Protokoll der Sitzung vom 13.02.2019

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich noch gut an 2011 zurückerinnern, wie wir das damalige Glücksspielgesetz der schwarz-gelben Koalition beraten haben. Es ist kein Geheimnis, dass wir als SSW ebenso wie die Grünen damals eine sehr kritische Haltung hatten, eine kritische Haltung deshalb, weil wir gern einen gemeinsamen Weg auf Bundesebene gehen wollten, weil wir nicht wussten, ob dieses Gesetz wirklich europarechtskonform ist. Damals wussten wir es nicht. Deswegen waren wir sehr kritisch und haben gesagt: Lasst uns noch weiter verhandeln. - Das war der Grundtenor der Debatte.

Ich finde aber - und das ist für mich immer noch ganz wichtig -, dass man, wenn man Politik macht und eines Besseren belehrt wird, dann auch gern sagen kann, dass das ein Fehler war. Ich kann Ihnen sagen: Die Einschätzung von uns war fehlerhaft, weil 2014 festgestellt wurde, dass das damalige Gesetz durchaus europarechtskonform war. Das muss man einfach zugestehen, das war also eine falsche Annahme unsererseits. Der Wunsch, auf Bundes

(Claus Schaffer)

ebene zu einer einheitlichen Regelung zu kommen, der ist bis heute nicht erfüllt. Seit 2011 bis ins Jahr 2019 haben wir es nicht geschafft, irgendwie eine bundeseinheitliche Regelung für sämtliche Glücksspiele hinzubekommen. Das muss man einfach feststellen, das war also eine Fehleinschätzung des SSW, die ich hier gern zugebe, und die uns dazu gebracht hat, darüber nachzudenken, was denn die Zukunft bringen soll.

(Beifall SSW, CDU und FDP)

Zweiter Punkt. Ich glaube, man muss dann auch so ehrlich sein, sich einmal auch aus der Retrospektive anzuschauen, welche Entscheidungen wir als Küstenkoalition getroffen haben. Ich kann sagen: Wir haben nur gute Entscheidungen getroffen - bis auf eine, nämlich dem Glücksspielstaatsvertrag wieder beizutreten. Das ist ein Grund, warum wir heute dieses Problem wieder haben, dass diejenigen Unternehmen mit Lizenzen, die sich rechtskonform und spielerschützend verhalten haben und hier Steuern und Abgaben bezahlt haben, das jetzt möglicherweise - zumindest in naher Zukunft - erst einmal nicht mehr tun können.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Das war definitiv verkehrt, das war nicht klug. Ich finde, das kann man als Politiker zugeben, wenn man so etwas mitgetragen hat.

(Beifall SSW, CDU, FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben das mitgetragen, nicht mit großer Begeisterung, damals schon nicht, aber es ist eben so geschehen. Was müssen wir also jetzt tun? Es ist ja der Kern. Wir können uns natürlich jetzt hinstellen und sagen: Wir machen gar nichts. Das ist ja das, was der Kollege Stegner auch vorschlägt.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich glaube aber nicht, dass das klug ist. Wenn man sich das einmal anschaut: Ich habe mich auch mit den Unternehmen unterhalten. Die sagen jetzt wirklich: Wir möchten die Spiele unter den Bedingungen und mit den rechtlichen Restriktionen, wie sie in der Vergangenheit gegolten haben, erst einmal weiterfahren - in der Hoffnung, dass dann irgendwann doch die Politik dazu kommt, das Spiel wieder zu legalisieren. - Ich finde, das ist erst einmal ein nobler Schritt, denn die könnten auch sagen: Wir hauen gleich ab in die Karibik und „Freie Bahn mit Marzipan“. Das tun die zum Glück nicht, das finde ich erst einmal fair.

Aber anstatt das jetzt zu kritisieren und zu sagen: „Das ist alles Käse, das ist alles doof!“, wie die SPD das macht, finde ich, können wir froh sein, dass wir anscheinend Unternehmen jetzt so - so sage ich das einmal - geschult oder erzogen haben, dass das Ganze vernünftig vonstattengehen kann. Ich glaube nicht, dass Anbieter von Malta oder Gibraltar und in Zukunft, wenn der Brexit vollzogen ist, auch von London aus, die dort nichts an Restriktionen haben, sich so nett verhalten werden wie die Unternehmen, die in der Vergangenheit unserer Gesetzgebung unterlagen. Auch das muss man sich vor Augen halten: Ich glaube nicht, dass das gut ist.

Wenn wir wirklich Ihrem Vorschlag folgen, Herr Stegner, kein legales Spiel zuzulassen, sondern grundsätzlich alles zu verbieten, dann bedeutet das: Wir haben keinen Einfluss auf den Spielerschutz. Wir können nichts festschreiben, sondern die tun und lassen, was sie wollen.

Wir haben keinen Schutz vor Geldwäsche. Sie können tun und lassen, was sie wollen. Wir können Unternehmen wie PayPal nicht vorschreiben, dass sie ihre Daten offenzulegen haben gegenüber uns, was wir in der Vergangenheit mit den Lizenzen immer konnten.

Wir haben keinen Einfluss auf die Spielarten, die angeboten werden, also zum Beispiel auf ganz kurzfristige Ereigniswetten: „Kommt der Eckball innerhalb der nächsten 30 Sekunden, ja oder nein?“ - Da kann man klicken. Das wäre dann möglich. Das ist auch in einigen Ländern möglich. Ich finde nicht, dass es klug ist, das zuzulassen, weil das auch die Suchtgefahr schürt.

Wir werden keine Steuereinnahmen haben. Auch SPD-Ministerpräsidenten freuen sich ja darüber, dass sie die Kohle aus den 1,5 Milliarden € einsacken können, die da generiert werden. Wir werden auch keine Abgaben für soziale Zwecke bekommen. Auch davon wird inzwischen etwas bezahlt; ich werde gleich näher darauf eingehen.

Wer wirklich fordert, dass alles verboten werden muss und es gar kein legales Glücksspiel in diesem Land geben darf, der ist für mich in der Tat das, was Sie gesagt haben, Herr Stegner: Der ist marktradikal, der ist neoliberal oder weiß der Himmel was. So würden Sie es ausdrücken. In dem Fall sind Sie es dann, denn Sie unterstützen genau die Unternehmen, die hier illegal tätig sind, und Illegalität muss verhindert werden.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

(Lars Harms)

Meine Damen und Herren, deswegen brauchen wir legales Spiel, wir brauchen Regelungen zum Spielerschutz, die wir jetzt im Glücksspielstaatsvertrag leider nur für eine eingegrenzte Spielart haben, nämlich im Regelfall nur für Sportwetten und für Lotto und nicht für Online-Casino. Wir brauchen Jugendschutz, damit Minderjährige wirklich nicht spielen können. Das garantieren die in Gibraltar nicht, aber die Unternehmen, die unseren Lizenzen unterliegen, haben das garantiert. Wir müssen natürlich auch Regelungen zur Art der Spiele treffen und auch Selbstsperren ermöglichen. Das gibt es in den meisten Portalen nicht, dass man sich selbst sperren kann. Auch das ist eine politische Aufgabe, die wir zu erfüllen haben: Wenn man selbst sieht oder Institutionen sehen, dass jemand suchtkrank ist, muss der gesperrt werden können. Das ist eine politische Aufgabe, die wir alle haben. Wenn wir die nicht erfüllen, können wir gleich zu Hause bleiben.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Ich gebe ehrlich zu - das soll aber nicht der Hauptpunkt sein -: Da werden Steuereinnahmen generiert. Wenn wir das nicht legalisieren, gehen diese Einnahmen direkt in die Unternehmen irgendwo in der Karibik, irgendwo auf Gibraltar, aber nicht zu uns. Ich finde, wir haben ein eigenes Interesse, diese Einnahmen zu generieren.

Wenn ich einmal von den Steuereinnahmen weggehe, sehe ich auch die Abgaben. Wenn man sich einmal den Glücksspielstaatsvertrag beziehungsweise die Ausführungsgesetze ansieht, kann man sehen, dass wir Sport dadurch fördern, dass wir Kultur dadurch fördern, dass wir Verbraucherinsolvenzberatung dadurch fördern, dass wir die Feuerwehr dadurch fördern, dass wir Forschung zu Suchtgefahren dadurch ermöglichen und dass wir auch Beratungsstellen zur Glücksspielsucht dadurch finanzieren. Diese Finanzierungsbasis würde dann wegfallen - das muss man wissen -, man müsste die Kohle dann anders generieren.

Ob wir das hinkriegen, weiß kein Mensch, weil wir nicht wissen, ob wir in Zukunft noch so gute Steuereinnahmen haben werden. Wir wissen aber, dass der Spielbereich ein prosperierender Bereich ist; da wird immer Geld generiert werden. Deswegen ist es vernünftig, hier Abgaben zu erheben, die zweckgebunden für soziale, kulturelle und sportliche Zwecke ausgegeben werden. Ich finde, das ist gut so.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Natürlich hat der SSW immer die Macke zu sagen: In Dänemark ist alles besser - außer der Wildschweinzaun, der ist nicht so prickelnd.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Die Steuersätze! - Weitere Zurufe)

- Die Flüchtlingspolitik ist auch nicht immer das Gelbe vom Ei. - Wenn man sich einmal anguckt, was dort im Glücksspielbereich gemacht worden ist, wie befriedet der Bereich ist und wie entspannt man damit umgeht, dann kann man sagen: Das muss ganz gut gelaufen sein, das funktioniert. 90 % des Spiels in Dänemark in legale Bahnen zu bringen, ist gut, das ist ein Erfolg.

Bei uns sind derzeit 100 % des Spiels nicht legal. Das ist doch Käse; es kann doch nicht Ziel der Politik sein, Dinge zu fördern, die nicht legal sind. Genau das tun wir, wenn wir darauf verzichten, eine Regelung zu schaffen.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wenn wir einen Glücksspielstaatsvertrag für alle Arten - der Kollege Vogt hat gerade vorgelesen, was wir vor einiger Zeit, einem halben Jahr, beschlossen haben

(Christopher Vogt [FDP]: Eineinhalb Jahre!)

nicht hinbekommen, dann müssen wir mit anderen Ländern einen eigenen Weg gehen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Mit Hessen und NordrheinWestfalen gibt es durchaus Länder; es gibt noch zwei, drei andere Länder, die darüber nachdenken; es gibt auch sozialdemokratisch geführte Länder, die gern wollten, wenn sie denn dürften. Wer weiß, was da noch alles zustande kommt.

Ich glaube, wir müssen das machen. Ich sage hier aber auch ganz deutlich: Selbst wenn es uns nicht gelingt, eine Einigkeit mit den Ländern zu erzielen, die das Glücksspiel legalisieren wollen, wäre es zum Schutz der Spieler, zur Unterstützung der sozialen Einrichtungen, der kulturellen Einrichtungen, der Sporteinrichtungen auch gerechtfertigt, zur Regulierung des Spiels einen Alleingang zu machen. Diese Lehre haben wir gelernt; es ist besser, Dinge zu regeln, als Dinge ungeregelt zu lassen. Denn etwas ungeregelt zu lassen, führt nur dazu, dass Menschen darunter zu leiden haben, und wir wollen nicht, dass Menschen unter irgendetwas zu leiden haben, sondern wir wollen, dass das Glücksspiel reguliert wird. Vor dem Hintergrund sind wir guter Dinge, dass wir das noch in diesem Jahr geregelt kriegen.

(Lars Harms)

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns in diesem Saal wiederholt ausführlich über den Glücksspielstaatsvertrag unterhalten. Für mich als Fachminister hat sich an der grundlegenden Stoßrichtung der Thematik nichts geändert, im Gegenteil: Der gesamte unkontrollierte Markt ist in den Jahren 2014 bis 2017 um 80 % gewachsen, gemessen am Bruttospielertrag. Inzwischen betragen die Spieleinsätze in diesem Bereich 50 Milliarden €. Die Entwicklung bestätigt, wie sinnvoll und wichtig Kontrolle ist.

Deshalb wiederhole ich - daran hat sich nichts geändert -, dass für mich die Ziele der Glücksspielregulierung im Fokus stehen. Das Wichtigste ist, dass wir dem Glücksspiel klare Regeln geben, diese Regeln streng kontrollieren und sie auch durchsetzen, um insbesondere Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten. Glücksspiel soll ordnungsgemäß, fair, verantwortlich und transparent durchgeführt werden. Die Spieler sollen vor betrügerischen Machenschaften geschützt werden. Damit verbundene Folge- und Begleitkriminalität sollen abgewehrt werden.

Der Spielbetrieb soll kanalisiert und in geordnete, überwachte Bahnen gelenkt werden. Ziel des Glücksspielstaatsvertrags ist außerdem, den ungesetzlichen Markt einzudämmen und den legalen entgeltlichen Spielkonsum auf einen angemessenen Umfang zu beschränken, um insbesondere Suchtrisiken vorzubeugen. Wir stehen zu den Schutzzielen des Glücksspielstaatsvertrags, ohne Wenn und Aber.

(Beifall CDU und Lars Harms [SSW])

Das sind die entscheidenden Ziele, und die wollen wir erreichen. Wir haben einen Landtagsbeschluss vom September 2017 - vorhin wiederholt zitiert -, um das Glücksspielrecht europarechtskonform auszugestalten. Der Beschluss des Landtags gibt uns auch die regulatorische Gleichbehandlung von Online-Sportwetten einerseits sowie Online-Casinound Online-Pokerspielen andererseits vor. Damit ist die Frage, wohin die Landesregierung mit den Än

derungen will, relativ leicht beantwortet: hin zu mehr Spielerschutz, hin zu mehr Suchtprävention und Suchtbekämpfung, hin zu Transparenz und zur Kriminalitätsbekämpfung, und zwar in Form einer zukunftsfähigen und rechtssicheren Glücksspielregulierung.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Natürlich ist die entscheidende Frage: Welche Form der Glücksspielregulierung ist geeignet, diese Ziele zu erreichen? Ich will Ihnen anhand des Bruttospielertrags im Bereich Online-Casino und Online-Poker kurz zeigen, dass Totalverbote wenig helfen, und zwar deshalb, weil immer noch damit argumentiert wird, dass nur der Vollzug des Totalverbots des Internetglücksspiels gestärkt werden müsste und das Phänomen dann beseitigt wäre. Ich glaube nicht, dass das eintritt. Dieser Argumentation treten wir als Fachministerium entschieden entgegen.

Der Jahresreport 2017 der Glücksspielaufsichtsbehörden - Sie können das im Internet bei der Gemeinsamen Geschäftsstelle der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder einsehen - weist für das Jahr 2017 einen Bruttospielertrag von 1,76 Milliarden € aus. Im Vergleich zu den Zahlen von September 2017 ist das ein Anstieg um 595 Millionen €. Das ist ein Zuwachs von über 50 %. Schaut man sich die Entwicklung seit dem Jahr 2013 an, hat sich der Bruttospielertrag fast verdreifacht. Das sind die Zahlen des nicht regulierten Schwarzmarkts.

Bei all dem wissen wir nicht, ob die Spieler womöglich unter 18 sind, ob die Spiele in der Laufzeit begrenzt sind, ob es den berühmten „reality check“ nach einer Stunde Spieldauer gibt.

Wir wissen nicht, wo und wie diese Transaktionen abgewickelt werden. Wir können in diesem Segment keine einzige Transaktion kontrollieren. Wir können nicht prüfen: Spielt da etwa der 14-Jährige mit der Kreditkarte der Eltern, oder kauft er oder sie sich eine Prepaidkarte an der Tankstelle? - Das prüft niemand. Niemand kontrolliert derzeit in diesem Segment.

(Beifall CDU und FDP)