Aber ich frage Sie schon, was uns daran hindert wir machen ja auch ganz andere Bundesratsinitiativen - zu sagen: Wir wünschen nicht, dass Kinder und Jugendliche in Abschiebehaft kommen. Also nehmen wir das aus der Ermächtigungsgrundlage des Bundesgesetzes heraus und kämpfen dafür, dass Entsprechendes passiert. Was hindert Sie daran, uns zu folgen und dem Antrag zuzustimmen?
Herr Dr. Stegner, weil es um die Sache geht und weil wir uns im Großen und Ganzen sogar einig sind - das haben Sie eben auch noch einmal festgestellt -, möchte ich Folgendes sagen:
Natürlich ist der Koalitionsantrag ein Kompromiss. Ich muss Ihnen ja nicht erklären, wie man Politik macht und wie man im Zweifel auch Kompromisse schmiedet. Aber nun sind wir an dieser Stelle, die nun wirklich kein Thema ist, um groß darüber Späße zu machen oder sonst etwas. Vielmehr ist das ein sehr ernsthaftes Thema. Vielleicht kriegen wir es ja am Ende der Debatte hin festzustellen, dass wir uns im Kern doch eigentlich einig sind. Wir wollen das nicht, wir wollen auf Bundesebene entsprechend tätig werden, aber wir wollen zuvor auch gute Argumente
Sie wollen nun eine namentliche Abstimmung durchführen lassen; man kann sich auch darüber streiten, ob es zum Ziel führt, wenn man eine namentliche Abstimmung durchführt. Was wollen Sie damit erreichen, Frau Midyatli? Das können Sie natürlich gerne machen. Aber wenn Sie sachorientiert sind, dann muss ich Sie fragen, was Sie denn eigentlich daran hindert, unserem Antrag beizutreten, damit wir nach außen dokumentieren, dass es eine große Mehrheit in diesem Haus gibt, ernsthaft an einer Lösung zu arbeiten, um bundesweit voranzugehen? Was hindert Sie daran? Das habe ich nicht verstanden.
- Ich glaube, Herr Kollege Vogt, der Kompromiss, den Sie so nennen, besteht darin, die Sache zu vertagen und zu verschieben. Sie sind im Übrigen dabei, ein Gesetz zu machen. Das wird ja noch schwierig genug. Die Anhörung war für die Regierungskoalition nicht schmeichelhaft, wenn ich das einmal ganz freundlich sagen darf. Die Rückmeldungen fast aller Beteiligten zu Ihrem Gesetzentwurf waren verheerend. Sie brauchen also noch ein Weilchen.
Was hindert Sie denn daran, nur den einen Punkt, der doch unser gemeinsamer politischer Wille - außer dieser Rechtspopulisten dort drüben - ist, dass wir auf keinen Fall haben wollen, dass Kinder und Jugendliche in Haft kommen, den Antrag jetzt zu stellen, damit sich der Bundesrat auf den Weg macht, das zu beschließen? Was hindert Sie daran? Wir wollen damit nicht länger warten; denn uns ist extrem wichtig, dass das nicht passiert. Ich halte es, ehrlich gesagt, für eine Katastrophe, dass Menschen, die nichts verbrochen haben, in Abschiebehaft kommen können, Kinder und Jugendliche schon gar nicht. Das darf nicht sein. Warum sollen wir dann noch prüfen und warten und evaluieren? Lasst uns das als den politischen Willen jedenfalls der demokratischen Mehrheit dieses Hauses heute nach Berlin geben!
Ich glaube jedoch, Sie sollten das bitte korrigieren. Dann sollten wir wieder in die Sachdebatte eintreten. Ich habe ja viel Verständnis.
Wir haben schon in weiß Gott trivialeren Angelegenheiten namentliche Abstimmungen gemacht. Ich finde es wirklich wichtig, dass wir hier nicht mit taktischen Finessen herauskommen.
Wir konzedieren Ihnen das mit dem Landesgesetz, dass Sie das prüfen und meinen, Sie müssten das machen. Okay, das muss man akzeptieren. Sie haben die Mehrheit. Aber wenn ich Ihnen glauben soll - das will ich gerne tun -, dann finde ich schon, dass Sie alles Mögliche unternehmen sollten, um zu verhindern, dass es diese Ermächtigungsgrundlage weiterhin gibt, selbst dann, wenn wir heute nicht in allen Punkten übereinstimmen.
Stimmen Sie doch unserem Antrag heute zu! Ich möchte heute als Fazit der Debatte ungern haben, dass Sie zwar im Prinzip dafür sind, aber konkret dagegen sind, weil wir uns nicht einigen können. Das ist keine wahrhaftige Politik, sondern das ist Schaufensterpolitik. Zu tun, was man richtig findet, das kann man durch Abschiebung erledigen.
Einem Missverständnis will ich auch noch begegnen, weil vorhin gesagt wurde, wir würden hier politisch argumentieren. Mit Verlaub, wir sind hier in einem Parlament; da muss man politisch argumentieren. Ich bin jedenfalls gewöhnt, dass man versucht, mit politischen Argumenten zu arbeiten. Ich werbe dafür, dass Sie uns folgen. Was verlieren Sie eigentlich, wenn wir heute an den Bundesrat den Antrag richten, diese Ermächtigungsgrundlage aufzuheben? Was verlieren Sie eigentlich? Das würde ich von Ihnen gern wissen.
Herr Dr. Stegner, wir wollen das wirklich gegenseitig abwägen. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass das ein Kompromiss ist. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern können. Wenn man Regierungsverantwortung hat, dann prägt man manches durch Kompromisse mit. Auf Bundesebene machen Sie dies an ein, zwei Stellen ja auch. Aber wenn Sie wirklich meinen, wir müssten jetzt eine Bundesratsinitiative starten, können Sie mir dann als stellvertretender Vorsitzender der SPD garantieren, dass alle SPD-mitregierten Länder dem dann auch zustimmen werden? Können Sie uns dies heute garantieren? Das würde ich gerne einmal von Ihnen wissen. Ich bezweifle das.
- Ich versuche zu verstehen, wo der Kompromiss bei Ihnen liegt. Da Vertreter aller drei Regierungsfraktionen gesagt haben, sie seien strikt dagegen, dass Kinder und Jugendliche in Haft kommen können, kann es ja keinen Kompromiss geben, den politischen Willen zu äußern, dass man das nicht will. Wo soll da der Kompromiss liegen?
Der Kompromiss kann doch nur im Verfahren liegen. Außerdem kann ich Ihnen nur sagen, dass ich mit aller Kraft dafür kämpfe, dass andere meinen Argumenten folgen. Das tue ich auch in meiner Partei, und das macht mich nicht immer beliebt. Aber in Überzeugungsfragen tue ich das. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nicht zulassen dürfen, dass es Ermächtigungsgrundlagen in Deutschland gibt, wonach Kinder und Jugendliche in Haft kommen.
Sie sind eingeladen, uns darin zu folgen. Wir möchten darüber gerne namentlich abstimmen. Ich würde es sehr bedauern, wenn Sie dem nicht folgen könnten. Ich würde es sehr schade finden, wenn die Menschen, die das draußen verfolgen, den Eindruck gewännen, dass wir, wenn alle hier betonen, dass wir etwas nicht wollen, nicht die Kraft haben, das gemeinsam zum Ausdruck zu bringen. Deshalb appelliere ich an Sie ganz herzlich, sich zu überlegen, was Sie verlieren, wenn wir eine solche Bundesratsinitiative starten.
Deswegen will ich die Frage auch gerne beantworten. Wir verlieren die Chance, mit unserer Initiative erfolgreich zu sein. Sie hätten diese Initiative unter eigener Regierungsverantwortung während der vergangenen fünf Jahre starten können. Das haben Sie aber nicht getan.
Jetzt sprechen wir darüber, ob wir diese Initiative vielleicht in den nächsten zwei Monaten gründlich vorbereiten. Wann nämlich wird unsere Abschiebehafteinrichtung in Schleswig-Holstein frühestens eröffnen, Herr Dr. Stegner? - Im Jahr 2020, sage ich einmal. Das heißt, bis dahin haben wir noch gar keine Abschiebehafteinrichtung. Bis dahin kommt es also auch gar nicht zu dem Fall, den Sie zu Recht - befürchten. Deswegen: Diese zwei Monate schaden überhaupt nicht. Diese zwei Monate sollten wir uns deswegen auch nehmen. Das ist ein sinnvoller Weg, den wir hier vorschlagen, weil er die größtmöglichen Erfolgsaussichten hat und nicht einfach ein Schnellschuss ist.
Noch einmal: Das ist das, was wir verlieren. Deswegen wäre es klüger, wenn Sie sich unserer Initiative anschließen würden.
gungen gibt zu verteidigen, dass es eine Rechtsgrundlage für die Abschiebehaft von Kindern und Jugendlichen gibt. Ich nehme das nicht wahr. Das ist kein Thema, bei dem ich wahrnehmen würde, dass uns Leute auffordern: Lasst das bloß, bitte, als Rechtsgrundlage! Deswegen weiß ich nicht, wie so eine Bundesratsinitiative ausgehen würde.
Im Übrigen glaube ich, dass sie in jedem Fall unschädlich ist. Sie ist zum Beispiel unschädlich, wenn unsere Rechtsauffassung stimmt, dass es dessen gar nicht bedarf. Denn die Fragen des Kollegen Dolgner im Ausschuss sind ja eindeutig beantwortet worden, und zwar von ganz vielen Experten. Dessen bedarf es also gar nicht. Dann haben wir aber auch kein Risiko dabei, es zu tun.
Zum Zweiten sind Sie immer noch in der Lage, bei dem Gesetz, das Sie selbst vorlegen, diesen Paragrafen herauszulassen oder ihn anders zu formulieren. Das können Sie alles immer noch tun; das wird durch eine solche Bundesratsinitiative alles nicht beeinflusst.
Wenn ich den Eindruck hätte, dass es nicht nur Verlegenheit und schlechtes Gewissen ist sowie mangelnder Wille, sich zu verständigen, dann wären wir ja bereit, beide Anträge zu überweisen und zu sagen: Wenn Sie uns zusichern, dass wir das innerhalb der nächsten zwei Tagungen hier zur Abstimmung bringen, wenn beides überwiesen wird, dann stimmen wir noch einmal gemeinschaftlich ab oder namentlich. Dann würde ich das tun.
Aber mein Eindruck ist nicht, dass Ihnen das hilft. Wenn Sie sagen, Sie brauchen länger, um das alles zu prüfen, weil Sie die Bundesratsinitiative qualitativ irgendwie besonders gut machen wollen, denn entspricht das nicht meinem Eindruck.