Protokoll der Sitzung vom 14.06.2018

nahmeeinrichtungen zurückgeführt, beachtend, dass diese Bescheide natürlich auch einer Rechtsmittelüberprüfung unterliegen.

Zweitens. Unser mehrstufiges Rückkehrmanagement setzt zunächst aber, wie ich finde auch richterweise, auf eine individuelle Beratung zur freiwilligen Ausreise. Wir haben damit wirklich großen Erfolg und gute Beispiele hervorgebracht.

Drittens. Schleswig-Holstein unterstützt und beteiligt sich an mehreren Projekten zur Förderung der freiwilligen Rückkehr.

Viertens. Unsere Landesunterkunft für Ausreisepflichtige dient der Verbesserung der Rückkehrquote. Schon heute haben wir diese, ich nenne das Thema Boostedt. Ich glaube, nach bisherigen Erfahrungen sind wir auf einem guten und richtigen Weg. Schleswig-Holstein vollzieht Rückführungen auch zwangsweise. Derzeit stehen uns zur Sicherung von Abschiebungen fünf Plätze im Ausreisegewahrsam in Hamburg zur Verfügung. Diese Koalition hat sich darauf verständigt, in Kooperation mit anderen Ländern - mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern - eine eigene Abschiebungshafteinrichtung in Glückstadt zu bauen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir gehen konsequent die vor uns liegenden Aufgaben an; im Zuständigkeitsbereich, den wir auch zu bedienen haben. Was zu tun ist, das tun wir längst; professionell, human und selbstverständlich auch nach geltendem Recht. Es gab und gibt in Schleswig-Holstein diesbezüglich keinen Kurswechsel. Im Übrigen hat der Bund, hat Innenminister Seehofer auf der Innenministerkonferenz - also erst in der letzten Woche - Vorschläge zu seinem Zuständigkeitsbereich gemacht. Er hat dort Vorschläge dahin gehend gemacht, wie er sich für den Bund in dieses Verfahren einbringen kann. Wir werden dies jetzt mit den Kommunen gemeinsam diskutieren. Bedenken Sie bitte bei aller Emotionalität: Wir haben ein föderalstaatliches System. Wer einen völligen Wechsel und eine Zentralität des Asylverfahrens will, der muss gleichzeitig die Diskussion um die Föderalstaatlichkeit in Deutschland führen. - Danke.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Der Minister hat die vorgesehene Redezeit um 5 Minuten 30 Sekunden ausgedehnt. - Ich sehe nicht, dass eine Fraktion von dem Recht gebraucht machen möchte, diese Redezeit noch einmal für

(Minister Hans-Joachim Grote)

sich in Anspruch zu nehmen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag Drucksache 19/691 in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 19/691 mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, der Abgeordneten des SSW und der CDU gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Seniorinnen und Senioren von Bürokratie entlasten: Verzicht auf Einkommensteuererklärungen durch Einführung eines Amtsveranlagungsverfahrens

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/734

Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltung von Bürokratie entlasten

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/791

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Beate Raudies.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist es Ihnen vor knapp zwei Wochen auch so gegangen? Alle Jahre wieder, Ende Mai, wenn meist schönes Wetter ins Freie lockt, macht sich bei vielen Menschen Unruhe breit, denn am 31. Mai endet die allgemeine Abgabefrist für die jährliche Einkommensteuererklärung, zumindest für diejenigen, die eine abgeben müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie auch die Schublade im Schreibtisch geöffnet, in der Sie die Unterlagen für die Einkommensteuererklärung sammeln? Haben Sie alles sortiert, gesichtet und dann festgestellt, dass doch wieder noch ein Zettel fehlt?

Dann die manchmal schwer verständlichen Formulare ausgefüllt und auch alles noch pünktlich zum Finanzamt geschickt? - Glückwunsch!

Um wie viel anstrengender ist das erst für ältere Menschen! Für viele Rentnerinnen und Rentner ist die Einkommensteuererklärung eine lästige Pflicht. Denn oft ist gerade für sie der Aufwand zum Erstellen der Steuererklärung unverhältnismäßig hoch. Das könnte in Schleswig-Holstein jetzt ein Ende haben.

(Beifall SPD)

Denn mit der Einführung eines Amtsveranlagungsverfahrens, wie wir es heute vorschlagen, könnten Rentnerinnen und Rentner künftig unter bestimmten Voraussetzungen ihre Steuererklärung durch das Finanzamt erledigen lassen.

Meine Damen und Herren, grundsätzlich müssen auch Rentenbezieher eine Steuererklärung abgeben, wenn ihre Einkünfte den Grundfreibetrag überschreiten. Im Jahr 2018 sind das 9.000 €, für Verheiratete doppelt so viel, nämlich 18.000 €. Aber weil die Höhe der Rentenbeträge vom Rentenversicherungsträger elektronisch an das Finanzamt übermittelt wird, könnte das Finanzamt die Einkommensteuer eigenständig festsetzen, wenn ausschließlich Einkünfte aus Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherungsträger vorliegen.

Eine einfache Erklärung, dass außer den Renteneinnahmen keine weiteren Einkünfte vorliegen, genügt für die Besteuerung. Das Finanzamt kann auf die Erklärung verzichten und die Steuerfestsetzung anhand der übermittelten Daten durchführen. Denn auch die Daten über die mit den Renteneinnahmen verbundenen Sozialversicherungsbeiträge sowie gegebenenfalls Lohnersatzleistungen werden elektronisch übermittelt.

Das Finanzamt erstellt dann wie durch Zauberhand einen Steuerbescheid, übersendet ihn in gewohnter Weise, und der enthält Angaben zur Höhe der festgesetzten Steuer und zur Zahlungsfrist. Selbstverständlich kann man gegen den Bescheid Einspruch einlegen.

Alles Fiktion? - Nein. Die Steuerverwaltung in Mecklenburg-Vorpommern macht das seit rund einem Jahr. Wie sind die darauf gekommen? - Ganz einfach, das Finanzamt Neubrandenburg, das die wenigstens von uns kennen, ist bundesweit für die Besteuerung von Auslandsrentnern zuständig. Auslandsrentner sind die Menschen, die im Ausland leben und aus Deutschland nur Renten beziehen. Mehrere hundert Mitarbeiter sind damit in dem Finanzamt in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt. Ich hatte mit dem Kollegen da einmal eine Fortbildung.

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

(Zurufe SPD)

- Denkt euch euren Teil! - Für diese Auslandsrentner besteht seit Langem das Angebot für ein Amtsveranlagungsverfahren. Aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Verfahren hatte man in Mecklenburg-Vorpommern die Idee, das Verfahren auch für die Menschen im Inland zu testen. Das Verfahren läuft seit einem Jahr, findet zunehmend Zuspruch und wird von den Menschen als deutliche Entlastung empfunden, denn es spart Zeit und Aufwand.

(Beifall SPD)

Es ist verbunden mit einer breit angelegten Aufklärungs- und Beratungskampagne, die sicherlich auch erforderlich ist, um Feinheiten zu erklären. Herr Plambeck und ich müssen uns darüber nicht lange unterhalten, aber für den Großteil der Menschen sind die Steuergesetze ja ein Buch mit sieben Siegeln. Von daher braucht es da Aufklärung.

(Thomas Hölck [SPD]: Keine Diskriminie- rung, Frau Kollegin!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Steuerverwaltung profitiert davon - nicht nur die Rentnerinnen und Rentner -, denn die Bearbeitung der Steuerfälle erfolgt vollständig im automatisierten Verfahren. Außerdem entfällt das Einscannen und Archivieren der Erklärungen.

Natürlich hat so ein neues Verfahren noch Lücken. Das ist klar, wenn man damit startet. Für Rentner mit einem Nebenjob oder Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung kommt das Verfahren derzeit noch nicht infrage, und - was viel wichtiger ist - es ist im vereinfachten Verfahren noch nicht möglich, Bestätigungen über Spenden, haushaltsnahe Dienstleistungen oder andere steuermindernde Tatsachen geltend zu machen. Daher wäre es gut, wenn sich die Landesregierung der entsprechenden Initiative aus Mecklenburg-Vorpommern anschließt, das Amtsveranlagungsverfahren zusammen mit dem Bund und den anderen Ländern weiterzuentwickeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir noch ein paar Worte zum Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Ihr Antrag geht uns leider nicht weit genug. Wir wünschen uns einen festen Termin, zu dem das Verfahren in Schleswig-Holstein starten kann. Mecklenburg-Vorpommern prüft derzeit bereits eine Ausweitung, und der Veranlagungszeitraum 2019 ist ja auch noch eine Weile hin. Das sollten wir eigentlich schaffen.

Gut finde ich Ihre Idee, die Übernahme des Verfahrens für die Veranlagung von Arbeitnehmern zu

prüfen. Darum bitte ich um Überweisung beider Anträge an den Finanzausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Besucherinnen und Besucher des Wolfgang-Borchert-Gymnasiums aus Halstenbek und der Jungsozialisten aus Kiel. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete OleChristopher Plambeck das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Raudies, Sie haben es eben gesagt: Alle Jahre wieder gilt es, sich mit Formularen und Belegen auseinanderzusetzen, Einkünfte zu ermitteln, Versicherungen zusammenzustellen, Handwerkerrechnungen zu suchen, alles einzutragen, die Erklärung zu unterschreiben und dann an das Finanzamt zu schicken, entweder auf Papier oder elektronisch. Wenn es immer so einfach wäre!

Dank der immer besseren Technik, der Digitalisierung liegen dem Finanzamt viele Daten bereits vor: die Rentenversicherungsdaten, Lohnersatzleistungen oder auch die Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers. Da drängt sich zu Recht die Frage auf: Wenn dem Finanzamt diese Daten schon vorliegen, warum wird dann noch eine Steuererklärung benötigt? Kann das Finanzamt eine Veranlagung nicht auch ohne eine abzugebende Steuererklärung durchführen? Insbesondere bei einfach gelagerten Steuerfällen wie bei Rentnern oder Arbeitnehmern, die keine anderen Einkünfte haben, klingt das auf den ersten Blick richtig gut.

Ich bin grundsätzlich immer offen für Neues, besonders wenn es dazu dient, die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Verwaltung von unnötiger Bürokratie zu entlasten.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Aber ist es wirklich so einfach? Wie werden bei einer Amtsveranlagung steuermindernde Tatsachen berücksichtigt, die dem Finanzamt nicht elektronisch vorliegen? Die Rede ist von Sonderausgaben

(Beate Raudies)

oder außergewöhnlichen Belastungen. Vor allem ältere Menschen haben häufig hohe Krankheitskosten, benötigen einen teuren Zahnersatz oder müssen ihre Wohnung behindertengerecht umbauen. Oder haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen fallen an. Es gibt so gut wie keine Einkommensteuererklärung, die keine Steuerermäßigungen wie Schornsteinfeger- oder Heizungswartungsrechnung beinhaltet.

Damit diese Aufwendungen bei einer Amtsveranlagung berücksichtigt werden können, müsste erst einmal ein Steuerbescheid vom Finanzamt ergehen. Gegen diesen Steuerbescheid müsste dann Einspruch eingelegt und gegebenenfalls die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Erst dann könnten die steuerermäßigenden Tatbestände geltend gemacht werden. Eine Geltendmachung ohne Belege, wie sie aktuell praktiziert wird durch das Vorhaltesystem und nicht das Vorlagesystem, ist in einem Einspruchsverfahren kaum vorstellbar. Das würde gerade keinen Bürokratieabbau bedeuten, weder für die Bürgerinnen und Bürger noch für die Verwaltung, ganz im Gegenteil.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Aspekt: In Deutschland gilt richtigerweise das Nettoprinzip, also die Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. So hat es auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Dieses Prinzip ist ein hohes Gut und darf nicht durch ein Amtsveranlagungsverfahren ausgehebelt werden. Das müssen wir, wenn wir uns um dieses Thema kümmern, zwingend berücksichtigen.

Ich finde es aber gut und richtig, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern seit Januar 2017 ein Pilotverfahren zu diesem Thema durchführt. Daraus können wichtige Erkenntnisse für die Praxis gewonnen werden. Darum soll sich auch unser Finanzministerium eingehend mit dem Thema befassen. Wir sollten dann im Finanzausschuss beraten, ob und - wenn ja - wie wir die Amtsveranlagung praxistauglich umsetzen können, ohne dass den Steuerpflichtigen hierdurch Nachteile entstehen. Dabei soll auch geprüft werden - das ist uns ganz wichtig -, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Werbungskosten unter dem Werbungskostenpauschbetrag liegen, mit einbezogen werden können. Wir haben bewusst kein Datum in den Antrag geschrieben, um dem Finanzministerium Zeit zu geben, sich eingehend damit auseinanderzusetzen.