Protokoll der Sitzung vom 04.07.2018

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/827 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15, 33 und 34 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Mündlicher Bericht zum Stand der Strategie für eine Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/779

b) Grundwasser schützen: Düngeverordnung nachbessern und effizient umsetzen!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/675

(Minister Hans-Joachim Grote)

Bericht und Beschlussempfehlung des Umweltund Agrarausschusses Drucksache 19/823

c) Ausstiegsplan aus dem Einsatz von Glyphosat jetzt!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/291

Bericht und Beschlussempfehlung des Umweltund Agrarausschusses Drucksache 19/824

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag zu a) wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Somit erteile ich für die Landesregierung dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Dr. Robert Habeck, das Wort.

Schönen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine umfängliche Agenda für 5 Minuten; ich bemühe mich, die Themen aus Sicht der Landesregierung kurz aufzubereiten.

Lassen Sie mich mit der Düngeverordnung anfangen. Nach der Ausschussberatung und den verschiedenen Debatten, die wir hier geführt haben, hat das Kabinett gestern beschlossen, die Umsetzung der Bundesdüngeverordnung in Landesrecht vorzunehmen. Sie wissen, dass wir in SchleswigHolstein seit Längerem ein Nitratproblem in den sogenannten roten Gebieten haben, das sind 51 % der Landeskulisse. Da sind wir gehalten, abweichend von der Bundesdüngeverordnung weitere Maßnahmen zu erlassen. Dazu kommt erstmalig eine Phosphatkulisse, die 13 % der Fläche des Landes Schleswig-Holstein ausmacht, für die weitere Maßnahmen beschlossen wurden, die die Landwirte einhalten müssen, um den Nährstoffeintrag zu senken. Wir sind mit dieser Entscheidung das erste Bundesland, das die Umsetzung der neuen Düngeverordnung in Landesrecht umsetzt. Ich bin gespannt, wie weit sich andere an uns orientieren werden.

Noch zwei Anmerkungen zu dem Themenkomplex. Sie wissen, dass man entlang der Maßnahmen, die möglich gewesen wären, die Sperrfrist von sechs

auf sieben Monate hätte verlängern können. Wir haben das nicht getan, weil wir angenommen haben - und es gibt eine gewissen Evidenz dafür -, dass nicht auf sieben Monate verlängert worden wäre, sondern auf neun oder zwölf Monate, und dann hätten die Landwirte die Tierbestände nachgezogen. Wir wollten eine Sogwirkung vermeiden, die das Nitratproblem in der Kulisse eher vergrößert hätte.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Der zweite Punkt ist die Auseinandersetzung um die Düngeverordnung. Die Europäische Kommission hat Deutschland wegen Nichteinhaltung der Düngeverordnung aufgrund der Düngeverordnung von 2012 verklagt. Die Jetzige beruht auf der Düngeverordnung von 2017. Wir teilen die Skepsis, dass die jetzigen Maßnahmen ausreichend sind, um Wasserrahmenrichtlinie und Nitratrichtlinie vollumfänglich zur Wirkung kommen zu lassen. Die Bundesregierung argumentiert anders. Wir teilen das nicht.

Die Gutachten vor allem von Herrn Taube, seinerzeit Schattenlandwirtschaftsminister der CDU - also vielleicht zwischen den Stühlen sitzend oder unabhängig zu beurteilen -, sprechen eine klare Sprache: Wir haben zu hohe Tierbestände, vor allem auf dem Geestrücken, innerhalb der roten Kulisse. Wenn wir das nicht ändern, werden wir die Nitratwerte kaum senken können. Meiner Ansicht nach brauchen wir dafür ein anderes Verständnis von Landwirtschaftspolitik, das weggeht von Wachsen oder Weichen, immer höhere Bestände, immer größere Leistung, was die Probleme auf der anderen Seite immer weiter verschärft. Diese Debatte haben wir schon mehrfach geführt.

Zur Pestizidstrategie: Im Antrag geht es um die Umsetzung. Die Umsetzung soll zum Herbst erfolgen. Ich kündige an, dass im Herbst eine schriftliche Strategie vorliegen wird. Wir müssen uns bei der Umsetzung natürlich an die bundesrechtlichen Vorgaben halten. Das schließt Glyphosat mit ein. Die Möglichkeiten, die wir landesseitig haben, sind an Landesrecht gebunden.

Das wäre im Schnelldurchlauf - daran arbeiten wir, dann wird es noch einmal zusammengeschoben ein besserer Schutz der Gewässer durch weitere Gewässerrandstreifen, eine bessere und umfänglichere Beratung bei der Pestizidausbringung, eine Förderung des Ökolandbaus, aber auch des Vertragsnaturschutzes, eine Nachschärfung der Vertragsnaturschutzprogramme, sodass der Verzicht auf Pestizide und Totalherbizide fester Bestandsteil der neuen Vertragsnaturschutzprogramme wird. Mit Blick auf

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

die Artenvielfalt ist das eine weitere Förderung des Blühangebots in Schleswig-Holstein beziehungsweise eine weitere Fruchtfolge, sodass die Biodiversität selbst einen Schutz davor bildet, immer weitere Pestizide einsetzen zu müssen.

In verschiedenen Programmen haben wir die Förderung von mechanischen, jetzt häufig digital geführten Robotik-Maßnahmen bei der Unkrautbekämpfung statt des chemischen Pflanzenschutzes oder auch von biologischen Maßnahmen vorgesehen. Wir werden die Kontrollen verstärken, wir werden die Beratung und Zulassung im integrierten Pflanzenschutz personell aufstocken und an der Stelle sowohl in der Kontrolle wie in der Genehmigung besser hinschauen.

Das sind die landespolitischen Maßnahmen, die wir ergreifen. In der Summe wird das einen Effekt zeitigen, da bin ich sicher, aber das reicht nicht. Neben der reinen Verbots- oder Verteuerungsdebatte, die wir in der letzten Legislaturperiode geführt haben Sie wissen, dass im Koalitionsvertrag eine Pestizidabgabe oder Pflanzenschutzmittelsteuer nicht vorgesehen ist -, haben wir uns überlegt, die erfolgreichen Maßnahmen bei der Reduktion von Antibiotika in der Tierhaltung anzuwenden, also eine Art Best-Practice-System beziehungsweise ein WorstPractice-System zu etablieren. Die Betriebe, die exorbitant viele Pestizide einsetzen, könnten dann analog zur Antibiotika-Strategie in die Beratung gezwungen werden und müssten nachweisen, wie sie besser werden können. Das ist allerdings Bundesrecht. Wir bereiten das gerade auf und würden dann gegebenenfalls nach den Sommerferien entsprechende Initiativen auf den Agrar- und Umweltministerkonferenzen und im Bundesrat einbringen. Das wäre ein neues Instrument, das wir gerade entwickeln.

Lassen Sie mich abschließend noch auf die Diskussion zur europäischen Agrarfinanzierung hinweisen, die sicherlich ein entscheidender Faktor ist, wie sich die Landwirtschaft in Zukunft aufzustellen hat. Warum ist das wichtig? Es gibt drei Gründe. Den Gewässerschutz habe ich schon angesprochen. Wir finden nicht abbaubare Metaboliten inzwischen auch in den Grundwasserschichten. Der zweite Grund ist die Artenvielfalt, auch das habe ich angesprochen.

Der dritte Grund geht eher in eine Art Allianzvorstellung hinein: Die Landwirte selbst leiden heute unter Resistenzen und klagen über Super-Kräuter. Das heißt, der chemische Pflanzenschutzmitteleinsatz führt nicht mehr notwendigerweise dazu, dass die Probleme der Landwirtschaft gelöst werden,

sondern es entstehen neue. Die gesellschaftliche Akzeptanz wird sicherlich nicht größer, wenn man sagt: So ein bisschen Pestizid hat noch keinem geschadet. Wenn man sagt, wir müssen von dem flächenmäßigen hoch ansteigenden Pestizideinsatz herunter kommen, dient das am Ende der Befriedung und Akzeptanz in der Landwirtschaft. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten! - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Der Herr Minister hat die Redezeit um 31 % erweitert. Das steht jetzt auch allen anderen Fraktionen zusätzlich zu.

(Zurufe - Heiterkeit)

- Alle sind am Rechnen, es sind 1 Minute und 33 Sekunden.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat der Herr Abgeordnete Heiner Rickers.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Herr Minister, Sie haben wichtige Themenbereiche angesprochen. Ich bin Ihnen für Ihren Bericht zur Landesverordnung Düngegesetzgebung, mit dem Sie angefangen haben, ausgesprochen dankbar. Schleswig-Holstein ist das erste Bundesland überhaupt, das das Ganze umsetzt. Ich werde erst im zweiten Teil meiner Rede dazu im Einzelnen kommen.

Ich beginne einmal mit dem Bericht zum Pflanzenschutzmittel. Das ist ein spannendes Thema; ich will dort nur an die Berichte erinnern, die wir in den letzten Jahren diskutiert haben - hier im Plenum, aber auch im Ausschuss -, die uns schriftlich immer noch vorliegen oder in Erinnerung sind. Siehe da: Es gibt wirklich wissenschaftlich basierte Feststellungen, dass bei uns die Lebensmittel und das Grundwasser sauber von Rückständen aus Pflanzenschutzmitteln oder Düngemitteln sind. Das ist ein tolles Ergebnis für die Landwirtschaft, die erkannt hat, in welche Richtung es zukünftig gehen soll und wie es in der Vergangenheit gehandhabt wurde. Das ist eine Feststellung, die hier einmal positiv genannt werden muss.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP - Beate Raudies [SPD]: Wir zahlen viel Geld für die Filter!)

(Minister Dr. Robert Habeck)

- Hören Sie mir bitte erst zu! Jetzt kommt das Aber: Es gibt zugegebenermaßen auch Brunnen, bei denen wir feststellen, dass Metabolite von Pflanzenschutzmitteln, die vor 25 Jahren oder sogar früher auf die Erde aufgebracht wurden, heute im Grundwasser angekommen sind. Das hat der Minister beschrieben. Damit wir sicher sind, dass nicht in Zukunft Ähnliches passiert, ist diese Debatte über die Zukunft des Landbaus hier in Schleswig-Holstein äußerst wichtig.

Die spannende Frage ist: Wie gehen wir in Zukunft in Schleswig-Holstein mit Pflanzenschutzmitteln um? Ich komme gleich zu einem Lösungsansatz: Ich finde die innovative Idee des Ministers durchaus sympathisch. Beim Arzneimitteleinsatz, also dem Antibiotikaverbrauch in der Landwirtschaft, hat es gegriffen. Es war eine Initiative aus Berlin: Wir halten einmal in einer Datenbank fest, wie viel jeder Betrieb im Vergleich zu anderen an Antibiotika in der Tierhaltung einsetzt. Dann wurden Benchmarks, Vergleichswerte gesetzt. Anhand dieser Vergleichswerte konnte man relativ schnell im System ermitteln, ob der Bedarf an Antibiotika nun angemessen war. Das System schaukelt sich immer ein bisschen weiter nach unten. Warum sollte man nicht auch im Bereich Pflanzenschutzanwendungen darüber nachdenken, mit so etwas zu beginnen? Hier in Schleswig-Holstein wäre das als Pilotprojekt bürokratisch relativ einfach umzusetzen und für die Landwirtschaft machbar. Das wäre eine Idee.

Aus meiner Sicht müssen wir aufpassen, dass das Ganze nicht zu Strukturbrüchen in der Landwirtschaft führt. Wir brauchen dort weiterhin Planungssicherheit. Wir sind uns alle einig: Wir wollen weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen, aber wir wollen gleichzeitig auch eine Hinwendung zu einer Form des Ackerbaus, wie wir sie uns für die Zukunft vorstellen. Das kann nur mit weniger und besseren Pflanzenschutzmitteln, mehr Fruchtfolge, mehr Blühprogrammen und all dem, was der Minister angesprochen hat, gehen.

Dazu gehört natürlich auch Glyphosat, das auch hier im Parlament mehrfach heiß diskutiert worden ist. Sie wissen, dass auch wir wissenschaftlich basiert argumentieren. Bei Glyphosat scheint am Ende das Restrisiko einer Krebserkrankung nicht zu 100 % ausgeschlossen. Deswegen gibt es zunächst von der EU eine begrenzte Zulassung. Genauso ist auch die Sicht der CDU-Fraktion: erst einmal begrenzen und in den nächsten fünf Jahren die Zeit nutzen, um wissenschaftlich weiter zu arbeiten, zu konditionieren - also nicht mehr damit herumzuaa

sen, ganz flapsig formuliert -, und dort verbieten, wo es nicht sein muss. Dann können wir erst einmal vernünftig mit Glyphosat umgehen.

Jetzt komme ich zum eigentlichen Hauptthema Grundwasser. Das geht uns alle an. Die Landesdüngeverordnung, Herr Habeck, ist gestern öffentlich verkündet und in Schleswig-Holstein als erstem Bundesland auf den Weg gebracht worden. Das ist ein Riesenerfolg. Anders als die SPD sagt, die immer behauptet, wir würden nichts tun, ist es ein Riesenerfolg. Der Kernpunkt bei dieser Landesdüngeverordnung und auch bei der Bundesgesetzgebung wird aus meiner Sicht viel zu wenig angesprochen: Ab September 2017 gilt für alle, die Gülle, Biogassubstrat - also auch organische Substanz oder Kompost auf ihr Feld aufbringen, eine Höchstgrenze für den Nährstoffbedarf. Diese wird in Kilogramm Stickstoff pro Hektar angegeben. Die Grenze liegt bei 170 kg N/ha im Jahr. Das ist eine absolute Obergrenze für alle organischen Düngemittel. Das wird nie positiv erwähnt. Genau in den vom Minister genannten §-13-Gebieten auf dem Mittelrücken, wo viel Viehhaltung und Biogas oben drauf kommen, greift die 170-kg-Grenze. Dort kann man nicht Gülle fahren, Mineraldünger streuen und am Ende, wie es vorher war, den nicht berechneten Kompost oder die nicht berechnete Biogasgülle oben drauf fahren, sondern es ist wirklich bei 170 kg Schluss. Das greift schon. Damit werden wir auch in Schleswig-Holstein erreichen, dass die Belastung an Stickstoff im Grundwasser und Oberflächenwasser minimiert wird.

Das Fazit meiner Rede ist: Wir haben in SchleswigHolstein kein Nährstoffproblem, sondern ein Verteilungsproblem dieser Nährstoffe. Das müssen wir gemeinsam lösen. Der erste Schritt ist getan. Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Kirsten Eickhoff-Weber das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als der Antrag der JamaikaKoalition kam - „Bericht zum Stand der Strategie für eine Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes“ -, war ich echt gespannt, weil ich dachte: Jetzt kommt als letzte Rede im Agrarbereich noch einmal etwas richtig Dickes. Was aber ist gekommen?

(Heiner Rickers)

- Ein bunter Strauß an Maßnahmen, auf den wir, sehr geehrter Herr Minister, lieber Robert, miteinander stolz sind: Allianz für den Gewässerschutz, Ausweitung Ökolandbau, Vertragsnaturschutz, Blühstreifen. Das sind alles Maßnahmen, die in der Küstenkoalition sehr erfolgreich auf den Weg gebracht worden sind.

(Beifall SPD, Flemming Meyer [SSW] und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])