Protokoll der Sitzung vom 14.06.2018

Open Source und Closed Source arbeiten übrigens in den meisten Fällen problemlos zusammen. Das IT-Fachverfahren, das von einem Softwarehaus als kommerzielle Software entwickelt wird und das auf einem Open-Source-Datenbanksystem betrieben wird, ist heute eigentlich der Standard.

Wir sprechen aber auch von Wirtschafts-, Patentund Forschungsförderung. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass zum Beispiel ein Anbieter der neuesten Generation von KI-Software irgendjemandem den Quellcode offenlegen mag. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein mittelständisches schleswig-holsteinisches Unternehmen sagt: Wir entwickeln für euch ein Fachverfahren und stellen es nachher der Welt kostenfrei zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, wir bitten die Landesregierung um einen Bericht, wie und bis wann eine Umstellung auf Open Source möglich ist. Diese kurze Debatte ist nur ein kleiner Blick auf eine sehr

komplexe und vielfältige Thematik mit durchaus unterschiedlichen Sichtweisen auf dasselbe Thema. Ich verstehe unsere Bitte an die Landesregierung vor allem so, die aktuelle Softwarebeschaffungsstrategie immer wieder kritisch zu betrachten und an aktuelle Entwicklungen und modernere Möglichkeiten anzupassen, Abhängigkeiten zu vermeiden und Chancen zu nutzen.

(Beifall FDP)

Dazu braucht es Software, die funktioniert, die wirtschaftlich ist, die den Datenschutz genauso wie die IT-Sicherheit ganz nach oben stellt, die für den Benutzer gut anwendbar ist, die mit anderer Software gut zusammenarbeitet und die zukunftssicher ist. Wir brauchen schlicht Software, die den Job macht. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und AfD)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Forderung nach dem Einsatz quelloffener Software in der öffentlichen Verwaltung ist bereits Teil des Grundsatzprogramms der AfD gewesen. Ihren Antrag begrüßen wir daher ebenso grundsätzlich. Auch den wesentlichen Punkten Ihrer Begründung können wir gut folgen: Abhängigkeiten senken, Sicherheit erhöhen, Innovationskraft stärken.

Zu bedenken ist dabei aber, dass eine großflächige oder gar vollständige Umstellung viele, wirklich viele Jahre in Anspruch nehmen wird. Wenn Sie von vollständiger Ablösung sprechen, ist das mit Stand heute gar nicht absehbar. Software ist heute eigentlich in jedem elektronischen Gerät vorhanden. In einem herkömmlichen PC stecken nicht nur Betriebssysteme und installierte Programme, sondern in unzähligen Einzelkomponenten findet sich Steuerungssoftware zumeist in der Closed-SourceVariante.

Ein Großteil moderner, überwiegend kommerziell angebotener Software ist eben nicht open-sourceverfügbar. Vergleichbare Äquivalente als quelloffene Variante sind am Markt nicht immer zu haben. Die Forderung nach der vollständigen Ablösung von Closed-Source- durch Open-Source-Software ist aktuell eher Utopie als realisierbare Idee.

(Stephan Holowaty)

Dennoch, der entschlossene Gang in diese Richtung ist richtig. Die AfD-Fraktion rät daher zu einer Priorisierung. Es geht hier um wichtige Bereiche, etwa bei besonders sicherheitsrelevanten Komponenten, es geht um Bereiche, in denen der Umstieg auf Open Source besonders einfach möglich ist, bei dem es auch bereits gute Open-Source-Software gibt. Es geht vor allen Dingen auch um die Softwarekomponenten, die bereits jetzt in der Erfahrung eine deutliche Verbesserungswürdigkeit gezeigt haben.

Ein zielgerichteter Umstieg muss daher stets die dahinterliegenden Ziele im Blick haben: Abhängigkeiten senken, Sicherheit und Innovation, auch Datenschutz - Open Source darf hier nicht zum Selbstzweck verkommen.

Zur Reduzierung von Abhängigkeiten ist Open Source grundsätzlich gut geeignet. In größeren Systemen kann der Quellcode aber derart komplex werden, dass man wirtschaftlich und technisch dann doch wieder an einen einzigen Anbieter gebunden sein kann. Ein anderer Anbieter müsste sich erst aus dem vorhandenen Quellcode und der Dokumentation mühsam, langsam und teuer das herauslesen, was für den Betrieb und die Weiterentwicklung erforderlich ist. Gerade für kleinere Anpassungen und in eng umgrenzten Systemen bietet Open Source echte Vorteile.

Für die Fälle, wo aber auf Closed Source gesetzt werden muss, ist die Abhängigkeit durch vertragliche Vereinbarungen, etwa durch standardisierte Schnittstellen oder Exportfunktionen, zu reduzieren.

Beim Thema Sicherheit - auch das hörten wir - gibt es den alten Streit, was wirklich sicherer ist. Mit offenem Quellcode kann jemand mit guten Absichten wie auch ein Angreifer Sicherheitslücken finden. Der Grundsatz gilt: Es gibt keine sichere Software.

Es gab viele Sicherheitslücken auch in Open-Source-Software, die lange unentdeckt blieben, obwohl es sich nicht nur um ein Nischenprodukt handelte, sondern weltweit eingesetzt wurde. Heartbleed SSL, ein schwerwiegender Programmfehler in der Open-SSL-Variante, ist ein in diesem Bereich populäres Beispiel.

Auch heute tun sich in Open-Source-Produkten neue Sicherheitslücken auf. Innovationspotenzial sehen wir insbesondere durch kürzere Entwicklungszyklen. Kleine Verbesserungen und Erweiterungen können bei Open Source schneller getestet und genutzt werden.

Meine Damen und Herren, das ist ein typischer Wesenszug von Open Source und der Entwicklergemeinde dahinter. Je innovativer wir dabei sein wollen, je mehr Anbieter für verschiedene Komponenten beteiligt sind - Sie sprechen von einer MultiVendor-Strategie -, desto mehr technische Kompetenz braucht das Land selbst, und zwar nicht nur bei Dataport, sondern im Grunde bei jeder Behörde vor Ort. Für das Open-Source-Ziel wird das die große Aufgabe dieser Landesregierung werden.

Die AfD-Fraktion unterstützt das Ansinnen der flächendeckenden Anwendung von Open-Source-Produkten in der öffentlichen Verwaltung. Es ist - wie gesagt - auch unser Anliegen, und deshalb freuen wir uns auf das, was in den nächsten Jahren kommen wird. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Fraktionsvorsitzende Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bei der Industrialisierung im 19. Jahrhundert haben sich hundert Jahre später auch bei der Digitalisierung innerhalb kurzer Zeit Monopole und Quasi-Monopole dominanter Anbieter entwickelt. Von deren Strategien hängt inzwischen der Fortgang der Digitalisierung ab. Das ist im Sinne eines demokratischen Marktes bedauerlich, aber inzwischen eine unumstößliche Tatsache. Darum sind Fragen nach einer Aufsichtsfunktion des Staates, dem Schutz persönlicher Daten und nicht zuletzt nach dem Ausbau der Infrastruktur als Teil staatlicher Daseinsfürsorge hier im Plenum gut aufgeboben. Das alles spielt in den Antrag mit hinein, der sich eines Aspektes annimmt: der Softwarearchitektur in der Landesverwaltung.

In den „Empfehlungen für die schulische IT- und Medienausstattung“ beispielweise, die Schulen und Lehrkräften an die Hand gegeben werden, ist nicht einmal die Rede von Betriebssystemalternativen zu Android, Windows oder iOS. Dort geht es erst einmal darum, an den Schulen Medienkompetenz zu vermitteln. Der Preis: Man gibt ungewollt eine Kaufempfehlung und blendet Alternativen aus. Das finde ich einerseits bedauerlich, sehe aber aus rein pragmatischen Gründen keine Alternative dazu, in den Schulen auf eingeführte und kompatible Systeme zurückzugreifen, die ja auch den Schülerinnen

(Claus Schaffer)

und Schülern entsprechend zur Verfügung stehen. Aber genau hier liegt auch das Problem.

Ich weiß, dass viele Privatanwender sehr zufrieden mit dem Umstieg auf Open-Source-Software sind. Die Anwendung klappt gut, und die Software läuft sicher. Das kann man aber nicht immer auf die öffentliche Hand übertragen, und das hat vielerlei Gründe.

Erstens. Derzeit besteht eine annähernd hundertprozentige Deckung von sogenannter geschlossener Software von Windows, SAP und Co. in der Landesverwaltung. Eine Überführung zu Open Source ist also nicht mit einem Knopfdruck oder innerhalb eines Vormittags zu erledigen. Der Umfang eines derartigen Vorhabens kann nicht einmal annähernd geschätzt werden. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass weder die Kosten noch der zeitliche Umfang oder die Höhe der Personalmittel momentan bezifferbar sind. Schließlich gibt es keinerlei Vorbilder, an denen man sich orientieren kann.

Zweitens. Professionelle Anbieter bieten in der Regel auch professionelle Unterstützung in Problemfällen an. Das kann eine 24-Stunden-Hotline sein, das kann aber auch ein versierter Techniker vor Ort sein. Es kann sich aber auch um Schulungsangebote handeln. Das alles bietet Open Source nicht. Frühzeitige Anwenderschulungen, die der Antrag ins Feld führt, müssen also seitens der Landesregierung personell unterfüttert werden. Da stellen sich schon die Fragen: Gibt es überhaupt Open-Source-Fachleute in den Reihen der Landesverwaltung? Wenn ja, wie viele? Und wo sind die? Ich warne davor, den Umfang der Schulung zu unterschätzen. Eine gute Schulung ist nämlich die Voraussetzung für die problemlose Handhabung der Programme. Das gilt für eine Maschine genauso wie für eine Software. Darum ist es geboten, dass das zentrale IT-Management den Aufwand für Schulung und Umstellung genau berechnet, bevor man diese wirklich vornimmt.

Drittens. Die globale Kompatibilität der Software ist inzwischen alternativlos. Insellösungen oder Software für einzelne Behörden müssen mit dem Rest der Welt kompatibel sein. Ansonsten ist das rausgeschmissenes Geld. Es gibt leider viele Beispiele für Softwarelösungen, die krachend gescheitert sind. Zuletzt war es das Schulverwaltungsprogramm „Amtliche Schulverwaltung“, das die Landesregierung Baden-Württemberg nach Millioneninvestitionen einstellte. Im letzten Jahr stampfte man in Nordrhein-Westfalen die Schul-Software „LOGINEO NRW“ wegen irreparabler Probleme ein.

Ich möchte nicht, dass sich Schleswig-Holstein in diese Liste der Beispiele einträgt. Open Source mag im Einzelfall der richtige Weg sein. Im Antrag ist aber die Rede von Zeitfenstern, in denen die vollständige Ablösung von Closed-Source durch OpenSource-Software erreicht werden kann. Das ist Wunschdenken. Bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen. Open Source wird eine Ausnahme bleiben, und das Maß der Dinge muss eine kostengünstige, sichere, moderne und einfach nutzbare Software sein. Ob diese dann Open Source ist oder etwas anderes, ist dann eigentlich egal. Oft werden es aber Standardlösungen sein, das müssen wir uns immer wieder klarmachen. - Vielen Dank.

(Beifall SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Herr Minister Dr. Robert Habeck.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich richtig zugehört habe, dann haben bis auf den SSW eben alle gesagt, dass das der richtige Weg ist, der beschritten werden soll, und so sieht es auch die Landesregierung. Es ist richtig, es ist ein Weg, der beschritten werden soll. Natürlich muss man das mit Augenmaß tun. Natürlich gibt es in der Frage der Anwenderfreundlichkeit von überzogenen Erwartungen bis zur Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landesdienst viele Fragen, die zu klären sind, aber der Zeitrahmen, den der Fraktionsantrag vorsieht, ist völlig in Ordnung. Einen Bericht zum Jahr 2020 zu der Frage, wie weit wir sind und wann Weiteres erfolgen kann, wird machbar sein. Das kann ich schon einmal sagen.

In der Sache selbst gibt es tatsächlich viele gute Gründe, auf Open Source zu setzen. Sie sind alle genannt worden. Wir sparen Geld, nämlich hohe Lizenzkosten, wir verringern die Abhängigkeit von Monopolisten und damit auch im Zusammenhang mit Datenbesitz und Datenzugängen. Wir haben, jedenfalls der Theorie nach, vielleicht die Chance, mit der Multi-Vendor-Strategie die Sicherheitslücken geringer zu halten und zu schließen. Es ist klar, dass große Systeme, die gehackt oder angegriffen werden, auch großen Schaden verursachen. Wenn dies differenzierter aufgestellt wird, dann ist

(Lars Harms)

die Sicherheit sicherlich potenziell größer. Eine Garantie gibt es natürlich nicht. Es wäre albern, das zu behaupten.

Wir haben mit der Möglichkeit, uns breiter aufzustellen, die Chance, der Wirtschaft, den Tüftlern und den Innovationsfirmen in Deutschland, in Europa, aber auch in Schleswig-Holstein breitere Angebote zu machen und die Wartung eben nicht nur einem Konzern zu überlassen, der im Zweifelsfall vom Silicon Valley aus gelenkt wird und seine Steuern auch nur im Silicon Valley bezahlt, Lars Harms. Wir haben tatsächlich die Chance, die Wertschöpfungskette stärker im Land zu verankern.

(Beifall CDU und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Zweifel kann die Bedienung auch leichter sein. Sie muss nicht komplizierter sein. Also: All das spricht dafür. Insofern ist der richtige Weg, eine Open-Source-Strategie mit Augenmaß auf den Weg zu bringen. Mit Augenmaß heißt immer, Schritt für Schritt zu evaluieren, wo wir sind und was als nächstes geht.

Zu sagen, das wird alles nichts werden, bedeutet, die technische Entwicklung und auch die Digitalisierung völlig zu unterschätzen. Keiner von uns weiß, was 2020 Stand der Technik sein wird und welche Möglichkeiten und Fortschritte in den Jahren 2021 und 2022 zu vergegenwärtigen sein werden. Insofern danke ich für den Antrag. Das ist ein spannendes Thema. Es ist auch ein Thema, das letztlich über die Digitalisierung hinausgeht. Es betrifft die Fragen: Wem gehören eigentlich die Daten? Wie stark bilden sich Monopole und neue Geschäftsmodelle aus? Diese Fragen werden von unten aufgegriffen. Ich freue mich, dass die Landesregierung sich mit Unterstützung der Fraktionen auf den Weg macht. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag Drucksache 19/756 in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 19/756 mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD bei Enthaltung des SSW angenommen.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung: 13:08 bis 15:02 Uhr)

Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. Wir wollen fortfahren. - Besten Dank!

Ich eröffne die Nachmittagssitzung und begrüße Sie alle ganz herzlich.

Ich teile Ihnen mit, dass neben den Abgeordneten Callsen und Andresen der Abgeordnete Richert nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtags mitgeteilt hat, dass er an der Teilnahme an der heutigen Sitzung verhindert ist.

Bevor wir mit Tagesordnungspunkt 13 fortfahren, begrüßen Sie bitte mit mir gemeinsam Besucherinnen und Besucher von der Johann-Heinrich-VoßSchule aus Eutin auf der Besuchertribüne! - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!