Protokoll der Sitzung vom 28.09.2018

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Ines Strehlau.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Oktober 2016, also in der letzten Wahlperiode, hat der Landtag beschlossen, ein Schleswig-Holsteinisches Institut für Berufliche Bildung, kurz SHIBB, das spricht sich auch leichter, auf den Weg zu bringen. Das hat er sogar einstimmig getan, und das hat uns sehr gefreut.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Es bestand große Einigkeit, dass durch ein SHIBB die berufliche Bildung gestärkt wird. Viele Besuche beim HIBB, dem Hamburger Institut für Berufliche Bildung, das schon seit mehr als zehn Jahren existiert, haben uns überzeugt, dass dies ein erfolgreiches Modell ist.

(Beifall Martin Habersaat [SPD])

(Peer Knöfler)

Es wurde kürzlich auch positiv evaluiert. Die Vorteile eines solches Instituts auch für Schleswig-Holstein lagen für uns Politikerinnen und Politiker und für die große Mehrheit der Akteure in der beruflichen Bildung auf der Hand. Das SHIBB bündelt die fachliche Kompetenz verschiedener Ministerien. Es bindet Wirtschaft, Gewerkschaft, Schulen und Schulträger ein. Damit werden die Jugendlichen optimal auf dem Weg von der Schule in den Beruf begleitet. Die berufliche Bildung wird gestärkt, und gleichzeitig wird so dem Fachkräftemangel begegnet.

Ich will ein paar konkrete Beispiele nennen: In einem SHIBB können die Ausbildungsordnungen und die Anpassung der Ausbildungsgänge der beruflichen Schulen mit ihren vielen beruflichen und auch allgemeinbildenden Abschlüssen leichter aufeinander abgestimmt werden. Ausbildungsgänge und Ausbildungskapazitäten können im SHIBB besser erfasst und koordiniert werden, um ein gutes Angebot an Ausbildungsgängen zu erhalten. Das gilt sowohl für die duale Ausbildung als auch für die vollzeitschulischen Ausbildungsgänge an den beruflichen Schulen.

Eine andere Baustelle ist der Übergang von der Schule in den Beruf. Etwa ein Drittel der Schulabgängerinnen und Schulabgänger beginnen ihre berufliche Laufbahn nicht direkt mit einer Ausbildung, sondern einem berufsvorbereitenden Jahr. Diesen Satz sage ich, seit ich 2009 in den Landtag gekommen bin. Insoweit haben wir noch nicht wirklich etwas erreicht; da müssen wir unbedingt besser werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Mar- lies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir schaffen das! - Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ein Baustein ist die Verbesserung der Berufsorientierung an den allgemeinbildenden Schulen. Die Zusammenarbeit und der fachliche Austausch zwischen Lehrkräften an beruflichen und an allgemeinbildenden Schulen sollten intensiviert werden. Die Fachleute aus den Berufsschulen könnten an den allgemeinbildenden Schulen aus erster Hand über die verschiedenen Berufe informieren. Um das gut aufzustellen, gehört die Einbindung des Landesseminars Berufliche Bildung dazu. Es ist für die zweite Phase der Lehrkräftebildung sowie für die Fortund Weiterbildung zuständig. Es kann in einem SHIBB die Entwicklungen im Bereich der beruflichen Bildung effektiver begleiten und unterstützen. Auch die allgemeine und die berufliche Weiterbil

dung könnten durch die Integration in das SHIBB gestärkt werden.

Mit dem SHIBB ist es ähnlich wie mit den Jugendberufsagenturen: Die Jugendlichen und die Qualität der beruflichen Bildung stehen im Zentrum. Alle Akteure arbeiten gemeinsam daran, das Schul- und Ausbildungssystem so aufzustellen, dass den Jugendlichen ein optimaler Start in das Berufsleben ermöglicht wird.

Wir wollen damit natürlich gleichzeitig das duale System verbessern und bedarfsgerecht ausbauen.

Pünktlich zur heutigen Debatte gibt es entsprechende Pressemitteilungen von Verbänden. Die einen wollen das SHIBB beim Bildungsministerium, die anderen beim Wirtschaftsministerium ansiedeln. Diese Positionierungen zeigen den unterschiedlichen Blick von Schulen und Wirtschaft auf die berufliche Bildung. Die einen sagen zum Beispiel, es gebe zu viele vollzeitschulische Ausbildungsgänge an den beruflichen Schulen; damit würden wichtige Arbeitskräfte der dualen Ausbildung vorenthalten. Die anderen sagen, die Wirtschaft stelle nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung, und vielfach seien die Ausbildungsbedingungen schlecht. Dieses Schwarze-Peter-Spiel zwischen Wirtschaft und Schulen - auch den Lehrergewerkschaften bringt uns aber nicht weiter.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag vereinbart, das SHIBB einzurichten. Teil des SHIBB ist ein Kuratorium oder ein Beirat. Dort sitzen neben der Landesregierung auch Sozialpartner, berufliche Schulen und Schulträger. Wir wollen sie mit ins Boot holen, um sie in eine Verantwortungsgemeinschaft einzubinden. Die Akteurinnen und Akteure müssen an einem Strang ziehen, um die berufliche Bildung optimal aufzustellen. Nicht ein Gegeneinander, sondern ein Miteinander ist angesagt.

Das SHIBB auf den Weg zu bringen, ist ein komplexer Prozess. Die verschiedenen Ministerien arbeiten intensiv daran, die bestmögliche Lösung zu entwickeln, die rechtlich machbar, funktionsfähig und wirtschaftlich ist. Ich bin davon überzeugt, dass das gut gelingen wird. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

(Ines Strehlau)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das SHIBB kommt. Es wird mit einer funktionierenden und rechtssicheren Organisationsform kommen. Ich habe überhaupt keine Zweifel daran, dass wir das im Reformprozess hinbekommen werden und dass das Ministerium diese Erwartung von uns erfüllen wird. GEW und SPD können also beruhigt sein.

Aus teilweise sehr eigenen, wenig uneigennützigen Interessen versuchen Sie jedoch, Verunsicherung zu stiften.

(Zurufe SPD: Ach!)

Sie verrennen sich teilweise in Phantomproblemen.

(Beifall FDP und CDU)

Sie erkennen gar nicht, dass Sie am Interesse der Öffentlichkeit vorbeireden.

Frau Strelau hat es richtig formuliert. Der VLBS, der immerhin die Berufsschullehrer vertritt, brachte es in einer Pressemitteilung auf den Punkt: Lehrer und Auszubildende interessieren sich vor allem für ein funktionierendes System der beruflichen Bildung. Ressortzuständigkeiten sind ihnen relativ egal, ihnen geht es vielmehr um Inhalte. Das sollte auch die Grundlage unseres Handelns hier sein.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und AfD)

Ich habe es schon gesagt: Alles geht seinen Weg. Auf diesem Weg liegen keine unüberwindlichen Hürden. Das hat im Grunde auch das Gutachten der GEW aufgenommen und sogar bestätigt.

Das SHIBB bedeutet eine deutliche Stärkung der beruflichen Bildung und nicht, wie Herr von Pein sagte, ein Manövrieren in das Abseits. Durch die Zusammenfassung der bisher auf verschiedene Ministerien verteilten Kompetenzen schaffen wir Synergien, die jungen Menschen zugutekommen. Es ist ein deutliches Signal, das da lautet: Die berufliche Bildung ist wichtig. Die duale Bildung ist ein Erfolgsmodell, das wir weiterentwickeln.

Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zeigt, dass wir in Zukunft den Fachkräftemangel vor allem in den Ausbildungsberufen zu spüren bekommen werden. Deshalb halte ich solch ein Signal für ausgesprochen wichtig.

Wegen des Fachkräftemangels, aber auch wegen der in Schleswig-Holstein immer noch zu hohen Quote an Abbrechern und an Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz hat es doch Sinn, das SHIBB im

Arbeitsministerium anzusiedeln. So können Arbeitsmarkt- und Ausbildungspolitik besser aufeinander abgestimmt, kann der Übergang von der Schule in den Beruf erleichtert werden und finden die Akteure aus der Wirtschaft, der Bildung und dem Sozialbereich leichter zusammen. Bereits heute liegen Förderprogramme in der Zuständigkeit des Arbeitsministeriums, konkret in der Arbeitsmarktabteilung.

Meine Damen und Herren, die SPD meint, mit einem SHIBB im Wirtschaftsministerium kämen die allgemeinbildenden Aspekte an den Berufsschulen zu kurz. Sie behaupten, die Auszubildenden würden nur als Wirtschaftsfaktor betrachtet werden. Mit Verlaub, das ist Unsinn! Eine gute Allgemeinbildung bietet das Rüstzeug, um Prozesse reflektiert wahrnehmen zu können. Zudem haben wir KMKVorgaben. Diese gelten, die kann niemand aushebeln.

Die Unternehmen haben Interesse an hohem Reflexionsvermögen. Sie beklagen schließlich auch die zum Teil argen Lücken in der Allgemeinbildung mancher Jugendlicher.

Meine Damen und Herren, wir befinden uns mitten im Abstimmungs- und Entstehungsprozess des SHIBB. Rahmenbedingungen, Rechtsfragen, Aufgabenübertragungen werden in diesen Prozess sorgfältig geprüft. Die Ministerien, aber auch die Koalitionsfraktionen arbeiten in diesem Prozess gemeinsam und geschlossen zusammen. Auch wegen dieses Zusammenhalts bin ich überzeugt, dass das SHIBB ein Erfolgsmodell werden wird. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Jamaika-Antrag. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Es ist richtig gut, dass der Fokus heute einmal auf den beruflichen Schulen liegt. Diese Schulform wird in der Allgemeinheit meines Erachtens viel zu wenig beachtet, obwohl sie doch eine ganz zentrale Rolle auf dem Lebensweg von Jugendlichen übernimmt.

Bildungsexperten aus vielen Ländern erkennen unsere hohe Ausbildungsqualität an. Auch die niedri

ge Erwerbslosenquote unter den Jugendlichen ist auf das duale Ausbildungssystem zurückzuführen.

Durch die zunehmende Fachkräftelücke stehen die berufsbildenden Schulen vor neuen, großen Herausforderungen. Die berufliche Bildung hat wesentliche Bedeutung, wenn es darum geht, diese Lücke auch angesichts der demografischen Entwicklung zu schließen.

Mit der Gründung eines eigenständigen SchleswigHolsteinischen Instituts für Berufliche Bildung „bis zur Mitte der Legislaturperiode“ laut Koalitionsvertrag - reagiert Jamaika auf diese Veränderungen, damit kein einziger Schüler auf dem Weg zwischen allgemeinbildender Schule und beruflicher Schule verloren geht oder übersehen wird.

Die Gründung des SHIBB entspricht auch den Erwartungen der Berufsschullehrer, die am Entwicklungsprozess übrigens von Anfang an beteiligt waren. Sie nennen in der Regel drei Gründe, die man immer wieder hört:

Erstens. Es werden Ressorts gebündelt. - In der Tat: Schaut man sich die Zuständigkeiten an, stellt man fest, dass neben dem Bildungs- und dem Wirtschaftsministerium auch das Landwirtschafts- und das Sozialministerium, etwa für die Gesundheitsfachberufe, beteiligt sind. Referate der beruflichen Bildung sollen in das SHIBB überführt werden. Damit - wen wundert es? - kann effizienter gearbeitet werden.

Zweitens. Die geplante Eigenständigkeit spiegelt sich in einem eigenen Haushalts- und Stellenplan wieder. Dieses große Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit hat sich bereits bei Berufsschulen und Regionalen Bildungszentren bewährt. Die unmittelbaren Akteure der beruflichen Bildung sollen jetzt selbst Entscheidungen treffen, weil sie selbst am besten wissen, was in ihrem Bereich benötigt wird.

Drittens. Die Ausbildung der Lehrkräfte und berufsbegleitenden Fortbildungen waren bisher am IQSH des Bildungsministeriums angesiedelt. Der Fokus war dabei aus Sicht der Lehrkräfte zu wenig auf die Berufsschulen ausgerichtet. Nur mit wenigen hauptamtlichen Stellen konnte der Bedarf an Fortbildungen nicht annähernd gedeckt werden. Durch die Integration in ein gemeinsames Institut und die rechtliche Anbindung wird die Fort- und Weiterbildung also profitieren.

Es ist schon angeklungen, die SPD sieht hier weniger die Chancen, sondern formuliert Sorgen. Teils wird mit ein wenig Klassenkampfrhetorik der Eindruck geschürt, dass die böse Wirtschaft versuche,

die berufliche Bildung zu kapern und ihren Interessen zu unterwerfen. An dieser Stelle hätte ich mir ein wenig mehr Sachlichkeit gewünscht, aber sei es drum.