Protokoll der Sitzung vom 28.09.2018

die berufliche Bildung zu kapern und ihren Interessen zu unterwerfen. An dieser Stelle hätte ich mir ein wenig mehr Sachlichkeit gewünscht, aber sei es drum.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

- Das kommt gerade von mir, Frau Pauls. Das ist doch gut, oder?

Während Sie die Gefahren sehen, sehen die Betroffenen - die Betroffenen sind die Berufsschullehrerverbände und die Berufsschullehrer - die Sache ganz gelassen. Das sehen die ganz gelassen; denen kommt es nämlich nicht darauf an, unter welcher Flagge ihre Schüler segeln. Wichtiger ist ihnen, dass sie mit dem Institut endlich ihre Kräfte bündeln und weitestgehend eigenständig den Kurs festlegen können.

Von der Politik erwarten sie nun, dass es zügig vorangeht, damit das neue Institut endlich Fahrt aufnehmen kann. Eine ideologisierte Debatte, die das Bildungs- gegen das Wirtschaftsministerium ausspielen will, schadet in erster Linie Berufschullehrern und damit auch den Schülern. Anstatt also hier eine Scheindebatte zu führen, unterstützt die AfD die berufsbildenden Schulen in ihrem Wunsch nach einer zügigen Errichtung eines Instituts.

Der Übergang von allgemeinbildenden Schulen zu berufsbildenden Schulen muss eng verzahnt sein. Eine enge Kooperation zwischen dem Wirtschaftsund dem Bildungsministerium ist notwendig. Sie zu organisieren und ohne Reibungsverluste auf den Weg zu bringen, bleibt die Hauptaufgabe der beiden Ministerien.

Trotz der noch vorhandenen rechtlichen Baustellen sind wir zuversichtlich, dass ein eigenständiges sowie selbstverantwortlich agierendes Institut die berufliche Bildung stärkt und die eh schon gute Ausbildung nochmals verbessern wird.

Ich hatte eben versprochen, dass noch ein Satz zur SPD kommt: In einer Sache stimme ich Ihnen zu. Wir brauchen an den allgemeinbildenden Schulen schon früher eine Perspektive auf die Berufsausbildung. Da sind wir ganz bei Ihnen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Kollegin Jette Waldinger-Thiering.

(Dr. Frank Brodehl)

Vielen Dank, Herr Landtagspräsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die Überschrift des Ursprungsantrags und dieses Tagesordnungspunkts ist für viele Außenstehende verwirrend. Fast alle halten es für logisch und geboten, dass es ein Ministerium gibt, das für das Thema „Schule“ zuständig ist, und zwar ausnahmslos für alle Schulen im Land. Ich wurde deshalb mehrfach gefragt, ob die SPD hier nicht etwas Selbstverständliches fordert. Doch CDU, Grüne und FDP haben schon im Rahmen der Koalitionsverhandlungen erkennen lassen, dass sie tatsächlich andere Pläne haben. Ganz konkret will Jamaika die Zuständigkeit für die berufliche Bildung ins Wirtschaftsministerium verlagern. Vor diesem Hintergrund begrüßt es der SSW ausdrücklich, dass die SPD diese Forderung auf die Tagesordnung setzt.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Ich halte es für bedauerlich, dass ausgerechnet die berufliche Bildung zum Spielball der Interessen wird; denn sie bekommt leider längst nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Frühkindliche Bildung, Schule oder Hochschule sind hier regelmäßige Themen, die berufliche Bildung aber nur selten. Dabei kommen über zwei Drittel der jungen Menschen in Schleswig-Holstein auf dem Weg ins Arbeitsleben mit diesem System in Berührung.

(Birte Pauls [SPD]: Genau!)

Es ist international hoch angesehen und leistet einen ganz erheblichen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Beitrag für unser Land. Die berufliche Bildung ist damit alles andere als ein Randthema. Sie ist eine gleichwertige und unverzichtbare Säule unseres Bildungssystems. Wir sollten sie weiterentwickeln und stärken, anstatt all diejenigen, die hier lehren und lernen, durch Zuständigkeits- und Aufsichtsfragen zu verunsichern. Wir dürfen uns nichts vormachen: Die Herausforderungen für unsere beruflichen Schulen werden in Zukunft größer und nicht kleiner.

Die Digitalisierung und Globalisierung der Arbeitswelt bringen gravierende Veränderungen mit sich. Teilweise entstehen in kurzer Zeit ganz neue Berufsfelder. Diese Dynamik stellt die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften vor immer neue Herausforderungen.

Vor diesem Hintergrund müssen Bildungsprozesse ständig angepasst und die Inhalte möglichst flexibel gestaltet und weiterentwickelt werden. Das bedeutet, dass wir hier dringend effiziente und zukunfts

feste Strukturen sowie eine entsprechende finanzielle und personelle Ausstattung brauchen. Deshalb bleibt es aus meiner Sicht auch völlig richtig, die fachlichen und personellen Ressourcen in einem eigenständigen Landesinstitut zu bündeln. Hier müssen dann konsequenterweise natürlich alle Ausbildungsberufe zusammengeführt werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich ein solches Institut für berufliche Bildung deutlich zielgerichteter um die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, die Weiterentwicklung der beruflichen Schulen und die enge Zusammenarbeit mit dem allgemeinbildenden Bereich kümmern kann.

Letztlich müssen wir zu einem schlüssigen Gesamtkonzept kommen, das die berufliche Bildung mit dualer Ausbildung und den weiteren Ausbildungsgängen an den beruflichen Schulen ebenso umfasst wie die Fort- und Weiterbildung und den Übergang von Schule in den Beruf.

Es ist schön und gut, dass CDU, Grüne und FDP die Notwenigkeit für ein solches Institut teilen. Aber es ist aus meiner Sicht der falsche Weg und wirklich besorgniserregend, dass das SHIBB beim Wirtschaftsministerium angesiedelt werden soll.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Nicht zuletzt das Gutachten von Professor Wrase warnt eindringlich vor diesem Schritt, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Die geplante Aufspaltung der Zuständigkeiten der Schulaufsicht für allgemeinbildende und berufsbildende Schulen ist zum Beispiel im Schulgesetz überhaupt nicht vorgesehen und verfassungsrechtlich bedenklich. Dazu soll das Ganze auch noch ohne ergebnisoffene Prüfung durch Experten und ohne parlamentarischen Beschluss passieren.

Für mich noch viel schwerwiegender ist die Tatsache, dass hier ein ganz wesentlicher Teilbereich der Bildung einseitig wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden soll.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Das Hin und Her bei G 8 und G 9 hat uns doch eindrucksvoll gezeigt, dass so etwas zu Beliebigkeit und zu erheblicher Unsicherheit führt. Das geht aus Sicht des SSW auch bei der beruflichen Bildung überhaupt nicht und muss dringend korrigiert werden.

(Beifall SSW und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Wir kommen jetzt zu den Kurzbeiträgen. Zunächst hat sich der Abgeordnete Tobias von Pein von der SPD-Fraktion gemeldet.

Vielen Dank für die Beiträge. - Sie haben aufgezeigt, dass sich Jamaika in der Frage offensichtlich überhaupt nicht einig ist. Ich möchte Herrn Knöfler für seinen Beitrag danken. Er hat letztendlich seine Bedenken formuliert und ist in Teilen auf uns eingegangen. So habe ich das jedenfalls rausgehört. Sie haben gesagt, es wird am Ende eine gute Lösung geben. Ich kann durchaus zwischen den Zeilen lesen.

Im Gegensatz dazu hat Frau Strehlau überhaupt nicht erwähnt, warum das gemacht werden soll. Es gab keine inhaltliche Begründung. Von der Rede könnte ich 99 % unterschreiben. In der letzten Legislaturperiode haben wir in dem Punkt auch eng zusammengearbeitet.

Es ist aber auf jeden Fall kein Schwarzer-PeterSpiel. Andersrum wird ein Schuh draus. Was Sie machen, ist ein Schwarzer-Peter-Spiel.

(Zuruf SPD: Genau!)

Letztendlich wird eine ganze Abteilung, die für die Aufsicht über die beruflichen Schulen zuständig ist, wie ein Spielball benutzt. Ich habe gesagt, es ist nichts anderes als ein Kuhhandel in den Koalitionsverhandlungen gewesen, wenn man die Aufsicht in ein anderes Ministerium steckt.

Frau Klahn, ich habe nicht gesagt, dass der Prozess, das SHIBB zu errichten, in irgendeiner Weise ein bildungspolitischer Irrweg ist. Da haben Sie mich auf jeden Fall falsch verstanden. Vielleicht haben Sie auch vergessen, was wir hier in der letzten Legislaturperiode diskutiert haben. Das nehme ich Ihnen jetzt nicht übel. Das ist vielleicht einfach der Aufregung geschuldet. Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall geht es darum, dass das, was Sie mit der Verschiebung der Abteilung und mit der Schulaufsicht machen, ein bildungspolitischer Irrweg ist. Es ist im Moment überhaupt nicht klar, wie das aussehen soll.

Berufsschulen sind mehr als Ausbildung, mehr als schulische Ausbildung und mehr als berufliche Ausbildung. Frau Jette Waldinger-Thiering hat vorhin sehr gut dargestellt, Berufsschulen sind eben auch mal die zweite, dritte oder vierte Chance für Leute, die immer noch schulpflichtig sind und ohne

Abschluss aus den allgemeinbildenden Schulen gekommen sind, genauso wie für Flüchtlinge, die immer noch schulpflichtig sind. Denen wollen wir auch diese Chancen geben. Wenn wir uns Schicksale derjenigen in den Ausbildungsvorbereitungsklassen ansehen, hat das wenig damit zu tun, welche Arbeitsmarktprogramme gerade im Arbeitsministerium diskutiert werden.

(Beifall SPD)

Deswegen möchte ich noch einmal deutlich herausstellen, dass wir die Verzahnung zwischen allgemeinbildender und berufsbildender Schule nicht infrage stellen sollen. Da, finde ich, haben wir heute als Opposition ein wenig diesen Widerspruch aufgedeckt. Vielleicht hat das schon ganz gut getan. Ich bin sehr gespannt, wie Sie weiter vorgehen werden. Wir werden Sie auf jeden Fall kritisch begleiten.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Habersaat aus der SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine Damen und Herren! Was wir heute diskutieren, geht zurück auf die Jamaika-Koalitionsverhandlungen. An denen habe ich nicht teilgenommen, aber ich kann schildern, wie es sich mir von außen darstellte: Kurz vor der Zielgeraden gelang es den Grünen, ihrem aufstrebenden Star, Robert Habeck, die Zuständigkeit für die Digitalisierung zu sichern. Aus Sicht der FDP geht das sehr schlecht - wir kennen ja die Dynamiken solcher Koalitionsverhandlungen. Wenn die Grünen eine neue Zuständigkeit bekommen und die Gelben nicht, braucht Herr Buchholz die berufliche Bildung.

Die Entscheidungen werden dann nicht von den Leuten in der für Bildung zuständigen Koalitionsgruppe getroffen - die war nämlich schon längst gebildet -, sondern das entscheiden diejenigen, die sich mit Bildungspolitik gar nicht so genau auskennen und die in dem Moment gar nicht bedenken, dass Abitur, erster allgemeinbildender Schulabschluss und mittlerer Schulabschluss auch in der Zuständigkeit der beruflichen Schulen liegen. Da werden auf einmal Dinge verschoben, von denen man zunächst gar nicht wusste, was man da eigent

lich tut. Und warum man das tut, wusste man eigentlich auch nicht.

Frau Strehlau schilderte uns in sehr zustimmungswerten Worten, warum es wichtig ist, die berufliche Bildung zu stärken, und unter meiner absoluten Zustimmung begründete sie, warum es gut ist, sich dabei am Hamburger Vorbild zu orientieren.

Meine Damen und Herren, das Hamburger Vorbild ist jedoch nicht, die berufliche Bildung aus der Behörde für Schule und Berufsbildung herauszulösen und in die Wirtschaftszuständigkeit zu überführen.

(Beifall SPD und SSW)

Wir hatten hier am letzten Samstag Herrn Schulz zu Gast, Rainer Schulz, heute Staatsrat in der Behörde für Schule und berufliche Bildung in Hamburg. Davor war er Chef des BIBB. Der hat deutlich seine Verwunderung darüber kundgetan, dass SchleswigHolstein hier einen Sonderweg geht und von dem bewährten Verfahren abweicht.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Der soll sich um das Hamburger Modell kümmern!)

Frau Klahn, Sie sagen, Sie wollen Synergien schaffen und bündeln. Da frage ich Sie: Warum wollen Sie Synergien und Bündelung erreichen, wenn Sie Spaltung und Diffusion erzeugen und die Zuständigkeiten aufteilen?

(Beifall SPD und SSW)

Herr Knöfler, die Frage, die wir als Opposition stellen: Warum kann Frau Prien die berufliche Bildung nicht stärken? Warum ist Frau Prien nicht dazu in der Lage, sich um die Berufsschulen zu kümmern? - Darauf haben Sie geschickt reagiert, indem Sie gesagt haben, wir wissen ja noch gar nicht, ob Frau Prien am Ende vielleicht doch zuständig ist. - Da zeigen Sie doch, dass Sie mit Diffusion und Planlosigkeit an dieses Thema herangehen.