Protokoll der Sitzung vom 14.12.2018

und nicht die Rendite von großen Unternehmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Hans-Jörn Arp [CDU])

Insofern glaube ich, dass es uns alle miteinander nicht weiterführt, wenn wir hier versuchen, den Rechtsrahmen, der im Moment besteht, willkürlich auszudehnen und auf diese Weise den Leuten Sand in die Augen zu streuen. Es ist blamabel, dass die Politik erst jetzt in die Gänge kommt.

Man kann über die Umwelthilfe denken, wie man will. Man kann vielleicht auch über die Art der Aussagen und der Argumentation denken, wie man will, aber die Umwelthilfe macht zunächst einmal nichts anderes, als das Recht der Leute einzuklagen,

die dort wohnen. Ich finde, es ist unanständig, jetzt zu sagen: Die können das Recht haben oder nicht, wir setzen einfach einmal willkürlich die Grenzwerte hoch oder versetzen die Messstation. Das ist nicht seriös, und das ist nicht die Art von Politik, die wir machen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, Hans-Jörn Arp [CDU] und Oliver Kumbartz- ky [FDP])

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst ein paar Worte zum Antragstext an den Antragsteller richten und mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem Antrag zitieren:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, zur Vermeidung von Fahrverboten … die Luftmessstation am Theodor-Heuss-Ring hinsichtlich ihrer korrekten Positionierung … überprüfen zu lassen.“

Kollegen von der AfD, nach Ihrem Verständnis reicht es also aus, einen Zollstock hinzuhalten, um direkt ein Fahrverbot zu vermeiden. Ihre Expertise in der Umwelt- und Verkehrspolitik haben Sie ja bereits mit der Pressemitteilung mit dem Titel „Wir haben nachgemessen: Messstation in Kiel steht falsch“ vom 21. November 2018 bewiesen. Herr Schnurrbusch, hierin verwiesen Sie darauf, dass das Gehäuse lediglich 19 cm vom Gebäude entfernt stehe. Das mag stimmen. Ich traue den Herren sogar zu, dass sie das Maßband richtig abgelesen haben. Es ist aber leider irrelevant. Entscheidend ist, wie der Lufteinlass positioniert ist. Dieser befindet sich nicht 19 cm vom Gebäude entfernt, sondern deutlich weiter, und zwar im Rahmen der EU-Vorgaben. Auch die Höhe entspricht der Vorgabe.

Herr Schnurrbusch, Sie haben gesagt, Sie haben meine Kleine Anfrage Drucksache 19/660 gelesen, die wir aufgrund der Pressemitteilung gestellt haben. In der Antwort hat das MELUND richtigerweise erklärt, dass die Vorgaben eingehalten werden. Dass die Messstationen nicht nach strengeren Kriterien aufgestellt werden können, ist eine andere Geschichte, aber sie ist dort in jedem Fall richtig positioniert, und das muss man akzeptieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

(Marlies Fritzen)

Der Wortlaut in Ihrem Antrag, dass die Messstation falsch oder regelwidrig stehe, ist faktisch nicht korrekt.

Ihre Presseerklärung schließt mit dem Satz, die AfD stehe für eine praxisorientierte Umwelt- und Verkehrspolitik mit Sachverstand. - Wo bleibt denn dieser Sachverstand, wenn Sie nicht einmal in der Lage sind, das Lineal an der richtigen Stelle und entsprechend der Vorgaben anzuhalten? Praxisorientierung? - Es ist ja löblich, dass Sie vor Ort nachgemessen haben. Praxisorientiert wäre es aber, das Lineal an der richtigen Stelle anzuhalten.

Praxisorientiert und mit Sachverstand ist es, wenn man den betroffenen Kommunen Förderungen an die Hand gibt, um beispielsweise mit baulichen und technischen Maßnahmen an Verkehrsschwerpunkten für Besserung zu sorgen und diese anzubieten.

Die Autohersteller stellen sich leider bisher überwiegend taub. Die Pkw-Bauer in die Pflicht zu nehmen, ist richtig. Jedoch rennt uns leider allen die Zeit davon. Die Bundesregierung und die Autohersteller palavern herum, während der als gemeinnützig anerkannte Verein Deutsche Umwelthilfe er wurde schon erwähnt - die Kommunen mit Klagen überzieht. Wir haben hier eine Zeitnot.

Deswegen müssen Politik und Verwaltung ein Stück weit auch mit Steuergeldern in Vorleistung gehen, um ein größeres Verkehrschaos zu verhindern. Deswegen nehmen wir auch die Diskussion in der Bevölkerung bezüglich etwaiger Dieselfahrverbote, der Messstationen und ihrer Positionierung sehr ernst. Die vom Bundesumweltministerium Ende November angekündigte erneute Überprüfung der Messstationen werden wir positiv begleiten. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass in SchleswigHolstein Messstellen regelwidrig stehen. Insofern werden wir uns etwas anderes einfallen lassen müssen, als so zu debattieren, dass wir diese woanders aufstellen. So erreichen wir die Verhinderung von Fahrverboten definitiv nicht. Die erneute Prüfung wird ergeben, was schon festgestellt wurde, nämlich dass die Dinger richtig stehen. Insofern müssen wir damit umgehen. Lösungsorientiert ist etwas anderes.

Eine weitere Problematik hat das Magazin „Der Spiegel“ am 1. Dezember 2018 im Zusammenhang mit den Messstationen angesprochen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Nobis?

Ja, wenn die Zeit angehalten wird.

Vielen Dank. - Sie sprachen von Lösungsorientierung. Wenn das stimmt, was Herr Koch neulich gesagt hat, könnte es dann nicht eine Lösung sein, dass wir einfach das deutsche Rechtswesen oder die deutsche Verordnung dazu ändern? Es gibt hier ja Parteien, die in Berlin an der Regierung beteiligt sind. Wäre es nicht möglich, dass man eine Veränderung vornimmt und sich dem EU-Recht anpasst, sodass wir in Deutschland nicht unbedingt strikter sein müssen, als es die EU eigentlich verlangt?

- Das klingt doch ganz charmant. Wieso haben Sie das nicht in einem Antrag formuliert? Wieso legen Sie uns dann einen Antrag vor, der so vollkommen falsch ist, wenn Sie vermeintlich bessere Ideen im Kopf haben? Ich würde mich also hinsetzen und das neu schreiben. Dann können wir noch einmal darüber debattieren.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Ich gebe ungern Tipps. Ich bin selbst noch nicht so lange im Landtag, so würde ich das an Ihrer Stelle machen, aber das müssen Sie wissen.

„Der Spiegel“ hat festgestellt, dass die meisten Messstationen in Deutschland für jeden Passanten völlig frei zugänglich sind. Aufgrund der enormen Tragweite für Umwelt, Gesundheit, Verkehr und Wirtschaft müsse sichergestellt werden, dass die Messstationen keinerlei krimineller Manipulation unterliegen können. Daher müssen wir bundesweit generell einen Blick darauf werfen, inwieweit dies gesichert ist.

Zum Thema Umwelt möchte ich noch etwas verdeutlichen: Originär haben die Stickoxidgrenzwerte nichts mit Umwelt zu tun, sondern es geht um Gesundheitsschutz. Wenn es dann die Forderung gibt und die besteht - sämtliche Dieselfahrzeuge auf Benzinfahrzeuge umzustellen, dann können wir unsere hohen Klimaschutzziele direkt an den Nagel hängen. Wir hatten gerade eine Demonstration von Jugendlichen hier vor Ort. Wenn wir die CO2-Bilanz verbessern und den CO2-Ausstoß verringern wollen, dann kommen wir zumindest in den nächsten paar Jahren leider nicht komplett um die sparsamen, effizienten Dieselfahrzeuge herum. Gerade in einem Flächenland, das Schleswig-Holstein nun einmal ist, können wir nicht sämtliche Mobilitätsbedarfe allein durch ÖPNV oder Schienenverkehr decken, denn im Umkreis von 3 bis 5 km zur Ar

(Dennys Bornhöft)

beitsstätte zu wohnen, ist für die meisten Berufstätigen nicht die Lebensrealität. Wir werden daher dauerhaft auf Individualverkehr angewiesen sein.

(Beifall FDP)

Die Pendlerin und der Pendler, die Erzieherin und der Erzieher, der Auszubildende, die Studentin, alle verlassen sich zu Recht darauf, dass wir aus Politik und Verwaltung sie nicht im Regen stehen lassen. Deswegen brauchen wir einen Luftreinhalteplan, der gerichtsfest ist. Ich bin ganz sicher, und ich habe Vertrauen in die Stadt Kiel und in das Umweltministerium, dass das klappt und wir nicht Zehntausenden von Menschen Umwege auferlegen müssen, um zur Arbeit, zum Studium, zur Kita oder zur eigenen Familie zu kommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Volker Schnurrbusch [AfD])

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich das Wort dem Abgeordneten Flemming-Meyer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Abgase machen krank. Luftverschmutzung setzt unseren Lungen zu und führt zu Atemwegserkrankungen. Stickoxide spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie sind verantwortlich für Husten und Atembeschwerden. Kindern, älteren Menschen und Asthmatikern drohen Bronchitis und dauerhafte Lungenschäden. Übersteigt die Konzentration 200 µg pro Kubikmeter in einer Stunde, sind Stickoxide sogar ein toxisches Gas, das Entzündungen der Atemwege auslöst, sagt die Weltgesundheitsorganisation. Wir müssen Stickoxidbelastungen senken, und zwar schnell und dauerhaft.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was wir tun, ist, über Messverfahren zu schimpfen und uns über uneinsichtige Autohersteller aufzuregen, und genau die profitieren von der Verschiebung des Fokus weg von der Gesundheitsgefährdung, die von Dieselabgasen ausgehen. Darum hat der SSW bereits in der letzten Debatte zu dem Thema nachdrücklich die Reduzierung der Stickoxidbelastung gefordert. Dazu müssen die Kohlekraftwerke vom Netz und Fahrzeuge umweltfreundlicher werden.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

In dieser Hinsicht haben wir durchaus Erfolge zu verzeichnen: Noch vor 20 Jahren waren fabrikneue Dieselmotoren die reinsten Dreckschleudern. Inzwischen schreibt die Euro-6-Norm vor, dass nicht mehr als 80 mg Stickoxide je Kilometer hinten rauskommen dürfen. Im Fahrbetrieb pusten die Turbomotoren mit Hochdruckeinspritzung aber mehr Schadstoffe in die Luft als große Lastwagen. Die Autohersteller haben getrickst und gelogen; sie haben Umweltfreundlichkeit nur in die Papiere geschrieben, und wir haben ihr das allzu gern geglaubt.

Es gibt nur eine Alternative, und die heißt Verkehrswende: weniger Kilometer mit Auto und Motorrad und mehr Kilometer mit der Bahn, zu Fuß und dem Fahrrad.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Tatsächlich haben wir die Innenstädte zu Autostädten gemacht. Alle anderen Verkehrsformen kommen erst an zweiter Stelle nach dem motorisierten Individualverkehr.

So geht es nicht weiter: Wir ersticken unsere Kinder in den Abgasen. Ich stelle hier einmal die steile These auf, dass auch bei EU-konformer Messtechnik in Kiel die Grenzwerte überschritten werden. So wenig wie ein Schwein vom Wiegen fett wird, verschwindet die Abgasbelastung durch eine neue Messstation mit größerem Abstand zur Fahrbahn und höherer Anbringung.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Abgase bleiben. Menschen und Tiere, Bäume und Sträucher atmen sie ein. Aktuell explodieren die Zulassungszahlen von abgasintensiven SUVs. Elektroautos bleiben ein Liebhaberobjekt, sodass die Abgaswerte weiter hoch bleiben.

Aber wir reden über 50 cm Abstand der Luftmessstation am Theodor-Heuss-Ring. Wir tun das, weil die Daten nach der EU-Logik nur eine mögliche Konsequenz haben: Fahrverbote. Fahrverbote sind quasi die Notbremse unseres Verkehrssystems. In Hamburg führen sie zu erhöhten Abgasemissionen, weil die Umwege längere Strecken erfordern. Darum sind Fahrverbote falsch. Wir brauchen eine dauerhafte Senkung der Abgase.

Die Grüne Welle würde helfen, weil sie die Standzeiten verringert. Auch ein Tempolimit würde den

(Dennys Bornhöft)

Ausstoß von Abgasen senken. Ein dichteres und günstiges ÖPNV-Angebot würde den Pendlern den Umstieg auf den Bus schmackhaft machen und damit die Luftbelastung verringern. Breite Fahrradwege, gut ausgeleuchtet und ohne parkende Autos, sind nötig, damit mehr Menschen das Auto stehen lassen. Pendlerstreifen, die nur Autos benutzen dürfen, in denen mehr als eine Person sitzt, reduzieren effektiv den Schadstoffausstoß.

Nachhaltige Luftreinhaltung ist möglich, auch und gerade auf kommunaler Ebene. Darum müsste der Antrag heißen: Fahrverbote vermeiden - Verkehrswende einleiten. Nur so wird ein Schuh daraus. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht, das Wort.