Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich doch noch überwinden würden, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

(Serpil Midyatli)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Queere VielFALT - ein Leben lang" ist das Motto des CSD hier in Kiel. Mit einem Augenzwinkern machen es die Hamburger: „Freie Bahn für Genderwahn!“. Ich finde, dies ist sehr gelungen. Das sind gute Mottos, unter denen wir uns jetzt auch hier unterhalten. Es sind beispielhafte Mottos für die diesjährigen Feierlichkeiten zu einem Tag, der viele Menschen vereint und der historisch gewachsen ist, zum Christopher Street Day.

Auch ich möchte ein paar Hintergründe zu seiner Geschichte nennen. Dies ist ein Festtag, es ist ein Gedenktag, und es ist auch ein Demonstrationstag von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgendern, Intersexuellen und Queeren. An diesem Tag wird weltweit gegen jede Art der Diskriminierung und Ausgrenzung demonstriert. Der Christopher Street Day erinnert an den ersten bekannt gewordenen Aufstand in New York, im Stadtteil Greenwich Village, am 28. Juli 1969. Das hat Serpil Midyatli schon gesagt.

Diesen Protesten ging massive Gewalt voraus - das hast du auch gesagt -, vor allen Dingen gegen Afroamerikaner und Lateinamerikaner. Seitdem wird dieses Vorfalls gedacht. Dies ist ein Gedenktag für ein Eintreten für Toleranz, für Akzeptanz, für Menschen, die sexuell anders ausgerichtet sind.

Der erste europäische CSD fand in den 70er-Jahren in Zürich statt. Das war am 24. Juni 1978. In Deutschland war der erste CSD am 30. Juni 1979. Es ging vor allem darum, in der Öffentlichkeit zu seiner sexuellen Identität zu stehen und das auch offen bekanntmachen. Heutzutage gibt es beinahe in jeder größeren Stadt einen CSD, an dem es stets auch viele politische Prominenz zu sehen gibt. Ich nenne Roland Koch, Wolfgang Thierse, Ole von Beust oder auch Ortwin Runde, um nur ein paar Politiker unterschiedlicher Couleur zu nennen.

Bei uns in Schleswig-Holstein wurde im vergangenen Jahr in Kiel bereits der 20. Christopher Street Day gefeiert. Über 1.200 Menschen kamen in Kiel zusammen, um diesen besonderen Tag im Zeichen des Regenbogens zu feiern. Sie demonstrierten, und sie feierten fröhlich zwischen Ziegelteich, Knooper Weg und Bergstraße. Letztes Jahr hatte Kiels Ober

bürgermeister Ulf Kämpfer die Schirmherrschaft zu dieser Aktion.

Errungene Erfolge wie zum Beispiel die Ehe für alle machen die CSU - - die CSD-Bewegung sehr stolz.

(Heiterkeit)

- Es ist eben ein besonderer Tag, und es lohnt sich wirklich – das wäre auch für die CSU nicht schlecht -, sich damit zu beschäftigen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Vereinzelte Hei- terkeit)

Es ist aber auch ein Tag, an dem politische und gesellschaftliche Forderungen nach Gleichstellung laut werden müssen und auch laut geäußert werden. Dabei geht es beispielsweise - das ist auch wichtig um die Überarbeitung des Transsexuellengesetzes das haben wir hier schon einmal diskutiert -, eine Bildungsoffensive für die Schulen und die Anerkennung des Asylgrunds „Verfolgung wegen des Geschlechts und der Sexualität“. Es geht um spezielle Wohnangebote für LBGTIQ-Leute, aber man setzt sich auch ein für besondere Pflegeangebote und für spezielle Angebote für Geflüchtete sowie natürlich für die Rehabilitierung der Menschen, die seinerzeit zu Unrecht nach § 175 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind.

Es wurde aber in der Vergangenheit auch schon viel erreicht, und der Weg war sicherlich nicht leicht. Dieser Weg wurde aber von starken Menschen gegangen. So haben wir bis 2018 zumindest in Deutschland im Rückblick doch große Steine aus dem Weg räumen können.

Wir leben heute in einer weitgehend offenen und toleranten Gesellschaft. Darauf können wir wirklich stolz sein.

(Beifall im ganzen Haus)

Natürlich gibt es immer noch viel zu tun auf dem Weg zu mehr Gleichstellung. Um ein Zeichen für echte Vielfalt und Toleranz auch in Schleswig-Holstein zu setzen, wollen wir anlässlich des CSD 2018 erstmals im Landeshaus Teilnehmerinnen und Teilnehmer empfangen. Die Türen dieses Hauses sollen für diesen Anlass offenstehen. Das ist ein wichtiges Zeichen für eine freie und offene Gesellschaft.

Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Alternativantrag, den wir, wie ich gerade mitbekommen habe, noch etwas modifiziert haben.

(Zuruf SPD: Was?)

- Es geht dabei um die Überschrift. Wir wollen mehr Vielfalt und „Akzeptanz“ - statt des Wortes „Toleranz“.

Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Antrag. Ich sage nur: Happy Pride! Wir machen das schon richtig, Frau Midyatli. - Danke schön.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank zunächst an die SPD-Fraktion für die sehr gute und richtige Initiative, die wir natürlich inhaltlich - mit kleinen formalen Änderungen - unterstützen. Ich glaube, wir sind auf einem ganz guten Weg, wenn wir den CSD, die Christopher-Street-Day-Bewegung, auch hier im Landeshaus ehren. - Auf Details komme ich noch zu sprechen.

Meine Vorrednerinnen haben es bereits gesagt: Der Ursprung des Christopher Street Day und der dazugehörigen Bewegung liegt in New York, und zwar ausgehend von den Stonewall-Aufständen des Jahres 1969. Es ging dabei um gewalttätige Auseinandersetzungen und um Diskriminierungen, denen homo- und transsexuelle Menschen zu diesem Zeitpunkt in den USA ausgesetzt waren. Dies hat nicht nur eine Dimension für die LGBTIQ-Bewegung auch das ist angesprochen worden -, es hat damals sehr viele Lateinamerikaner und Afroamerikaner getroffen.

Das Thema hatte auch eine soziale Dimension, weil dort frei und selbstbestimmt mit der eigenen Sexualität und mit der geschlechtlichen Vielfalt zu leben oft auch etwas mit sozialer Ausgrenzung zu tun hatte. Neben diesen Menschenrechts- und Bürgerrechtsthemen hat die ganze Frage von ihrem Ursprung her also auch eine starke soziale Dimension, und ich finde es wichtig, heute auch hieran noch einmal zu erinnern.

In Europa ging die ganze Bewegung etwas später los; acht Jahre später gab es den ersten europäischen Christopher Street Day in Zürich, in der Schweiz. Im Jahr darauf fanden die ersten politischen Demonstrationen auch in Deutschland statt, nämlich in Bremen, Köln und Berlin, und später gelangte die ganze Bewegung dann auch zu uns nach Schleswig-Holstein.

Die Frage, vor der wir hier heute stehen und über die wir uns nun unterhalten, ist nicht nur eine historische Frage. Vielmehr gibt es auch heute weltweit genug Anlass, und zwar traurigen Anlass, für Menschenrechte, für LGBTIQ weiter zu kämpfen und sich dafür starkzumachen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und SPD)

Ich denke dabei beispielsweise an die Menschenrechtslage in Russland, in der Türkei oder auch in anderen Staaten. Aber auch bei uns sind diese Themen wichtig; es ist wichtig, diese immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Natürlich ist die Lage für LGBTIQ in Deutschland wesentlicher besser als in den Ländern, die ich gerade genannt habe. Das war auch ein Kampf der Bürgerrechts- und Menschenrechtsbewegungen; ohne sie wären diese Fortschritte nicht erzielt worden.

Aber gut ist noch nicht gut genug. Gerade wenn wir uns die Situation von trans- und intersexuellen Menschen anschauen, die durch das Personenstandsrecht oder auch durch Vorgaben der Gesundheitspolitik noch immer häufig an einem selbstbestimmten Leben gehindert werden, wenn wir uns anschauen, wie es für homosexuelle Jugendliche ist, die vor ihrem Coming-out stehen und ebenfalls noch erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt sind, wenn wir sehen, dass die Selbstmordrate bei homosexuellen Jugendlichen vier- bis fünfmal so hoch ist wie bei heterosexuellen Jugendlichen, dann zeigt uns das, dass wir auch hier in Deutschland noch nicht so weit sind, wie wir sein müssten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU, SPD, FDP und SSW)

Der Christopher Street Day demonstriert Vielfalt, und er gibt diesen Menschen Rückhalt in ihrem Leben, Rückhalt dabei, selbstbestimmt leben zu können. Deshalb unterstützen wir Grünen wie auch viele andere hier im Haus seit Jahren bereits die Christopher Street Days in Kiel und in Lübeck. Seit dem letzten Jahr gibt es in Flensburg den sogenannten Women‘s March und Rainbow Walk, der Jahr für Jahr am Internationalen Tag gegen Homophobie stattfinden soll, also am 17. Mai, und der an die Traditionen, die in anderen Städten schon länger gelebt werden, anknüpfen soll. Auch das ist ein wichtiges Signal; es ist eine wichtige Veranstaltung, die ich in einer Reihe mit den Veranstaltungen hier in Kiel und in Lübeck nennen möchte.

Uns geht es eben nicht nur um Toleranz, sondern um Akzeptanz - Katja Rathje-Hoffmann hat es gerade gesagt.

(Katja Rathje-Hoffmann)

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Deshalb ändern wir unseren Antrag, und zwar auch auf Wunsch der queeren Verbände, die noch einmal auf uns zugekommen sind.

Wir freuen uns über den Antrag der SPD; wir glauben, dass wir, wenn wir heute, hoffentlich mit breiter Mehrheit, einen der beiden Anträge beschließen werden, hinterher hier im Landeshaus ein buntes und fröhliches Fest für die Menschen, die sich in diesem Bereich bürgerrechtlich und menschenrechtlich engagieren, veranstalten können.

Das, was uns formal jetzt noch trennt, ist nicht entscheidend; das Wichtigste ist das Signal, das wir setzen. Ich glaube, dass wir nach dem heutigen Beschluss weiter einen guten und bunten Weg gemeinsam gehen können.

Ich bedanke mich auch bei Klaus Schlie, der hierfür schon seine Bereitschaft erklärt hat. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion hat mit ihrem Antrag ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, welches häufig von einigen Personengruppen für Polarisierung und negative Abgrenzung missbraucht wird. Die uneingeschränkte Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben, Trans- und Intersexuellen ist leider immer noch keine vollständige Realität in Deutschland.

Die vorliegenden Anträge tragen diesem ungelösten Problem insofern Rechnung, als eine fortdauernde Beschäftigung mit dieser Thematik und eine entsprechende Vergewisserung eingefordert und aufrechterhalten wird. Und das ist gut so.

Es wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon vieles für die Rechte der LGBTIQ getan - jedoch bei Weitem nicht genug, um dieses Thema nun einfach auf sich beruhen zu lassen. Deshalb ist das Ansinnen der SPD-Fraktion notwendig, und es ist insgesamt auch wertschätzend. Denn auch heute, in einer vermeintlich toleranten und liberalen Gesellschaft, existieren noch unzählige Vorurteile.

Etwas zur Genese: In der jüngeren westdeutschen Zeitgeschichte wurde Homosexualität noch im Strafgesetzbuch als strafbare Handlung verfolgt. 1969 gab es eine erstmalige Abschwächung; das Totalverbot wurde aufgehoben. 1973 wurde dann noch etwas an den Begrifflichkeiten verändert. Hieß es früher „Vergehen wider die Sittlichkeit“ schon dieser Sprachgebrauch führt heute zu Kopfschütteln -, ist jetzt von „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ die Rede. Auch der Begriff Unzucht wurde entsprechend ersetzt. Das Schutzalter wurde von 21 Jahre auf 18 Jahre herabgesetzt. Dennoch ist man von der gesetzlichen Gleichstellung Homosexueller immer noch weit entfernt gewesen.

Der genannte Paragraf des Strafgesetzbuchs - bei dem es bereits im Bundestagswahlkampf 1980 auch von den Freien Demokraten die Forderung gab, ihn abzuschaffen - wurde erst 1994 abgeschafft. Dazwischen lagen einige Jahre der FDP-Regierungsbeteiligung auf Bundesebene. Das ist sehr bitter; manchmal dauern die Dinge leider etwas länger.

Die Menschen, die nach diesem Paragrafen verurteilt wurden, erfuhren jetzt ein Stück späte Gerechtigkeit, als der Bund vor ziemlich genau einem Jahr die gefällten Urteile aufhob und nun verspricht, die heute noch lebenden damaligen Verurteilten zu entschädigen.

Die Ungerechtigkeit, die die Betroffenen in der Vergangenheit erfahren haben, muss ein Ansporn sein für den täglichen Kampf bis zu einer vollständigen Gleichberechtigung von Homosexuellen. Das müssen wir weiter ausfechten.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und SSW)