Protokoll der Sitzung vom 14.02.2019

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein schönes Ritual: Alle Fraktionen bedanken sich bei der Bürgerbeauftragten. Dann gehen wir in die Aus

(Birte Pauls)

schusssitzung. Im nächsten Jahr liegt der nächste Bericht vor.

Ich finde, Rituale sind schön. Sie sind auch gut für die seelische Gesundheit; aber der Auftrag des 100 Seiten umfassenden Berichts an uns muss es immer wieder sein, die Gesetzeslücken, die offensichtlich vorhanden sind, zu schließen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst möchte auch ich stellvertretend für die Freien Demokraten der Bürgerbeauftragten Samiah El Samadoni und ihrem Team für die geleistete Arbeit für den Bericht 2017 ausdrücklich danken.

(Beifall FDP und vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es liegen fast 3.500 Petitionen vor; das entspricht zehn Petitionen pro Kalendertag. So viele Petitionen wurden 2017 an Sie und Ihr Team gerichtet. Dass sich diese Funktion für soziale Angelegenheiten in Schleswig-Holstein etabliert hat, steht absolut außer Frage. Gleichzeitig zeigt es natürlich auch, dass es noch viel Handlungsbedarf im sozialen Sektor gibt.

Der Jahresbericht enthält - wie die Berichte aus den Vorjahren - eine Reihe von Forderungen und Anregungen. Einige beinhalten die Vereinfachung der bestehenden Strukturen und einen Abbau der bürokratischen Hürden. Dazu gehört natürlich auch die Sprache, liebe Frau Pauls; Sie haben gerade auf den Sozialausschuss verwiesen. Die Verwaltung soll für die Menschen da sein und nicht als staatlich-reglementierender Selbstzweck. Daher sind wir Verfechter für die Vereinfachung und für den Bürokratieabbau.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte gern einige Fälle aus dem Bericht aufgreifen und auf die Aussagen von Frau Dr. Bohn zurückkommen, um zu zeigen, dass es nicht nur um Rituale geht, sondern dass die Anregungen in den Berichten teilweise aufgenommen wurden und teils

schon im Rahmen der Möglichkeiten des Landtags von Schleswig-Holstein in Umsetzung sind.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung der Frau Abgeordneten Birte Pauls?

Ja, sehr gerne.

Herr Kollege, ich freue mich über Ihre Zustimmung zu unserem Antrag zur Vereinfachung der Behördensprache. Das ist gut. Die Anhörung ist entsprechend gelaufen. Allerdings frage ich mich nach Ihrem jetzt einmütigem Beitrag: Warum haben Sie einer mündlichen Anhörung im Sozialausschuss nicht zugestimmt?

- Das erkläre ich Ihnen sehr gern. Sie waren in der Sitzung des Sozialausschusses anwesend. Ich weiß allerdings nicht, ob Sie die Argumente, die genannt worden sind, nicht gehört haben oder nicht wahrnehmen wollten. Wir hatten darüber eindeutig debattiert. Wir haben gesagt, noch seien nicht alle Fraktionen mit der Auswertung der schriftlichen Anhörung durch, sodass wir noch nicht darüber befinden können, wen wir für eine mündliche Anhörung einladen.

(Werner Kalinka [CDU]: So ist es!)

Wir wollten darüber auf einer der nächsten Sitzungen beschließen. Das wurde gesagt. Ich denke, das ist ein legitimer Grund.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und AfD - Werner Kali- nka [CDU]: Sehr gut!)

Ich bin neu ins Amt gewählt worden. Aber wenn Sie bei einer anderen Sache sagen, Sie hätten gern mehr Beratungsbedarf, dann lehnen wir das auch nicht ab.

(Vereinzelt Heiterkeit)

- Das gilt zumindest, wenn das der einzige Grund ist. - Hier wurde angeführt, dass noch nicht alles ausgewertet wurde. Ich denke, das ist ein legitimer Grund und tut der Sache wahrscheinlich keinen Abbruch.

Von den Ausführungen über Rituale und einfache Sprache zurück zu dem Bericht: Ich möchte gern drei Beispiele aufgreifen. Auf Seite 19 heißt es‚ Kinder hafteten für die Pflege ihrer Eltern. Vielfach gibt es existenzielle Probleme bei der Kosten

(Dr. Marret Bohn)

tragung der Pflege von Angehörigen, weil die Pflegeversicherung die Kosten nur teilweise deckt; wenn der zu Pflegende selbst nicht genug Einkommen oder Vermögen hat, werden im Zweifel die Angehörigen herangezogen. Das geht oft einher mit einer enormen finanziellen und auch psychischen Belastung für die Familie. Die Forderung, Angehörige mit einem Bruttoeinkommen bis 100.000 € nicht mehr heranzuziehen, steht auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition auf Bundesebene.

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

Bisher war noch nicht absehbar, ob und wann CDU/CSU und SPD dies konkret umsetzen. Das war auch der Grund dafür, weswegen wir im Landtag darüber gesprochen und einen Antrag, Drucksache 19/981, zur Neuregelung des Elterngelds bei der Pflegebedürftigkeit eingereicht haben. Dieser Antrag hat im Landtag eine große Zustimmung erfahren, auch im Hinblick auf eine Bundesratsinitiative; er hat schon etwas angestoßen. Das stand auch in dem Bericht.

Auf den Seiten 22 und 36 ff. wird von der Problematik der Wahlmöglichkeit der Kita bei den Gemeinden sowie finanzielle Auswirkungen auf die Eltern gesprochen. In Schleswig-Holstein haben wir - das ist, glaube ich, mittlerweile bei allen Parteien die Auffassung - im Bereich Kita im Bundesländervergleich einiges aufzuarbeiten und nachzuholen. Wir haben mit die höchsten Elternbeiträge, ein viel zu kompliziertes Finanzierungsgeflecht und ein eingeschränktes Elternwahlrecht.

Dass sich die neue Landesregierung daher mit der Reformierung der Kita-Finanzierung das richtige Großprojekt ausgesucht hat, lässt sich auch durch die Anfragen an die Bürgerbeauftragte belegen.

(Beifall FDP und Werner Kalinka [CDU])

Auch das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern bezüglich des Kita-Standortes ist in diesem Zusammenhang ein Thema. Wie der Titel der Elterneingabe schon erahnen lässt, soll das Recht auf einen Kindergartenplatz nicht an der Gemeindegrenze enden. Je nach beruflicher Situation ist entweder die Wohnortgemeinde oder gegebenenfalls eine andere Gemeinde, nämlich die der Arbeitsstätte, von Vorteil, um zum Beispiel netto auf mehr Arbeitszeit zu kommen.

Der Elternwille ist ein maßgeblicher Faktor für die Akzeptanz des Kita-Systems. Daher ist es gut, dass es hier Neuerungen geben wird. Es ist ebenfalls kein Ritual.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Auf Seite 34 des Berichts heißt es, bei der Verordnung von Cannabis gebe es noch immer eine große Unsicherheit. Auch beim inzwischen seit März 2017 gesetzlich klar geregelten Anspruch auf Cannabis als Heilmittel scheint es noch vielerorts Probleme zu geben. Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf eine Versorgung von Cannabis, wenn keine Alternative zur Verfügung steht oder nach Einschätzung des Arztes nicht zur Anwendung kommen kann.

Auch bei uns in der FDP-Fraktion sind wegen des medizinischen Cannabis diverse Anfragen und Beschwerden eingegangen, zum Beispiel dass Ärztinnen und Ärzte zu restriktiv beim Verschreiben seien, dass es Engpässe bei Apotheken gebe oder dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen abblocke.

Dass wir als Freie Demokraten auch gegenüber Ärztinnen und Ärzten die Bitte um eine deutlich liberalere Verschreibung äußern, wird Sie vermutlich nicht verwundern. Wir reden auch morgen noch einmal über das Thema. Hier gibt es aktuell bundesweit, aber auch in Schleswig-Holstein eine Problemlage.

Frau Samiah El Samadoni, nicht bei allen Vorschlägen aus Ihrem Bericht sind wir von der FDP-Fraktion mit Ihnen einer Meinung. Viele Themen sind natürlich auch auf Bundesebene zu regeln. Für die Arbeit im Sozialausschuss wird der Jahresbericht 2017 aber eine hilfreiche Grundlage sein. Wir haben schon etwas umgesetzt; das habe ich bereits angeführt.

Ich freue mich auf den weiteren Austausch mit Ihnen und Ihrem Team. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Frau El Samadoni und ihre Mitarbeiter haben auch im Jahr 2017 wieder reichlich zu tun gehabt. Wir hörten die Zahlen bereits: Es gab einen Anstieg von 3.323 auf 3.374 Eingaben; der Zuwachs ist leicht, doch die Anzahl stetig hoch. Es zeigt anschaulich, dass sich noch immer eine Vielzahl von Menschen von Verwal

(Dennys Bornhöft)

tungsbehörden - zu Recht oder zu Unrecht - nicht richtig oder ungerecht behandelt gefühlt haben.

Auffällig ist, dass neben den Eingaben im Bereich des SGB II die Eingaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung stark angestiegen sind. Hier besteht noch immer ein großes Konfliktpotenzial, und es ist Handlungsbedarf gegeben.

Nach intensiver Prüfung des Tätigkeitsberichts bedanke ich mich im Namen der AfD-Fraktion für die hervorragende Arbeit.

(Beifall AfD)

Durch die anschauliche Schilderung der Einzelfälle und auch der Maßnahmen, mit denen im konkreten Fall geholfen werden konnte, haben Frau El Samadoni und ihr Team ihre tägliche Arbeit ein Stück weit nähergebracht.

Eingehen möchte ich an dieser Stelle auf die im Tätigkeitsbericht unterbreiteten Anregungen und Vorschläge. Diese sollten durchaus näher geprüft werden und könnten im Einzelfall als Vorlage für Gesetze oder parlamentarische Initiativen dienen. Da geht es etwa um den Bezug von Grundsicherung für Arbeitssuchende und einen Vorschlag zur Einführung einer verbindlichen Gesamtangemessenheitsgrenze bei den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Hier zeigt sich anschaulich, wie mit wenig Aufwand gerade auf dem angespannten Wohnungsmarkt den betroffenen Menschen zu mehr Flexibilität bei ihrer Wohnungswahl verholfen werden kann.

Oder denken wir an den weiteren Vorschlag aus dem Bereich des SGB XII, bei dem Kinder für die Kosten ihrer Eltern in einem Pflegeheim aufkommen müssen; das klang schon an. Hier liegt der konkrete Vorschlag vor, dass Kinder für die Pflege ihrer Eltern erst ab einem Bruttojahreseinkommen in Höhe von 100.000 € haften, um im Einzelfall unbillige Härten zu vermeiden.

Auch bei dem Bericht zu den einzelnen Tätigkeitsfeldern oder Rechtsgebieten möchte ich auf einige ausgewählte Problemfelder eingehen. Gut ist nach unserer Auffassung der Hinweis, dass Betroffene bei dem Bezug einer Erwerbsminderungsrente selbst bei bescheidenen Wohnkosten finanziell oft noch immer nicht hinreichend abgesichert sind.