Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wenn wir da einig sind, dass es bei Gewalt null Toleranz gibt, ist es auch ein bisschen leichter zu ertragen, dass man sich hier über unterschiedliche politische Inhalte auseinandersetzt. Dann kann man sagen: Das ist Meinungsfreiheit. Wenn es um Rechtsradikale und Gewalt in Deutschland geht, betone ich: Gewalt geht weitgehend von rechts aus. Ich sage den Menschen immer: Die Polizisten schützen nicht die Rechten, sondern sie schützen das Recht. Wenn andere Leute glauben, sie seien links, und wenden Gewalt an, dann sind sie alles Mögliche, aber nicht links, sondern Gewalttäter. Dann müssen sie verfolgt werden. Dafür brauchen wir keine Belehrung. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der G-20-Gipfel in Hamburg hat uns alle erschüttert. In Hamburg ist ein Maß an Gewalt aufgetreten, das weit über die bekannten Ausschreitungen und Gewalttaten bei autonomen 1.-Mai-Demonstrationen auch in Hamburg - hinausgegangen ist.

Dabei hat es Zehntausende an friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten gegeben, die für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung eingetreten sind, und das aus gutem Grund, denn Politiker wie Erdogan oder Trump, Putin oder der König von Saudi-Arabien stehen nicht annähernd für eine gerechte Verteilung von Reichtum und Ertrag innerhalb der Weltbevölkerung. Um diese Debatte hätte es gehen können. Wir als Europäerinnen und Europäer hätten im Vorfeld besser daran getan, noch intensiver über diese Aspekte zu reden. Einerseits zu viele Flüchtlinge zu beklagen und andererseits nichts oder viel zu wenig, vor allem in Afrika, zu tun, ist politisch nicht zu verantworten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Sehr verehrte Abgeordnete, diese Diskussion hätte es bei allen unterschiedlichen Auffassungen, die wir dazu haben, geben können. Sie hätte halbwegs fruchtbar sein können. Nun müssen wir über ein anderes Thema reden, und zwar dringend, nämlich über die Frage, wie wir künftig mit drohenden Gewaltexzessen polizeistrategisch und taktisch und in vielen anderen politischen Bereichen umgehen. Allen muss klar sein, dass diejenigen, die Gewalt als ein Mittel politischer Auseinandersetzung säen, eine fürchterliche Saat ernten.

Ich danke allen, die sich friedlich, kreativ und mutig an Protesten auf der Straße beteiligt haben. Auch denen gilt unsere Unterstützung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch den vielen Polizistinnen und Polizisten, die ihren Glauben an den Rechtsstaat verlören, wenn wir ihre Arbeit nicht voll und ganz unterstützen würden, gilt unser Dank. Ich danke denen, die vor Ort Leib und Leben eingesetzt haben. Ich bin froh, dass ich gestern beim Empfang des Ministerpräsidenten dabei sein und viele Gespräche mit den beteiligten Polizistinnen und Polizisten führen konnte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die wir auf eine lange Geschichte auch außerparlamentarischer Kämpfe zurückblicken, haben schon lange aus den früheren Erfahrungen von Gewalttäterinnen und Gewalttätern in den eigenen Reihen gelernt. Wir stellen die Grundrechte in den Mittelpunkt unserer Programmatik: Demonstrieren ist ein in der Verfassung verbrieftes Recht - solange es friedlich bleibt. Wer sich mit anderen zu Gewalttaten verabredet, Autos wahllos anzündet und auf Polizeikräfte einschlägt sowie Umstehende massiv einschüchtert, greift die Würde von Menschen an und damit uns alle.

Viele der Bewertungen, die vorgenommen worden sind, sind für mich erstaunlich, denn wir wissen derzeit nur ungefähr: Wer war an den Gewalttaten beteiligt? Wie viele davon waren angereist? Wer waren die strategischen Köpfe? Wie viele verletzte Polizistinnen und Polizisten gab es während des Gipfels?

(Zuruf)

- Das wissen wir eben noch nicht hundertprozentig. - Warum ist eine Lage eingetreten, die etwa genauso - so sagt es Sebastian Fiedler vom BKA - vorab bekannt gewesen ist? Warum wurden über 20.000

(Dr. Ralf Stegner)

Polizistinnen und Polizisten nicht so eingesetzt, dass geschätzte 1.500 autonome Gewalttäterinnen und Gewalttäter das Schanzenviertel in Schach gehalten haben? Welche Alternativen zur Polizeistrategie hätte es gegeben, und warum wurden diese abgelehnt? Waren Übergriffe einzelner Polizeikräfte gegen Zivilistinnen und Zivilisten auch der Einsatzstrategie geschuldet, die zu einer massiven Überforderung geführt hat, und wie werden sie aufgearbeitet?

Ich halte es zumindest für problematisch, wenn in Hamburg eine Soko zur Aufarbeitung aller Straftaten gegründet wird, aber Olaf Scholz als Chef der Landesregierung den Vorwurf von Übergriffen durch Polizei pauschal vom Tisch wischt.

Genauso erschrocken bin ich über die vom „Spiegel“ enthüllte angebliche Polizeistrategie, das Wohlergehen der Staatsgäste tatsächlich über das Wohlergehen der Hamburger Bevölkerung zu stellen.

Aber ich sage auch ganz deutlich: Wir können uns nicht so verhalten wie diejenigen, die auf dem Sofa sitzen, ein Fußballspiel schauen und hinterher alles besser wissen, nach dem Motto: Der Podolski muss weiter nach vorne! Die Abwehr stärken! - Wir müssen jetzt analysieren, ehe wir unser Urteil fällen. Wir müssen genau hingucken, was ist passiert, und dürfen nicht ad hoc sagen, der oder der hat schuld. Wir müssen Lehren ziehen und überlegen, wie es in Zukunft gehen kann.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Denn eines geht nicht, dass diejenigen, die die Gewalt auf die Straße tragen, damit darüber bestimmen, wo wann welche Veranstaltungen stattfinden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, vereinzelt CDU und AfD)

Man kann an Hamburg als Austragungsort viel kritisieren. Ich habe zuerst auch gesagt: Warum muss G 20 nun ausgerechnet direkt neben dem Schanzenviertel stattfinden? Das ist von außen betrachtet irgendwie schon ein bisschen „gaga“ gewesen. Als ich aber an dem Samstag vor Ort war und an einer Demonstration teilgenommen habe, habe ich gesagt: Nein, ich will nicht, dass mir Leute, die Gewalt ausüben, vorschreiben, ob das in Hamburg stattfindet oder nicht!

Es gibt andere Gründe, warum man das Ganze infrage stellen kann, warum man zum Beispiel Millionen Euro dafür ausgibt, um irgendwelche Hotels anzumieten oder umzubauen, damit dort getagt

werden kann. Da bin ich sehr bei Herrn Gabriel, der gesagt hat, vielleicht sollte man das Ganze nach New York verlegen, anstatt diesen Aufwand zu betreiben, wenn gleichzeitig in Afrika Menschen verhungern.

Das ist aber eine ganz andere Frage, die nichts damit zu tun hat, dass ich mich aus Sicherheitsgründen in Deutschland nicht einschränken möchte. Demnächst wird gesagt: „Wacken ist nicht zu sichern!“, und dann kann Hans-Jörn Arp schauen, wo er mit seinem Festival bleibt. - Das will ich nicht. In so einem Land dürfen wir nicht leben.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW - Hans-Jörn Arp [CDU]: Bravo! - Weitere Zurufe)

- Selbst Herr Arp darf feiern, wo er will.

Trotzdem muss ich sagen, dass Warnungen in den Wind geschlagen worden sind. Man muss sich tatsächlich überlegen, wie man zukünftig da rangehen kann.

Was nicht hilft, sind die Debatten, die wir hier parteipolitisch darüber führen, wer auf welchem Auge wie blind ist. Auch die Vergleiche, die teilweise gezogen werden, finde ich nicht so passend, wenn ich beispielsweise an die Rote Flora denke. Ich glaube, das hilft niemandem, weder denjenigen, die dort demonstriert und ein Zeichen gesetzt haben, noch der Polizei.

Ich komme auf meinen Besuch gestern in Eutin zurück. Er war wirklich aus vielerlei Hinsicht sehr, sehr erstaunlich. Denn die Polizistinnen und Polizisten haben zum einen noch einmal von ihrem Einsatz erzählt, wie viele Stunden sie tätig waren: 60 Stunden! Ich habe auch 80 Stunden gehört. 60 Stunden Einsatz mit wenig Schlaf dazwischen, und zum Teil funktionierte die Versorgung mit Lebensmitteln nicht. Das lag nicht daran, dass das schlecht organisiert war, sondern weil man einfach in die Gefahrengebiete nicht mehr hineinkam. Die Leute waren erschöpft.

Sie sagen trotzdem selber, sie wollen Aufklärung in alle Richtungen. Sie wollen, dass die Straftäter verfolgt und natürlich konsequent verfolgt werden. Zum Teil sehen sie dort auch Defizite. Sie wollen aber auch, dass aufgeklärt wird, wenn es in ihren eigenen Reihen Probleme gegeben hat. Das liegt jedenfalls in dem Interesse derjenigen, mit denen ich gesprochen habe. Sie haben gesagt: Auch das wollen wir, guckt ruhig hin und kritisiert das, wenn ihr etwas seht! Denn es schadet auch unserem guten Ruf, wenn das nicht gemacht wird.

(Eka von Kalben)

(Beifall Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gab auch einen ausdrücklichen Wunsch, den ich gern hier weitergeben möchte. Ich habe gestern gesagt, dass wir morgen im Landtag Anträge beschließen werden. Da gibt es ein paar unterschiedliche Ausrichtungen. Meistens geht es aus meiner Sicht um den Begriff des Linksextremismus. Der ausdrückliche Wunsch dieser Polizistinnen und Polizisten hier an uns im Haus war: Fasst bitte ein gemeinsames solidarisches Bekenntnis, beschließt einen gemeinsamen Antrag, um die Unterstützung der Polizei deutlich zu machen, und nutzt das nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen über die Frage, wer hat wo schuld!

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Sinne möchte ich an Sie noch einmal appellieren, dass wir uns gleich zusammensetzen und versuchen, einen gemeinsamen Antrag hinzubekommen. Ich weiß, dass das schwierig ist, und dass es da große Hürden gibt. Aber ich würde es mir sehr wünschen, wenn aus diesem Haus ein Bekenntnis - das kann dann ja vielleicht auch kürzer gefasst sein - käme, mit dem deutlich gemacht wird: Dieser Landtag steht hinter der Polizei, er ist mit ihr solidarisch und dankt ihr für ihren wirklich schwierigen Einsatz in den vergangenen Tagen in Hamburg. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Christopher Vogt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die schockierenden Bilder von den heftigen Krawallen und der unfassbaren Zerstörungswut in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs am Rande des G-20-Gipfels haben uns alle erschreckt und auch wütend gemacht. Das Ausmaß der Gewaltbereitschaft war wirklich erschreckend und nur schwer vorstellbar. Ich glaube, alle haben im Internet entsprechende Videos über den Freitagmorgen in Wohnvierteln gesehen. Das konnte man sich vorher nur schwer ausmalen.

In diesem Zusammenhang bin ich zunächst einmal sehr froh, dass alle demokratischen Parteien in diesem Hohen Haus heute in der Debatte das Signal

senden, dass sie sich von diesen Gewaltexzessen ganz deutlich distanzieren.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt AfD)

Es ist richtig, Brandschatzung - so muss man es ja nennen -, Vandalismus und tätliche Angriffe auf Einsatzkräfte oder auch Unbeteiligte können in einem demokratischen Rechtsstaat niemals eine triftige Begründung haben. Wer mit Metallkugeln versetzte Zwillen benutzt, wer Pflastersteine, Gehwegplatten oder noch gefährlichere Dinge auf Polizeibeamte schleudert, nimmt schwerste Verletzungen und sogar deren Tod in Kauf. Dieser brutalen Gewalt muss mit aller Härte des Rechtsstaates konsequent begegnet werden.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Werner Kalinka [CDU]: So ist es! - Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre nett, wenn Sie Ihre Verhandlungen außerhalb des Raumes führen könnten.

Wenn ich sage, der Rechtsstaat muss dem konsequent begegnen, sage ich auch ganz deutlich: Dann muss man das auch ganz schnell aufarbeiten, beispielsweise im Bereich der Justiz, gerade in Hamburg, damit schnell reagiert werden kann. Auch das ist ein Problem, bei dem wir gesehen haben, dass man da - wieder einmal - an Kapazitätsgrenzen gestoßen ist.

Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten haben in jenen Tagen wirklich Außerordentliches geleistet. Auch im Namen meiner Fraktion spreche ich den Polizistinnen und Polizisten meinen aufrichtigen Dank und Respekt aus.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, AfD und SSW)