Protokoll der Sitzung vom 14.06.2018

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der seit dem 25. Mai 2018 geltenden neuen Europäischen Datenschutz-Grundverordnung ist jede Anfertigung eines digitalen Fotos oder Videos, auf dem Personen erkennbar sind, eine Verarbeitung personenbezogener Daten, auf welche die neue Regelung Anwendung findet. Dies gilt deshalb, weil sich auf digitalen Aufnahmen Gesichter auch in Menschenmengen identifizieren und mit weiteren Metadaten wie Datum und Uhrzeit oder dem Ort per GPS-Koordinaten verknüpfen lassen.

Nicht nur diese neue Rechtslage, sondern vor allem die drakonischen Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche der DSGVO führen in der Bevölkerung zu erheblicher Verunsicherung. Bisher wur

de eine mögliche Beeinträchtigung von Datenschutzoder Persönlichkeitsrechten von Fotos durch das Kunsturhebergesetz - KUG - beurteilt.

Gilt dieses aufgrund der neuen Datenschutz-Grundverordnung nicht mehr, könnte das bedeuten, dass Fotografen in ihrer künstlerischen Freiheit stark eingeschränkt werden. Und nicht nur das, auch Fotos von Veranstaltungen oder nachrichtliche Bilder wären auf einmal juristisch anfechtbar. Wenn sich abgebildete Personen auf ihre Datenschutzinteressen berufen, könnten sie die Veröffentlichung verbieten. Hierdurch würde insbesondere bildliche Berichterstattung und die Berufsfotografie stark eingeschränkt.

Und wie weit reichen die in der DSGVO vorgesehenen Ausnahmen für private Fotos? Ist das Veröffentlichen von Fotos, wie sie hier in der nächsten Woche auf der Kieler Woche von Besuchern tausendfach erfolgen wird, auf denen auch fremde Personen als Beiwerk zu sehen sind, in sozialen Netzwerken noch zulässig? Dürfen sogenannte Trainoder Shipspotter ihre Bilder noch auf Facebook oder Instagram posten, wenn dort auch Menschen abgelichtet sind?

Auch bisher erlaubte § 22 KUG die Verbreitung beziehungsweise öffentliche Zurschaustellung von Personenfotos grundsätzlich nur mit Einwilligung, es sei denn, es ist eine der gesetzlichen Ausnahmen des § 23 KUG. Hiernach sind Veröffentlichungen von Fotos, die im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis stehen, Fotos von Versammlungen oder Landschaften, auf denen Personen als Beiwerk zu sehen sind, in der Regel auch ohne Einwilligung der abgebildeten Personen erlaubt. Viele Gerichtsurteile haben dieses Recht schon konkretisiert.

Bisher hatten für die Veröffentlichung und die Zurschaustellung von Personenbildnissen die §§ 22 und 23 KUG als Lex specialis Vorrang vor dem bisherigen deutschen Bundesdatenschutzgesetz. Das Recht, Fotoaufnahmen unter Beachtung der Rechte der Abgebildeten erstellen und verbreiten zu dürfen, wie es das Kunsturhebergesetz vorsieht, gehört auch zum unerlässlichen Bestandteil des verfassungsrechtlich verankerten Rechts auf freie Meinungsäußerung.

(Beifall SPD)

Mit der Datenschutz-Grundverordnung stellt sich nun die Frage, in welchem Verhältnis diese zum KUG steht. Gilt jetzt auch noch der Vorrang der Regelungen des Kunsturhebergesetzes? Diese Frage lässt sich zurzeit nicht eindeutig beantworten.

(Minister Hans-Joachim Grote)

(Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Doch!)

Generell ist es so, dass die DSGVO erst einmal aufgrund der Normenhierarchie zwischen europäischem und nationalem Recht Anwendungsvorrang vor den deutschen Gesetzen hat. Die derzeitige Rechtslage in Bezug auf Fotografien einer unüberschaubaren Anzahl von Menschen oder von Menschen als Beiwerk anderer Motive ist damit überwiegend unsicher.

Artikel 85 Absatz 2 Datenschutz-Grundverordnung sieht ausdrücklich die Möglichkeit einer Anpassungsregelung zur Gewährung der Informationsfreiheiten sowie für künstlerische, journalistische und literarische Zwecke durch nationales Recht vor. Bisher ist von dieser Öffnungsklausel des Artikels 85 Absatz 2 DSGVO kein Gebrauch gemacht worden. Dies ist aus unserer Sicht aber erforderlich, um Grundrechte wie die Kunst- und Pressefreiheit weiterhin zu gewährleisten und um Rechtssicherheit bei der gewerblichen und privaten Fotografie durch die Überleitung der Vorschriften des KUG herzustellen.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Presse hat besondere Schutzrechte, um ihre Arbeit erledigen zu können. Eines dieser Rechte ist der Informantenschutz. Dazu gehört auch die Recherche, die manchmal nur gelingen kann, wenn nicht alles bekannt ist, was in dem Zusammenhang gemacht wird. Selbstverständlich unterliegt dieses dem Grundsatz der Datensicherheit und der Wahrung des Datengeheimnisses. Auch unabhängig von der jetzt getroffenen datenschutzrechtlichen Veränderung ist das die Sach- und Rechtslage.

(Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: So ist das!)

Das Nötige zur Datenverarbeitung haben wir im Übrigen hier in der vergangenen Tagung im Mai verabschiedet. Dabei haben wir auch die Änderung

des Landespressegesetzes in einem Katalog einer Reihe gesetzlicher Änderungen geregelt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Hier gibt es keinen Regelungsbedarf, Ihre Geschichte hat keine nennenswerten Probleme, die eine Neuordnung erforderlich machen.

(Vereinzelter Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt im Übrigen auch für Digitalfotos in der Öffentlichkeit. Natürlich gibt es da bestimmte Grenzen, zum Beispiel die Frage, ob man Kinder mit aufs Fotos nimmt und in welchem Alter. Aber wer sich heute grundsätzlich im öffentlichen Raum bewegt, muss damit rechnen, dass er einmal mit einem Handy fotografiert wird. Heute gibt es auch bei diversen Einladungen bereits den Hinweis: Bitte seien Sie damit einverstanden, dass Aufnahmen gemacht werden. Dies gilt übrigens auch für gewerbliche Fotografien.

Das würde im Zweifel auch gelten, wenn ein Jagdbild mit dem Kollegen Hauke Göttsch aufgenommen würde. Auch da würden keine anderen Regelungen gelten.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Aber dafür gibt kei- ner Geld aus! - Heiterkeit)

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie haben in der vergangenen Sitzung, als wir über den Gesetzentwurf beraten haben, nichts vorgetragen und auch keine Anträge gestellt. Die Rechtssicherheit ist da. Wir sehen gegenwärtig kein Regelungsbedürfnis. Sollte es dennoch ein Problem geben, was uns bisher nicht bekannt ist, so würden wir uns im Zuge der von uns verabredeten Zwischenüberprüfung nach einem Jahr auch dieses Themas annehmen. Von daher sehen wir derzeit keinen Handlungsbedarf.

(Beifall CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Burkhard Peters.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe SPD, nach Ihrer gestrigen Fotoaktion mit diesem Comic hat Ihr Antrag eine gewisse pikante Note, muss ich einmal sagen.

(Heiterkeit und Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU, FDP und SSW)

(Stefan Weber)

Wenn das noch weiter im Netz gestanden hätte, hätte mir vielleicht die Frau Finanzministerin ein Mandat erteilt, und ich hätte einmal so eine richtig schneidige Abmahnung verfassen können.

(Heiterkeit und Beifall Hans-Jörn Arp [CDU] - Zurufe)

Dann hätte es eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegeben, und bei einem Verstoß im Wiederholungsfalle hätten Sie dreimal die DatenschutzGrundverordnung abschreiben müssen - und zwar handschriftlich -, damit Sie die Rechtslage endlich einmal kapieren.

(Beifall und Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP - Zuruf FDP: Bra- vo!)

Die Rechtslage ist durchaus nicht ganz einfach. Das will ich gar nicht bestreiten. Neben dem Unionsrecht gibt es eine Vielzahl nationaler Regelungen, verschiedene Rechtsbereiche, wo sich Abgrenzungs- und Konkurrenzfragen ergeben. Die Frage der Fotografie ist durchaus ein Bereich, den man sich einmal genauer anschauen sollte - okay. Der Wunsch nach Rechtssicherheit, liebe SPD, ist ja auch durchaus ehrenhaft. Doch mit Ihrem Antrag bin ich an vielen Punkten nicht einverstanden, und zwar aus mehreren Gründen.

Es ist bereits fraglich, ob die Datenschutz-Grundverordnung überhaupt wesentliche rechtliche Änderungen im Umgang mit dem Fotografieren mit sich bringt. Wenn man sagt: Nein, es ändert sich überhaupt nichts Wesentliches, dann teilt man diese Meinung immerhin mit dem Bundesinnenministerium und mit Jan Philipp Albrecht, der ein wenig davon versteht.

Unser aktuelles Kunsturhebergesetz stellt demnach bereits eine Regelung dar, die sich auf Artikel 85 Datenschutzgrundverordnung stützen kann. Das ist eine ganz klare Regelung, das ist eine entsprechende Ausführungsregelung, die national gilt. Nach dieser Regelung ist es nach wie vor so, dass vor allen Dingen Berufsfotografie im künstlerischen und im Pressebereich durchaus abgedeckt ist.

(Martin Habersaat [SPD]: Da sind wir also fein raus?)

Die Behauptung in Ihrem Antrag, dass nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung grundsätzlich jede Ablichtung einer erkennbaren Person unzulässig sei, es sei denn, es liege eine Einwilligung vor, und dass dadurch Berichterstattungen durch die Berufsfotografie massiv eingeschränkt würden, ist sogar ganz falsch.

(Beifall Hans-Jörn Arp [CDU])

Sie verkennt nämlich gleich mehrere Aspekte der Datenschutz-Grundverordnung. Zum einen übersehen Sie Artikel 6 Absatz 1 Datenschutz-Grundverordnung, in dem ausdrücklich die Fallgruppen geregelt sind, in denen eine Datenverarbeitung - wie hier mit der Fotografie - erlaubt ist. Eine Einwilligung ist für alle, die nicht rein privat fotografieren und damit von der DSGVO ohnehin ausgenommen sind, lediglich eine von sechs Möglichkeiten, ein Foto und dessen Nutzung zu rechtfertigen. Bei der beruflichen Fotografie ist vor allem das berechtigte Interesse nach Buchstabe f zu nennen, das bei der Verarbeitung zu journalistischen, künstlerischen und ähnlichen Zwecken, bei denen man sich auf höchste Verfassungsgüter beziehen kann, fraglos einschlägig ist. Meine Damen und Herren, hier wird die im Zweifel erforderliche Interessenabwägung regelmäßig zugunsten der beruflich Fotografierenden ausfallen.

Auch wie Sie die im Antrag beschriebenen Sachverhalte unter Artikel 9 Datenschutz-Grundverordnung subsumieren wollen, kann ich nicht nachvollziehen. Im Erwägungsgrund 51 ist jedenfalls klargestellt, dass die Verarbeitung von Lichtbildern nicht grundsätzlich als Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten anzusehen ist. Was das mit GPS-Koordinaten zu tun hat, sehe ich ebenso wenig. Doch selbst wenn das ein rechtliches Problem wäre, könnten Berufsfotografen es äußerst leicht beheben, indem sie etwaige Ortungsfunktionen deaktivieren beziehungsweise die GPS-Position nicht mit veröffentlichen.

Sie verkennen auch ein grundlegendes Prinzip der Datenschutz-Grundverordnung: Datenschutz wird nach dieser Verordnung natürlich nicht vorbehaltlos gewährt. In Erwägungsgrund 153 wird unmissverständlich klargestellt, dass dieser mit anderen Grundrechten in Einklang gebracht werden muss. Um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerungen in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen, müssen Begriffe wie Journalismus, die sich auf diese Freiheit beziehen, weit ausgelegt werden. So heißt es in dem Erwägungsgrund 153.

Meine Damen und Herren, in den anstehenden Ausschussberatungen sollten wir ein anderes Problem in den Blick nehmen. Bei der Öffentlichkeitsarbeit von Behörden und Verbänden, die sich nicht auf die Grundrechte wie Presse- oder Kulturfreiheit berufen können, kann bei der Veröffentlichung von Fotos ein Problem entstehen.

(Burkhard Peters)

(Beifall SSW)

Das haben wir bei der Novellierung unseres Landesdatenschutzgesetzes im April noch nicht mitbedacht. Hier besteht eventuell durchaus Heilungsbedarf, den wir dann aber auch selbst erledigen können.

Liebe SPD, seriöse Politik sollte vorsichtig damit sein, in den panischen Singsang einiger Personen und Medien einzustimmen, die die DatenschutzGrundverordnung als reines Bürokratiemonster und latente Abmahnfalle für rechtschaffende Unternehmen zu diskreditieren versuchen. Wem Bürgerrechte am Herzen liegen, wäre gut beraten, durchzuatmen und erst einmal umfassend die Rechtslage zu prüfen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)