Ich freue mich, dass bis zu Ihnen durchgedrungen ist, dass es die Schülerinnen und Schüler selbst sind, die eine schnelle und verständliche Rückmeldung über ihre Leistungen haben möchten, und dass genau diese in Noten stattfinden kann. Aber wir halten Ihren Antrag leider nicht für zielführend, weil er den Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf einfach nicht gerecht wird,
denn nach der aktuellen Zeugnisverordnung gelten für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf grundsätzlich die gleichen Bestimmungen wie für die restliche Schülerschaft sofern sie zielgleich unterrichtet werden. Das heißt, es besteht der allgemeine Leistungsanspruch.
Anders ist es bei einem zieldifferenten Unterricht für Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf; denn dieser stützt sich auf einen maß
geschneiderten Förderkatalog. Eine Bewertung des erlernten Unterrichtsstoffes kann und darf sich in diesem Fall ausschließlich an dem individuellen Lern- und Leistungsvermögen orientieren und kann daher gar nicht in eine vergleichbare Leistungsbewertung münden.
Ein Beispiel: Wenn einer 100 m läuft, der andere 50 m und der Dritte 110 m Hürden, aber nur die Zielzeit als Bewertungskriterium relevant wird was bedeutet das? Eine Eins? Eine Goldmedaille?
Eine Notenvergabe mündet im besten Fall in fehlenden Vergleichbarkeit und im schlimmsten Fall in völlige Demotivierung der Schülerinnen und Schüler, die sich ungerecht behandelt fühlen.
Kurzum, wir können keine Notengabe verlangen, wenn wir keine einheitlichen Bewertungskriterien als Maßstab vorgeben.
Insbesondere Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen und geistige Entwicklung profitieren vom zieldifferenten Unterricht. Die Ergebnisse dieses Unterrichts sind einzig und allein in gutachterlicher Berichtsform darzustellen. Alles andere - ich betone es noch einmal - würde dem Kind nicht gerecht werden.
Menschen sind unterschiedlich. Schulische Inklusion heißt, Kinder und Jugendliche in ihrer Unterschiedlichkeit anzunehmen, zu stärken, zu fördern und zu fordern. Das sollte sich in den Zeugnissen der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch widerspiegeln. Somit wird an irgendeiner Stelle das Zeugnis immer ein Hinweis auf die Besonderheit eines zieldifferenten Unterrichts sein müssen. Da können Sie machen, was Sie wollen. Die unterschiedliche Befähigung eines Menschen wird immer Auswirkungen auf die berufliche Ausbildungssituation haben.
Auch das muss nicht negativ sein, wie Sie es mantraartig vor sich hertragen. Es bietet dem potenziellen Arbeitgeber eine gute Einschätzung, wie sich der bewerbende Jugendliche in den Betriebsablauf integrieren lässt, wie der berufliche Werdegang gestaltbar ist. Noch einmal: Nichts ist enttäuschender, und zwar für beide Seiten, als wenn unter falschen Voraussetzungen Erwartungen nicht erfüllt werden können.
Wir werden über Ihren Antrag im Ausschuss diskutieren. Wir werden dann auch noch einmal über die kombinierte Zeugnisform diskutieren. Diese bedeutet, dass die Kinder genau dann, wenn sie zielgleich unterrichtet werden, in bestimmten Fällen und in bestimmten Fächern eine Note erhalten können und dass sie für die zieldifferent unterrichteten Fächer auch die Beurteilung in Berichtsform bekommen. Schauen Sie in die ZVO! Ich habe leider nicht genügend Zeit, die Passage vorzulesen. Dort sind genau diese Regelungen ausgeführt. Das mag für die betroffenen Lehrer eine Herausforderung sein. Für die Schülerinnen und Schüler wird es eine gerechte Beurteilung sein. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall FDP und CDU - Beate Raudies [SPD]: Vor einer Stunde haben wir hier über Inklusion debattiert!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! In der Tat: Eine Partei, die über Jahre, nein, über Jahrzehnte Ziffernnoten systematisch wahlweise als unpädagogisch, ungerecht, autoritär oder überkommen diffamiert hat, beantragt, dass künftig auch wieder Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Notenzeugnisse erhalten.
- Ja, regen Sie sich nur auf! - Gleichzeitig hält die CDU dagegen. Sie hat sich im Großen und Ganzen über Jahre zu den Vorteilen der Ziffernnoten klar bekannt und lässt für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf allein Berichts- und/oder Ankreuzzeugnisse gelten. - Das führt uns nicht weiter. Es ist ein wenig wie verkehrte Welt. Aber egal!
Diese Vorteile sollten für alle Schüler gelten. Noten sind für Schüler - übrigens auch für Eltern und Großeltern - eindeutig. Ohne Wenn und Aber werden erbrachte Leistungen als sehr gut, gut oder, am anderen Ende, eben auch als mangelhaft oder ungenügend bewertet. Noten sind ehrlich. Sie spiegeln
Es ist übrigens Blödsinn: Eine Zeugnisnote ist nicht punktuell auf einen Zeitpunkt bezogen. Aber Schwamm drüber!
Noten sind vergleichbar. Sie zeigen dem einzelnen Schüler, wie er sich individuell entwickelt hat, ob er also im Vergleich zu der Arbeit davor besser oder schlechter geworden ist.
Vergleichbarkeit heißt natürlich auch: Die Schüler erfahren durch Noten, wo sie im Vergleich zu ihren Mitschülern stehen. An dieser Stelle gebe ich der Argumentation von Frau Röttger recht: Die Schüler, die nach individuellen Förderplänen oder Lernzielen unterrichtet werden und bis vor Kurzem noch individualisierte Noten erhalten haben, können in der Tat ihre Noten nicht mit denen ihrer Mitschüler oder Klassenkameraden vergleichen. Es gilt ein anderer Bezugsrahmen. Wenn wir diesen Schülern allein wegen dieser einen Ausnahme aber generell eine Notenbewertung verweigern, dann geht das an der Realität vorbei und wirkt in der Tat ausgrenzend. Das habe ich in x Jahren als Sonderschullehrer erlebt. Als im letzten Sommer die Änderung kam, riefen mich enttäuschte Eltern an und berichteten mir das.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die müssen schon sehr enttäuscht gewesen sein, dass sie Sie an- gerufen haben!)
- Ja, die waren sehr enttäuscht und haben sich auch immer an mich gewandt. Damit kann ich Ihnen zeigen, was für einen Einfluss ich hatte.
Dabei sind Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf durchaus eben auch solche wie alle anderen. Sie wollen eine ehrliche und eindeutige Rückmeldung haben. Sie wollen - vor allem, wenn sie integrativ beschult werden - nicht anders behandelt werden als ihre Mitschüler. Sie haben überhaupt kein Problem damit zu wissen, dass ihre Noten natürlich nicht mit denen ihrer Klassenkameraden vergleichbar sind. Die Mitschüler haben übrigens auch kein Problem. Sie wissen und akzeptieren, dass Schüler X anders unterrichtet und anders bewertet wird als die große Mehrheit.
Deswegen noch einmal in aller Deutlichkeit - das sage ich auch aus der Erfahrung von vielen Kollegen, die mich angerufen haben -: Schüler, die keine Noten bekommen, empfinden dies in der Tat als Ausgrenzung, als Sonderstellung. Das ist inakzeptabel und gehört abgestellt.
So sehr ich also dem SPD-Antrag in diesem Punkt beipflichte, so sehr benenne ich einen anderen Punkt der Begründung als schlicht falsch und unsachlich: Es ist nämlich - anders als von der SPD behauptet - auch für Schüler ohne Ziffernnoten möglich, ohne Weiteres an beruflichen Schulen den ESA, also den Hauptschulabschluss, zu erwerben; das macht in der Praxis überhaupt keinen Unterschied.
Weil dem so ist - Frau Strehlau, wo sind Sie? -, haben wir einen Alternativantrag eingereicht, der sich in erster Linie hierin vom Ursprungsantrag unterscheidet.
Nochmals kurz zu den soeben vorgebrachten Gegenargumenten: Frau Röttger, Sie sprachen von der Vergleichbarkeit der Noten. Wir wissen aber, dass gerade an den Gemeinschaftsschulen nach unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben und Niveaus Noten vergeben werden. Die Möglichkeit, ergänzend einen individuellen Maßstab auch für einzelne Schüler anzulegen, wird das Notensystem nicht gänzlich ad absurdum führen.
Die von Ihnen doch so vehement verteidigten Berichtszeugnisse sind in der Tat gut und richtig, weil sie passgenau sind. Sie zeigen detailliert und passgenau Entwicklungsfortschritte auf; diese würden im Zuge einer Benotung, wenn dort ein Stern dran ist, nicht wegfallen.
Wenn Noten also eindeutig, ehrlich und vergleichbar sind, dann hat eine solche Rückmeldung auch etwas mit Respekt vor den Schülern zu tun. Darauf haben unseres Erachtens alle Schüler Anspruch, auch wenn es im Bereich der Vergleichbarkeit bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einzelnen Schwerpunkten mit Sicherheit Einschränkungen gibt.
Ich bitte Sie deshalb darum, auch unseren Alternativantrag in den Bildungsausschuss zu überweisen. Die Vorteile der Noten 1 bis 6 sollen künftig wieder von allen Schülern genutzt werden können. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, bitte ich Sie noch einmal, solange Sie sich im Plenarsaal befinden, sich nicht laut und bilateral zu unterhalten, sondern den Leuten, die hier vorn am Rednerpult stehen, zuzu
hören. Wenn Sie dringende Gespräche führen müssen, machen Sie das bitte außerhalb des Plenarsaals. Das gilt im Übrigen für alle, ganz egal, ob man hier Abgeordneter im Parlament oder Teil der Regierung ist. Auch die Regierungsbank ist in diesem Haus so zu organisieren, dass sie den Menschen, die hier vorn das Wort von mir erteilt bekommen haben, zuzuhören hat.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch Gespräche mit Eltern wurde mir einmal mehr klar, was die Bildungsministerin mit der neuen Landesverordnung über die abweichende Gestaltung der Zeugnisse für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf angerichtet hat. Diese Verordnung wird als Diskriminierung erlebt.
Die Eltern sind entsetzt darüber, wie mit ihren Kindern umgegangen wird. Für sie benachteiligt ein Abschlusszeugnis ohne Noten eine einzelne Gruppe von Schülerinnen und Schülern. Die Eltern gehen davon aus, dass bei Bewerbungsverfahren Bewerbungen von vornherein keine Chance haben, weil sie aus der Reihe tanzen. Personalchefs und Ausbilder würden die Berichtszeugnisse erst gar nicht lesen, sondern gleich zur Seite legen und aussortieren. Diese Sorgen nehme ich sehr ernst, denn diese Eltern neigen wirklich nicht zum Alarmismus, schließlich kennen sie sich mit Diskriminierungsverfahren sehr gut aus.
Gerade darum müssen wir zur alten Regelung zurück. Wir ersparen damit den Schülerinnen und Schülern eine Erfahrung des unnötigen Sonderwegs. Noten sind nämlich nicht des Teufels - das hat der SSW auch nie behauptet -, sondern sie dampfen die Leistungen mehrerer Monate auf eine Ziffer ein. Das ist vor allem für den Schulstart ein gewöhnungsbedürftiges Verfahren. Darum sind wir gegen Noten in der Grundschule. Noten sollen anspornen und orientieren; ohne Gespräche mit den Lehrkräften bleiben sie aber auch nach der Grundschule dürre Nummern ohne Aussagekraft.