Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich um eine Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss bitte. Ich möchte mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und hoffe auf eine fruchtbringende Debatte. - Vielen Dank.

(Beifall AfD - Zuruf Birte Pauls [SPD])

Das Wort hat nun für die CDU-Fraktion die Kollegin Katja Rathje-Hoffmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das muss ich erst einmal verdauen. Ich möchte eigentlich gar nicht darauf eingehen, weil es das aus meiner Sicht nicht wert ist.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Spätestens seit November letzten Jahres mit dem Fall einer Ärztin aus Gießen, die auf ihrer Homepage die ärztliche Leistung Schwangerschaftsabbrüche angeboten hat, diskutieren wir über dieses Thema. Es wird leidenschaftlich und emotional diskutiert. Machen wir den Versuch, uns der Sache sachlich und nüchtern zu widmen.

Am 24. November 2017 wird eine Ärztin aus Gießen vom zuständigen Amtsgericht zu einer Geld

(Dr. Frank Brodehl)

strafe von 6.000 € verurteilt. Begründet wird das Urteil wie folgt:

„Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache.“

Es heißt, dass ein Schwangerschaftsabbruch keine normale Leistung sei wie eine Blinddarmoperation.

Wir finden folgende Problematik vor: Ist der Hinweis auf einer Homepage eine Information oder wie das Gericht meint - schon Werbung? Vor einer Positionierung, wie sie in manchen Bundesratsinitiativen mit der ersatzlosen Streichung des § 219 a gefordert wird, müssen wir erst einmal den ersten Schritt gehen, bevor wir einen zweiten oder dritten Schritt gehen. Wir müssen prüfen, ob die rein sachliche Information schon eine Werbung und somit strafbar ist.

Ich denke, dass es einen deutlichen Unterschied zwischen Information und Werbung gibt. Genau dieser muss für diesen Fall und weitere Fälle genau definiert werden.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wie stellt sich die Situation momentan dar? Aktuell kann sich nach der jetzigen Auslegung des § 219 a die betroffene Frau nicht unabhängig von den Beratungsstellen informieren, wo und von wem diese ärztliche Leistung durchgeführt werden kann. Aus frauenpolitischer Sicht finde ich das absolut nicht akzeptabel und auch in der heutigen Informationsgesellschaft nicht zeitgemäß.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Es gibt meiner Meinung nach zunächst objektiv keinen Grund dafür, dass der bloße Hinweis auf diese Leistung nicht öffentlich zugänglich sein darf. Was spricht denn dagegen, dass diese Information frei zugänglich ist? Darf eine Frau nicht alle Informationen wissen? Ich denke doch, dass wir Frauen mit diesen Informationen umgehen können. Muss ich mir etwa die Frage stellen, wie weit es um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen in Deutschland bestellt ist?

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Frauen haben dann doch lediglich den Vorteil, dass sie informiert sind. Aber wer hat einen Nachteil von dem Wissen über die Abbruchmöglichkeit? Da sind wir wieder beim derzeitigen Problem angelangt.

Ich möchte hier aber nicht stehen und einseitig argumentieren. Die andere Sichtweise trägt die Befürchtung, dass die Streichung dieses Paragrafen einen Schwangerschaftsabbruch womöglich verharmlosen könnte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines möchte ich hier noch einmal ganz klar sagen: Es geht bei dieser Diskussion auch um das Lebensrecht eines ungeborenen Kindes. Diese Tatsache dürfen wir nicht ausblenden. Wir müssen aber über alle Möglichkeiten und Szenarien diskutieren. Das tun wir auch, und das ist richtig. Keine einzige Frau entscheidet sich leichtfertig, ein Kind nicht zu bekommen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Dr. Frank Bro- dehl [AfD])

Ich traue allen Frauen zu, gut mit diesem Wissen umzugehen.

Die derzeitige Rechtslage führt dazu, dass sich ungewollt schwangere Frauen über die Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs nur extrem schwer beziehungsweise nur in den offiziellen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen informieren können. Ich verstehe nicht, dass sich eine ungewollt schwangere Frau erst nach der zwingend vorgeschriebenen Schwangerschaftskonfliktberatung über die genauen Orte und Personen zur Durchführung dieses Eingriffs informieren darf.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wir sind uns in der Jamaika-Koalition darüber einig, dass wir am Werbeverbot festhalten und das Werben und Anpreisen weiterhin unter Strafe stellen wollen. Was wollen wir als Jamaika-Koalition darüber hinaus erreichen?

Unsere Absicht mit diesem Alternativantrag ist, zunächst einmal Klarheit für die Ärztinnen und Ärzte zu schaffen und dass geprüft wird, unter welchen Voraussetzungen über Schwangerschaftsabbrüche informiert werden darf. Kurz gefragt, unter welchen Voraussetzungen handelt ein Arzt straffrei?

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit.

Ich denke an die Zeit. - Wir Koalitionäre ziehen an einem Strang, wir wollen diese Fragen sachlich und besonnen klären und gemeinsam den bestmöglichen Weg finden. Es ist und bleibt ein sensibler Bereich.

(Katja Rathje-Hoffmann)

Sie haben gemerkt, dass es mich ganz schön angefasst hat, das vorher zu ertragen. Ich bin mir sicher, dass wir gute Diskussionen im Ausschuss haben werden. Die frauenpolitischen Sprecherinnen werden sich dazu sicherlich gute Gedanken machen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt AfD)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Serpil Midyatli.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme leider nicht so leicht darüber hinweg. Sie wollen nicht an § 219 a heran, sondern an das Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Ich dachte, das hätten wir hier alle miteinander überwunden.

Wissen Sie, wozu Ihre Anträge führen? - Die führen dazu, dass sich die geballten Kräfte der Demokratie, der Selbstbestimmung und des freien Handelns und Denkens in diesem Land zusammenschließen. Das ist ein gutes Zeichen, das wir nach außen tragen und mit dem wir zeigen können, welche Werte Sie vermitteln wollen, indem Sie so tun, als ginge es Ihnen nur um das Informationsrecht.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Sie wollen darangehen, Schwangerschaftsabbrüche generell zu verbieten. Dagegen haben unsere Mütter und Großmütter in diesem Land zu Recht gekämpft und eine Einigung gefunden.

Jetzt aber zu meinem Redebeitrag. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch ich möchte mich auf das Gerichtsurteil gegen die Ärztin Hänel beziehen, das im November gefällt worden ist. Wir finden, da gibt es direkten Handlungsbedarf.

Was ist passiert? Wenn man es sich genauer anguckt, geht es nur um eine Auflistung auf ihrer Homepage, die die gesamten Dienstleistungen und Angebote ihrer Praxis zeigt. Allein das soll eine Straftat gewesen sein.

Das ist wohl nicht im Sinne des damaligen Erfinders, denn bereits in der Berufsordnung - das wird meine Kollegin Marret Bohn wahrscheinlich gleich näher ausführen - ist ganz klar geregelt, dass an

preisende Werbung verboten ist. Jedes Jahr führen etwa 25 bis 30 Fälle zu einer Anzeige.

Wie aufgeladen das Thema im Moment diskutiert wird, zeigt ein Fall im Dezember. Die Frankfurter Staatsanwalt prüft eine Anzeige wegen des Vorwurfs der Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft - ausgerechnet gegen den Limburger Bischof Georg Bätzing.

Auch hier handelt es sich um eine Info auf der Homepage, dass die Beratungsstelle einen Beratungsschein ausstellt. Wie abstrus diese Regelung ist, zeigt das ganz deutlich. Daher finden wir, dass dieser Paragraf abgeschafft werden muss.

Auch ich teile die Einstellung meiner Kollegin Katja Rathje-Hoffmann, dass wir in einer Informationsgesellschaft leben, viele von uns ihre Infos über Smartphone oder IPad holen und wir auf die Homepages der einzelnen Dienstleister und Beratungsstellen gehen. Daher ist es wichtig, dass wir dem Rechnung tragen und diesen Paragrafen abschaffen.

Gemeinsam mit dem SSW fordern wir die Landesregierung daher auf, sich den Initiativen aus Brandenburg, Bremen, Thüringen und Hamburg anzuschließen. Die Regelung im Gesetz beruht auf einem schwer gefundenen Kompromiss zu einer Zeit, in der ein Riss durch die Gesellschaft ging. Wir leben aber in einer aufgeklärten Zeit. Es ist also nicht nötig - dachte ich zumindest -, die alten Schwerter zu zücken.

Schaut man sich die Zahl der Abbrüche an, gehen diese kontinuierlich zurück, was auch ein Zeichen von guter und umfassender Aufklärungsarbeit der letzten Jahrzehnte ist. Insofern ist es Zeit, Rechtssicherheit zu schaffen. Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem gemeinsam mit dem SSW gestellten Antrag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Aminata Touré.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Manchmal findet man keine Worte für Dinge, die Sie von sich geben. Sie sollten sich einfach für das schämen, was Sie gesagt haben.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Unmöglich!)

(Katja Rathje-Hoffmann)