Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

Wir müssen die Mobilität neu denken. Dazu gehört die Stärkung des ÖPNV. Zum Beispiel effizientere E-Busse, aber auch die Idee der Stadtbahnen machen sie attraktiv. Wir haben immer für eine StadtRegionalBahn gestimmt. Städte brauchen alternative Formen auch des ÖPNV.

(Dr. Andreas Tietze)

Wir Grüne sind bereit, an einer Mobilität der Zukunft mitzuarbeiten. Wir sagen: elektrisch, modern, vernetzt, nachhaltig und unabhängig.

Was die Frage der Plakette angeht - meine Kollegin Fritzen hat das bereits gesagt; ich habe das auch nicht verstanden, Herr Dr. Stegner -, so bedeutet dies: Das Festhalten an veralteter Technik hilft nicht weiter. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages Herrn Jan-Nikolas Sontag. Er ist Geschäftsführer des Verbandes des Kfz-Gewerbes in Schleswig-Holstein.

(Beifall)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Fraktionsvorsitzender, Herr Abgeordneter Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit dem Bekanntwerden des Dieselskandals und allerspätestens seit dem weisen Leipziger Urteil zum Thema Fahrverbote sind viele Autofahrer verunsichert. Die ganze Diskussion und ihr psychologischer Effekt führen natürlich leider auch zu Wertverlusten bei vielen Dieselfahrzeugen. Ich weiß nicht, ob die AfD das im Kopf hatte, als sie das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat, oder ob sie es schlichtweg nicht aufgenommen hat. Aber es reicht auf jeden Fall nicht aus, meine Dame und meine Herren von der AfD, einfach nur zu sagen, was man nicht will. Man sollte auch sagen, was man will, um das Problem zu lösen.

(Beifall FDP und CDU - Volker Schnurr- busch [AfD]: Das machen wir ja!)

So einfach ist das also leider nicht.

Vorweg möchte ich noch eines sagen: Ich wundere mich zunehmend darüber, wie insbesondere der VW-Konzern mit diesem gesamten Skandal um die Abgaswerte und Erfolge mit den eigenen Kunden umgeht. Ich würde mir insoweit deutlich mehr Druck vonseiten der Bundesregierung wünschen. Denn so ganz unbeteiligt ist der Staat an dieser Geschichte ja nun auch nicht. Die zuständigen Behörden haben offensichtlich jahrelang geschlafen und sich von der Industrie hinter das Licht führen lassen, sodass man einmal darüber nachdenken muss, wie das eigentlich passieren konnte. Es kann nicht angehen, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses

Versagen einfach hinnehmen und einseitig ausbaden müssen. Das ist auch eine soziale Frage.

(Beifall FDP)

Im Übrigen gibt es mittlerweile ein interessantes Urteil eines Gerichts, das einem VW-Kunden einen Neuwagen zugesprochen hat. Denn nachträgliche Software-Änderungen wirken sich bei diesen Fahrzeugen nicht allein auf den Stickoxidausstoß aus, sondern ziehen noch andere Auswirkungen nach sich. Es kann insofern spannend werden, ob es noch weitere Urteile in diese Richtung geben wird. Ich bin jedoch der Meinung, dass sich das größte Unternehmen dieser deutschen Schlüsselindustrie nicht weiter mit seinen Kunden vor allem vor Gericht treffen sollte. Es müsste doch im eigenen Interesse von Volkswagen liegen, mit Blick auf das Image deutlich mehr auf die eigenen Kunden zuzugehen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018 zu der Situation in NordrheinWestfalen und in Baden-Württemberg kamen nicht überraschend, würde ich behaupten. Aber mit den Folgen werden wir uns noch eine ganze Weile zu beschäftigen haben.

In Schleswig-Holstein ist ein kurzes Stück des Theodor-Heuss-Rings in Kiel betroffen, wo der Grenzwert offenbar schon seit Jahren überschritten wird. Die Verkehrsbelastung dort ist, wie wir alle wissen, sehr hoch und die bauliche Situation eine besondere. Man muss die genaue Höhe der Grenzwerte vielleicht nicht im Einzelnen für nachvollziehbar halten, um dennoch festzustellen, dass wir mit dieser Situation jetzt umgehen und entsprechend handeln müssen. Vonseiten des Landes und der Stadt müssen nun gemeinsam sinnvolle Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt werden, um das Problem in den Griff zu bekommen. Man muss dazu kommen, dass die Grenzwerte in absehbarer Zeit eingehalten werden. Wir sprechen hier aber auch über die Hauptverkehrsachse unserer Landeshauptstadt. Sinnvolle Umleitungen sind an dieser Stelle äußerst schwierig. Ich stelle mir das zumindest nicht so einfach vor, wenn ich darüber nachdenke, welche Alternativen es gibt.

Ich sage deshalb deutlich: Ich teile die Einschätzung der Stadt Kiel - auch die Ratsversammlung hat sich mit einem breiten Votum entsprechend positioniert -, dass Fahrverbote vermieden werden müssen. Sie wären aus meiner Sicht unverhältnismäßig. Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit ha

(Dr. Andreas Tietze)

ben die Leipziger Richter in ihren beiden Urteilen ja sehr stark betont, wenn man sich die Pressemitteilung dazu anschaut. Das vorliegende Problem in Kiel kann meines Erachtens nicht dadurch gelöst werden, dass man es einfach von einer Stelle auf andere Stellen verlagert und im Zweifel durch kurzsichtige Maßnahmen sogar verschlimmert.

(Beifall FDP und CDU)

Die Verkehrssituation in Kiel ist gerade während der täglichen Stoßzeiten schon heute sehr angespannt; man sollte sie nicht weiter verschlimmern.

Ich wüsste auch nicht, wie man Fahrverbote für bestimmte Motorentypen auf der B 76 sinnvoll kontrollieren könnte. Mir hat noch niemand erklären können, wie das vernünftig gelingt. Deshalb muss man vor allem über innovative bauliche und technische Maßnahmen nachdenken. Es gibt ja eine ganze Reihe von Vorschlägen. Wie sinnvoll diese im Einzelnen sind, das kann ich nicht bewerten. Das müssen Fachleute machen, und zwar unabhängige Gutachter, die auf diesem Gebiet mehr Expertise haben als wir.

Wir müssen über die Stärkung des ÖPNV sprechen, über moderne Antriebe und einen besseren Verkehrsfluss. Auch das trägt zur Verbesserung der Situation bei.

Was die Gutachter angeht, so fand auch ich es nicht besonders glücklich, Kollege Dr. Tietze, was man in Kiel veranstaltet hat. Die Gutachter müssen natürlich unabhängig sein, das ist logisch. Dazu, dass VW den Gutachter bezahlt, könnte man vielleicht noch sagen, das sei ein Stück weit Wiedergutmachung. Aber dass VW ihn aussucht und quasi selbst dahintersteht, ist schon merkwürdig. Deshalb ist es richtig, dass es eine unabhängige Expertise dazu gibt.

Wenn die schriftlichen Urteilsbegründungen aus Leipzig in einigen Wochen vorliegen, kann auch der notwendige Luftreinhalteplan Formen annehmen.

Zu dem Thema Stickoxide wurde schon viel gesagt. Die Belastung nimmt in der Tat seit Anfang der 90er-Jahre sehr stark ab, weil die Antriebe seitdem deutlich sauberer und die Motoren effizienter geworden sind. Die Dieseltechnologie ist, ehrlich gesagt, besser als ihr momentaner Ruf.

Ich finde es erstaunlich, was aus dem Umweltbundesamt kommt. Mit hysterischen, nicht hinterlegten Behauptungen wie der zu angeblich 6.000 Toten trägt man nicht zur Versachlichung bei.

Ich könnte vieles zu dem Verein, der sich Deutsche Umwelthilfe nennt, sagen, will darauf aber um des lieben Friedens willen an dieser Stelle verzichten. Wenn wir aber ernsthaft über Luftreinheit sprechen wollen, gerade in Kiel, einer Hafenstadt wie Hamburg, dann müssen wir endlich zu vernünftigen Lösungen kommen, um insgesamt das Problem seriöser anzupacken. Es wurde schon angesprochen: Die Color Line fährt in Oslo das Kabel aus und nimmt Landstrom. Die EEG-Umlage für diese Schiffe muss endlich abgeschafft werden, damit es sich auch hier lohnt, Landstrom zu nutzen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das würde übrigens für die gesamte Region deutlich mehr bringen, als wenn man Tausende Autos aus der Stadt herauswerfen würde. Insofern muss man darüber sprechen.

Also: Mehr Expertise! Mehr Sachlichkeit! Weniger Panikmache! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist nicht davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig seine Entscheidung über mögliche Dieselfahrverbote leichtfertig gefällt hat. Im Gegenteil, wohl wissend, dass es viele Dieselfahrzeuge betrifft und bundesweite Signalwirkung für mehrere betroffene Städte hat, wurde hier im Sinne der Anwohner entschieden, die in einem Umfeld leben, wo die Grenzwerte der Stickstoffoxide entsprechend überschritten werden.

Seinerzeit wurden die Grenzwerte EU-weit zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegt. Mittlerweile sind es rund 70 Kommunen in Deutschland, wo die Grenzwerte für Stickstoffoxide regelmäßig überschritten werden.

Nun liegt es im Ermessen der jeweiligen Städte, wie sie dafür Sorge tragen wollen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Aber seit dem Leipziger Urteil ist klar: Ein Fahrverbot ist grundsätzlich er

(Christopher Vogt)

laubt. Mit anderen Worten, der Druck auf die betroffenen Städte ist gewachsen.

Eines ist auch klar: Seit Jahren wissen wir um die Grenzwerte, und wir wissen, welche Städte beziehungsweise Stadtviertel oder Stadtzüge betroffen sind. Es war also nur eine Frage der Zeit, wann diese Situation eintreten würde.

Nun haben wir den Schlamassel. Deshalb sage ich ganz klar: Wir dürfen die Kommunen nicht alleinlassen.

In Bezug auf die Überschreitung der Grenzwerte steht Schleswig-Holstein im Bundesvergleich relativ gut da. Manchmal zahlt es sich eben aus, dass bei uns so viel Wind weht. Das heißt aber nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen dürfen. So ist beispielsweise dem Jahresbericht 2015 zur Luftqualität in Schleswig-Holstein zu entnehmen, dass nach den vorliegenden Erkenntnissen auch in Zukunft zu erwarten ist, dass die Jahresmittelwerte für Stickstoffoxid an einzelnen verkehrsbelasteten Standorten den geltenden Grenzwert überschreiten werden.

Der Theodor-Heuss-Ring in Kiel ist derzeit der Straßenzug bei uns im Land, um den es konkret geht - also im Vergleich, beispielsweise zu Stuttgart, relativ überschaubar. Nichtsdestotrotz hat Kiel jetzt das Problem, dafür zu sorgen, dass dort die Grenzwerte eingehalten werden.

Hier sage ich für den SSW sehr deutlich: Ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge ist nach unserer Auffassung nicht das geeignete Mittel, das Problem in den Griff zu bekommen. Ein Dieselfahrverbot auf dem Ring würde das Problem nicht beheben, sondern verlagern. Betroffene Dieselfahrzeuge würden auf andere Strecken ausweichen, die für diese Anzahl an Fahrzeugen nicht ausgelegt sind, und würden dort zu einem Verkehrskollaps führen.

Klar ist aber auch: Die Menschen am TheodorHeuss-Ring haben Anspruch auf die Einhaltung der Grenzwerte. Ein Fahrverbot ist jedoch nicht der erste Lösungsansatz, der in Betracht kommen darf; das kann nur der letzte Schritt sein. Bis dahin gibt es eine Reihe von anderen Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Wir wissen, dass der Oberbürgermeister von Kiel dies genauso sieht. Hierin können wir ihn nur bestärken. Land und Stadt erarbeiten nun gemeinsam für Kiel ein Luftreinhaltekonzept, das in diesem Frühjahr vorgelegt werden soll.

Der Ansatz ist richtig, um das Problem kurzfristig zu lösen. Es darf aber nicht Schluss sein mit einem Luftreinhaltekonzept allein für den Theodor-HeussRing. Langfristig braucht die Stadt Kiel ein Mobilitäts- und Umweltkonzept. Ein solches Konzept muss von vorn bis hinten gedacht werden oder anders: vom Stadtrand bis zum Zentrum. Dafür brauchen wir beispielsweise ein attraktives Park-and-Ride-Angebot, emissionsfreien ÖPNV, bessere Fahrradwege und endlich Landstrom für die Schiffe im Hafen. Möglichkeiten, etwas zu tun, gibt es reichlich. Diese sind aber mit Kosten verbunden. Daher teilen wir die Auffassung, dass der Bund hier mehr in die Pflicht genommen werden muss. Wer jahrelang seine schützende Hand über die Automobilindustrie gehalten hat, darf sich jetzt nicht zurücklehnen und das Problem allein den Kommunen und dem Land überlassen. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem ersten Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Vielen Dank! - Sehr geehrter, sehr geschätzter Herr Kollege Dr. Tietze, vielen Dank für die Hinweise von Ihnen. Wir haben hier gehört, wir sollten nicht in Panikmache verfallen, und Sie kommen wieder mit dieser Studie an. Es ist nicht die Studie der Deutschen Umwelthilfe, sondern eine internationale Studie. Aber auch diese Studie ist unseriös; denn sie stellt einen Zusammenhang zwischen Toten durch Atemwegserkrankungen diverser Art und dem Stickoxidaufkommen her. Aber bei solchen Studien geht es auch um Ursache und Wirkung. Ursache und Wirkung sind nicht eindeutig nachgewiesen; denn Sie wissen nicht, wie viele von den genannten Todesfällen vielleicht vorher Kettenraucher waren. Bei jedem dieser Todesfälle müssen wir alle Lebensumstände der Betroffenen in Betracht ziehen. Es nützt nichts zu sagen, da gab es Stickoxid, und da ist ein Mensch gestorben. Also bitte: Bevor Sie hier mit Todesfällen operieren und Panik machen, sich noch einmal schlaumachen!

Wenn ich höre, durch Plaketten wird der Druck auf den Markt verstärkt - nein, das ist genau falsch. Es wird der Druck auf den Autofahrer verstärkt. Er denkt nämlich, sein Auto ist nichts mehr wert und verscherbelt es. Das erinnert mich an die Verschrot