Das gilt übrigens auch für den Koalitionsvertrag. Deshalb lasse ich mir nicht irgendwelche Heuchelei unterstellen und mich fragen: Was hättet ihr gemacht? Ja, Stefan Studt hat drei Tage vor der Wahl gesagt - ich weiß ja auch, dass das Innenministerium immer diese Auffassung hatte; hat es übrigens schon 2012 in der Koalitionsverhandlung gehabt -, dass wir rechtlich verpflichtet sind, eine eigene Abschiebungshaft vorzuhalten. Ich kenne diese Argumentation, die im Hintergrund läuft.
Was mich beim nächsten Dreiminutenbeitrag der Kolleginnen und Kollegen von den Grünen interessieren würde: Stehen Sie noch zu Ihrem Wahlprogramm, in dem Sie die Praxis der Abschiebungshaft ablehnen - es stammt aus dem letzten Jahr, als die Rechtsgrundlage genau die gleiche war -, oder sagen Sie, wenn Sie 50 % gehabt hätten, fänden Sie es trotzdem richtig, jetzt eine neue Abschiebungshaft zu bauen?
(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Natürlich nicht! Meine Güte! - Weite- re Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Die Grünen brauchen keinen Schutz, Frau Kollegin Ostmeier. Es ist eine einfache Frage, die uns irritiert. Sie klatschen, wenn die FDP behauptet, dass die Abschiebungshaft in Rendsburg in unserer gemeinsamen Regierungszeit einer Strafhaft entsprochen habe. Burkhard, du weißt, dass das nicht wahr ist. Du weißt, welche Maßnahmen wir ergriffen haben.
Liebe Kollegen von der CDU: Wir haben unter Schwarz-Gelb den Abschiebeknast in Rendsburg besucht. Sie wissen ganz genau, dass Plätze natür
lich zu einem gewissen Bedarf führen. Wir waren alle schwer irritiert, dass die Bundespolizei Menschen in Abschiebungshaft hat nehmen lassen - das können wir hier gar nicht beeinflussen -, die sogar mit einer Rückfahrkarte auf dem Rückweg nach Schweden waren, und zwar wegen eines DublinVergehens.
Ja. - Deshalb werden wir das alles im Ausschuss in aller Ausführlichkeit besprechen. Dann werde ich mir erklären lassen, wie aus dem besonderen Ausnahmefall im Aufenthaltsgesetz des Bundes - § 62 eine Verpflichtung entsteht, das im zweiten Teil der Doppeltür, in unserem Vollzugsgesetz, entsprechend vorzusehen.
Ich habe fünf Jahre lang viel darüber gehört, was wir als Landesgesetzgeber machen müssen. Wir haben selbst zu verantworten, was wir machen. Die Leute, die gesagt haben, man könne uns dazu zwingen -
(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es ist bitter genug, aber wer hat den letzten Landtagswahlkampf verloren? - Nicht wir!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens hat die SPD die Auffassung, die der Kollege Harms hier vorgetragen hat: Wir finden es richtig, wenn Menschen abgeschoben werden, die Gefährder oder kriminelle Gewalttäter sind. Für andere halten wir die Abschiebung nicht für richtig. Das steht in unserem Programm, das ist unsere Überzeugung.
Zweitens: Ich habe mich als Landesinnenminister mit meinem eigenen Bundesinnenminister, Herrn Schily, häufiger angelegt, weil ich gerade in Abschiebungsfragen der Meinung war, dass wir die humanitären Spielräume ausdehnen müssen bis zu einem Punkt, den andere nicht für richtig gehalten haben. In der Tat: Wir streiten auch auf Bundesebene manchmal über Dinge - ob es Atom- oder andere Dinge sind -, bei denen wir unterschiedliche Auffassungen haben, die manchmal später Überzeugung der Bundespartei werden. Das kommt auch in anderen Parteien vor.
Drittens haben Sie gefragt: Was hätten wir gemacht? - Ich will Ihnen sagen, was wir gemacht hätten. Sie können Folgendes als Indiz dafür nehmen: Als Herr Studt das wenige Tage vor der Wahl vorgetragen hat, haben wir, obwohl wir im Wahlkampf waren, obwohl das nicht populär war, öffentlich gesagt, das werde es mit uns nicht geben. Einen noch deutlicheren Hinweis darauf, dass wir das nicht gemacht hätten, kann es doch kaum geben. Das hätte einem im Wahlkampf ja nicht genützt.
Viertens. Was machen Sie? - Sie sind keineswegs gezwungen, ein Gesetz einzubringen, durch das auch Kinder untergebracht werden können. Sie machen das. Sie sagen: Der Bund macht das ja auch. Aber was ist der Grund für Sie, ein solches Gesetz einzubringen? - Sie tun das ganz freiwillig. Tun Sie also nicht so, als hätten wir das auch gemacht.
Ich will ein Letztes sagen: Wenn man sich die Abschiebepraxis anschaut, sagt doch inzwischen die Bevölkerung, dass manchmal kriminelle Gewalttäter hierbleiben, wir aber Familien mit Kindern abschieben, inzwischen sogar nach Afghanistan. Leute, die aus Ausbildungen oder Berufen kommen, werden nach Afghanistan abgeschoben, in ein Land, das überhaupt nicht sicher ist. Das heißt, es ändert sich auch noch die Praxis, Menschen werden in Gefahr gebracht. Ja, wir stehen für unsere Überzeugung. Wir verstehen, dass man in Koalitionen Kompromisse machen muss. Aber Ihre Erregung, die Sie hier vortragen, zeugt nur von Ihrem schlechten Gewissen und davon, dass Sie sich von dem, was wir im letzten Jahr gemeinsam gemacht hätten, entfernt haben.
Nehmen Sie bitte nicht die SPD für diese Veränderung in Anspruch. Wir hätten kein Abschiebegefängnis in Schleswig-Holstein gebaut, wir werden das nicht tun. Sie machen das, und wir kritisieren das.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Midyatli, Sie haben recht damit, dass wir Redebeiträge mit derartiger verbaler Rabulistik von Ihnen schon häufiger in diesem Haus gehört haben und dass uns das nicht hätte überraschen sollen.
Mittlerweile nehmen Sie ja für sich in Anspruch, das neue Gesicht der schleswig-holsteinischen SPD zu sein.
Das Streben nach höheren politischen Ämtern sollte immer auch mit einem wachsenden politischen Verantwortungsbewusstsein einhergehen.
Ich finde, diesem Anspruch sind Sie mit den verbalen Ausfällen Ihrer heutigen Rede in keinster Weise gerecht geworden.
- Es ist nett, dass Sie versuchen, Ihrer Kollegin den Rücken zu stärken, Herr Dr. Stegner, aber ich würde jetzt gern meinen Redebeitrag fortsetzen.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Da brauchen Sie mich gar nicht für zu loben! Das tue ich von selbst! - Serpil Midyatli [SPD]: Das ist ty- pisch Mann! - Weitere Zurufe)
Sie haben den Befürwortern einer Abschiebungshaftanstalt vorgeworfen, einen Kniefall vor den Rechten zu begehen. Sie kündigen damit den demokratischen Konsens auf, den wir heute Morgen in der Aktuellen Stunde hier noch eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. Wir sind uns alle einig gewesen, dass wir uns alle entschieden gegen Rechtsradikale, Rechtspopulisten und gegen die AfD abgrenzen. Jetzt unterstellen Sie uns, wir richteten unsere Politik danach aus, dass wir diesen Rechtspopulisten und Rechtsradikalen hinterherliefen. - Es ist ungeheuerlich, was Sie uns hier vorgeworfen haben!
Wir haben die Schließung der Abschiebungshaftanstalt schon 2014 kritisiert. Wir haben seit 2016 gefordert, sie wieder zu eröffnen. Das haben wir mit Sicherheit nicht getan, um der AfD irgendwie hinterherzulaufen.
Noch viel ungeheuerlicher fand ich Ihren zweiten Satz, auf den die Kollegin Ostmeier zu Recht schon hingewiesen hat, in dem Sie das Bild gezeichnet haben, es sei unser Wunsch und unser Wille, dort Familien und Kinder zu inhaftieren, und wir fänden auch schon Richter, die das so machen, wie wir das wollen. Das haben Sie gesagt.