Protokoll der Sitzung vom 07.09.2018

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt AfD)

Wir stehen zu den beiden Säulen im zweigliedrigen Schulsystem. Dies noch einmal festzuhalten ist auch wichtig. Wir stehen zu den Gemeinschaftsschulen, wir stehen zu den Gymnasien. Daran wollen wir auch nicht rütteln. Deshalb ist es folgerichtig, dass dieser Gesetzentwurf vorsieht, dass es in Zukunft ein Lehramt an Gymnasien und ein Lehramt an Gemeinschaftsschulen geben wird. Diese Schularten haben unterschiedliche pädagogische Konzepte. Es ist richtig, dass sich das am Ende auch in der Lehrerausbildung widerspiegelt. Dass dieses Vorgehen sinnvoll ist, wird aber auch dadurch unterstrichen, dass sowohl die Christian-Albrechts-Universität in Kiel als auch die EuropaUniversität in Flensburg diesen Gesetzentwurf unterstützen. Beide Universitäten können ihre Stärke mit dem neuen Gesetz unterstreichen. Die CAU ist mit der stark fachwissenschaftlichen Ausrichtung der Universität für das klassische Lehramt am Gymnasium prädestiniert, die Europa-Universität ist in der Lehrerausbildung stärker didaktisch und pädagogisch ausgerichtet und damit die beste Universität für die Ausbildung im Lehramt an Gemeinschaftsschulen.

Diese Schwerpunkte weiterzuentwickeln, unterstreichen wir mit diesem Gesetz. Daneben sei auch darauf hingewiesen, dass wir mit diesem Gesetz auch die Vergleichbarkeit mit anderen Bundesländern wiederherstellen und unsere Sonderrolle in dieser Frage aufgeben. Das ist insbesondere wichtig, um Studenten, aber auch Hochschulwechsler für ein Studium in Schleswig- Holstein zu gewinnen. Das hat insbesondere die Europa-Universität festgestellt. Dies muss unser erstes Ziel sein. Wir müssen viele, aber auch gute und motivierte junge Menschen für den Lehrerberuf begeistern.

Wie Sie wissen, gibt es auch noch viele andere Maßnahmen, die wir ergreifen. Sie sind heute nicht Thema. Ich möchte aber an dieser Stelle das Engagement der schleswig-holsteinischen Hochschulen in diesem Themenfeld hervorheben. Mein Eindruck

(Ministerin Karin Prien)

ist, dass bei den Veränderungen, die wir jetzt anstreben, eine gemeinsame Entwicklung der Lehrämter in Schleswig-Holstein für alle Hochschulen, die dies gemeinsam tragen, eine wichtige Grundlage ist, um am Ende auch - das ist ja die große Herausforderung - den Lehrermangel zu bewältigen, auf den wir in jedem Fall vorbereitet sein müssen.

Es ist gut - das ist eben auch schon angesprochen worden -, dass wir diesen Gesetzentwurf auch dazu nutzen, andere Themen anzugehen. Es ist vorausschauend, dass der Gesetzentwurf auch vorsieht, dass zukünftig der Direkteinstieg für alle Lehrämter geöffnet wird. Selbstverständlich ist das ein Thema, bei dem wir sagen, dass das nicht der Regeleinstieg in den Lehrerberuf ist; allerdings müssen wir uns neue Modelle überlegen, wie wir Lehrkräfte für Schleswig-Holstein gewinnen können. Uns geht es dabei - das ist vorhin ebenfalls angesprochen worden - darum, flexibel auf Mangelsituationen reagieren zu können, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das ist der Geist, der an dieser Stelle den Gesetzentwurf trägt.

Noch einmal: Wir finden, dass wir mit diesem Gesetzentwurf politisch einen Kompromiss gefunden haben, der sowohl der Schullandschaft als auch der Hochschullandschaft in diesem kontroversen Thema der letzten Legislaturperiode gerecht wird. Er ist damit - das ist in der Bildungspolitik immer ganz wichtig - eine Grundlage für Kontinuität und festigt diese eben auch.

Ich würde mir wünschen, dass wir in diesem Geist den Beratungsprozess dieses Gesetzentwurfs begleiteten und alle gemeinsam daran arbeiteten, dass wir eine gute Lehrerausbildung für Schleswig-Holstein haben. - Danke, dass Sie mir so aufmerksam zugehört haben. Das ist ja nicht immer der Fall.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Martin Habersaat das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahr 2014 hat dieser Landtag ein Lehrkräftebildungsgesetz beschlossen, das erstmals alle drei Phasen der Lehrerausbildung aus einem Guss geregelt hat, das Studium, das Referendariat und

die Fort- und Weiterbildung. In § 3 dieses Gesetzes sind die Lehrämter aufgeführt, die in SchleswigHolstein erlernt werden können: das Lehramt an Grundschulen, das Lehramt an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen, das Lehramt für Sonderpädagogik, das Lehramt an berufsbildenden Schulen und das Lehramt für Fachpraxis an berufsbildenden Schulen. Wer mitgezählt hat, wird feststellen, es sind fünf Lehrämter für die in Schleswig-Holstein ausgebildet wird.

Nun gibt es aber in Schleswig-Holstein eine Diskussion über den Einheitslehrer. Woher kommt diese Mär? Das liegt daran, dass wir die Gymnasiallehrkräfte und die Lehrkräfte an Gemeinschaftsschulen gemeinsam ausbilden.

Wie kann man auf die Idee kommen, Gymnasialund Gemeinschaftsschullehrkräfte gemeinsam auszubilden? - Man kann auf die Idee kommen, weil Gymnasien - nach Ihrer ersten glorreichen bildungspolitischen Reform nun auch alle oder nahezu alle Gymnasien - und Gemeinschaftsschulen die Schülerinnen und Schüler wieder von Klasse 5 bis Klasse 13 betreuen.

(Beifall Christopher Vogt [FDP])

Gymnasien und Gemeinschaftsschulen übernehmen Schülerinnen und Schüler nach Klasse 4 von den Grundschulen, und Gymnasien und Gemeinschaftsschulen haben die Aufgabe, in den folgenden Jahren alle Schülerinnen und Schüler, die ihnen anvertraut sind, so gut wie möglich zu fördern und zu fordern. Und: Gymnasien und Gemeinschaftsschulen sind dazu in der Lage, alle Schülerinnen und Schüler, die ihnen anvertraut sind, zum bestmöglichen für sie geeigneten Schulabschluss zu bringen. Damit ist nicht gesagt, dass alle Schülerinnen und Schüler das Abitur machen sollen. Damit ist aber sehr wohl gesagt, dass das Abitur selbstverständlich auch an Gemeinschaftsschulen angestrebt und erreicht werden kann.

Es gibt allerdings auch Unterschiede zwischen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen.

(Beifall AfD und vereinzelt CDU)

Obwohl viele Abiturienten heutzutage eine berufliche Ausbildung beginnen, und obwohl viele Gemeinschaftsschülerinnen und Gemeinschaftsschüler heutzutage das Abitur ablegen und danach ein Studium beginnen, ist es in einigen Köpfen immer noch so, dass die Berufsorientierung - noch ältere Köpfe sprechen von praktischen Begabungen und solch furchtbaren Begriffen - bei den Gemein

(Tobias Loose)

schaftsschulen gesehen und dass die Studienvorbereitung als Aufgabe der Gymnasien betrachtet wird.

Ein zweiter Unterschied zwischen Gymnasien und Gemeinschaftsschulen ist, dass die Gymnasien das Recht haben, nach Klasse 6 schräg zu versetzen. Schrägversetzung bedeutet, die Schülerinnen und Schüler werden in Klasse 7 versetzt, aber eben nicht in der eigenen Schule, sondern an eine Gemeinschaftsschule.

Und das scheint nun der Kern Ihrer Idee zu sein: Gemeinschaftsschulen haben pädagogisch größere Herausforderungen, denn sie müssen ja in Klasse 7 irgendwie organisieren, dass die „armen gescheiterten Existenzen“ vom Gymnasium aufgebaut und ins Klassengefüge integriert werden.

Sie haben recht: Gemeinschaftsschulen sind in Schleswig-Holstein überproportional stark zum Beispiel mit den Aufgaben Deutsch als Fremdsprache oder Inklusion befasst. Aber ist es wirklich des Rätsels Lösung, zu sagen: Dann trennen wir das, dann gehen wir diesen Sortiergedanken wieder stärker an, dann unterstützen wir den Gedanken des Standesdünkels? - Ich glaube, nein.

(Beifall SPD und SSW)

Sie trennen nun die Ausbildung von Gemeinschaftsschullehrkräften und Gymnasiallehrkräften, und Sie verbinden damit sehr wohl eine Wertigkeit, indem Sie nämlich in Ihr Gesetz schreiben, dass Gymnasiallehrer selbstverständlich an Gemeinschaftsschulen eingesetzt werden dürfen, Gemeinschaftsschullehrer allerdings nur unter bestimmten Bedingungen und dann, wenn das Personal knapp ist, vielleicht auch in Gymnasien. Dass Gemeinschaftsschullehrer zur Belohnung länger arbeiten dürfen und schlechter bezahlt werden und dass das ein Punkt ist, an den man dringend ran müsste - geschenkt, das wird nicht in diesem Lehrkräftebildungsgesetz geregelt.

(Beifall SPD und SSW)

Diese Wertigkeit, die Sie den Schularten beimessen, haben wir hier im Landtag schon oft diskutiert, und Sie liefern regelmäßig neue Beispiele dafür. Es ist eben nicht so, dass Sie Gymnasien und Gemeinschaftsschulen als zwei gleichwertige Säulen in diesem Land akzeptieren. Es ist aus nahezu jeder Ihrer bisherigen bildungspolitischen Offensiven deutlich geworden, dass Sie das Gymnasium gewissermaßen als Spitze oder Mittelpunkt des Schulsystems sehen und alle anderen Schularten subsidiär irgendwelche Aufgaben erfüllen und Auffangbecken sein müssen.

Aber das ist noch nicht alles. Es gibt noch einen zweiten Schritt in die Vergangenheit. In § 5 des Lehrkräftegesetzes von 2014 ist geregelt, dass alle Einrichtungen zur Lehrkräftebildung in SchleswigHolstein zusammenarbeiten. Aus meiner Sicht war einer der großen Verdienste dieses Gesetzes, dass da zumindest der Gedanke enthalten war, dass die lehrerausbildenden Hochschulen in Kiel und in Flensburg natürlich zusammenarbeiten müssen, um Lehrkräfte in Schleswig-Holstein auszubilden.

(Beifall SPD und SSW)

Sie entflechten das jetzt. Sie sprechen von Profilbildung, aber in Wirklichkeit schaffen Sie exklusive Aufgabenfelder und kappen jede Verbindung zwischen der Lehrerausbildung in diesem Land. Ein Beispiel dafür ist die Abschaffung der Möglichkeit für Sek-I-Lehrkräfte, die in Kiel studiert haben, in Flensburg die Sek-II-Fakultas draufzusatteln. Das wird abgeschafft, statt diesen sinnvollen Gedanken zu stärken und voranzutreiben.

Meine Damen und Herren, zwischen Kiel und Flensburg liegen 91 km. Sie vergrößern diese Entfernung heute.

(Beifall SPD, SSW - Zuruf Tobias Loose [CDU])

Und während die CDU in Hamburg sich als glorreichen Slogan für ihre politische Arbeit wenigstens „Zurück in die Zukunft“ ausgesucht hat, führen Sie uns zurück in die Vergangenheit, Frau Prien. Das ist bedauerlich, und am bedauerlichsten ist es, dass Grüne dazu klatschen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Lasse Pettersdotter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich habe mir vorher überlegt: Wie wird sich diese Diskussion wohl entwickeln? Bis zu den letzten Silben des Beitrags von der SPD war das alles sehr sachlich. Jetzt wieder so eine Verratsrhetorik aufzumachen? - Ich bitte Sie.

Ich erinnere mich sehr gut an die Debatten, die 2014 geführt wurden. Dort wurden Diskussionen um Standorte in Gänze geführt. Es wurden insbesondere in den Präsidien der Hochschulen und in

(Martin Habersaat)

ihrer Diplomatie Diskussionen geführt, die kriegsähnliche Zustände zwischen den Hochschulen beschrieben haben. Da gab es nicht wahnsinnig viel Einigkeit. Ich war damals AStA-Vorsitzender und habe in dem Krisenteam der CAU gesessen, in dem die Bildungsministerin in den Krisensituationen nicht so ganz vermitteln konnte. Das war alles hoch angespannt. Ich glaube, heute können wir diese Diskussionen sehr viel ruhiger und sehr viel sachorientierter führen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Anlass für die Reform 2014 war das Schulgesetz aus dem Jahr 2012. Man hat im Wesentlichen zwei Schulformen herausgebildet, die Gemeinschaftsschule und das Gymnasium. Wie das System funktioniert, hat der Kollege Habersaat beschrieben. Deswegen brauchte man auch ein Lehramt, das zu diesen Schulformen passt. Das ist auch jetzt der Fall, heute passt das. Das Lehramt, das jetzt reformiert und weiterentwickelt wird, schafft zwei Lehrämter, die zu den Schulformen passen. Für zwei starke Schulformen haben wir zwei starke Universitäten, die selbstverständlich zusammenarbeiten werden. Sie werden es sich garantiert nicht von der Landesregierung befehlen lassen, wie sie zusammenarbeiten. Da sind die Hochschulen groß und erwachsen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Nichtsdestotrotz will ich nicht verhehlen, dass das ein großer Konflikt in den Koalitionsverhandlungen war. Das lag ein Stück weit auch an der Zusammensetzung der Verhandlungsteams. Ich habe hier gemeinsam mit Rasmus Andresen, meinem Vorgänger für die Hochschulpolitik, und mit Steffen Regis, der damals AStA-Referent war, als ich Vorsitzender war, verhandelt. Er ist heute Landesvorsitzender der Grünen. Dementsprechend war das nicht ganz einfach.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

- Drei Männer, das war das große Problem. Das ist völlig richtig. Ansonsten war uns völlig bewusst, dass dieser Konflikt uns bis in die Nacht wachhalten wird, und das hat er sicherlich auch getan.

Am Ende kam raus, dass wir das Gesetz im Wesentlichen erhalten, weil es ein gutes Gesetz ist und weil wir dazu auch immer gestanden haben und auch weiterhin stehen. Auf der anderen Seite macht es selbstverständlich auch Alleinstellungsmerkmale möglich. Das bedeutet aber nicht, dass es ein Al

leinstehen ist. Es ist kein Alleinstehen der Hochschulen. Wir haben von vornherein in enger Kooperation und Absprache mit der Universität Kiel und der Universität Flensburg verhandelt und das mit ihren Vertretern zusammen durchgesprochen.

Es ist zwar nicht die hundertste Reform. Man muss aber ehrlich sagen, in den letzten Jahrzehnten gab es gefühlt hunderte Reformen. Ich habe Studierende an der EUF getroffen, die im Laufe ihres Studiums sechs Prüfungsordnungen durchgemacht haben. Ich habe neulich mit einer Studierenden gesprochen, die hier in Kiel im Masterstudium studiert. Sie hat erst auf das Lehramt an Gymnasien studiert, dann auf das Sekundarschullehramt, dann wieder auf das Lehramt an Gymnasien. Wir müssen da ein bisschen zur Ruhe kommen, würde ich vorschlagen. Ich glaube, dass wir das jetzt auch tun können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP - Zuruf Martin Haber- saat [SPD])