Protokoll der Sitzung vom 05.07.2018

und gesagt: Auch hier wird das Land SchleswigHolstein helfen, und wir nehmen Menschen auf.

Wir haben also sehr gute Erfahrungen damit. Herr Innenminister Grote, deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auch jetzt bei den Kommunen auf offene Ohren stoßen werden und dass diese sehr gern helfen werden, um diese Menschen unterzubringen.

Ein Resettlement-Programm hat ganz viele Vorteile: Dies ist momentan die einzige Möglichkeit, legal nach Europa beziehungsweise nach Deutschland einzureisen. Die Menschen werden davor geschützt, sich in die Boote zu setzen und den gefährlichen Weg auf sich zu nehmen. Das ist auch die beste Methode, um den Schleppern die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Das ist einem Teil des Parlaments ja sehr wichtig. Es ist ein Geschäft der Schlepper. Solange es Menschen gibt, die sich in die Boote setzen, werden die Schlepper selbstverständlich dieses Angebot machen. Wenn wir sagen, wir nehmen Menschen auf und bereiten diesen einen legalen Weg, dann wird man den Schleppern auch die Geschäftsgrundlage entziehen.

Hinzu kommt etwas, was wir hier lange miteinander diskutiert haben und was teilweise zu verzerrten Diskussionen geführt hat: Die Identität der Menschen wird festgestellt, bevor sie hierherkommen. Minister Grote, schicken Sie einmal einen Gruß an Herrn Seehofer, wenn Sie wieder in Berlin unterwegs sind. Sagen Sie: Es ist ganz einfach, lassen Sie uns Resettlement-Programme machen. Die Menschen kommen sicher hierher, ihre Identität wird vorher festgestellt. Das heißt also, wir schauen, wer zu uns kommt. Dann hätten wir auch die unsinnige Diskussion darüber nicht, dass nur Islamisten oder Terroristen kommen würden. Das hilft auch in der Debatte weiter, denn die allermeisten Menschen, die zu uns kommen, fliehen vor Krieg, Verfolgung und politischer Gewalt. Aminata Touré hat dies ganz richtig gesagt. Dieser Antrag dient dazu, wirklich vernünftige Lösungen anzubieten und zu zeigen, was funktionieren kann. Wie gesagt, wir werden ihn sehr gern unterstützen.

Ich war 2016 im Libanon und habe mir dort auch Flüchtlingscamps vom UNHCR angesehen. Der Libanon gehört zu den Ländern, die bezogen auf die Einwohnerzahl die allermeisten Flüchtlinge aufgenommen haben. Dort habe ich mit der Organisatorin vom UNHCR gesprochen. Das war 2016. Sie sagte: Im Moment sind nur noch Deutschland und die USA bereit, Flüchtlinge im Rahmen von Resettlement-Programmen aufzunehmen. Deutschland ist insbesondere bereit, auch schwerkranke Menschen,

(Aminata Touré)

ältere Menschen und Menschen mit Behinderung aufzunehmen, denn das sind Gruppen von Menschen, die es nicht allein schaffen, den gefährlichen Weg auf sich zu nehmen.

Dieser Dank an Deutschland berührt einen schon, wenn man dort ist. In der Woche wurde aber Donald Trump gewählt, und Sie können selbstverständlich davon ausgehen, dass die USA sich nicht mehr an Resettlement-Programmen aus Kriegsgebieten beteiligen. Von daher hoffe und wünsche ich, dass andere Bundesländer Schleswig-Holstein folgen und Menschen aufnehmen, die einen sicheren und legalen Weg zu uns nach Schleswig-Holstein finden. Wie gesagt, Sie haben unsere volle Unterstützung dabei, Herr Innenminister.

Ich weiß, es wird schwer sein, Kriterien dazu festzulegen, wer kommen darf und wer nicht. Irgendwann ist das Kontingent ja erreicht. Als wir damals syrische Flüchtlinge aufgenommen haben, gab es mit dem Flüchtlingsbeauftragten so eine Art Beirat, an dem auch Vertreter von NGO und Mitarbeiter des Ministeriums beteiligt waren. Es gab Anträge, und man hat gesehen, wen man aufnimmt. Der UNHCR ist hier angesprochen worden. Ich sage ganz ehrlich, ich möchte niemals in der Haut stecken, so eine Auswahl treffen zu müssen und zu sagen: Du darfst kommen und du nicht. Deswegen bedanke ich mich bei allen, die an dieser großen Aufgabe beteiligt sind. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herzlichen Dank. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Barbara Ostmeier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Mit diesem Antrag setzen wir einen weiteren Baustein humanitärer Flüchtlings- und Asylpolitik um, auf den wir uns im Koalitionsvertrag verständigt haben. Ich kann vorweg sagen, dass es vonseiten der CDU-Fraktion kein „Aber“ gibt. Vielem kann ich hier zustimmen, trotzdem möchte ich unsere Position gern und ganz bewusst darstellen.

Ein vorrangiges Ziel Deutschlands, der europäischen Staaten und der Weltgemeinschaft muss es sein, auch die Ursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen,

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

aber wir wissen, dass dies ein sehr langer Weg ist. Umso bedeutsamer ist es, bereits heute durch humanitäre Aufnahmeprogramme dort Entlastung zu schaffen, wo die Not der Menschen am größten ist.

Ein wichtiger Baustein humanitärer Flüchtlingspolitik im Rechtsstaat sind humanitäre Aufnahmeprogramme. Sie sind wichtige legale Zugangswege im Rahmen der internationalen Flüchtlingspolitik. Schleswig-Holstein ist traditionell ein weltoffenes Bundesland, und in Fortsetzung dieser Tradition wollen wir mit dem eigenen Landesaufnahmeprogramm unseren Beitrag dazu leisten, dass besonders schutzbedürftige Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, gezielt und auf sicherem Weg bei uns ankommen und aufgenommen werden.

Ein eigenes Landesaufnahmeprogramm, zusätzlich zu den humanitären Verpflichtungen, die wir zukünftig zur Unterstützung bundeseigener Programme leisten werden, ist eines der Ziele, das wir fachpolitisch im Jamaika-Bündnis durchaus kontrovers diskutiert haben. Das ist auch wichtig, denn wir übernehmen hier eine große Verantwortung; eine Verantwortung für traumatisierte Frauen und Kinder, die wir zu uns holen, um ihnen perspektivisch eine Heimat zu bieten. Die Hoffnungen, die wir damit wecken, müssen wir auch erfüllen, und zwar über eine lange Zeit. Das wird viel Arbeit sein.

Es wird eine große Herausforderung sein, diese Auswahl zu treffen. Es ist ein kleiner Beitrag - Serpil, du hast es gerade angesprochen -, und es erfordert Ruhe, Besonnenheit und Kompetenz. Deswegen ist es so wichtig, dass dieser Prozess in enger Abstimmung mit dem UNHCR, mit dem Bund und mit unseren Fachkräften hier vor Ort begleitet wird. Wir haben aber auch Verantwortung für die Menschen in unserem Land; denn bereits heute leistet Schleswig-Holstein, leisten unsere Kommunen, die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Behörden und Flüchtlingsorganisationen tagtäglich herausragende Arbeit, um schutzsuchenden Menschen die Ankunft und die Integration zu erleichtern. Diese Unterstützung werden wir in Zukunft dringend brauchen. Das müssen wir wertschätzen, und das müssen wir pflegen. Ich weiß, dass wir auch das im Blick behalten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir haben uns in dieser Legislatur weitere große Ziele gesetzt, damit die Integration in unserem

(Serpil Midyatli)

Land ein Erfolg wird: das Landesintegrationsgesetz, der Ausbau unserer Ankunftszentren zu Kompetenzzentren, die Abschiebehafteinrichtung und die spürbare Unterstützung unserer Kommunen das allein ist schon eine große Aufgabe.

Insbesondere und weil wir fair und respektvoll alle Bedenken, alles miteinander abgewogen haben, ehrlich miteinander umgegangen sind und wirklich wichtige und emotionale Diskussionen geführt haben, umso mehr werbe ich heute mit voller Überzeugung um die Unterstützung des gesamten Parlaments für unseren Antrag.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir Jamaika-Koalitionäre sind uns einig: Über ein eigenes humanitäres Aufnahmeprogramm wollen wir besonders schutzbedürftigen Frauen und Kindern, die sich derzeit perspektivlos in Erstzufluchtsländern befinden, auf legalem Wege Schutz bei uns gewähren und ihnen eine Chance und die Unterstützung geben, in Schleswig-Holstein eine neue Heimat zu finden.

Auf dem Weg, dieses Landesprogramm auf gute zukunftssichere Beine für alle Menschen in Schleswig-Holstein zu stellen, werden wir noch so manchen Stein aus dem Weg räumen müssen und so manche sicherlich fachlich wie politisch kontroverse Debatte aushalten müssen.

Die CDU-Landtagsfraktion und ich sind dazu bereit, ganz nach dem Motto unseres Koalitionsvertrages: Das Ziel verbindet. Menschlich, weltoffen und verantwortungsbewusst. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Flüchtlingspolitik ist in den letzten Wochen wieder einmal das zentrale Thema in der deutschen und in der europäischen Politik gewesen. Es ist uns wieder einmal vor Augen geführt worden, wie hilflos insbesondere in Berlin mit dieser Thematik umgegangen wird. Auf Bundesebene geht es dabei nicht zuallererst um die Frage, wie wir den Hunderttausenden Menschen, die weltweit

auf der Flucht sind, helfen können, sondern es geht in erster Linie um Abschottung und Zurückweisung.

Die teilweise skurril anmutende Diskussion zwischen den Unionsparteien um den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik in den vergangenen Wochen, wo ein Bundesinnenminister über Tage hinweg nahezu kindisch seinen Masterplan geheim hält, ist so beherrschend gewesen, dass die deutsche Bundespolitik der drohenden humanitären Katastrophe, die sich zeitgleich auf dem Mittelmeer abspielte, überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr schenkte.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Als unser Innenminister aus Schleswig-Holstein dann erklärte, Flüchtlingen auf der „Lifeline“ Schutz zu gewähren und aus humanitären Gründen aufnehmen zu wollen, sofern denn das Bundesinnenministerium seine Zustimmung erteilt, da wartete man durchaus verwundert zunächst vergebens auf eine Reaktion. Die dann folgende Ablehnung kam - jedenfalls für die Öffentlichkeit - ziemlich schroff und ohne sachliche Begründung. Hier hatten die für die Flüchtlingspolitik auf Bundesebene Verantwortlichen und insbesondere der Bundesinnenminister ganz offensichtlich völlig die Orientierung verloren, meine Damen und Herren. Der Kern des Problems, dass Millionen Menschen auf der Flucht sind, dass weltweit Not, Elend, Krieg und Verfolgung die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben, spielte in der bundespolitischen Debatte in den letzten Wochen keine Rolle mehr.

Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass wir hier in Schleswig-Holstein heute unser Landesprogramm auf den Weg bringen, um 500 besonders schutzwürdigen Menschen zusätzlich zu den schon laufenden humanitären Maßnahmen auf europäischer und Bundesebene humanitären Schutz und eine sichere Aufnahme in unserem Land zu gewähren. Im Angesicht des Ausmaßes des Elends der Flüchtlinge scheint diese Zahl verschwindend gering. Es ist aber ein Anfang, und es ist ein Signal, dass wir bei all den politischen Diskussionen, die in der Flüchtlingspolitik geführt werden, die Menschen nicht vergessen dürfen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE)

Ich werbe für unser Landesprogramm, mit dem wir besonders schutzwürdigen Menschen in akuten Notlagen schnell und möglichst unbürokratisch humanitären Schutz gewähren können. Wir werden hier eng mit dem UNHCR zusammenarbeiten; denn

(Barbara Ostmeier)

kaum eine andere Organisation - und da sind wir uns in der Koalition meines Erachtens ja einig weiß besser, welchen Menschen in welchen Regionen wir besonderen Schutz gewähren müssen. Humanitäre Katastrophen drohen in weiten Teilen Afrikas. Wir dürfen aber auch die Not der Rohingya in Myanmar nicht vergessen, und auch auf der arabischen Halbinsel hat der Bürgerkrieg hunderttausende Menschen in existenzielle Notlagen gebracht, denen wir helfen müssen.

Europa und auch Deutschland sind hier ja keineswegs tatenlos, auch das dürfen wir nicht vergessen. So wird die Bundesrepublik im Rahmen eines europäischen Hilfsprogramms in enger Kooperation mit dem UNHCR mehr als 10.000 Menschen aus humanitären Gründen aufnehmen. Wir wissen aber auch, dass das nicht ausreichen wird und dass andere Hilfsprogramme auslaufen und trotz eines entsprechenden Bedarfs möglicherweise nicht fortgesetzt werden sollen. Genau hier setzen wir mit unserem Landesprogramm an. Wir wollen dort Hilfe gewähren, wo sich besonders schutzwürdige Menschen in humanitären Notlagen befinden, die aber von den bestehenden Hilfsprogrammen nicht mehr erfasst werden können. Und es ist unsere Hoffnung, dass unser Landesprogramm ein Signal ist, das auch andere Bundesländer und vielleicht auch andere Staaten Europas ermutigt, ebenfalls humanitäre Hilfsprogramme aufzulegen, um Menschen zu retten, die in extremer Not sind und sich nicht mehr selbst helfen können. Wir bitten daher dieses Haus um breite Zustimmung.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss zum AfD-Alternativantrag kommen. Ich stelle zunächst fest, dass der Alternativantrag meines Erachtens zum Ausdruck bringt, dass Sie nicht gegen unser Landesprogramm stimmen werden, denn Sie möchten ja ein Controlling einführen. Trotzdem bitte ich Sie, diesen Antrag der AfD abzulehnen. Denn ich halte die Zielrichtung dieses Antrags für verfehlt, nämlich unsere Regierung zu kontrollieren, ob sie über die 500 Menschen hinaus, denen wir Schutz gewähren wollen, vielleicht auch anderen Menschen Schutz gewähren könnte. Mit Verlaub, dieser Antrag geht an den Zielen unseres Landesprogramms vorbei und ist schlicht unnötig.

Natürlich werden wir als Parlament den Verlauf des Landesaufnahmeprogramms konstruktiv begleiten. Lassen Sie mich aber angesichts Ihres Änderungsantrages klarstellen: Uns geht es um die Hilfe für in

Not geratene Menschen und nicht um eine Obergrenze.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Natürlich müssen wir eine solche Obergrenze setzen, weil wir auch die Hilfsmaßnahmen bezahlen und dafür die notwendigen Finanzmittel kalkulieren und bereitstellen müssen.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Genau!)

Aber die Zahl ist doch nicht der entscheidende Aspekt unseres Programms, darauf will ich ausdrücklich hinweisen. Die 500 Menschen sind eine Zielgröße, die wir aus heutiger Sicht für angemessen halten. Je nachdem wie sich die Flüchtlingssituation in den nächsten Jahren entwickelt, werden es mehr oder weniger sein. Insofern werden wir möglicherweise auch weitere Menschen im Rahmen eines Landesprogramms hier aufnehmen müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter, schauen Sie bitte auf die Uhr.

Ja. - Ich bitte Sie daher, den Antrag der AfD abzulehnen und unserem Programm Ihre Zustimmung zu geben. - Vielen Dank.