Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, AfD und SSW)

Wir wünschen allen Einsatzkräften, die dort zu Schaden gekommen sind, schnellstmögliche und vollständige Genesung. Es steht vollkommen außer Frage, dass wir stets alles in unserer Macht Stehende tun müssen, damit unsere Polizistinnen und Polizisten nach ihren Einsätzen wieder heil zu ihren Familien nach Hause kommen können. Deshalb muss das Land den Einsatzkräften die bestmögliche und modernste Ausstattung und Ausrüstung bereitstel

(Eka von Kalben)

len, damit das Verletzungsrisiko im Einsatz soweit wie möglich reduziert werden kann.

Hier wurden in den vergangenen Tagen unter anderem von der GdP-Regionalgruppe Kiel-Plön die Bedarfe sehr deutlich aufgezeigt. Wir unterstützen Innenminister Grote ausdrücklich dabei, hier schnellstmöglich entsprechend nachzusteuern. Ich hoffe sehr, dass die Beamtinnen und Beamten, die beim G-20-Gipfel wieder einmal für unser Gemeinwesen den Kopf hingehalten haben, unsere Anerkennung und auch den großen Rückhalt in unserer Gesellschaft spüren und sich nicht durch diese Krawalle entmutigen lassen, unseren Rechtsstaat weiterhin zu verteidigen.

Deshalb war es zunächst einmal eine wichtige Geste, dass es für sie Sonderurlaub gibt. Auch die gestrige Veranstaltung, Herr Innenminister, in Eutin war eine wichtige Geste. Das sind zwar nur kleine Gesten, aber das sind sehr wichtige Gesten. Auch wir als Landtag sollten ein entsprechendes Signal senden. Dazu komme ich gleich noch.

Man kann in der Tat nur hoffen, Herr Dr. Stegner, dass die stattgefundenen Gespräche der Staats- und Regierungschefs auf dem G-20-Gipfel unsere aus den Fugen geratene Welt zumindest ein kleines bisschen besser machen werden. In der Tat ist durch die Krawalle in der öffentlichen Debatte extrem in den Hintergrund getreten, dass es politisch in Hamburg um sehr viel ging, gerade für die Menschen in den Entwicklungsländern. Ich verweise auf die Hungerkatastrophe, die derzeit wieder einmal in Afrika stattfindet, für die es noch keine Lösung gibt, auf die Kriege im Nahen Osten und auf die Konflikte im Osten unseres Kontinents. Auch wenn die Ergebnisse in der Tat recht dürftig sind, ist es mir deutlich lieber, wenn sich die zum Teil sehr fragwürdigen Repräsentanten der 20 wichtigsten Staaten besser kennenlernen, wenn sie miteinander sprechen und sich austauschen, als wenn dies nicht geschieht. Denn wir wissen aus der Vergangenheit, dass dies gefährlich ist.

Meine Damen und Herren, die Frage, ob die Bundesregierung und der Hamburger Senat beim Tagungsort wirklich die richtige Wahl getroffen haben, wird mit Sicherheit noch viele Diskussionen nach sich ziehen.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]

Frau von Kalben, ich gebe Ihnen absolut recht: Grundsätzlich sollten wir Demokraten vor Gewalt und Terror nicht zurückweichen, aber man muss bei solchen Veranstaltungen auch immer die Sicherheit

der Bevölkerung gewährleisten können. Das war in Hamburg leider nicht immer der Fall, trotz der über 20.000 eingesetzten Polizisten. Man muss sich das einmal vor Augen führen: Es waren über 20.000 Polizisten, trotzdem kam es zu heftigen Gewaltexzessen.

Die Gewaltbereitschaft und die Guerillataktik der Gegner unserer Demokratie, unseres Rechtsstaates und unserer sozialen Marktwirtschaft wurden von den Veranstaltern offenbar trotz der erheblichen Sicherheitsmaßnahmen unterschätzt. Wenn Spezialeinheiten benötigt werden, um Wohngebiete wieder unter Kontrolle zu bekommen, ist das kaum zu verantworten.

Natürlich gab es auch sehr viele friedliche Demonstrationen von verschiedenen Seiten. Ich kann ehrlicherweise auch sehr gut nachvollziehen, dass viele Menschen an dem Wochenende zeigen wollten, dass sie die Politik des einen oder anderen anwesenden Staats- und Regierungschefs ablehnen. Dass man auch das deutlich macht, halte ich für durchaus berechtigt. Das muss allerdings auch wirklich geschehen. Es wurden am vorvergangenen Wochenende aber leider an sehr vielen Stellen sehr viele Grenzen überschritten. Das darf man auch nicht ignorieren.

Ich sage es sehr deutlich: Ich finde das Relativieren der Krawalle und die Realitätsverweigerung von zahlreichen linken Aktivisten, Publizisten und auch Politikern wirklich unerträglich.

(Beifall FDP, CDU und AfD)

Ich möchte insbesondere die Herren Beuth und Blechschmidt aus Hamburg nennen, ich möchte Jakob Augstein nennen, und ich möchte Katja Kipping nennen. Es ist schlichtweg unsinnig, unhistorisch und auch gefährlich, wenn zum Beispiel behauptet wird, dass Gewalt per se nicht linksmotiviert sein könne, dass der Linksextremismus an sich kein ernsthaftes Problem sei oder dass die Gewalttäter ja nur auf angebliche Provokationen der Sicherheitskräfte reagiert hätten. Auch das ist die immer wieder erzählte Story, die unsinnig ist.

Auch im demokratischen Spektrum habe ich mich über einige Diskussionsbeiträge sehr gewundert, Herr Dr. Stegner: Gerade mit Blick - darauf haben Sie auch mit Recht verwiesen - auf das konsequente Vorgehen der SPD gegen Linksextremisten in den letzten Jahrzehnten in unserem Land hat es mich doch sehr irritiert, wie schwer sich Teile der SPD zuletzt damit getan haben, die Worte „links“ und „extremistisch“ im Zusammenhang zu nennen. Man kann es doch eigentlich keinem vernunftbegabten

(Christopher Vogt)

Menschen erklären, Herr Dr. Stegner, warum Sie wiederholt öffentlich erklärt haben, dass jemand, der Gewalt ausübt, nicht links sein kann. Ich glaube, Sie ziehen die Grenze in der Diskussion an der falschen Stelle. Wenn dies so wäre, müsste man sich mit dem Linksextremismus in der Tat gar nicht mehr ernsthaft beschäftigen, und weite Teile der jüngeren Geschichte müssten neu geschrieben werden. Insofern hat das wenig mit der Realität zu tun.

Bevor Sie, Herr Dr. Stegner, sich zu Wort melden, möchte ich Ihnen einen Punkt auch noch mit auf den Weg geben: Ihr eigenes Innenministerium unter damaliger Leitung von Stefan Studt hatte hierzu übrigens eine dezidiert andere Auffassung. In dem Verfassungsschutzbericht 2016, Drucksache 19/9, der noch unter der SPD-Leitung erstellt wurde, lesen wir unter der Überschrift „G-20-Gipfeltreffen am 7./8. Juli 2017 in Hamburg“ Folgendes - ich zitiere -:

„Neben dem Aktionsschwerpunkt ‚Antifaschismus‘ werden im Zusammenhang mit dem G-20-Gipfeltreffen am 7./8. Juli 2017 in Hamburg auch die Themenfelder ‚Anti-Kapitalismus/Anti-Globalisierung‘ und ‚Anti-Repression‘ in den Fokus des linksextremistischen Szene in Schleswig-Holstein rücken.“

- Ich zitiere weiter -:

„Das G-20-Gipfeltreffen wird als Großereignis der bedeutendste Anlass 2017 für bundesweite linksextremistische Protestaktionen sein … Bundes- und europaweit wird in linksextremistischen Kreisen mobilisiert, was auch eine zahlreiche Beteiligung gewaltorientierter Linksextremisten erwarten lässt. Bereits jetzt ist absehbar, dass zentrale Großveranstaltungen durch dezentrale, auch gewalttätige Aktionen von angereisten Autonomen und der großen linksextremistischen Szene Hamburgs begleitet werden sollen. Dabei haben die Linksextremisten ein derartiges Protest- und Gewaltpotenzial, dass massive Ausschreitungen und Gewalttaten wie beim G-8-Gipfel in Genua 2001 oder zur EZB-Eröffnung in Frankfurt am Main 2015 nicht ausgeschlossen werden können.“

Das, Herr Dr. Stegner, ist, glaube ich, sehr eindeutig. Ich muss auch sagen, dass ich da auch viele Politiker nicht verstehe, die sagen, man habe das gar nicht vorhersehen können. In der Tat wurde sehr massiv auch öffentlich darauf hingewiesen.

(Beifall FDP, CDU und AfD)

Herr Abgeordneter Vogt, gestatten Sie nun eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Lieber Herr Kollege Vogt, ich glaube, dass Differenzierung durchaus hilfreich und notwendig ist. Ich habe nicht behauptet, dass Menschen, die sich teilweise auf linke Ideale berufen, keine Gewalt verüben. Meine Behauptung ist nur die, dass derjenige, der Gewalt ausübt, nicht links sein kann. So wie Sie sich nicht von anderen definieren lassen wollen, was liberal ist, lassen wir nicht zu, dass Konservative oder wer auch immer definieren, was links und progressiv ist. Wir treten für Freiheit, für Gerechtigkeit, für Solidarität und gegen Gewalt ein. Wer Gewalt verübt, kann das jedenfalls nicht unter Berufung auf solche Ziele tun. Das ist das, was ich zurückgewiesen habe, nicht mehr und nicht weniger.

- Herr Dr. Stegner, ich muss Ihnen aber eines mit auf den Weg geben: Ich verstehe nicht, dass Sie immer sagen, sie berufen sich auf linke Motive. Das tun wir analog ja auch. Ich würde der SPD nie irgendwie zuschreiben, dass es insoweit irgendeine Verbindung gibt. Die SPD hat sich, wie gesagt, immer sehr stark gegen die Linksextremisten in Deutschland ausgesprochen und hat sie in der Vergangenheit auch aktiv bekämpft.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ja!)

Ja, das ist tatsächlich so. Ich glaube nur, das Problem ist dieses: Sie holen sich eine Diskussion ran, die gar nicht zu Ihnen passt. Sagen Sie doch einfach, es gibt linken Extremismus, rechten Extremismus, islamistischen Extremismus, und all das hat mit demokratischen Parteien nichts zu tun. Dann sind Sie doch raus aus der Diskussion. Ich verstehe nicht, warum Sie das nicht über die Lippen bringen. Holen Sie sich diese Leute doch gar nicht erst ran.

(Beifall FDP, CDU und AfD)

Indem Sie versuchen, uns zu sagen, das seien ja gar keine Linken, und deswegen gehörten sie nicht zu Ihnen, holen Sie sich eine Diskussion ran, die Ihnen gar nicht steht, Herr Dr. Stegner. Ich kann es, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen, dass sich ein so intelligenter Mensch wie Sie in den letzten Tagen in eine Abwehrschlacht begeben hat, die eigentlich unsinnig ist.

(Christopher Vogt)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie sich meinen Kopf zerbrechen. Aber ich will Ihnen gern sagen, was für mich der entscheidende Punkt ist.

- Ich habe noch Kapazitäten frei.

(Heiterkeit CDU und AfD)

Sie lernen jedenfalls von Ihrem Fraktionsvorsitzenden, was die Arroganz angeht. Aber ich will Ihnen trotzdem gern Folgendes sagen: Der entscheidende Punkt, den ich auch heute in meiner Rede unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, ist der, dass ich Gewalt unter keinen Umständen für tolerabel halte. Das ist für mich die Grenzziehung, nicht, worauf sich Gewalttäter berufen.

Sich Etiketten anheften zu lassen - ich habe ja hier geschildert, wie das geschieht; die Frau Kollegin auf der Regierungsbank hat sich ja eingelassen in der Weise, wie ich das dargestellt habe -, zeigt ja, dass politisch beabsichtigt ist, der SPD etwas anzukleben. Ich muss ehrlich sagen: Für dumm sollten Sie uns jedenfalls nicht halten. Deswegen machen wir die Grenzziehung genau da, wo wir sie haben wollen, nämlich dass wir mit Gewalt nichts zu tun haben und dass diese konsequent bekämpft wird. Man sollte aber nicht unsere Ideen missbrauchen, nur weil sich andere Leute Etiketten geben.

(Beifall SPD)

- Herr Dr. Stegner, ich finde, man sollte sich als Demokrat, gerade auch als Sozialdemokrat, von dieser Form des Extremismus - wie von jeder anderen Form übrigens auch - ganz einfach klar distanzieren und ihr auch entschieden entgegentreten. Sie sollten imstande sein, ein Problem zu benennen und Linksextremismus wie auch alle Formen des Extremismus anzuerkennen und zu sagen, dass es überall Gewaltbereite gibt. Das ist ja eben ein Ausdruck des Extremismus. Da müssen Sie doch einfach sagen, das ist das Problem des Linksextremismus; auch da gibt es eben Gewaltbereite, mit denen Sie nichts zu tun haben wollen. Wie gesagt, ich verste

he nicht, dass Sie sich in dieser Diskussion ein wenig ungeschickt verhalten.

Ich habe Ihren Antrag sehr genau gelesen, und da haben Sie nur von linksextremistischen und rechtsextremistischen Begründungen gesprochen. Vielleicht kommen wir ja noch dazu, uns gemeinsam auf eine einmütig getragene Regelung zu verständigen.

Klar ist doch: Man kann nach den Ausschreitungen beim G-20-Gipfel nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Politik ist es den Bürgerinnen und Bürgern Hamburgs und insbesondere den betroffenen Anwohnern, deren Autos, Geschäfte oder Wohnviertel zu Schaden gekommen sind, sowie den Polizistinnen und Polizisten schuldig, alles dafür zu tun, um in der Zukunft besser vorbereitet zu sein.

Deshalb ist eine weitere parlamentarische Aufarbeitung notwendig und aus unserer Sicht unerlässlich. Frau von Kalben hat recht: Der gesamte G-20-Gipfel muss kritisch aufgearbeitet werden. Unangenehme Fragen werden sich dabei nicht nur der Hamburger Senat und die Bundesregierung gefallen lassen müssen, sondern vor allem die Mitverursacher der Krawalle. Dazu gehören eben auch bekannte Vertreter der Roten Flora, die Gleichgesinnte aus ganz Europa nach Hamburg eingeladen haben, und da aus meiner Sicht insbesondere die Herren Beuth und Blechschmidt, die sich durch die Organisation von höchst problematischen Veranstaltungen wie der „Welcome-to-Hell“-Demo und durch schier unglaubliche Äußerungen in den Medien hervorgetan haben.

Herr Dr. Stegner, ich möchte am Schluss etwas Versöhnliches sagen, weil ich glaube, dass man sich über alle diese Punkte lange unterhalten kann. Ich glaube, Frau von Kalben hat recht: Wir müssen uns überlegen, welche Signale wir als demokratische Parteien in diesem Hohen Hause aussenden. Aus meiner Sicht sollten wir gemeinsam das Signal senden, dass auch diese Form des Extremismus in unserer Gesellschaft keinen Platz hat und dass wir bereit sind, unsere demokratischen Werte und unseren Rechtsstaat konsequent zu verteidigen.

Wir haben in unserem neuen Antrag aus der Mitte der Koalition einige Punkte aus Ihrem Antrag übernommen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns darauf gemeinsam verständigen könnten, damit wir dieses Signal an die Polizistinnen und Polizisten senden, an die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, aber auch an die Gesellschaft insgesamt

und dass wir gemeinsam und konsequent dagegen vorgehen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, AfD und Eka von Kal- ben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])