Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

als Feiertag einführen, dann feiern wir auch unser demokratisches System an sich.

Im Bundesvergleich haben wir, das Land Schleswig-Holstein, die wenigsten Feiertage; es sind lediglich neun. Nur vier weitere Länder teilen unser Schicksal. In Bayern gibt es 13 Feiertage. Die Augsburger sind, was das angeht, die glücklichsten Menschen; sie haben sogar 14 Tage frei, fünf Tage mehr als wir. Es wäre schon schön, wenn wir wenigstens im Mittelfeld landen würden und den zehnten - irgendwann vielleicht auch den elften; wer weiß das schon - Feiertag bekommen könnten. Damit würden wir bis zu einem gewissen Grad eine Gleichstellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Bundesland mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in anderen Bundesländern herbeiführen. Die Ungleichbehandlung führt dazu, dass wir ernsthaft in Erwägung ziehen müssen, einen neuen Feiertag einzuführen.

Meine Damen und Herren, wir haben uns darüber auch vor dem Hintergrund Gedanken gemacht, dass in diesem Jahr 500 Jahre Reformation - zu Recht gefeiert werden. Das ist übrigens auch ein grundlegendes Ereignis, nicht Luther, sondern die Reformation.

In unserem Land, in Schleswig-Holstein, haben wir derzeit nur drei Feiertage, die nicht christlich geprägt sind; sechs sind christlich geprägt. Die drei nicht christlich geprägten - Neujahr, 1. Mai, Tag der Deutschen Einheit - sind bundesweite Feiertage. Es ist an der Zeit, dass sich das Land SchleswigHolstein wenigstens einmal im Jahr selbst feiert. Am liebsten wäre es mir, wenn das noch am 13. Dezember dieses Jahres möglich wäre, damit die Menschen schon in der Adventszeit 2017 zumindest an einem Tag „entschleunigen“ können. Vielen Dank.

(Beifall SSW)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Petra Nicolaisen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein neuer Feiertag muss her, ein Feiertag zugunsten unserer Landesverfassung, „das prägende Dokument allen gesellschaftlichen Zusammenlebens in unserem Bundesland“, wie Lars Harms es soeben in seiner Begründung des Gesetzentwurfs der SSWAbgeordneten formuliert hat. Inzwischen haben uns

(Lars Harms)

zwei weitere Anträge ereilt, ein Antrag der SPDFraktion und ein Änderungsantrag der AfD-Fraktion, die Vorschläge für weitere Gedenktage enthalten. Als hätten wir am Anfang der Legislaturperiode keine anderen Sorgen und Probleme!

(Beifall CDU und FDP)

Die Diskussion ist übrigens keine neue; schon am Ende der vergangenen Legislaturperiode haben wir uns über dieses Thema unterhalten.

Viele Bürgerinnen und Bürger finden die Forderung nach einem zusätzlichen Feiertag auf den ersten Blick bestimmt sympathisch. Ein weiterer Tag zur Entschleunigung in der ach so hektischen Arbeitswelt - wer fragt da schon, ob die Forderung sinnvoll oder gar verantwortungsvoll ist? Brauchen wir denn wirklich einen neuen Feiertag?

(Lars Harms [SSW]: Ja, unbedingt!)

Warum soll es denn der Tag der Landesverfassung sein? Warum nicht der Tag des Matrosenaufstands? Warum nicht der 13. Juni? Warum nicht auf Dauer der Reformationstag? Es muss darum gehen, dem Ereignis die angemessene Aufmerksamkeit zu widmen. Lars Harms hat durchaus zutreffend formuliert, dass der Tag der Landesverfassung ein denkwürdiger Tag ist. Das Ereignis gibt diesem Tag seine Bedeutung; das gestehe ich zu. Vielleicht sollten wir wirklich das Grundgesetz und die Landesverfassung stärker in den Blickpunkt der Gesellschaft rücken.

(Beifall Lars Harms [SSW])

Jetzt kommt das Aber.

(Lars Harms [SSW]: „Aber“ können Sie weglassen!)

- Nein. - Ein zusätzlicher Feiertag bedeutet eben nicht, dass alle Bürgerinnen und Bürger freihätten. Er könnte sogar Mehrarbeit bedeuten, etwa im Tourismus oder im Gaststättengewerbe. Ob ein Feiertag im Dezember - der Dezember ist immerhin der umsatzstärkste Monat für den Einzelhandel - wirklich sinnvoll ist, das stelle ich hier ebenfalls infrage. Ich zitiere an dieser Stelle gern den Präsidenten des Verbands Handwerk Schleswig-Holstein e. V.:

„Ein zusätzlicher gesetzlicher Feiertag hat in Schleswig-Holstein keine Berechtigung, weil die Unternehmen ihn schlichtweg nicht finanzieren können … Die Argumentation, es würden keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen, kann ich nicht nachvollziehen; erst recht, wenn man bedenkt, dass das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen bei uns im

Norden knapp 20 % unter dem Bundesdurchschnitt und sogar rund 30 % unter dem in Bayern liegt!“

(Lars Harms [SSW]: Die haben mehr Feierta- ge! Wenn wir mehr Feiertage hätten, dann würde vielleicht auch bei uns das Einkom- men steigen!)

Sie merken, die Einführung eines weiteren Feiertags hätte weitreichende Konsequenzen. Daher bedarf es vor einer etwaigen Einführung der intensiven Abstimmung in der Gesellschaft, mit den Kirchen, den Nachbarländern und der Wirtschaft.

Es darf der Wirtschaft in Schleswig-Holstein kein Nachteil daraus erwachsen.

(Beifall CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie merken: Der Einführung eines neuen Feiertags stehe ich eher skeptisch gegenüber. Ich werde mich aber der Debatte nicht entziehen - es wurde ja ein Gesetzentwurf eingebracht, der automatisch in den Ausschuss geht - und freue mich auf eine interessante Diskussion im Innen- und Rechtsausschuss. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FPD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die neue Koalition ist sehr generös!)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Martin Habersaat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 500 Jahre nach der Reformation müssen die Protestanten eines zugeben: In einem Bereich ist der Kampf gegen die Altgläubigen verloren, nämlich bei der Frage, wer öfter feiern kann. Das Feiertagsgefälle von Süd nach Nord, das die Katholiken in den Genuss von Feiertagen wie Heilige Drei Könige, Fronleichnam, Allerheiligen und meistens noch zu ein bis zwei Karnevalstagen kommen lässt, hat keine protestantischen Gegenstücke. Im Gegenteil, vor rund 20 Jahren wurde zur Finanzierung der Pflegeversicherung auch der Buß- und Bettag gestrichen. Da die konservative Seite gerne die Produktivität des katholisch-konservativ geprägten Südens in den Mittelpunkt stellt, sollten wir dann auch konsequent die Feiertagslücke ein wenig verringern.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

(Petra Nicolaisen)

Die SPD hatte deshalb in ihrem Wahlprogramm einen zusätzlichen gesetzlichen Feiertag gefordert.

In diesem Jahr wird der Reformationstag am 31. Oktober einmalig ein Feiertag sein. In der Öffentlichkeit wurde deshalb von verschiedener Seite gefordert, diesen Feiertag zu verstetigen. Wir wollen uns dem nicht ganz verschließen und beantragen deshalb, auch diese Lösung in die Parlamentsberatungen und in die öffentliche Diskussion einzubeziehen.

Aus unserer Sicht sprechen zwei Dinge dagegen: Erstens. Lars Harms wies darauf hin: Wenn wir uns die bisherigen Feiertage ansehen, dann sind die kirchlichen Feiertage deutlich in der Überzahl. Zweitens. Wenn wir in Schleswig-Holstein einen neuen Feiertag einführen, sollte er auch einen Landesbezug haben. Und Luther war nun einmal nicht schwerpunktmäßig in Schleswig-Holstein tätig.

(Beifall SPD und SSW)

Wobei es aus germanistischer Sicht durchaus interessant wäre, sich zu überlegen, wie das heutige Hochdeutsch wohl aussähe, wenn Luther in Dithmarschen gewirkt hätte.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Wir sind aber weltoffen, oder nicht?)

Wir meinen, es sollte darum gehen, einen Gedenktag zu finden, der für die Entwicklung des Landes Schleswig-Holstein besonders prägend war. Der SSW hat in seinem Gesetzentwurf den 13. Dezember, den Tag der Beschlussfassung über die Landessatzung, vorgeschlagen. Wir finden, dass über das Zustandekommen der Landessatzung eine Menge zu sagen wäre, auch über die politische Kultur damals und heute. Damals war sie noch weit weniger von der Suche nach einem demokratischen Konsens geprägt, als das heute der Fall ist. Auch lebenspraktische Erwägungen sprechen aus unserer Sicht gegen einen Feiertag mitten in der Adventszeit.

Für uns wäre, wenn man in diese Richtung denken will, der 13. Juni als Tag der Verabschiedung der Landesverfassung von 1990 näherliegend, der - mit dieser Einschätzung dürfte die SPD nicht alleine sein - ein Meilenstein in der politischen Kultur unseres Landes war. Wenn ich es vorsichtig formuliere, kann ich sagen, dass sich die CDU in den Jahren zuvor jedenfalls weniger intensiv beispielsweise mit Oppositionsrechten auseinandergesetzt hatte.

(Werner Kalinka [CDU]: Na, na! Darüber können wir noch einmal reden! Vorsicht an der Bahnsteigkante!)

- Bis auf eine Ausnahme, die jetzt wieder am Start ist.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Christopher Vogt [FDP])

Unsere Präferenz ist eine andere: Wir wollen ein Ereignis aufgreifen, dessen wir im nächsten Jahr intensiv gedenken werden, nämlich den Beginn der November-Revolution in Deutschland, die erste Versammlung revolutionärer Matrosen in Kiel am 2. November 1918.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Obwohl bereits Vorverhandlungen für einen Waffenstillstand liefen, sollte sich die deutsche Marine ein letztes, ehrenvolles, aber aussichtsloses Gefecht mit britischen Verbänden liefern. Dagegen wehrten sich Matrosen und Arbeiter.

Wir wollen die Ereignisse von damals nicht unkritisch glorifizieren. Aber es war das Datum, an dem aus der deutschen Armee heraus die Forderung artikuliert wurde, den verlorenen Ersten Weltkrieg nicht fortzusetzen und auf beiden Seiten keine weiteren Menschenleben zu opfern.

(Beifall SPD, Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und es war der Tag, mit dem der Sturz des Kaiserreichs begann und die Grundlagen für den ersten demokratischen Staat in Deutschland errichtet wurden.

(Beifall SPD, Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Heute wissen wir, dass dieser große Erfolg nicht nachhaltig war und dass bis heute die Weimarer Republik als Muster für das Scheitern einer Demokratie gilt. Aber auch daran kann man an einem solchen Feiertag denken.

Wir beantragen deshalb, unseren Antrag zusammen mit dem Gesetzentwurf des SSW federführend in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, ihn aber auch in anderen Ausschüssen, zum Beispiel im Bildungsausschuss, zu beraten und dann öffentliche Foren zu schaffen, um diese Diskussion zu einem Anliegen der gesamten schleswig-holsteinischen Öffentlichkeit zu machen und die vorliegenden Alternativen und möglicherweise weitere ernsthaft gemeinsam zu diskutieren.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Als Parlament müssen wir an dieser Frage noch viel arbeiten,