Protokoll der Sitzung vom 14.02.2019

Aber mein Eindruck ist nicht, dass Ihnen das hilft. Wenn Sie sagen, Sie brauchen länger, um das alles zu prüfen, weil Sie die Bundesratsinitiative qualitativ irgendwie besonders gut machen wollen, denn entspricht das nicht meinem Eindruck.

Es gibt also heute zwei Möglichkeiten für uns: Entweder wir beantragen gemeinschaftlich, beide Anträge zu überweisen, wenn Sie zusagen, dies in vernünftiger Zeit - also bis zur übernächsten Plenartagung; das wäre, finde ich ein vernünftiger Zeitraum - hier wieder auf den Tisch zu bringen, und wir verständigen uns darauf - wenn wir uns dann nicht geeinigt haben, dann wiederholen wir den Antrag und lassen darüber namentlich abstimmen -, oder aber das wäre die andere Möglichkeit - wir machen das heute.

Ich kann wirklich nur sagen: Ich würde es bei einer solchen Frage nicht gern sehen, dass wir eine „Wirtun-so-als-ob-Politik“ machen. Entweder machen wir das richtig, oder wir machen es gar nicht. Unser politischer Wille ist, dies auszuschließen, und zwar

(Dr. Ralf Stegner)

mit all den rechtlichen Möglichkeiten, die wir haben.

(Beifall SPD)

Insofern müssten Sie sich jetzt entscheiden, wie Sie damit umgehen wollen. Wenn Sie dies nicht wünschen, dann stimmen wir darüber heute ab. Aber es sollte nicht der Eindruck stehen bleiben, dass nun diejenigen gewonnen haben, denen wir das gerade nicht wünschen. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass die demokratischen Parteien nicht in der Lage sind, wenn sie eine Sache gemeinschaftlich wollen, dies vernünftig auf den Weg zu bringen. Das würde ich sehr schade finden. Meine Fraktion bedauert das sehr.

(Zuruf CDU: Ja! - Zuruf SPD: Und dann ma- chen wir eine namentliche Abstimmung!)

Wir haben Ihnen alle möglichen Brücken gebaut.

Herr Dr. Stegner, danke schön. - Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Lars Harms.

(Zurufe - Unruhe - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Wer spaltet hier? Genau!)

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit noch nutzen, weil die Kollegin Ostmeier gerade aus dem Ausschuss berichtet hat. Ich muss da anscheinend irgendetwas Fürchterliches gesagt haben. Wenn das so ist, dann will ich das mit Bedauern zurücknehmen und mich, sollte dies geschehen sein, dafür entschuldigen, damit wir auch weiterhin ein gutes Verhältnis haben.

Aber, meine Damen und Herren, ich habe mich auch deshalb zu Wort gemeldet, um unser Abstimmungsverhalten zu erklären. Vielleicht trägt ja auch das ein bisschen zur Beruhigung bei. Wir machen uns immer noch darüber Gedanken - tatsächlich, inhaltlich -, welche Gestaltung dieses Paragrafen sinnvoll sein könnte oder ob er nicht sogar gestrichen werden sollte.

Ich will Ihnen einmal zwei, drei Beispiele nennen, wo es durchaus auch passieren könnte, dass eine Möglichkeit - - Wie gesagt, wir stehen nicht unbedingt auf Abschiebehaft. Aber es geht auch um eine Möglichkeit, Kinder unterbringen zu können - um es einmal so zu formulieren -, die vielleicht sinnvoll sein könnte.

Das könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Bundespolizei jemanden - natürlich auf gerichtliche Entscheidung hin - dort unterbringen lässt; dann haben wir es nämlich nicht selbst in der Hand. Wenn wir dann keine Einrichtung haben, in der es eine adäquate Unterbringungsmöglichkeit für Menschen gibt, die von hier kommen oder hier leben, dann müssen diese Menschen in ein anderes Bundesland, möglicherweise weiter entfernt, verbracht werden. Das kann durchaus eine Belastung für eine Familie sein.

Das ist aber noch nicht der Hauptkern. Das ist nur ein Nebeneffekt. Es könnte ja auch sein, dass es, wenn wir selbst dies nicht vorhalten, aber Familien dort untergebracht werden sollen, beispielsweise zu folgender Situation kommt: Der Vater wird dort untergebracht und womöglich auch die Mutter, aber die Kinder werden dann von der Familie getrennt, so lange, bis sie gemeinsam abgeschoben werden. Ich glaube, auch das ist nicht unbedingt etwas, was dem Kindeswohl dient.

Deswegen sind wir als SSW noch nicht wirklich ganz entschieden, welche Formulierung ein solcher Paragraf überhaupt haben sollte. Wir haben eher das Gefühl, dass es ausgeschlossen sein sollte, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dort untergebracht werden - sofern dies zu vermeiden ist -, dass es aber trotzdem möglicherweise zulässig sein sollte, Familien gemeinsam dort unterbringen zu können.

Das ist ein bisschen das Dilemma, in dem wir stecken. Dieser Problematik kommen beide Anträge leider noch nicht so nach. Ich sehe schon das Bemühen bei der Koalition, sich darüber Gedanken zu machen. Wir werden uns deshalb bei beiden Anträgen entsprechend enthalten, weil zumindest wir meinen, dass die Anhörung noch nicht vollständig ausgewertet wurde. Wir würden uns lieber Zeit nehmen, um die Anhörung in Ruhe auszuwerten und möglicherweise dann auch zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen.

Dass die Anträge jetzt vorliegen und auch zur Abstimmung stehen, ist völlig okay. Das schmerzt mich auch nicht. Aber deswegen werden wir uns aus den inhaltlichen Gründen, die ich vorhin genannt habe, enthalten.

(Beifall SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration HansJoachim Grote.

(Dr. Ralf Stegner)

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht ganz einfach, sich nach einer solch emotionsgeladenen Debatte als Vertreter der Landesregierung in die Entscheidungsfindungsprozesse für den heutigen Beschluss einzubringen.

Sehr geehrte Frau Midyatli, Sie sprachen ganz zu Anfang der Debatte von dem gemeinsamen Ziel der humanen Flüchtlingspolitik. Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist sehr wichtig und richtig. Ich sage Ihnen für die Landesregierung, für unsere Landesregierung: Eine humane Flüchtlingspolitik wird in dieser Wahlperiode genauso vollzogen wie in der Wahlperiode davor.

(Vereinzelter Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stimme zu: Jede Form staatlichen Zwangs ist gerade für Kinder und Jugendliche außerordentlich belastend. Das trifft auf Abschiebungen zu, ganz besonders aber auf die Inhaftnahme zum Zwecke der Abschiebung, egal, ob die Minderjährigen dabei von ihren Familien getrennt werden, ob sie ebenfalls in einer Hafteinrichtung untergebracht werden.

Meine Damen und Herren, wir haben es oft betont, und ich wiederhole es: Freiheitsentzug und die Durchsetzung einer Ausreiseverpflichtung sind für uns alle wirklich die allerallerletzte Lösung. Bei Familien mit Kindern und bei Minderjährigen bestehen bereits ganz besonders hohe Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit. Nach europäischem Recht dürfen unbegleitete Minderjährige und Familien mit Minderjährigen nur unter ganz bestimmten, engen Bedingungen in Abschiebehaft genommen werden, und zwar im äußersten Fall - so ist es dort formuliert - und für kürzestmögliche Dauer.

Den schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden haben wir mit Erlass vom 1. September 2017 auf insgesamt 17 Seiten aus meinem Haus, dem hierfür zuständigen Haus, detailliert mitgeteilt, wie sie die ermessensleitenden Hinweise umsetzen. Ich darf Ihnen einfach einmal daraus vortragen. Dort heißt es: Von der Beantragung von Abschiebungshaft für Minderjährige ist grundsätzlich abzusehen. Es heißt ferner: Falls wegen der besonderen Sachlage Abschiebungshaft ausnahmsweise zwingend erforderlich ist - ausnahmsweise! -, soll die Haft eine Dauer von fünf Tagen nicht überschreiten. Zudem ist das jeweils zuständige Jugendamt unverzüglich zu benachrichtigen.

Meine Damen und Herren, so ist es heute dort formuliert. Welche Maßnahmen unter Berücksichtigung des Kindeswohls verhältnismäßig und weniger einschneidend sind, ob es die kurzfristige Unterbringung in einer Hafteinrichtung ist oder eben notwendigerweise die Trennung vom Elternteil, diese Wahl ist alles andere als leicht zu treffen. Vor einer solchen Entscheidung stehen in jedem Fall die einzelnen Behörden. Das ist ja nicht in die Willkür und Entscheidung eines einzelnen Mitarbeiters gelegt, sondern es bedarf immer jeweils einer rechtlichen, einer gerichtlichen Anordnung beziehungsweise Entscheidung.

Diese Entscheidung muss nach Abwägung aller Umstände jeweils im Einzelfall getroffen werden. Weder die Gerichte noch die Behörden machen sich eine solche Entscheidung leicht.

Auf der Ebene der Landesgesetzgebung - wir haben es vorhin wiederholt gehört - haben wir keine Möglichkeiten, Abschiebungshaft für die genannten Gruppen grundsätzlich auszuschließen. Wir können uns als Land exkulpieren und sagen: Wir nicht, in Schleswig-Holstein! Aber damit ist nicht das Grundproblem als solches beseitigt. Was wir als Land tun können, ist, dass wir in den Fällen, in denen der Vollzug der Abschiebungshaft unvermeidbar ist, diesen Vollzug so wenig belastend wie nur möglich gestalten. Genau dies ist der Weg, den wir gehen und den wir auch weitergehen wollen.

Ich halte es für richtig, hierbei auch die Erfahrungen der Vergangenheit zugrunde zu legen und ebenfalls über die Grenzen unseres Landes hinauszuschauen. Deshalb unterstütze ich ausdrücklich den im Antrag von CDU, Grünen und FDP gemachten Vorschlag, eine Erhebung über die Landesgrenzen hinaus durchzuführen und, darauf aufbauend, gegebenenfalls qualifizierte Maßnahmen auf Bundesebene einzuleiten.

Meine Damen und Herren, ich habe es heute deutlich betont: Wir wollen gerade für Kinder und Jugendliche Belastungen so weit wie möglich vermeiden. Wir behalten das Kindswohl im Blick. Das ist unsere primäre Aufgabe, und vor allen Dingen ist dies die Richtschnur unseres Handelns. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Nach § 63 Absatz 2 Satz 1 unserer Geschäftsordnung muss diese

stattfinden, wenn eine Fraktion oder mindestens 18 Abgeordnete dies verlangen.

Frau Abgeordnete Herdejürgen, Sie erhalten das Wort zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, zunächst haben wir die Überweisung beider Anträge beantragt. Nach dieser Abstimmung kämen wir möglicherweise zu einer namentlichen Abstimmung.

Dann ist das selbstverständlich der vorrangige Antrag. Es ist also beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/1237 sowie den Alternativantrag Drucksache 19/1259 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD und der AfD sowie die Abgeordneten des SSW. Wer ist dagegen? - Das sind die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Damit ist der Überweisungsantrag abgelehnt.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung in der Sache mit namentlicher Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1237 abstimmen. Ich bitte die Schriftführer, mit der namentlichen Abstimmung zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung) 1

Meine Damen und Herren, während ausgezählt wird, eine Ergänzung für das Protokoll: Die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein hat bei der Abstimmung über die Ausschussüberweisung gegen die Ausschussüberweisung gestimmt. Ich habe das vorhin übersehen.

Ich gebe nun das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Drucksache 19/1237 bekannt: Der Antrag der SPD-Fraktion ist mit 45 Nein-Stimmen gegen 21 Ja-Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt worden.

Sodann lasse ich über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1259 abstimmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie um Ihr Handzeichen bitten, wenn Sie diesem Alternativantrag zustimmen. - Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU, AfD und die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das sind die SPD-Fraktion und die Abgeordneten des SSW. Da

mit ist dieser Antrag angenommen. - Die persönliche Erklärung ist zurückgezogen worden, Herr Direktor.

Nach Mitteilung der Parlamentarischen Geschäftsführungen kommen wir nun zu den Tagesordnungspunkten 22, 30, 43 und 44:

Gemeinsame Beratung

a) Kooperation mit Polen stärken

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1232

Schleswig-Holsteins erfolgreiche Ostseepolitik fortsetzen!

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1255