Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Meine Damen und Herren, wir sehen ja: Die Beteiligung an Ausschreibungen ist extrem zurückgegangen. Das hat natürlich mit dem anhaltenden Boom vor allem im Bausektor zu tun; das hat aber auch damit zu tun, dass es für viele Unternehmen einfach zu kompliziert und nicht attraktiv genug ist. Holstein Kiel, besser gesagt: die Stadt Kiel, kann für den Neubau einer Tribüne kein Unternehmen finden. Das ist nur eines der prominentesten Beispiele, das wir zur Kenntnis nehmen müssen.

Wenn man sich die Änderungsanträge der Opposition anschaut, dann bleibt nicht mehr viel übrig. Sie reden vor allem über das Thema der vorgeschriebenen Übernahme von Beschäftigten im Unterschwel

(Rasmus Andresen)

lenbereich, der hier geregelt wird. Die spannende Frage, Herr Kollege Baasch, ist: Warum haben Sie das eigentlich nicht bereits geregelt? Der Kollege Andresen hat ja bereits angedeutet, dass es an einem SPD-Minister lag. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Herr Meyer und Herr Breitner bei der Anhörung damals überhaupt nicht von dem Vergabegesetz begeistert waren. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es wahrscheinlich an Herrn Meyer lag. Deshalb sollte die SPD doch einmal erklären, wer das denn damals konkret verhindert hat. Sie hatten doch fünf Jahre Zeit, das hineinzuschreiben, was Sie hier fordern. Das ist das einzig Konkrete, was Sie hier bemängeln. Ansonsten können Sie nicht sagen, warum sich die Situation der Arbeitnehmer mit dem neuen Gesetz verschlechtern soll.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Kollege Harms und Herr Kollege Meyer, vielleicht erzählen Sie uns das ja noch einmal. Das wäre ganz spannend.

Zu der Polemik auch des Gewerkschaftsbundes ist schon vieles gesagt worden. Wer hier meint, wir würden Kinder- oder Zwangsarbeit fördern, der verabschiedet sich wirklich aus einem sachlichen Diskurs, den man noch ernst nehmen kann. Ich würde mich freuen, wenn man da wieder zu mehr Sachlichkeit und Konstruktivität zurückkehren könnte. Das wäre, glaube ich, gut auch für die weiteren Debatten, die wir hier noch zu führen haben.

(Beifall FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, in den Koalitionsverhandlungen gab es in der Tat Punkte, bei denen man sich schneller und leichter hat einigen können. Trotzdem haben wir uns auch damit sehr konstruktiv und sachlich auseinandergesetzt. Ich bin auch insbesondere den Grünen dankbar dafür, dass wir genauer nachgeschaut haben, worum es eigentlich geht und wir dort zu einer guten Lösung gekommen sind.

Ich bin mir sicher: Die Vergabestellen im Land werden sehr gut mit diesem Gesetz umgehen. Ich muss auch ganz ehrlich sagen: Die Unterstellung, dass unsere mittelständischen Betriebe in SchleswigHolstein alle von schlechten Menschen geführt werden, ist ein Wirtschaftsbild, das ich ablehne und das auch nicht zutrifft. Ich glaube, wir sollten auch mit unserer Wirtschaft verantwortungsvoller umgehen, als Sie das in dieser Debatte getan haben. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die AfD-Fraktion hatte sich bereits in der Plenardebatte im September für den Gesetzentwurf der Landesregierung ausgesprochen, weil er zu einer Stärkung des Mittelstandes in Schleswig-Holstein beitragen wird. Der Mittelstand bildet das Fundament unserer gesamten Wirtschaft und muss dringend von einer überbordenden Bürokratie entlastet werden.

(Beifall AfD)

Der immer dichter werdende Bürokratiedschungel stellt neben stetig steigenden Energiekosten die größte Einschränkung für kleinere und mittelständische Betriebe dar. Über den Fachkräftemangel werden wir ja heute noch gesondert sprechen.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung verschlankt das Vergaberecht, weil er weitgehend auf deklaratorische Regelungen verzichtet und auf die bestehenden Verfahrensregeln von VOB und Unterschwellenvergabeordnung verweist. Bei der ausführlichen Anhörung hoben sowohl der Bund der Steuerzahler als auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft genau diese Bereiche positiv hervor.

Auch die vorgesehene Regelung, als eignungsbezogene Unterlagen von den Unternehmen im Vergabeverfahren grundsätzlich nur Eigenerklärungen zu verlangen, ist positiv bewertet worden. Hier verweisen wir besonders auf die Stellungnahme des Handwerksverbandes.

Genau diese Stimmen, meine Damen und Herren, sollten für uns besonderes Gewicht haben, da wir uns hier im Landtag ja auch auf anderen Ebenen Stichwort: Meistergründungsprämie - um die Stärkung der Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein bemühen.

Die Art und Weise, wie die SPD jetzt Fundamentalopposition betreibt, muss nicht nur überraschen, sondern regelrecht befremden. Die kurzfristig eingereichten Änderungsanträge haben das simple Ziel, am bisherigen Tariftreue- und Vergabegesetz festzuhalten. Wie originell!

Warum ignoriert die SPD die Einwände des Handwerksverbandes, nach denen die Mehrzahl der Vergabestellen in Schleswig-Holstein eine Benachteiligung kleiner Unternehmen durch das bisherige Ver

(Christopher Vogt)

gaberecht bestätigt hat? Warum meint die SPD, sich über die Kritik der angehörten Unternehmer aus dem UV Nord hinwegsetzen zu können, die in ihrer Mehrheit geäußert haben, die vergaberechtlichen Anforderungen des alten TTG nicht mehr bewältigen zu können? Stattdessen war in der jüngsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses aus den Reihen der SPD zu hören, dass man - Achtung! - nicht dem Mittelstand verpflichtet sei

(Zurufe SPD: Nicht nur!)

- da haben alle erst einmal aufgehorcht -, sondern „den Bürgern und gesellschaftlichen Gruppen“. Unter „Bürgern“ verstehen wir von der AfD auch Mittelständler. Da gibt es für uns überhaupt keine Trennung.

(Beifall AfD)

Zu „gesellschaftlichen Gruppen“ erklärte auf Nachfrage die Kollegin im Ausschuss zum Beispiel die Schüler, die die Schule schwänzen, um freitags für den Klimaschutz zu protestieren. Wenn das die Linie der SPD ist, braucht sie sich wahrhaftig nicht zu wundern, dass sie nicht nur bei den Arbeitnehmern keinen Rückhalt mehr hat - die kommen nämlich zu uns -, sondern auch bei den kleinen und mittleren Unternehmen.

Wir setzen uns für die Leistungsträger in der Gesellschaft ein, nicht für Schulschwänzer. Das nur einmal in diese Richtung!

(Beifall AfD und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])

Lieber Herr Hölck, wer kleine und mittlere Unternehmer pauschal mit „den Reichen“ gleichsetzt, zeigt, dass er die Wirklichkeit offenbar völlig verkennt. Die Unternehmer, die ich kenne, sind fleißig und schaffen Wohlstand, sind aber nicht reich. Wenn sie reich sind, dann ist das deren Verdienst, deren eigener Verdienst.

(Beifall AfD)

Die SPD macht eine Front auf zwischen den Interessen der mittelständischen Wirtschaft und denen der beschäftigten Arbeitnehmer. Das tut mir wirklich in der Seele weh; denn sie sollten zusammenhalten und nicht gegeneinander aufgehetzt werden. Mit dieser Steinzeitideologie macht die SPD deutlich, wie rückwärtsgewandt diese Partei heute ist.

(Beifall AfD)

Ein starres Festhalten an der bisherigen Rechtslage liegt nicht im Interesse des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein, auch nicht im Interesse der Ar

beitnehmer. Deshalb können wir es nur unterstützen, dass die Neufassung des Vergaberechts jetzt und hier von den vernünftigen Kräften in der Politik auf den Weg gebracht wird. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Mit der heutigen abschließenden Lesung und Abstimmung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Vergaberechts verabschiedet Schleswig-Holstein sich von seinem bisherigen Tariftreue- und Vergabegesetz.

(Lukas Kilian [CDU]: Das ist richtig!)

Ich muss sagen: Für uns als SSW ist dies kein schöner Tag.

(Beifall SSW und SPD)

Denn wir hatten seinerzeit das Tariftreuegesetz für Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht. Aber es geht hierbei ja nicht um uns. Es geht um die Menschen, die unmittelbar von diesem Gesetz betroffen sind. Wir befürchten, dass mit dem Gesetzentwurf, wie ihn die Landesregierung vorgelegt hat, der Schutz der Arbeitnehmer gefährdet ist.

Auch wenn ich gerade eben gehört habe, es sei ein Argument für die Mottenkiste, so meine ich doch weiterhin, dass dieses Gesetz die Gefahr von Lohndumping in sich birgt. Damit bringt es unsere kleinen und mittleren Betriebe in Gefahr. Das kann doch nicht gewollt sein!

(Beifall SSW und SPD)

Aus diesem Grund haben wir als SSW unmittelbar nach der ersten Lesung einen Änderungsantrag eingebracht. Und es war richtig, dieses Verfahren zu wählen, um noch einmal deutlich auf den Irrweg hinzuweisen, den die Jamaika-Koalition hier geht.

In der Anhörung wurde deutlich, dass unsere Kritik an dem Gesetzentwurf der Landesregierung berechtigt ist.

(Lukas Kilian [CDU]: Was? Wo waren Sie?)

Dort waren es gerade die arbeitnehmernahen Verbände und Organisationen, die in dem Gesetzentwurf der Landesregierung eine erhebliche Verschlechterung für die Beschäftigten sahen, die von Vergaben betroffen sind. Auf der anderen Seite kam

(Volker Schnurrbusch)

von den wirtschaftsnahen Verbänden das Lob, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung angeblich einen Bürokratieabbau darstelle. Wir haben es hier also mit zwei Aspekten zu tun, die gegeneinander abzuwägen sind: auf der einen Seite faire und gute Löhne für die Beschäftigten, auf der anderen Seite Bürokratieaufwand. - Dazu kann ich nur sagen: Nicht alles, was Arbeit macht, ist Bürokratie.

(Beifall SSW und SPD)

Für uns als SSW ist es kein Bürokratieaufwand, wenn wir uns für sichere und faire Löhne einsetzen. Es ist kein Bürokratieaufwand, wenn wir als Gesetzgeber dafür sorgen, dass Menschen bei uns im Land, die für uns die Arbeit machen, mit vernünftigen Löhnen nach Hause gehen und davon auch leben können. Es geht hier um die Einhaltung von tariflich vereinbarten Löhnen, und es geht um einen Mindestlohn, der sich an dem Grundentgelt der untersten Entgeltgruppe des öffentlichen Dienstes der Länder orientiert. Es sind also wirklich keine Fantasielöhne, von denen wir hier reden.