig für die Westküste und für die Beschäftigten dort. Auf kommunaler Seite ist dies beispielsweise bei den Stadtverkehren in Rendsburg in ähnlicher Art und Weise geschehen. Das heißt, dass die Kreise hierbei ihrer Verantworung gerecht werden.
Was das Thema Bundesratsinitiative angeht, liebe Kolleginnen und Kollegen, hinterlassen Sie mich mit einer gewissen Ratlosigkeit; denn die Landesregierung wird nun aufgefordert, etwas zu tun und etwas zu unterstützen, obwohl die Bundesratsinitiative bereits eingebracht ist. Sie liegt vor. Sie wird dort zu beraten sein. Die Stellungnahme der Bundesregierung macht wenig Hoffnung, dass das noch vor Ablauf der Legislaturperiode stattfindet. Ich weiß einfach nicht, was die Landesregierung jetzt tun soll. Neu einbringen können wir eine Bundesratsinitiative nicht. Alles, was das Land tun kann, wurde getan.