Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Für uns als SSW ist es kein Bürokratieaufwand, wenn wir uns für sichere und faire Löhne einsetzen. Es ist kein Bürokratieaufwand, wenn wir als Gesetzgeber dafür sorgen, dass Menschen bei uns im Land, die für uns die Arbeit machen, mit vernünftigen Löhnen nach Hause gehen und davon auch leben können. Es geht hier um die Einhaltung von tariflich vereinbarten Löhnen, und es geht um einen Mindestlohn, der sich an dem Grundentgelt der untersten Entgeltgruppe des öffentlichen Dienstes der Länder orientiert. Es sind also wirklich keine Fantasielöhne, von denen wir hier reden.

(Beifall SSW und SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lukas Kilian?

Ich habe zwar gerade erst angefangen, aber ja.

Lukas Kilian (CDU): Na ja, das mag sein. Ich habe an Sie eine Frage, die ich vorhin auch gern an den Kollegen Hölck gerichtet hätte; aber er wollte ja nicht.

Auch Sie sprechen von Lohndumping und von fairen Löhnen, von denen man leben können muss. Ist Ihnen bekannt, dass der Vergabemindestlohn, den Sie selbst im geltenden Vergaberecht festgelegt haben, der höchste in Deutschland ist?

- Trotzdem rede ich davon, dass wir Löhne brauchen, von denen man leben kann. Was spricht dagegen?

(Beifall SSW und SPD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es! - Lukas Kilian [CDU]: Das war die Antwort?)

(Wortmeldung Dr. Andreas Tietze [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Nein, jetzt möchte ich gern weitermachen.

(Zurufe CDU: Ah ja!)

Ein weiterer Punkt, der für uns eine wichtige Rolle spielt, betrifft die Arbeitsplatzsicherung. Konkret wollen wir, dass die Beschäftigten im Bereich des ÖPNV und des SPNV künftig verbindlich von einem neuen Anbieter übernommen werden. Das bisherige Gesetz lässt den Kommunen und Kreisen hier freie Hand, weil dies nicht verpflichtend vorgeschrieben ist.

Was das bedeutet, erleben wir derzeit im Kreis Schleswig-Flensburg. Dort hat es zu Beginn des Jahres einen Betreiberwechsel im ÖPNV gegeben. Die Angestellten der alten Unternehmen wurden dort nicht übernommen. Das ist eine Katastrophe für diese Menschen, weil ihre Existenz gefährdet wird. Wer aufgrund einer Ausschreibung seinen tariflich bezahlten Job verlieren kann, der ist nicht einmal kreditwürdig. Er ist nicht von seiner Arbeitsleistung abhängig, sondern nur von äußeren Umständen, die er selbst nicht zu vertreten hat. Für einen abhängig beschäftigten Menschen ist das wirklich unzumutbar.

(Beifall SSW und SPD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es!)

Das hat aber auch zur Folge, dass der öffentliche Nahverkehr durch den neuen Betreiber nicht ordentlich gewährleistet wird. Konkret heißt das: Die Fahrer haben keine Ortskenntnisse. Das führt dazu, dass die Busse an falschen Haltestellen halten. Schüler werden an falschen Haltestellen rausgelassen. Strecken werden nicht regelmäßig bedient. Teilweise sprechen die Fahrer kein Deutsch. Oder Service-Hotlines sind nur ungenügend besetzt. Diese Zustände sind ganz einfach unzumutbar. Das ist allein die Konsequenz dessen, dass wir im geltenden Gesetz keine Verpflichtung zur Übernahme des alten Personals haben.

(Beifall SSW und SPD)

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir das ändern. Ein solches Chaos wollen wir verhindern; denn das blüht auch anderen Kreisen, die bei einem Betreiberwechsel das bisherige Personal nicht übernehmen. Die nächste Vergabe steht im Kreis Segeberg an. Meines Wissens hat es der Aufgabenträger dort bislang versäumt, die Personalübernahme anzuordnen.

Ein abschließender Kritikpunkt, den wir auch aus der Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung mitnehmen, zielt darauf ab, dass künftig soziale, gleichstellungs- und umweltbezogene Aspek

(Flemming Meyer)

te bei der Vergabe nicht mehr verpflichtend sein sollen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum letzten Satz!

Okay. - Dann muss ich sagen: Wer das Vergabegesetz dahin gehend modernisieren möchte, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist, sozial gerecht ist und Umweltstandards verbindlich fordert, der muss dem Entwurf des SSW zustimmen. Daher bitte ich um gesonderte Abstimmung über unseren Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf. - Jo tak.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Wolfgang Baasch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kilian hat sich hier mit Vehemenz für die deutschen Unternehmen eingesetzt und so getan, als würden Kinderarbeit und Zwangsarbeit zwar noch überall auf der Welt eine Rolle spielen, allerdings nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland. Das reizt mich schon.

Es wäre eigentlich schlau, wenn Sie, Herr Kollege Kilian, vielleicht ab und an mal lesen, was Ihre eigenen Parteifreunde sagen. Bundesentwicklungsminister Müller gehört zwar der CSU an, dürfte Ihnen aber nicht ganz fern sein. Er hat beispielsweise in einem Interview für „Die Welt“ am 6. Dezember 2018 gesagt:

„Deutsche Unternehmen sollen menschenrechtliche Standards … einhalten.“

Er fordert dies nicht nur, sondern begründet es auch in seinem Interview.

(Zuruf SPD: Hört, hört!)

Mit seinen Initiativen für Afrika hat er deutlich gemacht, wie die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ländern in Afrika und der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise der Europäischen Union insgesamt gestaltet werden können.

Viel interessanter ist allerdings: Er ermahnt nicht nur die Unternehmen, nein, er ermahnt sogar die gesamte Gesellschaft; denn er stellt fest, dass der Lebensstandard in Deutschland zu oft durch Kinderarbeit ermöglicht wird. Die logische Schlussfol

gerung dieser Feststellung ist doch, dass alle Gesetze, egal ob vom Land oder Bund, daraufhin überprüft werden, dass sie nicht zu Kinderarbeit und Zwangsarbeit beitragen, ganz im Gegenteil.

(Beifall SPD und SSW)

Wir müssen uns darum bemühen, Kinderarbeit und Zwangsarbeit aktiv zu bekämpfen! Das ist mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz möglich, indem wir darin ausschließen, dass kommunale Unternehmen, kommunale Gebietskörperschaften oder Landesunternehmen in ihren Ausschreibungen auf Angebote hereinfallen, die nicht klar definiert sind, die Kinderarbeit und Zwangsarbeit versteckt zulassen.

Wir sagen: Genau deswegen muss das stärker überprüft werden. Das ist kein bürokratisches Hindernis, sondern das ist unsere Verpflichtung; denn wir wollen Kinder- und Zwangsarbeit aktiv bekämpfen.

(Beifall SPD und SSW)

Ich finde, Sie sind in Ihrer Argumentation viel zu dünn, viel zu nachlässig. Ich kann mich nur wiederholen: Das Tariftreue- und Vergabegesetz sollte entsprechende Regelungen - aktives Handeln - aufnehmen.

Das Tariftreue- und Vergabegesetz sollte nicht nur die berühmte Mittelstandsfreundlichkeit aufnehmen. In Schleswig-Holstein stellen mittelständische Unternehmen die Masse der Unternehmen dar. Es ist richtig, dass man sich um diese kümmert, dass man die Arbeitsplätze und Wirtschaftsstruktur in Schleswig-Holstein aufrechterhält; das ist klar. Das wollen wir auch stärken. Allerdings ist auch deutlich: Selbst im kleinsten mittelständischen Unternehmen -

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zu Ende.

- letzter Satz - geht es darum, einen sozialen Ausgleich zu schaffen. Dies gelingt nur mit den Beschäftigten. Das weiß auch der beste Unternehmer. Er setzt auch darauf, dass es einen Ausgleich zwischen dem Unternehmen und den Arbeitnehmern gibt.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Kathrin Wagner-Bockey.

(Flemming Meyer)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kilian, beim Hören Ihrer Rede habe ich kurz überlegt, ob Sie die Funktion des Tariftreue- und Vergabegesetzes richtig verstanden haben. Ihr Verständnis von einem guten Tariftreueund Vergabegesetz spricht Bände. Wenn Sie das alles auf einen Vergabemindestlohn von 9,99 € herunterbrechen, finde ich, haben Sie die Latte an dieser Stelle deutlich gerissen.

(Beifall SPD)

Landespolitik trägt an den Stellen, an denen sie es kann, Verantwortung für die globalen Entwicklungen auf dieser Welt. Tariftreue ist ein Teil davon, ein wichtiger Teil, aber auch nur ein Teil von mehreren.

Sie von der Koalition reden von vergabefremden Kriterien, die in diesem Gesetz eigentlich fast nichts zu suchen haben: von Aspekten für die Umwelt, von fairen Arbeitsbedingungen, vom Verbot von Kinderarbeit und von fairem Handel. Sie tun so, als würde Sie das überhaupt nichts angehen.

Ich möchte gern folgendes Beispiel bringen: Die Stadt Geesthacht ist vor Kurzem als Fair-TradeTown ausgezeichnet worden, als Stadt, die sich für fairen Handel und einen Ausgleich in der Welt engagiert. Die Probleme vor Ort lassen sich jedoch nicht auf Schokolade und Kaffee begrenzen; aber fair gehandelte Schokolade und fair gehandelter Kaffee sind ein erster Schritt, das können die Kommunen direkt beeinflussen.

Die Probleme liegen darin, dass die Kommunen bei Ausschreibungen in Konkurrenz zu anderen Kommunen treten. Faire Löhne, fairer Handel und umweltökologische und soziale Umweltbedingungen wollen wir in den Ausschreibungen selbstverständlich berücksichtigen. Es wäre jedoch wichtig gewesen - so war es in der Vergangenheit; und wir wollen das auch für die Zukunft -, dass dies allen Kommunen ermöglicht wird, indem diese Kriterien zu einem verpflichtenden Standard werden.

(Beifall SPD und SSW)