Protokoll der Sitzung vom 14.06.2018

Also, wenn das Präsidium diesen Zwischenruf vernommen hätte, hätte es sicherlich eine Mahnung beziehungsweise eine Rüge gegeben. Das war jetzt nicht der Fall.

Es ist grundsätzlich so, dass es den Fraktionsvorsitzenden zusteht, eine Unterbrechung der Sitzung und die Einberufung des Ältestenrates zu beantragen. Sollte sich hiergegen Widerspruch regen, würde ich das zur Abstimmung stellen. Dann würde ich den Vorschlag machen, das im Anschluss an die Sitzung zu klären. - Es gibt Widerspruch, also stelle ich das zur Abstimmung: Wird dem Antrag auf sofortige Sitzungsunterbrechung und Einberufung des Ältestenrates stattgegeben? Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen?

(Lukas Kilian [CDU]: Kindergarten!)

Enthaltungen? - Gut.

(Jörg Nobis [AfD]: Wir merken uns das! - Zurufe CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, FDP und SSW: Oh! - Serpil Midyatli [SPD]: War das eine Drohung? - Weitere Zu- rufe)

Ich werde mit dem Landtagspräsidenten sprechen, und wir werden eine kurze Sitzung des Ältestenrates im Anschluss an diese Sitzung einberufen.

(Unruhe)

Wir fahren fort mit den Kurzbeiträgen. Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Habersaat.

(Serpil Midyatli)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss gestehen, für einen kurzen Moment dachte ich, es könne sich auf einen Zwischenruf von mir beziehen,

(Heiterkeit und Beifall SPD, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Das habe ich auch gedacht!)

weil ich gesagt habe, Sie würden Scheiß behaupten. - Offensichtlich konnten Sie das für sich akzeptieren.

(Heiterkeit und Beifall SPD)

Ich möchte aber doch feststellen, dass ich auch der Meinung bin, dass das ein unparlamentarischer Begriff war und ich dafür eine Rüge des Präsidiums gern akzeptieren würde.

Zweitens würde ich aber inhaltlich absolut daran festhalten. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Herr Abgeordneter, ich ermahne Sie, das war nicht parlamentarisch.

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich doch etwas richtigstellen möchte. Der Kollege Schaffer hat mit Recht gesagt, er habe nicht von Bleibeverpflichtung gesprochen. Das stimmt, aber das steht in Ihrem Antrag. Darauf habe ich mich bezogen und habe das auch gesagt. Unter Punkt 3 steht diese Bleibeverpflichtung drin. Da geht es darum, dass Menschen in der Regel nicht länger als 18 Monate - in der Theorie wird das auch länger möglich sein - dort in einer solchen Einrichtung zu verbleiben haben.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Auffassung ist - das habe ich eben auch schon in der Rede versucht darzulegen -, dass es nicht unbedingt dazu beiträgt, wenn Menschen an einem Ort - selbst wenn sie vielleicht noch zur Tür hinausgehen können - festgehalten werden, dass sie dann eine Chance haben, in die Gesellschaft integriert zu werden. Unser Bestreben ist es immer, die Menschen zu integrieren und erst einmal davon auszugehen, dass sie möglicherweise bleiben, also ihnen bereits von Anfang an jegliche Hilfe angedei

hen zu lassen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass jemand, der eine Ausbildung macht und vielleicht trotzdem später das Land verlassen muss, diese Ausbildung in seinem Heimatland gut nutzen kann.

(Vereinzelter Beifall SSW und SPD)

Ich finde, für einen so reichen und fortschrittlichen Staat wie die Bundesrepublik Deutschland wäre es ein tolles Zeichen, wenn wir auch das zu einem Maßstab machen könnten. Ich glaube, das wäre wirklich konkrete Entwicklungshilfe, wenn man denn so will, für diese Länder, in die die Menschen wieder zurückgehen müssen.

Dann haben Sie gesagt, ich hätte gesagt: Die müssen alle bleiben! - Ich habe gerade schon deutlich gemacht, dass ich natürlich davon ausgehe, dass Menschen auch zurückgeführt werden müssen, denn das sieht der Rechtsstaat so vor. Wenn jemand kein Bleiberecht hat, dann muss er gehen. Es gibt die entsprechenden Quoten. Insbesondere im nordafrikanischen Bereich sind die Quoten nicht sehr hoch, also wird das so passieren. Worum es mir aber auch da wieder geht, ist: Erst ist ein rechtsstaatliches Verfahren mit sämtlichen Rechtsmitteln zu durchlaufen. Wenn dieses dann so ausgeht, dass der Mensch gehen muss: Dann bitte human, vernünftig, menschlich mit diesen Menschen umgehen! Das hat auch etwas mit dem Sprachgebrauch zu tun, in der Tat. Ich glaube, mein Sprachgebrauch gegenüber Menschen, die nicht von hier kommen, ist ein bisschen freundlicher als der Ihre. Das ist nun einmal so, das unterscheidet uns vielleicht auch.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Wie kommen Sie darauf? Das sind doch Vorurteile! Das stimmt doch gar nicht!)

Aber für uns ist es ganz, ganz wichtig, dass wir an dieser Humanität festhalten und dass wir dieses darauf bin ich auch ganz stolz - eben auch nach außen zeigen. Es ist ein Unterschied, ob man nach außen zeigt, dass man Menschen willkommen heißt, auch Menschen in Not willkommen heißt. Wir tun das in diesem Land. Das ist etwas, wozu ich nichts beitrage, auf das ich in diesem Land aber immer noch stolz bin.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote.

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es fordert sich so gut: schnellere Asylverfahren, konsequente Rückführung! Meine Damen und Herren, das ist doch eine alte Diskussion, die jetzt wieder neu entflammt. Auch das Schlagwort Ankerzentren und der vom Bundesinnenminister in Aussicht gestellte Masterplan Rückführung erwecken den Eindruck, Deutschland befinde sich an einem asylpolitischen Wendepunkt.

Meine Damen und Herren, nach allem, was mir bekannt ist - und ich komme gerade von der dreitägigen Innenministerkonferenz -, muss ich sagen: Wir sollten tunlichst mit Aktionismus und vor allen Dingen mit falschen Erwartungshaltungen zurückhaltend sein.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Gerade bei den Ankerzentren geht eins völlig verloren - ich werde Ihnen das gleich weiter ausführen -: Wir haben zwei grundlegende Dinge in Deutschland zu beachten. Erstens haben wir föderalstaatliche Strukturen, und wir haben föderalstaatliche Zuständigkeiten. Wir müssen also ganz klar unterscheiden in Zuständigkeiten des Bundes, Zuständigkeiten der Länder und Zuständigkeiten der Kommunen. Was wir auch nicht vergessen dürfen ich habe in letzter Zeit häufig das Gefühl, das möchte man für einzelne Menschen außer Kraft setzen -: Wir haben den Rechtsschutz. Es gibt in Deutschland das Recht auf Überprüfung rechtsstaatlicher Entscheidungen durch verschiedene Instanzen, und zwar für jeden Menschen, egal woher er kommt.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben vorhin über verschiedene Passagen gesprochen, die sich um das Thema Ankerzentren gedreht haben. Das sind ganz viele Passagen, die auch im Koalitionsvertrag enthalten sind. Lassen Sie mich einige Punkte davon einmal durchgehen.

Bereits heute arbeiten wir in unseren Aufnahmeeinrichtungen in Neumünster und in Boostedt mit verschiedenen Behörden und Einrichtungen Hand in Hand. Da ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge tätig, das BAMF - die Zuständigkeit liegt beim Bund. Dann gibt es dort das Landesamt für Ausländerangelegenheiten und die Kreisausländerbehörden - beide beschreiben schon im Namen die Zuständigkeit.

Dann sind dort die Bundesagentur für Arbeit, die Polizei, ärztliche Dienste, soziale Einrichtungen und Schulen tätig. Die Idee des Ankerzentrums, wie sie momentan von Herrn Seehofer verbreitet wird, besteht zusätzlich zu dem Konzept, und er legt dort Wert auf ein größeres Augenmerk auf das Thema Rückführung.

Meine Damen und Herren, Rückführung war aber schon immer ein wichtiges Themas des Landes und unterliegt einer landespolitischen Entscheidung. Rückführung ist ausschließlich Ländersache. Das heißt, wir müssen das regeln, und ich finde, wir machen das gut. Wir sprechen hier in Schleswig-Holstein nicht von den Flüchtlingen, sondern wir sprechen von den Menschen, die auf der Flucht sind, und wir sprechen von Frauen und Männern und betrachten jedes Einzelschicksal.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU, FDP und Beifall Beate Rau- dies [SPD])

Wenn also momentan Herr Seehofer - ebenso wie Sie in Ihrem Antrag - von Ankerzentren spricht, dann entsteht der Eindruck, es würde bundespolitisch eine zentrale Stelle geschaffen werden, die all diese Aufgaben löst. Das war auch Thema auf der Innenministerkonferenz. Das Einzige, was der Bund in diesen Ankerzentren regelt, ist die Kompetenz des BAMF. Der Minister hat zugesagt, dass dort mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt werden.

Wenn wir also unsere Erstaufnahmeeinrichtungen mit einem neuen Schild versehen und diese dann künftig Ankerzentren nennen, dann sind mindestens vier Fünftel der Zuständigkeiten Landessache, also unsere - Ihre - Zuständigkeit oder die Zuständigkeit der Kreise. Gerade das Thema Altersfeststellung liegt im Bereich des Jugendamtes. Wenn wir uns über Zuständigkeiten unterhalten, dann müssen wir uns sehr wohl darüber klar sein, wer für was zuständig ist. Dem nur einen neuen Namen zu geben, erweckt den Eindruck, man hätte damit eine neue Möglichkeit.

Kommen wir nun zu den Inhalten: Zentrale Aufnahme und Verteilung sind nicht nur seit vielen Jahren, sondern seit jeher - schon seit der letzten Flüchtlingskrise - Aufgaben des Landes SchleswigHolstein. Schon jetzt finden die Identitätsfeststellung und die Registrierung in den Aufnahmeeinrichtungen statt, direkt nach der Ankunft. Die Verfahren zur Identitätsfeststellung wurden bereits in der letzten Legislaturperiode deutlich verbessert. Sie sind heute mit weiteren technischen Mitteln

ausgestattet worden, sie wurden ergänzt und ausgebaut. Es wird sich aber auch in einem Ankerzentrum an diesem Verfahren nichts ändern. In der Praxis scheitert die Identitätsfeststellung nicht an der Technik oder an den vermeintlichen Qualifikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern im Wesentlichen an der fehlenden Kooperation der Zielstaaten und an den fehlenden Ermittlungsmöglichkeiten in den Zielstaaten.

Schon jetzt werden die Asylverfahren vom BAMF in den Aufnahmeeinrichtungen durchgeführt. Das BAMF hat dafür den Begriff „Ankunftszentren“ seinerzeit selbst geprägt. Das BAMF arbeitet heute wirklich gut und absolut präzise. Situationen wie 2015 sind schon lange vorbei, werden aber noch immer wieder gern im Zusammenhang mit der Handlungsweise des BAMF erwähnt. Hier muss man wirklich sagen: Heute können wir über das BAMF keine Kritik vortragen. Schon jetzt werden nur diejenigen mit einer positiven Bleibeprognose zügig aus den Aufnahmeeinrichtungen auf die Kommunen verteilt. Es ist bei Weitem nicht so, dass alle beliebig über das Land verteilt werden, wie manche es uns glauben machen wollen. Auch die Forderung, Asylbescheide nach drei Jahren erneut zu überprüfen, wie es in dem Papier steht, ist bereits jetzt geltendes Recht.

Damit sind wir bei Punkt 6, meine Damen und Herren, nämlich bei der zügigen Aufenthaltsbeendigung derjenigen, die keine Bleibeperspektive haben. Das ist das Ziel, an dem wir - glaube ich - alle gemeinsam arbeiten. Hier geht es uns um effizientere Verfahren unter strikter Beachtung des Rechtsstaates für alle Betroffenen und des Grundsatzes des Vorrangs der absolut freiwilligen Ausreise vor staatlichem Zwang. Gerade Letzteres ist nicht nur humanitär ein richtiger Weg, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht der absolut bessere Weg.

Meine Damen und Herren, diesem staatlichen Zwang ist ein Rechtsmittelverfahren vorgeschaltet. Dieses steht in Deutschland jeder Bürgerin, jedem Bürger und jedem Menschen zu. Wir sollten es tunlichst unterlassen, politisch darüber zu entscheiden oder zu befinden, ob bestimmte Menschen davon künftig ausgenommen werden sollten oder nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind zwar noch nicht am Ende der Reise, aber wir haben viele Etappenziele erreicht.

Ich nenne nur vier: Erstens. Personen ohne Bleibeperspektive werden heute schon direkt aus den Auf

nahmeeinrichtungen zurückgeführt, beachtend, dass diese Bescheide natürlich auch einer Rechtsmittelüberprüfung unterliegen.