Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte begrüßen Sie mit mir gemeinsam die auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags sitzenden Mitglieder des SPD-Ortsvereins Norderbrarup. Herzlich willkommen!
Vielen Dank auch an Sie, Herr Minister, für die großzügige Redezeitverlängerung. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der 23. Juni 2016 war ein trauriger Tag für ganz Europa. An dem Tag stimmten 52 % der Britinnen und Briten für die Austrittsverhandlungen aus der EU. Seitdem herrscht Chaos in Großbritannien. Man kann, glaube ich, eines feststellen: Das, was damals angerichtet wurde, sollte für uns alle ein Warnschuss dafür sein, was Nationalismus und Rechtspopulismus an Negativem anrichten können.
Großbritannien war damals tief gespalten und ist es auch jetzt noch. Aber die Stimmung kippt. Inzwischen sagen 59 % der Britinnen und Briten in Umfragen, dass sie in der Europäischen Union bleiben wollen. Gerade viele junge Britinnen und Briten stehen zur Europäischen Union. Ich schließe mich den Kolleginnen und Kollegen an, die gesagt haben, dass wir uns gar nicht so sicher sein können, ob es wirklich zum Brexit kommt. Wir Grünen wünschen uns, dass sich die Remain-Seite durchsetzt und Großbritannien in der Europäischen Union bleiben wird.
Großbritannien steht vor Neuwahlen. Eine Mehrheit für einen harten Brexit gibt es in der Bevölkerung und auch im Parlament nicht. Die Labour-Partei hat gestern ihre Position in dieser Frage korrigiert und hat sich sogar im weitesten Sinne dafür ausgesprochen, dass eine zweite Volksabstimmung oder ein zweites Referendum möglich ist. Das sind gute Entwicklungen.
Gerade die Regionen, die am stärksten für den Brexit votiert haben - das Ganze macht es ein bisschen paradox -, werden ihn wahrscheinlich am meisten spüren, weil es vor allem die Regionen sein werden, die unter dem Wegfall von Fördermitteln aus der Europäischen Union massiv leiden werden. Deshalb, denke ich, lohnt sich in Großbritannien eine neue Debatte.
Für uns Grüne ist völlig klar: Die Tür für Großbritannien muss offen bleiben. Gerade die vielen jungen und proeuropäischen Menschen dürfen von uns nicht fallengelassen werden, ganz unabhängig davon, ob es zum Brexit kommt oder nicht.
Städtepartnerschaften, die unsere Gemeinden zum Teil nach Großbritannien haben, haben dort auch eine wichtige Bedeutung. Hier wünschen wir uns auch, dass unsere Städte und Gemeinden diese Kontakte, die sie bereits nach Großbritannien haben, auch intensivieren.
Der Brexit ist kein rein wirtschaftspolitisches Thema, sondern betrifft alle Teilbereiche unserer Gesellschaft, aber natürlich hat das Ganze auch große monetäre Konsequenzen, auch für uns. Eine ganz konkrete Konsequenz auch für Schleswig-Holstein hat immer wieder einmal eine Rolle gespielt und hat mit dem Finanzrahmen der Europäischen Union zu tun. Denn durch den Brexit wird im Haushalt der Europäischen Union eine Einnahmelücke zwischen 12 und 13 Milliarden € gerissen. Das führt dazu, dass es wahrscheinlich weniger Fördermittel der Europäischen Union gibt, und das sind Fördermittel, die im Endeffekt auch uns als Land SchleswigHolstein und unserer Region ganz konkret, beispielsweise bei dem Tourismus, bei der Wirtschaftsförderung oder bei dem Breitbandausbau am Schluss fehlen werden.
Wir haben uns auch den SPD-Antrag angesehen und waren, ehrlich gesagt, ähnlich ratlos wie unser Wirtschaftsminister; denn es ist aus heutiger Sicht völlig unklar, wie sich ein möglicher Brexit auswirkt. Dafür sind noch viel zu viele Variablen im Spiel, und man weiß noch viel zu wenig, um konkrete Schritte beurteilen oder vornehmen zu können.
Sie haben natürlich recht, dass man sich damit früh genug auseinandersetzen muss, keine Frage. Das ist immer richtig und immer gut, aber was das Ganze konkret soll, ist mir nach Ihrem Redebeitrag, Herr Kollege Hölck, nicht deutlich geworden. Ich habe jetzt wohl verstanden, dass Sie sich mehr Arbeitsgruppen wünschen. Dazu sage ich aber eins: Die Lage bei uns als kleinerem Bundesland, das wir als Schleswig-Holstein nun einmal sind, ist nun wahrlich nicht mit dem Regierungsapparat und den Konsequenzen, auf die sich Berlin vorbereiten muss, zu vergleichen. Diese Kritik läuft aus meiner Sicht ins Leere. Dass die Landesregierung NRW Friedrich Merz als Brexit-Beauftragten hat, mag für Nordrhein-Westfalen ein tolles Ereignis sein. Ob es uns jetzt helfen würde, einen Brexit-Beauftragten der Landesregierung zu nominieren, weiß ich nicht.
Großbritannien für uns eine Bedeutung hat. Unsere Unternehmen haben Waren im Wert von 1,25 Milliarden € im Jahr 2017 nach Großbritannien exportiert, und im Import liegen wir bei etwas über 1 Milliarde €, das ist mehr als nichts. Großbritannien ist unser fünftwichtigster Handelspartner, aber der Minister hat es auch gesagt: Das ifo Institut prognostiziert einen Rückgang von 0,8 % für das produzierende Gewerbe. Das hält sich dann noch in überschaubaren Grenzen.
Auch wenn man in Vorbereitung dieser Debatte mit der Industrie- und Handelskammer spricht, hört man von denen nicht etwa einen Empörungsschrei oder eine Kritik gegenüber der Jamaika-Koalition oder eine Kritik gegenüber Bernd Buchholz, dass zu wenig passieren würde, sondern sie warnen davor, Panik zu verbreiten. Das ist das, was wir gehört haben. Sie warnen davor, Panik zu machen, und sagen: Natürlich brauchen wir branchenspezifische Antworten, wenn es denn so weit sein sollte.
Bernd Buchholz hat die Branchen genannt, ich möchte es gar nicht alles wiederholen. Wir müssen uns die Abkommen in den verschiedenen Bereichen ansehen, für den Chemiebereich gibt es noch einige andere Abkommen, wie zum Beispiel das REACHAbkommen, was eine Bedeutung hat. Man muss dann auch prüfen, welche Standards denn gelten. Aber vor Panikmache wird gewarnt. Deshalb möchte ich auch Sie als SPD-Fraktion bitten, nicht in diesen Chor einzustimmen.
Da, wo Unternehmen Hilfe und Unterstützung aus Schleswig-Holstein heraus brauchen, sollen sie die bekommen, sowohl vonseiten der Landesregierung - da bin ich mir sicher, dass das passiert - als auch von den zuständigen Kammern. Das gilt für die Industrie- und Handelskammer, das gilt für Landwirtschaftsverbände und für andere. Es macht sicherlich auch Sinn, Herr Kollege Hölck, sich mit diesen Fragen auch im Wirtschaftsausschuss zu beschäftigen. Dagegen spricht nichts. Wir sollten das tun, nachdem wir wissen, über welches Ergebnis wir eigentlich reden. Das kann noch ein paar Wochen dauern. Vielleicht sind wir nach der Herbstpause in diesen Fragen schon weiter. Wir Grüne hoffen noch auf eine Mehrheit für die Europäische Union in Großbritannien. Wir sind optimistisch, dass es diese Mehrheit auch weiter geben kann. Ich denke, dass wir uns unter den demokratischen Fraktionen hier in diesem Haus in dem Punkt auch einig sind. Trotzdem schadet es sicherlich nicht, Herr Buchholz, wenn Sie schon einmal die Fühler in London aus
strecken und dort kräftig für Schleswig-Holstein die Werbetrommel rühren. Noch besser wäre es, wenn wir zu dem Zeitpunkt schon näher am Remain sind, als es jetzt der Fall ist. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Rufnummer ist - - Nein, das lassen wir jetzt lieber sein. Ganz herzlichen Dank an unseren Wirtschaftsminister, Bernd Buchholz, für den ausführlichen Bericht zu den Brexit-Folgen für unser Bundesland.
Herr Hölck, als ich Ihren Antrag ursprünglich gelesen habe, habe ich gedacht: Ja, er erwartet genau den Bericht, den wir heute gehört haben mit einer schönen Aufstellung der einzelnen Wirtschaftsbranchen in den einzelnen Gebieten, und sagt dazu: Das ist der Bericht, den ich hören wollte, ich bin informiert.
Ich muss gestehen, dass ich seit gestern, als ich die Zeitung mit Ihren Äußerungen, mit Ihrer Empörung, gelesen habe, dass sich Schleswig-Holstein noch nicht auf multiple Szenarien vorbereitet hat und genau weiß, wann es etwas tut, völlig verwirrt bin. Denn in der Tat, die Vorredner haben es bereits gesagt: Was tatsächlich in London passiert, ist ein Blick in eine riesengroße Glaskugel - mehr nicht. Wenn Sie natürlich in Ihrer sozialdemokratischen Glaskugel mehr sehen als der Rest der Welt in der jeweiligen britischen Brexit-Glaskugel, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns das mitteilen. Dann können wir uns in der Tat auf ein Szenario vorbereiten. Aber offensichtlich haben wir keinen ganz so scharfen Blick oder Sie lassen uns nicht daran teilhaben. Wenn Sie entsprechende Informationen haben, teilen Sie sie uns bitte mit.
Ich habe aber den Eindruck, dass wir bei einem Land, in dem Menschen wie Boris Johnson - zumindest gelegentlich -, wie Nigel Farage - gelegentlich - noch das Sagen haben - Nigel Farage tourt ja derzeit mit seinem Bus durch England -, sowieso nicht wissen, was morgen passiert.
Wenn irgendjemand von Ihnen gerade nebenbei Twitter und die Nachrichten verfolgt und feststellt, dass während meiner Rede etwas passiert, möge er mir das bitte mitteilen, da ich mich auf den Diskussionsstand in England von vor 5 Minuten beziehe. Falls also etwas seitdem passiert ist, lassen Sie es mich bitte wissen, dass ich es hier in meine Rede einbauen kann. Ich habe im Moment keine Ahnung, was tatsächlich passieren wird.
Vielen Dank, Herr Kollege. Herr Kollege Holowaty, geben Sie mir recht, dass das Land Schleswig-Holstein nicht nur eine Ostsee-Strategie, sondern auch eine Nordsee-Strategie hat? Wäre es nicht zumindest schlau, sich im Rahmen dieser Nordsee-Strategie zumindest mit seinen Partnern rund um die Nordsee darüber abzustimmen, was denn passiert, wenn Großbritannien nicht mehr als EU-Mitglied Teil der Nordsee ist?
- Herr Baasch, Sie nehmen ein paar interessante Dinge vorweg. Manchmal ist es hilfreich, mir noch ein bisschen weiter zuzuhören. Eins ist wichtig: Wir beschäftigen uns sehr wohl, und das hat Minister Buchholz deutlich gezeigt, damit, welche Konsequenzen in gewissen Fällen bestehen könnten, nur wissen wir nicht, welche es sind. Wir können nicht heute bereits die Maßnahmen ergreifen, die für ein nicht bekanntes Szenario morgen notwendig werden. Das werden wir nicht hinkriegen.
die Sie ja auch nicht haben - zumindest keine funktionierende - zu bemühen. Ich will von Ihnen nur hören, ob Sie es vielleicht für sinnvoll erachten, sich mit den Partnern, mit denen man ansonsten intensiv zusammenarbeitet, darüber auszutauschen, welche Szenarien denkbar sind und wie man gegebenenfalls als Partner gemeinsam reagieren könnte.
- Herr Baasch, warum denn nicht? - Sogar Ihre Vorredner haben dargestellt, dass es in Berlin auf Bundesebene Arbeitsgruppen gibt, die sich genau damit beschäftigen. Es gibt auf der EU-Ebene Arbeitsgruppen, die sich genau mit diesem Szenario des Brexit beschäftigen, was passieren wird, was passieren könnte. Das ist doch ganz selbstverständlich. Ich weiß nicht, worauf Sie gerade hinauswollen.
Meine Damen und Herren, seien wir ehrlich: Was genau beim Austritt oder Nichtaustritt der Briten passieren wird, ob es ein Leave, ein Remain gibt, ob es eine neue Abstimmung gibt - ich glaube, darauf hoffen wir alle -, wissen wir heute noch nicht. Wir sehen, dass sich Unternehmen heute mit diversen Szenarien beschäftigen. Dass ein Unternehmen nicht weiß, wie die Rahmenbedingungen sind, ist doch die Kritik, die seit Monaten in diesem ganzen Prozess läuft, dass keine wirklichen Entscheidungen getroffen werden, dass das nicht weitergeht, dass England keine Vorschläge macht, dass England nicht in die Pötte kommt, dass man das Thema einfach verschiebt und abwartet, was passieren wird.
Wir spüren die Brexit-Auswirkungen schon heute. Schon heute sehen wir, dass europäische Arbeitnehmer, die in Großbritannien arbeiten, in großen Mengen wieder aufs Festland zurückkommen und sagen: Mir ist die Lage in Großbritannien langsam unheimlich. Bekannte, die ich in England habe, berichten, dass es zunehmend ein unsicheres, feindseliges Klima gegen Nichtbriten, gegen Europäer gibt, die in England leben und arbeiten. Freundschaften brechen oder liegen auf Eis.
Der Brexit wird - das ist schon dargestellt worden große Auswirkungen auf Europa haben: round about 12 bis 14 Milliarden € jährliche EU-Beiträge,