Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

(Zuruf FDP: Hört, hört! - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Ja, Merkel!)

Der gleichen Auffassung ist auch Hessens Ministerpräsident Bouffier. Ich zitiere erneut mit Ihrer Erlaubnis:

„Asyl und gezielte Einwanderung müssten scharf getrennt werden, sonst sende man ein völlig falsches Signal in die Herkunftsländer.

‚Wir dürfen nicht das Signal geben, dass man von der einen Spur auf die andere wechseln kann. Frei nach dem Motto, wenn ich mit dem Asyl nicht zum Ziel komme, versuche ich es eben mit dem Arbeitsplatz... Wer hier ein Bleiberecht hat, kann bleiben, wer keins hat, der muss zurück. Mit diesem Grundsatz darf man nicht brechen, sonst werden wir in diesem Land den Frieden nicht halten können.‘“

Meine Damen und Herren, wir müssen unsere Fachkräfte selbst ausbilden. Der Mangel an Fachkräften in unserem Land ist auf ein unterfinanziertes und marodes Schul- und Berufsausbildungssystem zurückzuführen.

Ich zitiere erneut mit Ihrer Erlaubnis Herrn Zander vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall:

„Die Hoffnung, dass im Zuge der Flüchtlingskrise auch dringend benötigte Fachkräf

te nach Deutschland gekommen wären, hat sich bei der sorgfältigen Analyse als weitestgehend falsch erwiesen. Es macht keinen Sinn, den Fehler von 2015 zu wiederholen.“

Der Spurwechsel führt in eine Aushöhlung des Asylrechts, und er setzt neue Anreize für noch mehr Wirtschaftsmigration durch die Hintertür des Asylrechts. Wir lehnen das strikt ab, und wir laden Sie ein, dies gemeinsam mit uns zu tun. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Barbara Ostmeier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Es ist schon ein bisschen schwer, nach der Debatte von heute Vormittag einfach so zur Tagesordnung überzugehen, und es ist auch schwer, an dieser Stelle vielleicht auch einmal die positiven Dinge zu nennen, die wir erreicht haben. Es ist aber auch unsere Aufgabe, das aufzuzeigen, was wir alle gemeinsam, die Bürgerinnen und Bürger und wir alle aus der Politik, bisher schon geschafft haben. Das macht Mut, und das stärkt und hält uns zusammen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Arbeitslosenzahlen sind derzeit so niedrig wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat ebenfalls Rekordhöhe erreicht, und in manchen Regionen herrscht bereits Vollbeschäftigung. Auch unser Wirtschaftsminister Dr. Buchholz sieht den Arbeitsmarkt im echten Norden in Bestform. Das sind erfreuliche Werte, und sie bestätigen die Attraktivität Deutschlands und Schleswig-Holsteins als Wirtschaftsstandort.

Auf der anderen Seite haben Betriebe und Unternehmen in manchen Regionen und Branchen bereits heute Schwierigkeiten, qualifizierte Fachkräfte zu finden, und in Schleswig-Holstein sind nicht alle Ausbildungsplätze besetzt. Demografischer Wandel und fortschreitende Digitalisierung sind Faktoren, die den Fachkräftemangel auch in Zukunft weiter beeinflussen werden.

Dass es vor diesem Hintergrund zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts gelingen muss, mit vereinten

(Claus Schaffer)

Kräften qualifizierte Fachkräfte anzuwerben, darüber besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens. Vertreter der Wirtschaft, unsere Betriebe und Unternehmen sind dazu bereit. Die Forderung an den Gesetzgeber lautet, den Zugang zum Arbeitsmarkt für beruflich Qualifizierte bedarfsorientiert, praxistauglich und ohne unnötige Zugangshemmnisse zu gestalten. Das Ziel ist klar definiert. Die passende Antwort auf den Fachkräftemangel wird dagegen politisch sehr kontrovers diskutiert. Im Mittelpunkt steht der Spurwechsel, und leider verliert diese Debatte oft die Basis der sachlichen und an Fakten orientierten Ebene.

(Beifall Kay Richert [FDP])

Wichtig ist mir dabei, dass wir neben möglichen Potenzialen bei internationalen Fachkräften auch europäische und inländische Potenziale im Blick behalten.

(Zuruf)

- Das hat auch niemand gesagt. Der Spurwechsel und die Beschäftigung von Menschen aus Drittstaaten werden das allein nicht retten können.

Wir werden sowohl den Antrag der AfD als auch den Antrag der SPD in der Sache ablehnen. Wie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, halten wir die Verabschiedung eines zeitgemäßen Einwanderungsgesetzes, das die Fachkräftezuwanderung klar und transparent regelt, für das richtige Steuerungsinstrument, um dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Bereits im September vergangenen Jahres haben wir so eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Mittlerweile liegen die Eckpunkte für ein Einwanderungsgesetz vor. Mit dem heutigen Antrag wollen wir die Landesregierung bitten, sich auf Bundesebene aktiv ins Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Wir haben konkrete Eckpunkte formuliert, die in das Gesetz einfließen sollen. Wir wollen, dass bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte der Fachkräftebedarf einschließlich konkreter Qualitätsanforderungen und Zuwanderungskontingente regelmäßig festgestellt und überprüft wird. Ziel muss es sein, dass sich Zuwanderung in den Arbeitsmarkt am tatsächlichen Bedarf orientiert.

Es ist mir wichtig zu betonen, dass das Grundrecht auf Asyl und die Einwanderung in den Arbeitsmarkt zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Systeme sind. Das Recht auf Asyl muss zukünftig ein individuelles Schutzrecht bleiben. Es bietet Hilfe für Menschen in Not, die in ihren Hei

matländern unter Krieg und Verfolgung leiden. Das ist ein Bleiberecht, das von der Arbeitsfähigkeit des Schutzsuchenden unabhängig ist. So muss es auch bleiben.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Es ist kein Ersatzeinwanderungsrecht und muss von der Einwanderung mit dem Ziel, hier zu arbeiten, auch zukünftig streng getrennt bleiben. Da gibt es überhaupt keine zwei Meinungen.

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass das Einwanderungsgesetz klar und deutlich Kriterien formuliert, an die wir die Chance auf dauerhafte Einwanderung knüpfen wollen. Die Kriterien sind neben der Arbeitsqualifizierung die fachliche Qualifikation, Sprachkenntnisse, Lebensalter und die Prognose, dass Sozialleistungen perspektivisch nicht in Anspruch genommen werden müssen, zum Beispiel durch den Nachweis eines Arbeitsvertrags. Das muss in den Kriterienkatalog mit aufgenommen werden.

Es geht nicht darum, einfach mal hierher zu flüchten und dann zu gucken, ob man bleiben kann. Das sind hohe Hürden, die an die arbeitsuchenden Fachkräfte gestellt werden. Wenn es auf Bundesebene für die Fachkräftezuwanderung ein Gesetz gibt, das klar und deutlich Kriterien beschreibt, dann wollen wir für Schutzsuchende, die in das Bundesgebiet eingereist sind und die sich integriert haben, eine qualifizierte Berufsausbildung erworben haben und einer geregelten Arbeit nachgehen, den Zugang in ein geordnetes Zuwanderungsverfahren eröffnen. Wir haben kein Problem mit den Menschen, die hier integriert sind und arbeiten. Wir haben ein Problem mit denen, die nicht bereit sind, unsere Werte zu schätzen, und die den Schutz, den wir ihnen bieten, missbrauchen, indem sie unseren Rechtsstaat nicht akzeptieren.

Anders als die AfD-Fraktion teilen wir die Auffassung nicht, der Wechsel in ein reguläres Zuwanderungsverfahren für diese Menschen höhle das Asylrecht aus. Diese Auffassung teilen wir nicht. Wir denken, dass es hier eine Chance gibt, die wir nutzen sollen. Deswegen lehnen wir den Antrag der AfD ab. Wir werden aber auch den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen. Wir haben deutlich gemacht: erst ein Einwanderungsgesetz, dann der Spurwechsel. Es wäre falsch, heute schon ein Moratorium auszusprechen -

Frau Abgeordnete!

(Barbara Ostmeier)

Der letzte Satz: Ich halte wenig davon, dass wir uns - bis das Einwanderungsgesetz in Kraft ist - weiter von den rechtlichen Rahmenbedingungen verabschieden. Hier würden wir einen rechtsfreien Raum schaffen. Dafür stehen wir nicht. Das wollen wir nicht. Es gibt auch heute sehr viele Möglichkeiten, im Arbeitsmarkt zu bleiben.

Frau Abgeordnete!

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Alternativantrag.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Aminata Touré.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wir schreiben das Jahr 2018, und die Bundesregierung schafft es leider erst jetzt, sich mit einem Einwanderungsgesetz auseinanderzusetzen. Ein erster grüner Entwurf lag 1994 vor. Was ist das eigentlich für ein Zeichen, dass man sich nicht zu der Geschichte dieses Landes bekennt und Einwanderung nicht nur als ein Versehen, sondern auch als gewollt und als organisiert versteht?

Ich weiß, einige Debatten können lange dauern, aber 20 Jahre, während man Asylrechtsverschärfungen in Windeseile in Gesetze gießen kann? Dazu kann man nur sagen: Das ist politisch gewollt und leider ein Armutszeugnis.

Ich kann den Grundgedanken des SPD-Antrags nachvollziehen, einen Abschiebestopp für Menschen zu fordern, die sich in Ausbildung befinden. Aber abgesehen davon, dass sich bei den Koalitionspartnern bei dem Wort „Abschiebestopp“ die Nackenhaare aufsträuben, bin ich nicht der Meinung, dass dies immer die Antwort auf die Fragen in der Flüchtlingspolitik sein kann.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Natürlich macht es Sinn, wenn wir über einen Abschiebestopp in Kriegsgebiete sprechen. Das ist für

mich nicht diskutabel. Aber wir sprechen immer über diese Instrumente, wenn Gesetze fehlen oder nicht weitreichend genug formuliert sind. Unsere politische Antwort muss aber mehr sein als die aufschiebende Wirkung.

(Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Man muss sich mit der Situation der Menschen auseinandersetzen, die es betrifft: Kinder, die hier verwurzelt sind, Erwachsene, die hier arbeiten und ihren Kindern immer wieder sagen müssen: Ja, die nächsten sechs Monate können wir bleiben, danach musst du vielleicht in ein Land, das du noch nie kennengelernt hast, das du aber als deine Heimat bezeichnen musst.

Was Menschen brauchen, ist eine Politik, die sich ernsthaft damit auseinandersetzt, wie eine langfristige Lösung aussehen kann. Wir haben als Koalition vor der Sommerpause einen Antrag zur Verbesserung der Bleibeperspektive eingebracht. Wir sind hier politisch also nicht inaktiv. Wir wollen gerade bestehende Regelungen ausweiten und verbessern, damit man Menschen Perspektiven geben kann.

Wir sind als flüchtlingspolitische Sprecherinnen und Sprecher der Koalition in enger Zusammenarbeit mit dem Innenministerium in der Frage, wie wir als Land hier mehr tun können, um das Bleiberecht von Menschen zu verbessern.

Es leben hier Menschen, die kein Anrecht auf Asyl haben, aber andere Gründe dafür aufweisen können, weshalb sie nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, und die inzwischen in Deutschland verwurzelt sind. Man erlebt es immer wieder, dass Leute von der Härte des Rechtsstaats sprechen, einfordern, dass diese durchgesetzt wird, und sagen: „Die haben hier nichts zu suchen.“ Das sind dieselben Menschen, die meinen, dass sie allein schon durch das Benennen des Wortes „Rechtsstaat“ das Recht auf ihrer Seite haben. Die Definition, die hier aber immer zugrunde liegt, ist, dass es um konkrete und konsequente Abschiebungen geht.

Ich halte diese vereinfachte Sicht auf die Dinge für sehr gefährlich, sogar für brandgefährlich. Es sind oftmals dieselben, die Einzelfälle mitbekommen und dann rufen: „Mein“ Afghane darf hier keine Ausbildung machen! „Mein“ Flüchtling wird bald abgeschoben! - Das kann nicht sein. Das macht an dieser Stelle natürlich deutlich, dass es an Regelungen fehlt, den Personen das Hierbleiben zu ermöglichen, die versuchen, sich einzubringen. Unser Rechtsstaat gilt für alle Bürger und Bürgerinnen, auch für die ohne deutschen Pass. Umso wichtiger

ist es, dass wir nach Lösungen suchen, die auch ihnen helfen.