Protokoll der Sitzung vom 08.11.2018

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Fritzen?

Selbstverständlich gern, klar.

Lieber Herr Kollege Harms, genau das ist das, was ich andeuten wollte, dass es in anderen Ländern anders geht. Dänemark macht es auf eine Weise, aber auch in den Niederlanden und in Frankreich gibt es unterschiedliche Verfahren. In Frankreich redet man eine geraume Zeit sehr ernsthaft mit allen Trägern öffentlicher Belange, wie sie in Deutschland heißen, um dann zu einem möglichst konsensualen Vorschlag zu kommen, wie man denn eine Straße oder ein anderes großes Projekt bauen möchte. Dazu tragen dann natürlich auch Umweltverbände bei, und man kommt dann auch zu einer Lösung, die von vielen viel breiter getragen wird, und man muss in den abschließenden, möglicherweise noch beklagbaren Möglichkeiten nur noch Kleinigkeiten klären. Ich habe mitnichten gesagt, dass es keine Möglichkeit gäbe, sondern genau beschrieben, was Sie gerade gesagt haben, dass man, wenn man diese ernsthaften Überlegungen vorzöge, abwägte und auch ernsthaft abwägte, man sich die Gefahr von Klageverfahren sparen könnte.

- So, nun kommen wir genau zu des Pudels Kern. Nun sind wir nämlich genau an der Stelle, wie ein Planungsrecht in Zukunft aussehen soll. Das ist eigentlich das, wofür ich hier plädieren möchte: dass wir uns einmal hinsetzen und gemeinsam darüber Gedanken machen. Sie haben recht, Frau Fritzen: Es geht darum, dass man erst einmal einen Interessensausgleich hinbekommt, wie man es in Dänemark auch macht, wo man quasi einen Einigungszwang hat. Es wird ein Korridor vorgegeben, in dem man etwas machen will: Wie können wir es machen? Welche Einwendungen gibt es privater, aber auch umweltrechtlicher Natur? Aber auch die Frage: Welche Einwendungen haben die Wirtschaftsverbände? Dann gleicht man das ab. Als Politik stellt man dann fest: Die und die Maßnahme wollen wir so und so durchführen. Und danach, nach dieser Einigung, kommt der Prozess, bei dem man sagt: Wir legen die Trasse fest, und wir legen vor allen Dingen fest, welche Maßnahmen erledigt werden müssen, damit die Eingriffe, die man dort

(Christopher Vogt)

tätigt, nicht so schädlich sind. Manchmal werden sogar Maßnahmen getroffen, die auch für den Naturhaushalt besser sind.

Das haben wir aber derzeit noch nicht gesetzlich festgelegt, sondern derzeit ist es immer noch anders herum: Der Staat plant, und danach darf der deutsche Bürger oder eben auch ein Verband klagen. Das führt eben zu diesen Konflikten. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass es ein Land geben muss, das sagt: Nein, wir haben jetzt diese miesen Erfahrungen gemacht, wir müssen das ändern, wir müssen das Planungsrecht auf neue Beine stellen. - Die beste Möglichkeit, das auch umsetzen und durchsetzen zu können, ist, wenn wir das gemeinsam partei- und regierungs- und oppositionsübergreifend machen. Das ist zumindest das, was ich mir wünschen würde.

(Beifall Hans-Jörn Arp [CDU] und Tobias Koch [CDU])

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine weitere Bemerkung der Abgeordneten Fritzen? - Bitte.

Wir werden immer einiger, gern.

Ich glaube, wir waren vielleicht gar nicht so uneinig, wie Sie geglaubt haben, mit Ihren ersten Sätzen sagen zu müssen. Ich weiß auch, dass es da verschiedene Vorschläge gibt. Es gibt auch viele verschiedene Vorschläge von Juristen, wie man das rechtlich umsetzen kann. Es gab auch schon diverse Expertengespräche dazu. Ich wollte nur sagen und noch einmal darauf hinweisen, dass der Naturschutz sehr wohl bereit ist und auch mit seiner Fachkenntnis darauf hinweisen kann, wenn zum Beispiel im Verlauf von Trassen wertvolle Arten zu schützen sind und im Vorwege vielleicht auch Maßnahmen ergriffen werden sollten, damit sie durch die Trasse nicht zu Schaden kommen. Das alles sollte mit einbezogen werden, und zwar nicht wie bei den Erörterungsterminen - „wir haben es mal gehört und machen es dann doch anders“, wie es heute häufig ist -, sondern vielleicht in einem sehr frühen Stadium rechtlich verbindlich.

(Zuruf)

- Ja, natürlich, aber man kann im Verfahren sicherstellen, dass diese dann nicht so leicht weggewägt werden können.

- Genau darum geht es, aber auch darum - ich drücke es einmal anders aus -: Mit einem solchen Prozess haben wir schon Erfahrung aus der Zeit, in der wir all die Überlandleitungen für die Stromversorgung geplant haben. Nur hatten wir da einen Hintergrund, den wir bei anderen Großprojekten nicht haben, weil die Umweltverbände natürlich „zwei Interessen“ vertreten mussten: Sie wollten die Energiewende, aber gleichzeitig stellt das einen Eingriff in die Umwelt dar. Da ist man dann durchaus kompromissfähiger; das muss man ehrlich gestehen. Deswegen lief der Prozess richtig gut. Es ist toll, dass das zum ersten Mal funktioniert hat. Nur gibt es in solchen Projekten - das ist völlig verständlich; das würde ich dem NABU, dem BUND oder anderen Umweltverbänden niemals vorwerfen - einen Interessenkonflikt: Straße bauen oder Umwelt erhalten? Das verstehe ich. Dann müssen eben wir als Politiker dafür sorgen, dass die rechtlichen Grundlagen so geschaffen werden, dass es einen Einigungsplan gibt. Es wird da Dinge geben, bei denen man als Straßenplaner sagen muss: Okay, ich muss da Zugeständnisse machen. Ich kann das nicht einfach so gerade durchplanen. Aber wir kämen in den Planungen möglicherweise schneller voran, wenn wir das Planungsrecht änderten. Das ist für mich immer noch das Entscheidende.

Am Ende - das soll gleichzeitig mein Schlusswort sein - geht es doch darum, dass wir in SchleswigHolstein seit Jahrzehnten eine wirklich breite Mehrheit in der Bevölkerung haben, wonach das Projekt A 20 dringend notwendig ist und von allen gewünscht wird. Ob es ein Pendler ist, der einfach schnell zur Arbeit kommen will, ein Unternehmen, das dort möglicherweise etwas ansiedeln will, oder der Tourismusbereich, der sagt: „Es wäre schön, wenn die Leute nicht immer vor dem Elbtunnel im Stau stünden und alles vollstinken“, alle sagen: Sie wollen es gern haben. - Dann ist es unsere verdammte Pflicht, das Planungsrecht so zu gestalten, dass die Leute bekommen können, was sie haben wollen. Das ist uns wichtig.

(Beifall SSW, FDP und Aminata Touré [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu einem weiteren Beitrag hat jetzt der Abgeordnete Holowaty das Wort.

(Lars Harms)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir haben in den letzten Minuten so ziemlich alles erlebt, was man erleben kann: Wir haben Emotionen erlebt, Schuldzuweisungen und Beschimpfungen links und rechts - zumindest sind sie so empfunden worden.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Jetzt auch noch Sie! - Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Sie dürfen jetzt gern etwas zu dem Thema sagen, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Herr Stegner: Und jetzt auch noch ich - das setzt dem Ganzen natürlich die Spitze auf, meine Damen und Herren.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP] und Chri- stopher Vogt [FDP])

Ich freue mich zunächst einmal, dass die Diskussion in den letzten Minuten in Richtung eines sinnvollen, praktischen Planungsrechts gegangen ist, das uns erlaubt, mehr Projekte zu ermöglichen. Das finde ich ganz toll.

(Beifall FDP und Lars Harms [SSW])

Der Kollege Richert war der einzige, der in der ganzen Debatte einmal das Wort „Schutzgut Mensch” erwähnt hat. Ich komme selbst aus dem Kreis Segeberg. Der Kreis Segeberg ist, wie Sie wissen, einer der Hauptbetroffenen der A 20 und ich sage einmal ganz bewusst - einer der Hauptnutznießer. Ich bitte Sie, bei solchen Projekten für einen Moment daran zu denken: Warum machen wir das überhaupt? Fragen Sie die Menschen in Henstedt-Ulzburg, die Richtung Lübeck wollen. Fragen Sie die Menschen in Kisdorf, die unter dem Lkw-Verkehr leiden, der auf diesen nicht vorhandenen Querverbindungen fährt. Fragen Sie die Menschen auf der B 206, die ständig in mit Schwertransporten vollgestellten Staus stehen, die Menschen, die dort wohnen, die Tag und Nacht durch Schwertransporte belastet werden. Fragen Sie die Menschen in Struvenhütten. Fragen Sie die Menschen in Stuvenborn. - Das sind die Menschen, für die wir die A 20 bauen,

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

um den Verkehr auf eine erträgliche Art und Weise durch den Kreis und das Land zu schicken.

(Beifall FDP, SSW, vereinzelt CDU und Bei- fall Volker Schnurrbusch [AfD])

Im Übrigen werden die Kollegen aus dem Kreis Pinneberg genau die gleichen Geschichten erzählen - da bin ich mir absolut sicher -, ebenso die Kollegen aus dem Kreis Steinburg, aus den Elbmarschen. Darum bauen wir die A 20, darum brauchen wir sie auch, denn wir machen mit der A 20 das Leben für die Menschen vor Ort - nicht nur für eine abstrakte Wirtschaft oder einen abstrakten Tourismussektor einfacher, bequemer und besser und ermöglichen ihnen damit neue Chancen vor Ort. Dafür bauen wir die A 20. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und AfD)

Für die Landesregierung hat der Minister Dr. Bernd Buchholz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist nach dieser Debatte, in der sich einige vergaloppiert haben, wichtig, für die Landesregierung noch mal eines klarzustellen: Diese Landesregierung setzt auf den Dialog mit den Naturschutzverbänden, denn das, was Sie gerade besprochen haben, ist richtig und wichtig. In einem permanenten Gegeneinander geht das nicht. Irgendwann muss man den Knoten dann zwar einmal durchschlagen, aber man muss sich auch zusammensetzen und vor allem gucken, dass die wechselseitigen Interessen auch tatsächlich Berücksichtigung finden.

Deshalb bin ich außerordentlich dankbar, Herr Kollege Arp, dass Sie das, was Sie da gesagt haben, zurückgenommen haben; denn ich erlebe in den Gesprächen, die ich führe, Naturschutzverbände, die durchaus auch an Lösungen interessiert sind, aber natürlich für die Ökologie das größtmögliche herausholen wollen und vor allem - das gilt es festzustellen - ihre nach dem Gesetz existierenden Rechte wahrnehmen und deshalb in einem Rechtsstaat das tun, was ihnen zusteht. Das ist ihnen in keiner Weise vorzuwerfen.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Wenn ich über Planungsbeschleunigung rede, rede ich übrigens nicht etwa über Verbandsklagen, sondern über ganz andere Sachen. Dann rede ich darüber, dass mit einer frühzeitigen Beteiligung und

dem darauffolgenden frühzeitigen Prozess irgendwann auch einmal eine Art Präklusion eintreten muss, mit der man sagt: Ab jetzt ist alles vorgebracht. Jetzt geht es aber auch weiter.

Wir planen derzeit in einer Situation, in der bis zum letzten Verhandlungstag alles Mögliche neu behauptet werden darf. Das führt zu Gerichtsverhandlungen, bei denen man in der Tat völlig überrascht ist, was plötzlich noch zwei Tage vorher mit Schriftsätzen an Themen „hochpoppt“, die dann in wissenschaftlicher Art in mündlicher Verhandlung vor Gericht behandelt werden sollen. Ich sage Ihnen: Das macht es für planende Behörden in der Tat schwierig.

Insoweit ist die eine Äußerung zurückgenommen worden. An anderer Stelle, Herr Kollege Stegner, muss ich wirklich sagen: Ich lasse mir bestimmte Dinge gern sagen, finde etwa den Begriff „Dampfplauderer“ charmant und mit Dampf zu plaudern positiv; damit kann man gut umgehen. Aber wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, ich hätte an irgendeiner Stelle die Unwahrheit gesagt, dann erwarte ich, dass Sie das belegen.

(Beifall FDP - Christopher Vogt [FDP]: Ganz richtig! - Zurufe SPD)

Ansonsten erwarte ich in der Tat, weil ich das für ehrenrührig halte, Ihre Entschuldigung. Sagen Sie an irgendeiner anderen Stelle - nach dem Motto -, diese Landesregierung habe mit dem Bericht nicht für Transparenz gesorgt, erwarte ich, dass sich irgendjemand aus Ihrer Fraktion hier hinstellt und sagt, wo es intransparent ist. Ich erwarte, dass nicht mit in den Raum geworfenen Sachen irgendetwas gemacht wird, das sich aus meiner Sicht weder zur Versachlichung der Debatte noch zu sonst etwas eignet. In dieser Weise, Herr Stegner, sind Sie ein stabilisierender Faktor für Jamaika. Das finde ich in Ordnung.

(Beifall und Heiterkeit FDP und CDU)

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Anmerkung zu dem machen, was zur Debatte eigentlich gar nicht dazugehört, hier aber am Rande eine Rolle spielt, nämlich zur Frage Fehmarnbelt, was da eigentlich gelaufen ist und gerade läuft. Meine Damen und Herren, mit dem Antrag, den SchleswigHolstein gestellt hat, haben wir etwas getan, um das Projekt Fehmarnbelt schlicht und ergreifend in derselben Weise wie jedes andere Projekt des vordringlichen Bedarfs im Bundesverkehrswegeplan behandeln zu lassen. Nur: Das ist das FehmarnbeltProjekt eben nicht, weil es durch einen Staatsvertrag einen Bedarf angemeldet hat. Deshalb ging es

bei diesem Projekt um die Eingangsinstanz im juristischen Prozess, um die Frage: Ist es das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes Gericht? Eine rechtliche Auseinandersetzung um den Fehmarnbelt vor einem Oberverwaltungsgericht wäre ein Treppenwitz. Das sah im Übrigen auch der Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes so und hat deshalb darum gebeten, dass es zu einer Klarstellung im Gesetz kommt. Die haben wir angeregt und beantragt, und das ist jetzt übrigens auch durch die beiden Koalitionsfraktionen in Berlin in einem Änderungsantrag aufgenommen worden.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein!)

Es gibt einen Änderungsantrag - schlicht und ergreifend -, der die Aufnahme in der Anlage im Allgemeinen Eisenbahngesetz und im Fernstraßengesetz beinhaltet. Das war am Dienstagnachmittag vielleicht ist das Ihr Stand, Frau Kollegin - in der ersten Fassung des Antrags von CDU und SPD noch nicht enthalten. In der abendlichen Neufassung war es dann aber drin, und das ist dann auch so vom Verkehrsausschuss beschlossen worden. Das ist jedenfalls der Stand, den ich habe.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Ehrlich gesagt: Alles andere wäre auch ein wirklicher Treppenwitz. Dass man dadurch, dass man das Projekt Fehmarnbelt den Projekten gleichstellt, die ansonsten im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans stehen, wie bei jeder Autobahn sofort eine erstinstanzliche Zuständigkeit beim Bundesverwaltungsgericht hat, ist richtig. Dass das beim Fehmarnbelt anders sein sollte, war nun wirklich nicht einzusehen.

Was in der Tat von der SPD-Fraktion in Berlin moniert worden ist, ist, dass die Aufnahme des Sofortvollzugs der Maßnahme dort nicht - wie bei anderen Projekten - ebenfalls drin steht. Das hat man ins Gesetz nicht mit aufgenommen. Es ist auch völlig in Ordnung, dass man das nicht aufgenommen hat, denn jeder weiß, dass bei einer Maßnahme wie dieser der Sofortvollzug sowieso niemals angeordnet wird,

(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

denn man hat eigentlich immer sofort die Vorwegnahme in der Sache. Dementsprechend ist das kein Problem für das Projekt insgesamt.