Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

Nein, das gestatte ich nicht. Ich gestatte keine Zwischenfragen von Personen - Kollegin, es fällt mir schwer, das zu bezeichnen -, die mich auf ihrer Homepage bezichtigen, ich hielte es für normal, dass Männer ihre Frauen niedermesserten.

(Beifall SPD - Widerspruch AfD)

- Lesen Sie es selbst nach. Sie wissen doch gar nicht, was auf der Homepage Ihres Landesverbandes steht.

(Anhaltender Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich hätte gedacht, wir hören hier etwas über Gewalt gegen Frauen, wir reden über den Fall beziehungsweise über alle Fälle.

(Zurufe Jörg Nobis [AfD] und Claus Schaffer [AfD])

- Sie haben gar nicht über Informationspolitik geredet. Sie haben etwas von verfehlter Asylpolitik gesagt, davon gesprochen, Jamaika sei gescheitert und so weiter. Wissen Sie, was das Problem bei Rechtspopulisten ist? Sie müssen immer das öffentlich abstreiten, was sie eigentlich wollen, was ihre Anhängerschaft eigentlich will.

(Anhaltender Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie heucheln, oder Sie sind Opportunisten.

(Claus Schaffer [AfD]: Oder Sie hören zu!)

Das beides sind mögliche Erklärungsmuster. Der Inhalt Ihrer letzten Presseerklärung hatte damit eigentlich überhaupt nichts zu tun.

(Christopher Vogt [FDP]: Es ist eigentlich viel schlimmer!)

- Ja, es ist eigentlich noch schlimmer. Aber die Höflichkeit gebietet mir, das jetzt nicht genauer zu sagen. Ich glaube nicht, dass sich Menschen, die in der AfD aktiv sind, Illusionen machen, wofür sie kämpfen. Ich könnte hier diverse Zitate nennen auch das erspare ich mir jetzt -, die zeigen, dass man eigentlich von der nationalen Revolution träumt und natürlich die parlamentarische Demokratie beseitigen will.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Blödsinn ist das!)

- Das wissen Sie selbst. Das zeigt sich, wenn ich das erste Mal in den Social Media einen Beitrag

von Ihnen lese. Ihren Anhängern entgegenzutreten bezüglich der Verbreitung von Verhetzung, bezüglich Ausländerfeindlichkeit, bezüglich Flüchtlingsfeindlichkeit, bezüglich Menschenfeindlichkeit wenn ich einen Ihrer Mandatsträger bei Facebook sehe, der Ihren Anhängern deutlich widerspricht, wenn das in den Social Media ist, dann glaube ich Ihnen. Aber solange Sie das nicht tun, sondern versuchen, ganz gezielt eine Doppelstrategie zu fahren - hier ein bisschen anheizen, hier ein kleines Feuerchen machen, um dann in den Social Media oder im Web richtig reinzuhauen -, so lange brauche ich Ihnen nicht zu glauben.

(Anhaltender Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Volker Schnurrbusch [AfD]: Gehört das zum Thema oder zum AfD-Bashing?)

Wissen Sie was? Es ist vollkommen egal, ob man als Brandstifter oder als Biedermann auftritt. Der Biedermann hat den Brandstiftern das Feuerholz gereicht. Ich werde das nicht tun, solange ich politisch aktiv bin.

(Anhaltender Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eingangs eine Rede zur Aktuellen Stunde gehört, in der es um die Informationspolitik des Innenministers zu einem Fall gehen sollte.

(Jörg Nobis [AfD]: Erzählen Sie das einmal Herrn Dolgner! - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Ich war der Einzige, der Fragen gestellt hat!)

- Jetzt bin ich erst einmal an der Reihe. Ich darf die Herren bitten, kurz einmal mir zuzuhören. - Vielen Dank.

In Ihrer Rede haben Sie sich vielleicht versprochen; das mag sein. Aber Sie haben von der Informationspolitik zu den Folgen der Flüchtlingspolitik in Boostedt gesprochen. Das entlarvt genau das, worum es in dieser Aktuellen Stunde geht. Es geht nämlich überhaupt nicht um den Fall. Es geht auch überhaupt nicht darum, ob das jetzt genannt wurde oder nicht. Stattdessen wollen Sie hier diesen tragischen Fall nutzen, um wieder einmal Ihre Flüchtlingshet

ze los zu werden. Das hat Sie selbst entlarvt. Sie können das gern im Protokoll nachlesen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Dann noch eine andere Sache vorweg: Sie sprechen immer von den Bürgern Boostedts. - Nach der Einwohnerversammlung ist eine Bürgerin auf mich zugekommen und hat gesagt, sie habe die Information, die sie von Herrn Grote erhalten habe, gut gefunden, und sie war dankbar, dass er sich hingestellt und gesagt hat, dass wir weiter an einer humanen Flüchtlingspolitik festhalten.

Ich weiß nicht, ob er auch an die anderen Fraktionen ging, aber ich habe einen fünf Seiten langen Brief von einem Bürger aus Boostedt bekommen, in dem er sich damit auseinandersetzt, wie sein Ort dargestellt wird. Er sagt: Ich bin auch ein Bürger von Boostedt. Ich kann überhaupt nicht teilen, was andere lautstark von sich geben. Ich habe ein ganz anderes Bild von den letzten drei Jahren. Ich fühle mich nicht belästigt von den Menschen, die in unserem Dorf wohnen. - Auch diese Bürger gibt es. Insofern sollten wir nicht immer von den Bürgern sprechen. Das hat mich schon bei anderen Parteien in diesem Haus immer geärgert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt FDP)

Zum Thema der Aktuellen Stunde hat Herr Grote im Innenausschuss alles gesagt. Ich kann mich da meinen Vorrednern nur anschließen. Ich bin auch wirklich erstaunt gewesen, dass wir im Innenausschuss die Gelegenheit hatten, die Staatsanwältin, die Polizei, den Innenminister, den Staatssekretär und alle möglichen Leute zu befragen und konkret zu hinterfragen, was man wissen möchte. Alle Parteien haben sich zu Wort gemeldet, zum Teil mehrfach. Herr Schaffer, wenn es Ihnen nicht nur darum geht, hier Krawall zu machen, warum beteiligen Sie sich dann im Ausschuss nicht an den Beratungen? Warum bringen Sie Ihre Beispiele nicht an?

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Aber vielleicht ging es der AfD nicht um Aufklärung, vielleicht ging es nicht darum, wirklich abzuwägen, welche Taten wann wie der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Wir haben ge- lernt von euch!)

Vielleicht ging es einfach wieder einmal darum, rassistische Thesen aufzustellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Vielleicht ging es auch darum - darauf deutet auch der Satz von eben hin, dass wir endlich einen Fall hätten -, ein Bild von meuchelmörderischen Menschen zu zeichnen, die unser Land belagern.

Es gab 2017 in Deutschland 67 Fälle von Mord und Totschlag inklusive Versuch. Demnach würden wir bei konsequenter Berichterstattung wöchentlich über mindestens einen Mord debattieren beziehungsweise eine Pressemitteilung des Innenministers dazu lesen. Was also hebt diesen Fall hervor, außer dass er in die Agenda der AfD passt?

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Die Informati- onspolitik!)

Der Fall spielte sich in einer sehr umstrittenen Aufnahmeeinrichtung ab und erzeugte bei den Menschen, die sich sowieso schon fürchten, noch mehr Angst. Seit Jahren führen wir reflexhaft Debatten, mindestens seit der Silvesternacht in Köln. In der damaligen Aktuellen Stunde wollten wir hier auch darüber reden, dass Sexismus und Gewalt gegen Frauen ein Problem in allen Kulturen sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW, vereinzelt CDU und FDP)

Das ist zwar ein Fakt, wurde aber von der damaligen Opposition hier im Haus sehr stark gerügt. Ich erinnere mich da noch an lebhafte Auseinandersetzungen mit dem heutigen Bundestagsvizepräsidenten.

Daran zeigt sich, dass es in den Debatten oft nicht um Fakten geht, sondern um Gefühle. Das macht es so schwierig. Was nützt es Menschen, die Angst haben, wenn ich ihnen die Kriminalstatistik vorlese und ihnen klarmache, dass die Zahl der Gewaltdelikte in den letzten Jahren zurückgegangen ist? Das nützt einem Menschen, der Angst hat, erst einmal gar nichts. Das sind Zahlen, die man um die Ohren kriegt. Was nützt es Menschen, die mit der Fremdheit und einer anderen Religion Probleme haben, wenn ich ihnen erzähle, wie sehr unsere Gesellschaft durch diese Vielfalt gewinnt? - Damit erreiche ich niemanden und vermutlich auch Sie dort oben nicht.

Erreicht werden die Menschen von denjenigen, die ihre Ängste bedienen und anstacheln, das heißt von populistischen Parteien, die eine Beziehungstat unter Geflüchteten anders bewerten als eine Beziehungstat zwischen Menschen mit deutschem Pass, die jede Situation nutzen, um ihr düsteres Bild von Deutschland und von Schleswig-Holstein zu zeich

(Eka von Kalben)

nen. Das dürfen wir nicht zulassen. Dieses Land ist besser, als Sie es machen wollen, liebe AfD.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Aber zurück zu dem Punkt, wie es gelingen kann, Ängste auf der einen Seite ernst zu nehmen, ohne diese Ängste weiter zu schüren. Darum muss es uns, glaube ich, gehen. Ich denke, das geht durch Zuhören, durch Reden, durch Kennenlernen und durch gezieltes Nachfragen. Oft kommt nämlich nach der Schilderung eines diffusen Angstgefühls eine eigene Lebensgeschichte heraus. Da geht es um Enttäuschungen, verpasste Chancen, gefühlte Ungerechtigkeiten. Da geht es um Arbeit, Rente, Pflege, Zukunft der Kinder und viel Frust auf die Politik.

Wir haben also eine große Aufgabe vor uns. Wir müssen Menschen Perspektiven geben - denen, die hier geboren sind, und denen, die zu uns kommen. Da macht es keinen Sinn, sie über lange Zeit in Aufnahmezentren zu bündeln, egal wie diese jetzt heißen. Die Fehler der 90er-Jahre, auf die Integration vieler zu verzichten, sollten wir nicht wiederholen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt FDP, SSW und Beifall Dr. Ralf Steg- ner [SPD])

Wenn Herr Schäuble das jetzt auch so sieht, hat sich wirklich etwas zum Guten in diesem Land verändert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)