Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

(Serpil Midyatli [SPD]: Das habe ich in ei- nem ganz anderen Absatz gesagt!)

- Ich empfehle Ihnen dringend, das im Protokoll nachzulesen. Sie haben leider Ihren zweiten Redebeitrag nicht genutzt, um das hier klarzustellen. Lesen Sie es im Protokoll nach. Das ist ungeheuerlich. Sie haben die unabhängige Justiz in Schleswig-Holstein damit infrage gestellt.

(Serpil Midyatli [SPD]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Sie haben das Bild einer Justiz gezeichnet, die politisch willkürliche Urteile fällt.

(Martin Habersaat [SPD]: So ein Quatsch!)

Sie stellen sich damit außerhalb des Konsenses jeder demokratischen Partei.

(Zuruf SPD: Jetzt reicht es aber! - Martin Habersaat [SPD]: Jetzt einmal tief durchat- men, Herr Koch!)

- Das war der Beitrag Ihrer zukünftigen Parteivorsitzenden.

(Martin Habersaat [SPD]: So ein Unsinn! - Serpil Midyatli [SPD]: Soll ich mal ein Zitat des Landtagspräsidenten herausholen? Kom- men Sie mal runter! - Weitere Zurufe)

Das Wort hat der Abgeordnete Koch.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Darf ich Sie mal an den Brief von Herrn Schlie erinnern! Da ha- ben wir gesagt: Jetzt ist es auch gut!)

Nutzen Sie die Gelegenheit, das entsprechend klarzustellen, sich bei uns und der Justiz dafür zu entschuldigen. Klären Sie innerparteilich, wenn Sie Manuela Schwesig und Olaf Scholz einen Kniefall vor Rechtsradikalen vorwerfen. Klären Sie das innerparteilich, stellen Sie Ihren Redebeitrag klar und entschuldigen Sie sich. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP - Serpil Midyatli [SPD]: Das habe ich auch nicht ge- sagt! Verdrehen Sie mir nicht die Worte im Mund!)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Burkhard Peters.

(Serpil Midyatli [SPD]: Wenn man keine Ar- gumente hat, mal schön persönlich werden, ne! Ja, genau, mal schön persönlich werden! - Tobias Koch [CDU]: Das hat man heute Morgen gesehen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass ich kein Fan von Abschiebungshaftanstalten bin, das nehmt ihr mir, glaube ich, ab.

(Serpil Midyatli [SPD]: Ja! - Beifall Serpil Midyatli [SPD])

Als Anwalt habe ich in vielen Fällen vor Gericht gegen entsprechende Befehle gekämpft und habe auch schon manche Leute aus dem Abschiebungshaftgefängnis wieder herausgeholt. Darauf bin ich stolz.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber ich will jetzt, nachdem ich mich in der letzten Debatte bei der SPD sehr unbeliebt gemacht habe, etwas zur Versachlichung beitragen. Wir haben uns die Zahlen für die Jahre 2016, 2017 und die Monate bis Mai 2018 geben lassen, wie viele Menschen aus Schleswig-Holstein wir in dieser Zeit in andere Haftanstalten der Bundesrepublik gebracht haben. Es waren 48, Lars Harms - nicht wenige! Und es waren mindestens 35 Fälle, wo es nicht funktionierte, weil es in anderen Bundesländern keine Haftplätze mehr gab. Das macht allein 83 Fälle. Darin

nicht eingerechnet sind die Fälle, in denen die Ausländerbehörden aufgrund dieser Tatsache, dass immer mehr Absagen von anderen Ländern kamen, darauf verzichtet haben, überhaupt Anträge zu stellen.

Dass es also letztlich gar keinen Bedarf geben sollte, das ist so nicht richtig, Lars Harms. Es ist noch Folgendes zu berücksichtigen: Die Zahl der vollziehbar ausreisepflichten Menschen wird in Zukunft noch signifikant steigen, weil die Fälle jetzt erst langsam vom Verwaltungsgericht in Schleswig-Holstein abgearbeitet werden. Das heißt also, diese Argumentation, das brauche man jetzt alles gar nicht, so etwas hätten wir in der Zeit, als wir noch in der Küstenkoalition waren, überhaupt nicht gebraucht, trägt so nicht durch. Wir haben uns immer stolz auf die Brust geschlagen und gesagt: Wir sind die Guten im Land Schleswig-Holstein, wir haben gar keine Abschiebungshaftanstalt. - Aber gleichzeitig haben wir die Leute nach Eisenhüttenstadt in einen Knast gebracht, der wirklich nicht den humanitären Standards entsprach.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP - Wortmeldung Dr. Kai Dolgner [SPD])

Herr Abgeordneter!

Das ist meines Erachtens schon eine gewisse Form von Verlogenheit. Diese wollen wir hier beenden. Ich freue mich überhaupt nicht darüber, aber ich will dafür sorgen, dass wir hier in Schleswig-Holstein eine Abschiebungshaftanstalt bekommen, die mindestens bestimmten Grundstandards entspricht, und dass wir die Kontrolle darüber haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ich werde auch mit Freude wieder in den Anstaltsbeirat dort gehen und dafür kämpfen, dass das der Fall sein wird. - Vielen Dank.

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Eka von Kalben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte - erstens - einer Sache widersprechen. Frau

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

Midyatli, es ist nicht die erste Maßnahme, die diese Jamaika-Koalition im Bereich Flüchtlinge macht. Das wissen Sie auch. Wir haben Initiativen zum Bleiberecht, zu Passersatzpapieren, zum Familiennachzug und zu einem humanitären Aufnahmeprogramm gemacht.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Insofern ist das aus meiner Sicht eine Fehlinformation.

Zweitens. Ja, wir haben, und zwar gemeinsam in der Küstenkoalition, gegen eine Abschiebungshafteinrichtung gekämpft, manchmal auch gegen das SPD-geführte Innenministerium. Lieber Lars Harms, wir haben uns schweren Herzens für das Ausreisegewahrsam entschieden, weil wir der Meinung waren, dass wir das aus bundesrechtlichen Gründen machen müssen - nicht unbedingt, weil wir das so sinnvoll fanden.

Damals war die Situation so, dass wir fast keine Abschiebungshaftfälle hatten, bei denen Personen in andere Bundesländer gehen mussten. Aber ich weiß, dass wir schon damals darüber gesprochen haben, dass es - wie Burkhard Peters sagte; man kann es „verlogen“ nennen, man kann es „schwierig“ nennen - eine schwierige Abwägung war: Machen wir es bei uns, oder machen wir es woanders? Ich war immer dafür, wir machen es woanders, auch wenn das vielleicht verlogen sein mag. Ich weiß noch, dass wir mit dem Flüchtlingsrat darüber gesprochen haben. Er hat gesagt: Wenn man ein Abschiebungshaftgefängnis schafft, schafft man auch eine Nachfrage. Dann wird mehr Abschiebungshaft in Anspruch genommen.

Die Situation hat sich meiner Meinung nach ein bisschen geändert. Das zeigen die 48 Fälle, in denen wir Personen in andere Bundesländer gebracht haben. Ja, natürlich sind wir da auch einen Kompromiss in der Koalition eingegangen. Ja, wir stehen jetzt zu diesem Kompromiss und machen ein gutes Gesetz dafür.

(Wortmeldung Dr. Kai Dolgner [SPD])

- Lieber Herr Dolgner, Sie können mich das auch fragen, dann komme ich mit meiner Zeit besser hin. - Was würden wir machen, wenn wir 50 % hätten?

Das hat der Kollege Peters gerade beantwortet. - Ich wollte nachfragen, ob ich das richtig verstanden habe. Die Argumentation des Kollegen Peters, die in sich in ihrer Argumentationslogik vollkommen schlüssig war, ist doch völlig unabhängig von Koalitionsnöten oder Koalitions

verträgen. Ich gehe davon aus, dass, da Herr Peters Ihr innenpolitischer Sprecher ist, die grüne Fraktion aus den gestiegenen Zahlen schließt, es sei richtig und notwendig, eine Abschiebungshaftanstalt in Schleswig-Holstein zu errichten, und zwar völlig unabhängig davon, ob es eine Küstenkoalition oder eine Große Koalition gibt. Ich bin mir nicht so sicher, ob ich das gehört hätte, wenn die Grünen in der Opposition wären. Aber geschenkt.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Das ist kein Bashing. Der Kollege Peters hat argumentiert, dass es einen Bedarf und die Notwendigkeit einer Abschiebungshaft gibt, und zwar völlig unabhängig -

(Zurufe Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Darf ich auch mitspielen?

- Ich werde mir diesen Beitrag noch einmal genau durchlesen. - Noch einmal: Habe ich es richtig verstanden, Sie und Herr Kollege Peters sehen den Bedarf für eine Abschiebungshaft in Schleswig-Holstein aufgrund der gestiegenen Zahlen? Oder tun Sie das nur, weil Sie in Koalitionsnöten sind? Das ist eine ganz einfache Frage.

- Ich wollte die Frage beantworten, hatte aber gehofft, dass ich diese auf ein anderes Zeitkonto buchen kann. Ich habe mich gemeldet, diese Frage zu beantworten. Diese Frage ist vollkommen berechtigt. Genau das ist auch unser Problem. Wir haben einen Kompromiss geschlossen. Wir halten ihn ein. Wir sehen, dass es Argumente dafür und Argumente dagegen gibt. Diese Argumente haben wir in der Küstenkoalition schon genauso debattiert.

Wäre ich in der Küstenkoalition und hätte dort Partner, die das mit mir gemeinsam gegenüber einem Innenministerium durchsetzten, spräche ich mich nicht für eine Abschiebungshaftanstalt in Schleswig-Holstein aus, weil ich der Meinung bin, dass ein Angebot mehr Nachfrage schafft. Deswegen bleibe ich dabei, dass ich das nicht unterstützen würde.

Ich glaube aber, dass es völlig normal ist, dass man in Koalitionen Kompromisse eingeht. Sie haben vorhin gesagt, Sie persönlich würden sich nie verbiegen, wenn es um eine persönliche Sache geht. Damit sagen Sie aber - wenn die SPD eine flüchtlingsfreundliche Partei ist -, dass sich alle ihre Kol

(Eka von Kalben)

legen im Bundestag in den letzten fünf Jahren, in denen wir das schärfste Asylrecht bekommen haben, das wir je hatten, verbogen haben. Das ist erstaunlich. Ich würde mir nicht anmaßen, meinen Kollegen im Bundestag, wenn sie Kompromisse eingehen, zu sagen, dass sie sich verbiegen und ihre Werte verkaufen. Das haben Sie uns vorhin unterstellt.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])