Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

Meine Damen und Herren, ich will abschließend lieber ein Beispiel für strukturelle Mehrausgaben geben, die wir aus Überzeugung beschlossen haben, die wir auch für dauerhaft finanzierbar halten, weil sie im Verhältnis zum Gesamthaushalt eine überschaubare Größe sind: das Schulgeld in Gesundheitsberufen. Wir haben beschlossen, dass in Schleswig-Holstein niemand mehr für diese Ausbildung Schulgeld zahlen soll. Das Land übernimmt die Schulgelder in Höhe von 3,3 Millionen € pro Ausbildungsjahr. Das ist gesellschaftlich geboten, längst überfällig und ein Beitrag gegen den Fachkräftemangel. Wir beseitigen eine Hürde, die möglicherweise viele von einer Ausbildung in diesem Bereich abgehalten hat. Auch das ist nachhaltig.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

So wie im Übrigen der gesamte Haushalt 2019: Er ist und bleibt strukturell ausgeglichen. Jamaika hat ein Bild von der Zukunft Schleswig-Holsteins. Wir haben Ideen und Visionen, die wir mit kühlem Kopf verfolgen. Das heißt: solide wirtschaften, mit Sorgfalt und gut durchdacht in die richtige Richtung investieren, vor allem in Bildung und Digitalisierung, gleichzeitig Vorsorge treffen und seinen Verpflichtungen nachkommen. All das erfüllt der Haushalt 2019. Deswegen bin ich stolz darauf, dass uns das gemeinsam gelungen ist. - Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in der Rednerliste fortfahren, begrüßen Sie mit mir gemeinsam auf der Besuchertribüne unsere ehemalige Kollegin Heike Franzen. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Dr. Ralf Stegner, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, das Motto Ihrer Regierungskoalition könnte von Erasmus von Rotterdam stammen, der gesagt hat:

„Findet sich niemand, dich zu loben, so lobe dich selbst.“

(Ministerpräsident Daniel Günther)

Davon haben wir in der Tat eine ganze Menge gehört. Ich will Ihnen auch ein bisschen Fremdlob spenden, wo Sie unsere Initiativen aufgegriffen haben, wie bei der Befreiung vom Schulgeld bei den Gesundheitsberufen

(Unruhe)

oder bei den Familienbildungsstätten. Wo Sie unsere Politik fortsetzen, finden wir das auch gut, wie bei den Lehrerstellen. Kritik haben wir da, wo die Wirklichkeit mit dem Bullerbü-Bild, das Sie von Schleswig-Holstein gezeichnet haben, nicht übereinstimmt. Wenn wir über gute Arbeit reden und Sie das Tariftreuegesetz abschaffen, wenn Sie Ihre vielen Wahlversprechen von der Windenergie bis zur A 20 hier korrigieren müssen und dieselbe Finanzministerin wie in der Küstenkoalition für das, was Sie machen, deutlich mehr Neuverschuldung braucht als wir mit unseren Anträgen, hat sich schon etwas geändert.

Herr Ministerpräsident, bei dem, was Sie zum Digitalpakt gesagt haben, will ich Ihnen beipflichten. Der Digitalpakt muss kommen. Den Bürgerinnen und Bürgern ist die Zuständigkeitsfrage ziemlich schnurz; sie bezahlen alles selbst, egal aus welchem Haushalt es kommt. Aber man muss das in einer Form machen, die die Unterschiede zwischen den reicheren und ärmeren Ländern nicht noch vertieft, und dafür sorgen, dass das Geld richtig ausgegeben und nicht dort gekürzt wird, wo das Geld vom Bund kommt. Dafür habe ich Verständnis, aber diese Form von Last-Minute-Verfassungsänderungstexten geht nicht. Das muss man ändern, und die Bürger erwarten, dass das rasch geschieht.

(Beifall SPD)

Was Sie zu Lübeck gesagt haben, ist schon ein bisschen komisch. Wir wollten die Professur woanders haben. Von „Uni Lübeck rasieren“ sollten nicht ausgerechnet Sie reden; das ist eine schwarz-gelbe Spezialität.

(Beifall SPD)

Das ist bei uns etwas anderes. Wir finden nur, die passt woanders besser. Lesen Sie einmal die Vorschläge von Professor Dunckel, dann wissen Sie, wie es mit der Digitalisierung richtig gehen kann.

Wenn man sich anschaut, was Sie in Ihrer Regierung so machen, will ich noch einmal zitieren, diesmal den britischen Konservativen George Braun, der gesagt hat:

„Fortschritt ist in der Politik manchmal nur das Gefühl, das man in einem stehenden Ei

senbahnzug hat, wenn nebenan ein anderer fährt.“

Dieses Bild passt wunderbar zu Ihrem JamaikaZug: ständig dröhnende Durchsagen auf dem Bahnsteig, aber tote Hose auf den Gleisen. Das ist das, was wir auch vom Wirtschaftsminister kennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann die Probleme des Haushalts nicht mit einem Schlag lösen. Das kann keine Landesregierung. Aber man müsste zumindest anfangen. Wir sind keine Opposition, die alles verspricht.

(Zuruf CDU: Nein, nein!)

Wir machen Vorschläge, die man nicht im ersten Jahr der Regierungsbeteiligung schon wieder einkassieren müsste, wie das bei Ihnen der Fall ist, Herr Ministerpräsident. Ich finde, Mut und Entschlossenheit müsste heißen, dass man in Anbetracht der finanziellen Situation auch ohne schwarzgrün-gelbes Ausbremsen und Klein-Klein zurechtkäme.

Wir haben das zum Beispiel in der letzten Tagung erlebt, als der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU in seinem Ärger über das eigene A-20-Scheitern wild gegen die Umweltverbände geholzt hat. Wir erleben es, wenn es um den Wolf geht. Wir erleben es, wenn Sie sich auf großer Bühne über Kieler Fahrverbote zoffen. Der Deutschen Umwelthilfe die Finanzierung zu kappen, ist wirklich nicht die Antwort auf die Probleme bei der Luftreinhaltung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Flemming Meyer [SSW])

Ökologie und Ökonomie zusammenzubringen, geht anders. Natürlich können auch wir zentrale Probleme des Landes nicht über Nacht lösen, aber wir zeigen mit unseren Vorschlägen, wie es aussehen würde, wenn man die Probleme zumindest angeht: Schritt für Schritt, Stufe für Stufe, solide, mit Verantwortung für unser Land und einem klaren Blick auf die Zukunft.

Ich will mich auf wenige Punkte beschränken, die uns besonders wichtig sind und wo deutlich wird, wo die Unterschiede zwischen uns liegen. Anfang der Woche habe ich ein Schreiben von einem Mieter aus Kiel bekommen. Wir kriegen viele solcher Schreiben. Der hat uns berichtet, dass nach jahrelanger Untätigkeit jetzt über vermeintliche Modernisierungen kräftig an der Kostenspirale gedreht wird, mit der Folge, dass eine kleine, einfache Einzimmerwohnung teurer, teurer und noch einmal teurer wird. Das hat dramatische Folgen, gerade für Menschen, die mit ihrem knappen Einkommen oder

(Dr. Ralf Stegner)

ihrer Rente ohnehin kaum über die Runden kommen. Die werden jetzt vor die Entscheidung gestellt, die Erhöhung irgendwie zu kompensieren oder anderswo etwas Besseres zu finden, was auf dem Markt gar nicht möglich ist. Eine Lösung schlechter als die andere.

Ich habe den Namen des Vermieters jetzt nicht genannt, aber Sie kennen den; wir hören solche Geschichte ja ziemlich oft. Man kann die Symptome bekämpfen; das wird in Teilen versucht, in der Bundesregierung mit einer Verschärfung der Mietpreisbremse. Das eigentliche Problem sind aber nicht die Symptome, sondern Immobiliengesellschaften, die versuchen, auch noch das letzte Prozent Rendite aus ihren Mietern herauszuquetschen, und nach jedem Schlupfloch, das wir schließen, ein neues aufmachen.

Deswegen hilft nur eines: Wir müssen den mieterfreundlichen Vermietern den Rücken stärken, den Vermietern, für die ihre Mieter nicht nur Renditeobjekt sind. Wir als SPD wollen die Kommunen dabei unterstützen, wieder eigene Wohnungsbestände aufzubauen und die Fehler der Vergangenheit rückgängig zu machen.

(Beifall SPD)

Kiel, Lübeck und andere Kommunen machen sich auf den Weg. Mittlerweile hat sogar das CSU-geführte Bundesinnenministerium erkannt, dass man da helfen muss. Allein Jamaika in Schleswig-Holstein will davon nichts hören. Wir wollen Genossenschaften stärken. Und ja: Wir wollen, dass das Land wieder selbst Akteur wird, und dafür eine Projektstudie in Auftrag geben. Während wir das tun, ist Ihre Koalition sich noch nicht einmal einig darüber, ob Wohnen ein Grundrecht ist. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

Statt dass es bloß bei Uneinigkeiten zwischen Ihren Fraktionen bliebe, kann man feststellen, dass ein und dieselbe Person das hier dialektisch darzustellen vermag. So zum Beispiel Herr Dr. Tietze, den ich gern einmal zitieren möchte. Er sagt einerseits: „Wohnen und Klimaschutz - beides muss gehen“, und fordert dann Wohnungsgesellschaften, bei denen Profit nicht an erster Stelle steht. Andererseits wird unsere Initiative zur Begrenzung der Maklergebühren mit den Worten ablehnt: Der Markt regelt alles von allein. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Markt regelt gar nichts von allein, außer Luxusimmobilien. Die werden genug gebaut. Wir wollen das ändern. Jamaika macht da nicht mit.

(Beifall SPD)

Zweites Beispiel: Während Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen klar die Weichen in Richtung Beitragsfreiheit stellen, das heißt die Familien und die Bürgerinnen und Bürger entlasten, isolieren Sie uns alle Jahr für Jahr mehr. Irgendwann kommt eine Beitragsgrenze, irgendeine Höhe wird sie haben und vielleicht irgendwem helfen - irgendwem, aber ganz sicher nicht den Eltern, die heute Kinder im Kindergartenalter haben. Für die haben Sie nicht nur keine Antwort, sondern teilweise geradezu Zynismus übrig, wenn ich richtig gehört habe, was die Kollegin von der FDP hier vorhin ausgeführt hat.

(Christopher Vogt [FDP]: Quatsch!)

Dabei sind für viele Familien die Beiträge schon heute kaum zu schultern. Die Beiträge steigen trotz Ihrer vollmundigen Ankündigungen mancherorts sogar - mit Verweis auf Ihre Kita-Politik. Wir zeigen, dass man in Schleswig-Holstein auch einen anderen Weg gehen kann und gehen muss: nicht über Nacht, nicht sofort, aber verantwortungsvoll und finanzierbar. Die Beitragsfreiheit in der Krippe ist schon heute realisierbar. Nicht mehr, aber auch nicht weniger wollen wir machen. Wir werden darüber namentlich abstimmen, damit Sie sich dazu äußern können.

(Beifall SPD - Zurufe CDU: Oh!)

Hören Sie mit dem Unfug auf zu sagen wir spielten das gegen die Qualität aus. Das tun wir nicht. Das Gute-Kita-Gesetz kommt im Bund auf unsere Initiative hin. Das soll den Weg Richtung Beitragsfreiheit eröffnen.

(Beifall SPD - Ole-Christopher Plambeck [CDU]: Aber nur bis 2022 und länger nicht!)

Das ist die Hilfe für Familien, die wir dringend brauchen.

Das nächste Thema ist: gute Arbeit für die Landesbeschäftigten. „Irgendwann in der Zukunft“, lautet auch da Ihre Antwort. Es ist geradezu ein Trauerspiel, was wir heute Morgen wieder vor dem Landeshaus live verfolgen durften.

Alle Welt redet vom Fachkräftemangel: Schauen Sie mal auf die Bewerbungszahlen; auch beim Land ist der längst angekommen. Und was machen Sie? Machen Sie den öffentlichen Dienst attraktiver im Vergleich zu den Nachbarländern? - Nein. Hier und da gibt es ein paar Zugeständnisse. Es war die Große Koalition - ich erinnere mich sehr genau -, die 2007 das Versprechen gegeben hat: Wenn die finanzielle Lage es wieder erlaubt, kriegen die Beschäftigten das Weihnachtsgeld zurück. Was ma

(Dr. Ralf Stegner)

chen Sie heute Morgen? Sie gehen hin und sagen, es sei leider nicht möglich, die Mittel dafür zu geben.

(Zuruf CDU)

Sie sollen gar keine neuen Versprechungen machen, sondern nur die alten einlösen, Herr Ministerpräsident. Das tun Sie nicht. Das unterscheidet Ihre Glaubwürdigkeit von der unseren.

(Beifall SPD)