Protokoll der Sitzung vom 28.09.2018

Ein Ministerium für alle Schulen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/949

Ein Schleswig-Holsteinisches Institut für Berufliche Bildung (SHIBB) einrichten

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/975

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Somit eröffne ich die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Tobias von Pein das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Die Idee zur Errichtung eines SchleswigHolsteinischen Instituts für Berufliche Bildung ist nicht neu. Mit Berufsbildungsministerin Britta Ernst hatten wir die ersten Schritte zur Errichtung eines solchen Instituts bereits in der letzten Legislaturperiode getan. Das Ziel eines solchen Instituts ist es, die Vielzahl der Akteure, die besonders komplizierte Struktur der beruflichen Bildung zu bündeln. Die Idee ist, jungen Menschen nach der Schule gute Wege in eine berufliche Ausbildung und nach der Ausbildung den Weg in den Beruf aufzuzeigen und sie dabei zu unterstützen. Wahrscheinlich werden wir auf die Übergangssysteme dabei auch langfristig nicht verzichten können. Wir wollen, dass sich weniger junge Leute in einem Übergangssystem befinden als bisher. Damit wollen wir auch einen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels leisten.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Für uns Sozialdemokraten ist aber klar: An der Gleichwertigkeit der beiden großen Säulen unseres Schulsystems, den berufsbildenden und den allgemeinbildenden Schulen, darf nicht gerüttelt werden.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Beide Systeme müssen sich vielmehr gegenseitig unterstützen und durchlässig sein. Ich bin davon überzeugt, allgemeinbildende Orientierung tut den beruflichen Schulen gut, und berufliche Orientierung tut den allgemeinbildenden Schulen gut.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Ich will auch daran erinnern, dass der Weg zum Abitur über unsere beruflichen Gymnasien mittlerweile ebenso selbstverständlich geworden ist wie der über die Oberstufen unserer Gymnasien und unserer Gemeinschaftsschulen.

Berufsbildungsministerin Ernst hatte in der letzten Legislaturperiode ein Gutachten von Prognos vorgestellt, das verschiedene Rechtsformen für ein solches Institut zur Diskussion gestellt hat. Was dabei aber nicht infrage gestellt wurde, war, dass der Staat für die Aufsicht über das gesamte Schulwesen verantwortlich bleibt und sie nicht an ein Institut wegdelegieren kann.

Nicht nur wir, sondern nahezu alle, die mit beruflicher Bildung irgendwie zu tun haben, haben dann im Frühsommer 2017 mit einiger Verwunderung von den Absichten der Jamaika-Koalition erfahren. Sie wollen die Zuständigkeiten für unser Schulwesen mit der Errichtung des SHIBB zwischen dem Bildungsministerium und dem Wirtschaftsministerium aufsplitten. Das ist ein bundesweit einmaliger Vorgang. Allerdings ist das ganz bestimmt keine Vorreiterrolle. Wir Sozialdemokraten haben die ernsthafte Sorge, dass dieser Plan nach hinten losgeht. Sie manövrieren unser Land bildungspolitisch ins Abseits.

(Beifall SPD)

Ich weiß, dass Kompromissfindungen bei Koalitionsverhandlungen manchmal zu etwas schrägen Ergebnissen führen. Es ist auch nicht von vornherein falsch, einen Sonderweg zu gehen. Was Sie aber aufgrund eines schlechten Kuhhandels auf den letzten Metern Ihrer Koalitionsverhandlungen machen, ist, dass Sie fundamentale bildungspolitische Grundsätze aufgeben. Dazu gehören die Gleichwertigkeit und die Durchlässigkeit unseres Schulsystems.

(Christopher Vogt [FDP]: Geschichtsklitte- rung!)

- Christopher, du kannst gleich erzählen, wie es wirklich war. - Außerdem besteht die Gefahr, dass die Bildung an den berufsbildenden Schulen einseitigen, wirtschaftlichen oder arbeitsmarktverwertbaren Interessen untergeordnet wird. Es geht bei Schule aber um mehr als um das.

Ihr Plan hat viel Unruhe in die beruflichen Schulen und unter die Akteure der beruflichen Bildung gebracht. Wie unsicher und gewagt Ihr Vorhaben ist, zeigt auch das Gutachten der Max-Traeger-Stiftung

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

zu den verfassungsrechtlichen und organisatorischen Konsequenzen auf. Hier wird betont, dass die Verlagerung der Schulaufsicht ins Wirtschaftsministerium nicht von vornherein verfassungsmäßig unmöglich sei. So weit, so schlecht, denn einen Gesetzentwurf haben wir dafür bisher noch nicht. Das Gutachten empfiehlt, das SHIBB als sogenannte Landesoberbehörde einzurichten. Allerdings beruht das alles auf der Prämisse, dass die beruflichen Schulen weiterhin im Verantwortungsbereich des Bildungsministeriums bleiben.

Es sind im Wesentlichen vier Argumente, die gegen eine gespaltene Schulaufsicht sprechen: Die Kompetenzaufteilung für die Schulabschlüsse zwischen zwei Ministerien und dem SHIBB, die Aufspaltung der Personalverwaltung für die Lehrerinnen und Lehrer und die sonstigen Mitarbeiter, die nicht von vornherein gegebene Möglichkeit des Instituts, direkt auf die Zuarbeit des Bildungsministeriums zugreifen zu können und - was ich schon sagte - die bundesweit einmalige und kuriose Situation, dass Schleswig-Holstein zukünftig auf der KMK sowohl mit Frau Prien als auch mit Herrn Buchholz auflaufen würde.

Die Verantwortung des Landes für die Schulen ist eine der wichtigsten Kompetenzen, vielleicht ist sie die wichtigste. Das setzt unserer Überzeugung nach eine einheitliche Zuständigkeit auf Regierungsebene voraus. Wenn diese aufgegeben wird, wäre das eine Abkehr von den Grundsätzen der Durchlässigkeit und der Gleichwertigkeit der allgemeinen und der beruflichen Bildung.

(Beifall SPD und SSW)

Wir Sozialdemokraten werden uns auch weiterhin konstruktiv kritisch in den Gründungsprozess des SHIBB einbringen, denn wir finden ihn weiterhin richtig und wichtig. Ein SHIBB nach Hamburger Vorbild war als Küstenkoalition unsere gemeinsame Vision. Wir wollten die berufliche Bildung stark machen und nach vorn bringen, aber bitte nicht so. Wir fordern Sie auf: Stoppen Sie diesen Irrweg! Berufliche Schulen dürfen nicht abgewertet werden. Sie gehören - wie alle anderen Schulen unter eine Schulaufsicht in einem Bildungsministerium.

(Beifall SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, wir waren in der vergangenen Legislaturperiode eigentlich weitergekommen, die berufliche Bildung nachhaltig zu stärken. Wir laufen jetzt gerade Gefahr, das wieder einzureißen. Wir jedenfalls werden von diesem Ziel nicht abrücken, darauf können Sie und die beruflichen

Schulen mit ihren Schülerinnen und Schülern sich in unserem Land verlassen.

(Beifall SPD und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Peer Knöfler das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die berufliche Bildung begleitet mich schon ein Leben lang. Ich darf mit ihr zusammenarbeiten, sie ist Inhalt meines Lebens, und das schon seit Kindesbeinen an. Anfänglich waren Großeltern, Tanten und Onkel mit der Fragestellung da: Und, was willst du später einmal werden, wenn du groß bist? - Das mit dem Größerwerden hat nicht so richtig geklappt, aber das kennen Sie ja sicherlich alle. Heute sind es meine drei Kinder, die ich in die berufliche Zukunft begleite. Diese Herausforderung kennen sicherlich mehrere. Dazwischen waren es ganz viele andere junge Menschen, die ich ein Stück in ihr Berufsleben mitbegleiten durfte, denn ich bin von Haus aus - im wahren Leben - Berufsschullehrer.

Nach meinem Abitur ging ich in die Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und später ins Lehramtsstudium. Meine Ausbildung in der freien Marktwirtschaft ist eine Erfahrung, die ich sehr zu schätzen weiß und die mir als Lehrer und Pädagogen, aber auch als Politiker oft eine andere Sichtweise ermöglicht. Als Berufsschullehrer habe ich - wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen - die Einrichtung eines Instituts für Berufliche Bildung in SchleswigHolstein, das SHIBB, wohlwollend zur Kenntnis genommen. Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an berufsbildenden Schulen, der VLBS, hat es auf den Punkt gebracht, und ich zitiere mit Erlaubnis aus der Pressemitteilung vom 17. September 2018: Die Technologisierung, die Digitalisierung und der Innovationsdruck in Industrie, Handwerk und Wirtschaft bedeuten eben auch, dass in der beruflichen Bildung andere Strukturen benötigt werden.

Genau deswegen brauchen wir das SHIBB. Im Interesse aller Menschen müssen wir die berufliche Bildung und die Fort- und Weiterbildung stärken. Wir müssen unsere Jugendlichen optimal auf ihren Weg ins Berufsleben vorbereiten und begleiten - in Zusammenarbeit mit den allgemeinbildenden Schulen und den Berufsschulen - und wir müssen dafür sorgen, dass flächendeckend und in der Flä

(Tobias von Pein)

che ein breites Ausbildungsspektrum angeboten und genutzt wird, damit wir die Zahl der Jugendlichen ohne Perspektiven nach ihrem Schulabschluss geringhalten und damit dem Fachkräftemangel gezielt entgegenwirken können.

Einen konstruktiven Austausch mit der Wirtschaft und den Sozialpartnern im Zuge der beruflichen Bildung werden wir mit den SHIBB erreichen. Im SHIBB werden wir Strukturen schaffen oder haben, die wir benötigen, um die Technologisierung, die Digitalisierung und den Innovationsdruck positiv zu nutzen, damit wir in Zukunft alle davon profitieren. Anders macht es keinen Sinn.

Das von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der GEW, in Auftrag gegebene Gutachten beinhaltet die Aufzählung der Möglichkeiten, wie es nicht geht; ein ideologisches Dogma, welches sicherlich auch der GEW in die Karten spielt. Aber wir wollen ja nicht wissen, wie es nicht geht, sondern wie es geht, die berufliche Bildung zu stärken, unsere Jugend zu unterstützen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Hier heißt es, im Interesse unserer Gesellschaft Hand in Hand zu arbeiten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dolgner?

Herr Kollege, das ist alles sehr richtig und nachvollziehbar, was Sie uns eben gesagt haben. Aber jetzt erklären Sie mir bitte doch noch einmal, warum Sie es der Kollegin Prien, der Bildungsministerin, nicht zutrauen, das auch weiterhin zu verwirklichen.

(Beifall SPD und vereinzelt SSW)

- Darum geht es überhaupt nicht.

- Doch, in dem Antrag geht es genau darum. Das ist der Tagesordnungspunkt.

- Es geht darum, dass es eine Notwendigkeit gibt, bestimmte Dinge zu ändern, weil man aus der Vergangenheit gelernt hat, dass es neue Situationen gibt. Es geht darum, dass man daraus Schlüsse zieht und einen Weg findet, wie dies vernünftig hinzukriegen ist. Wir wissen heute nicht, was am Ende dabei herauskommt. Das wissen wir heute nicht.

(Zurufe)

Damit sage ich nicht, dass das Ganze wahrscheinlich im Wirtschaftsministerium gebündelt wird, aber wir wissen nicht, was bei diesem Prozess herauskommt. Dementsprechend wäre es schön, statt das Ganze von vornherein zu kritisieren, konstruktiv an diesem Prozess mitzuarbeiten und nicht zu sagen, wie es nicht geht. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Ich war schon am Ende meiner Rede. - Das beinhaltet unser Antrag, der Antrag von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP. Wir bitten die Landesregierung, das SHIBB beim Wirtschaftsministerium zu bündeln und gemeinsam mit dem Bildungsministerium daran zu arbeiten, die bestmögliche Lösung zu entwickeln, die, und das ist entscheidend, rechtlich machbar, funktionsfähig und wirtschaftlich ist. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Liebe Kollegen, bitte begrüßen Sie mit mir zusammen auf unserer Besuchertribüne den Landesgeschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Schleswig-Holstein, Herrn Michael Selck. - Herzlich willkommen!

(Beifall)