Protokoll der Sitzung vom 14.06.2018

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

hen kann. Wenn der Anwender damit nichts anfangen kann, bringt es nichts, wenn sich das Programm leicht verändern lässt. Bei Bundesbehörden hat man schon gesehen, dass eine vorher ausgerollte OpenSource-Strategie wieder eingeholt wurde, weil die einzelnen Mitarbeiter damit nicht klarkamen. Das darf uns nicht passieren. Wir müssen also die Bedienbarkeit, die Anwenderfreundlichkeit und die Kooperation, die Interoperabilität der Programme gewährleisten, damit die einzelnen Techniken miteinander kommunizieren können und wir keine Schnittstellenproblematiken bekommen.

Ich hoffe, dass wir mit diesem Open-Source-Antrag und dem Bericht, der von der Landesregierung dazu zu erwarten ist, in Schleswig-Holstein einiges in Bewegung setzen. Es ist ein kleiner Stein, aber es kann ein durchaus entscheidender und finanziell sehr intensiver Stein werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Heiner Dunckel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kilian, in der Tat reden wir hier eigentlich über eine digitale Alltäglichkeit. Sie werden gleich sehen, dass wir in der Tat nicht nur nicht „in Stein meißeln“ wollen, sondern sogar glauben, dass es eigentlich nicht nötig ist, hierüber zu reden. Denn - Sie selbst haben es ja festgestellt -: Wir reden über eine aktuelle Strategie der Landesregierung. Ich werde am Schluss noch einmal darauf eingehen: Mir ist nicht ganz klar, warum wir denn darüber reden sollen, wenn es sowieso alles gemacht wird. Aber dazu komme ich noch einmal.

Erlauben Sie mir zu Beginn einen kurzen Ausflug in die Psychologie. Wenn man vor einem Problem steht, dann ist es gut und erfolgreich, wenn man viele Problemlösungsmöglichkeiten hat, die jeweils mit einer gewissen Sicherheit auch die Lösung des Problems erlauben. Das heißt: Bei einem Problem, unbekanntem Gelände und komplizierten Situationen ist es vernünftig, sich möglichst viele Optionen offenzuhalten. Diese Strategie erhält die Kontrolle über die Umwelt und erlaubt es einem, auf unvorhergesehene Situationen angemessen und flexibel zu reagieren. Es ist also vernünftig, viele sichere

Wege und Verfahren verfügbar zu haben. Wie Sie gleich sehen werden: Als Psychologe freue ich mich natürlich, wenn ich einen Antrag kommentieren darf, den ich aus dieser Sicht betrachten darf oder gar wissenschaftlich fundieren kann.

In Ihrem Antrag formulieren Sie die Anforderungen an eine leistungsfähige Softwarestrategie, die als Open-Source- und Multi-Vendor-Strategie bezeichnet wird und sich unter anderem dadurch auszeichnet - Sie haben es gerade auch schon gesagt -, dass man sich nicht an einzelne, zum Teil marktbeherrschende Anbieter oder Hersteller mit allen Problemen der Abhängigkeit von diesen und den gegebenenfalls folgenden Risiken für Datensicherheit und Datenschutz orientiert. Stattdessen fordern Sie vernünftigerweise eine diversifizierte Strategie mit mehreren Verfahren, Anbietern und Herstellern und einem entsprechenden Schnittstellenmanagement. Diese Strategien sind mitnichten neu. Modernes, verantwortungsvolles Verwaltungshandeln sollte sich danach richten.

(Beifall SPD)

Sie benennen das ja auch als aktuelle Strategie des Landes, also als gegenwärtig existierende, vorhandene, zeitgemäße Strategie - so die Wortbedeutung von „aktuell“. Es geht also gar nicht um 2020, sondern um 2018, wenn ich das richtig verstehe. Sie thematisieren weiter die Schnittstellenproblematik, die Notwendigkeit der Qualifizierung und der Anwenderschulung und Möglichkeiten der Unterstützung unserer mittelständischen Wirtschaft. All dies ist richtig und vernünftig, und man kann das sogar allgemeinpsychologisch begründen. Das können Sie auch daran erkennen, wenn Sie die Aussagen des Antrages in ihr Gegenteil verkehrten. Natürlich stimmte niemand mehr einem Antrag zu, der fordert, dass wir uns langfristig an einen - auch noch unkontrollierbaren - marktbeherrschenden Anbieter binden.

Lassen Sie mich trotzdem - weil das fehlt - auf ein Problem aufmerksam machen: Die von Ihnen zu Recht favorisierte Strategie geht nicht selten mit mangelndem Support, mangelnder Nachhaltigkeit und hier und da mit mangelndem Know-how der eher kleinen Betriebe einher. Die Unternehmen können häufig nur Software, aber eben nicht Orgund Teachware. Manchmal ist auch die erforderliche Beratung nicht so vorhanden, wie wir uns das wünschten. Das muss man bei dieser Strategie berücksichtigen.

Sie fordern nun das Parlament auf, die Landesregierung zu bitten, diese - ich betone - aktuelle Softwa

(Lukas Kilian)

restrategie vorausschauend fortzuführen. Wir - das Parlament - sollen die Landesregierung also auffordern, eine aktuelle, vernünftige Strategie fortzuführen. So weit, so gut.

Ich frage mich allerdings, ob die Landesregierung wirklich ein parlamentarisches Votum braucht, um eine schon länger bekannte, aktuelle und vernünftige IT-Strategie weiter zu realisieren. Ich dachte oder hoffte zumindest, dass vernünftige und erfolgreiche IT- und Softwarestrategien mit den bekannten, von Ihnen benannten Lehrbuchkriterien von der Landesregierung auch dann angewendet werden, wenn wir diese nicht ausdrücklich unterstützen. Insofern ist Ihr Antrag nicht falsch, aber eigentlich auch nicht erforderlich.

(Beifall SPD)

Aber vielleicht habe ich ja doch höhere Erwartungen an die Landesregierung als die Jamaika-Koalition.

(Beate Raudies [SPD]: Aber der Titel war schon gut!)

Dann ist Ihr Antrag natürlich wichtig, um die Landesregierung auf den rechten Weg zu führen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Open Source ist ein sehr viel größeres Zukunftsthema, als viele es wahrscheinlich, wenn sie den Begriff zum ersten Mal hören, glauben mögen. Das hat mir ehrlich gesagt auch Ihr Redebeitrag, Herr Kollege Dunckel, gezeigt; aber darauf gehe ich später noch ein.

In einer sich digitalisierenden Gesellschaft, deren Strukturen zunehmend in bedenklicher Weise von wenigen, mächtigen Konzernen bestimmt werden, ist die Verwendung von Open Source die Unabhängigkeitsfrage des digitalen Zeitalters. Je digitaler unser Zeitalter wird, desto drängender ist diese Auseinandersetzung, lieber Herr Kollege Dunckel. „Public Money, Public Code“ sollte aus unserer Sicht der Leitgedanke für die Digitalisierungspolitik des Landes werden.

(Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Nicht nur nutzen alle Bürgerinnen und Bürger die bekannten Plattformen der Internetkonzerne Google, Amazon, Facebook oder Apple, sondern auch nahezu die komplette öffentliche Verwaltung bezieht ihre Software und IT-Architektur meist zum großen Teil von Microsoft, Oracle und einigen wenigen weiteren Akteuren. Der Staat macht sich damit abhängig von bestimmten marktbeherrschenden IT-Konzernen, die dies nutzen, um ihre Preise und Lizenzgebühren immer aggressiver zu bestimmen.

Wenn Sie, Herr Kollege Dunckel, mal gemeinsam mit Ihrer Kollegin Raudies in die Haushaltspläne guckten, stellten Sie fest, dass dieses Problem zunehmend vorhanden ist. Dass das für unser Land unvorteilhaft ist, liegt allein daran, dass die wenigen Lizenzgeber und großen Akteure, die es in dem Bereich gibt, eigenmächtig Verträge anpassen, Lizenzgebühren mit kurzen Fristen erhöhen und wir dem ausgeliefert sind. Auch haushaltspolitisch ist das Ganze ein großes Thema, und das Parlament ist der richtige Ort, um darüber zu sprechen.

Es geht aber nicht nur um Haushaltsfragen, sondern auch um die IT-Sicherheit. Die Nutzung diverser Open-Source-Software hat den Vorteil, dass Risiken durch Sicherheitslücken reduziert werden, da verschiedene Anwendungen für verschiedene Bereiche verwendet werden. Doch der Sicherheitsnutzen geht weit über den Aspekt von Softwarediversität hinaus. Bei Anwendungen von Microsoft oder anderen kann unsere Verwaltung nur unter den stark restriktiven Bedingungen der Anbieterseite den Code der Software überprüfen. Sie kann also mangels Kenntnis ihrer eigenen IT-Architektur auch keine Sicherheitslecks erkennen, die unter Umständen Hacker oder auch Geheimdienste zum unbefugten Zugriff auf unsere Daten verwenden. Das kann sich niemand leisten - am allerwenigsten der Staat. Unsere IT-Infrastruktur muss da höchsten Ansprüchen auch deshalb genügen, damit die Bürgerinnen und Bürger der öffentlichen Hand weiter vertrauen können, denn es geht zum Großteil für viele Menschen bei uns im Land um sensible Daten.

Open Source ermöglicht eine umfassende Kontrolle der Sicherheitsstandards durch Aufsichtsbehörden, das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik, private Unternehmen oder Forschungsinstitute und bietet auch anderen die Möglichkeit, sich nutzbringend einzubringen und auf mögliche Sicherheitslücken hinzuweisen. Wir können uns Open Source aber auch gut - ich schau mal Herrn Buch

(Dr. Heiner Dunckel)

holz an - als ein stärker wirtschaftspolitisches Thema vorstellen, bei dem es für unsere Digitalwirtschaft und junge Start-up-Unternehmen sehr attraktiv sein kann, in dem Bereich tätig zu werden und mit dem Land gemeinsame Modelle zu entwickeln.

(Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unser Ziel im Koalitionsvertrag - das, lieber Herr Dunckel, ist ein neues Ziel - ist eine langfristige, vollständige Ablösung im Softwarebereich durch Open Source. Das ist nichts, was es schon immer gegeben hat oder was ganz normaler Standard wäre, sondern etwas, bei dem wir als Bundesland vorangehen. Wir als Bundesland sagen: Ja, wir wollen mehr machen - auch mehr als andere Bundesländer. Als Beispiel könnte man Hamburg nennen; spricht man mal mit Kollegen von dort, sind sie da noch sehr rückständig unterwegs. Deshalb ist es ein wichtiges Signal, dass wir uns als Bundesland zu Open Source bekennen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und vereinzelt FDP)

Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Das ist ganz klar. Vieles muss sich stückweise verändern Herr Kollege Kilian ist auf die Punkte schon eingegangen -: Zum einen muss die öffentliche Verwaltung mitgenommen werden, zum anderen kann es kurzfristig zu höheren Kosten kommen, obwohl wir langfristig Einsparungen generieren. Das alles muss ausgearbeitet werden.

Natürlich gibt es auch jetzt schon Open Source in der öffentlichen Verwaltung und auch bei vielen privaten Unternehmen. Uns geht es aber darum, ein Umfeld dafür zu schaffen, dass wir die vollständige Ablösung von Closed Source durch Open Source hinbekommen. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. Wir beauftragen die Landesregierung, uns das konkreter aufzubereiten, noch konkreter, als es bereits jetzt vorliegt. Ich bin mir sicher, dass das Parlament einen Platz in dieser Debatte haben sollte. Deshalb ist dieser Antrag genau jetzt zum richtigen Zeitpunkt gestellt worden. Ich würde mich freuen, wenn die SPD-Fraktion mit dabei wäre. Vielen Dank.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Stephan Holowaty.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um Open-Source-Software in diesem Haus hat eine gewisse Tradition. Manchmal hat man durchaus den Eindruck, als ob es bei diesem Thema um eine Art politischer Software-Ideologie, um die bessere Digitalisierungsmoral geht. Aber wie sieht es tatsächlich aus? - Wenn wir uns ITProjekte der öffentlichen Hand genauer ansehen, dann sehen wir, dass das Verlegen eines Kabels, dass das Aufstellen eines Computers vergleichsweise einfach ist. Die großen Probleme, die großen Verzögerungen und die großen Kosten entstehen bei der Software. Denken Sie nur an die Lkw-Maut, an die Gesundheitskarte oder auch bei uns im Land an das KoPers-Projekt in der Personalverwaltung.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Ich versichere Ihnen: Diese Projekte sind nicht deshalb notleidend, weil da Open oder Closed Source verwendet worden ist, weil das da draufsteht, weil da Lizenzgebühren bezahlt oder auch nicht bezahlt werden, sondern es liegt daran, weil die Auftraggeber im Laufe des Projekts ihre Anforderungen ständig verändern, weil die Komplexität von Projekten unnötig hochgetrieben wird oder auch weil von Anfang an zu knappe, zu sportliche Projektpläne keinerlei Puffer ließen und dann Termine, Qualität und Kosten wie eine Kette von Dominosteinen umfallen.

(Beifall FDP)

Ich kann Ihnen nur raten: Lassen Sie uns bei der Beschaffung von Software nicht zu sehr politisch agieren, lassen Sie uns die Debatte nicht auf einzelne große amerikanische Softwarekonzerne fokussieren. Zur Erinnerung ist noch einmal zusagt: Die IBM gehört genauso wie Microsoft zu den weltweit größten Anbietern von Open-Source-Software.

Nein, wichtig bei der Auswahl von Software ist nicht das Lizenzmodell, sondern es sind wieder die altbekannten Kriterien und Themen: Funktionalität, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Usability, Interoperabilität und Zukunftssicherheit. Open Source ist zum Beispiel nicht unbedingt wirtschaftlicher als kommerzielle Software. In den meisten Fällen sind nämlich nicht die Lizenzgebühren die Kostentreiber, sondern individuelle Anpassungen, Support, Pflege- und Wartungskosten, die Schulung von Anwendern, aber auch die Integration von Software unterschiedlicher Hersteller. Diese Total Cost of Ownership haben am Ende mit dem Lizenzmodell meist relativ wenig zu tun.

(Rasmus Andresen)

Sie können alle diese Kriterien, die ich eben genannt habe, mit dem Ergebnis durchdeklinieren, dass am Ende eigentlich keines wesentlich davon abhängt, ob Sie Open Source oder Closed Source einsetzen, wenn Sie das einmal technisch, auf den Code bezogen, betrachten. Genau das ist der Grund, warum mich die aktuelle Softwarestrategie des Landes auch durchaus überzeugt, nämlich genau die Software einzusetzen, die den Job macht, die die Anforderungen erfüllt.

Die derzeitige Multi-Vendor-Strategie des Landes kann durchaus Kostennachteile haben, da das Wissen im Betrieb deutlich breiter aufgestellt sein muss als bei einer Single-Vendor-Strategie. Das wird aber dadurch überkompensiert, dass zum Beispiel gleichzeitig eine geringe Anfälligkeit gegen einzelne potenzielle sehr kritische Sicherheitslücken bei einem einzelnen Hersteller bestehen. Und es führt auch dazu, nicht von einem einzelnen Hersteller oder Softwareentwicklungsstrang kommerziell oder technisch oder strategisch abhängig zu sein.

(Beifall FDP)

Ich habe in meinem vorpolitischen Leben sehr viele, sehr komplexe Softwareprojekte geleitet und begleitet. Ich rate deshalb vor allem zu einer offenen Herangehensweise, und ich rate dazu, technische Sachverhalte nicht zu überpolitisieren, sondern dies den Fachleuten zu überlassen. Das wäre sonst wie ein Versuch der Politiker, einem Arzt ein bestimmtes Operationsverfahren vorschreiben zu wollen.

(Lars Harms [SSW]: Kann man ja mal ma- chen!)

Open Source und Closed Source arbeiten übrigens in den meisten Fällen problemlos zusammen. Das IT-Fachverfahren, das von einem Softwarehaus als kommerzielle Software entwickelt wird und das auf einem Open-Source-Datenbanksystem betrieben wird, ist heute eigentlich der Standard.