Protokoll der Sitzung vom 07.03.2019

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Kay Richert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Ziel von Jamaika ist es erklärtermaßen, Attraktivität und Qualität des Nahverkehrs im gesamten Land zu steigern. Daher freue ich mich natürlich, dass auch Sie dieses Ziel unterstützen.

Wir alle sehen, dass der Verkehr zunimmt. Wir sehen die Autos im Stau und die vielen Pendler, die auf dem Bahnsteig stehen. Wir haben das Gefühl, dass die bestehende Infrastruktur diesen vielen Verkehr auch dann nicht bewältigen könnte, wenn sie

(Dr. Andreas Tietze)

regelmäßig instand gehalten worden wäre. Da muss man natürlich etwas tun.

Ich freue mich darüber, dass Sie in Ihrem Antrag der Versuchung widerstehen, global galaktische Verbesserungen zu fordern, ohne dabei konkret zu werden. Das sage ich ganz explizit.

Sie haben sich offenbar große Mühe gegeben - das hat man auch an Ihrem Vortrag gemerkt -, konkrete Vorschläge für die Verbesserung der Situation der Pendlerinnen und Pendler im Hamburger Umland zu machen.

Aber bevor wir in die Planung konkreter Veränderungen einsteigen, bevor wir also Takte so gründlich verändern oder Neubauten schaffen, müssen wir nach meiner Auffassung zunächst einmal eine valide Datenbasis schaffen.

(Beate Raudies [SPD]: Die Meister der Be- standsaufnahme!)

Wir alle haben das deutliche Gefühl, dass die Verkehre stark zugenommen haben. Aber: Wo denn? Wie viel denn? Wer? Wohin? - Ich denke, für die Entscheidung über Infrastrukturprojekte reicht ein Bauchgefühl allein nicht aus.

Neubauten sind sehr teuer, Taktverdichtungen auch. Das, was in Ihrem Antrag steht, bedeutete mit Sicherheit einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag im Jahr. Wenn ich solche Dinge beschließe, stütze ich mich lieber auf valide Fakten als auf Gefühle.

(Beifall FDP)

Die geforderte Baumaßnahme Wedel-Blankenese ist übrigens ein sehr interessantes Beispiel: RotGrün in Hamburg hat in der dortigen Bürgerschaft verkünden lassen, dass die Zweigleisigkeit derzeit nicht geplant und nicht umsetzbar sei; man habe andere Prioritäten. - Sie werden zugeben, dass das den von Ihnen formulierten Vorschlägen diametral gegenübersteht.

Im Hamburger Verkehrsausschuss äußerte sich der Senat zur Taktverdichtung der S 1 zwischen Wedel und Blankenese wie folgt: Es seien keine Taktverdichtungen geplant, da es nur ein sehr geringes Nachfragepotenzial danach gebe. Die Kosten für die Zweigleisigkeit hätten vor rund zehn Jahren bei circa 40 Millionen € gelegen, und die Maßnahme habe keinen vorteilhaften Kosten-Nutzen-Faktor gehabt. - Die Baukosten sind natürlich deutlich gestiegen; also wird sich der Kosten-Nutzen-Faktor nicht wesentlich erhöht haben. - Die letzte Taktausweitung auf der Strecke sei 2016 erfolgt; seitdem habe

es keinen signifikanten Nachfragezuwachs auf der Strecke gegeben. Für weitere Taktverdichtungen sei die Strecke nicht geeignet. Derzeit sei eine schlechte Pünktlichkeit auf der S 1 zu erkennen. Als Folge wendeten viele Züge schon in Blankenese statt in Wedel. Höhere Taktungen hätten hier eine Verschärfung der Situation zur Folge und damit mehr Zugwendungen in Blankenese - also den gegenteiligen Effekt!

(Minister Dr. Bernd Buchholz: Genau! Das ist das Problem!)

Die Verbesserung der derzeitigen Verspätungssituation sei durch Rücknahme der Taktausweitung zu realisieren.

Sie werden zugeben: Diese Auffassungen und Pläne des Hamburger Senats passen mit Ihren Vorstellungen nicht so richtig zusammen. Offenbar hat der Hamburger Senat eine sehr andere Sicht auf die Entwicklung der Verkehre.

(Beate Raudies [SPD]: Wir maßen uns auch nicht an, die Auffassung des Hamburger Se- nats zu haben!)

- Nein, das müssen Sie ja auch nicht. Aber ich denke, wenn es um die Strecke von Wedel nach Blankenese geht, dann sollten wir das schon mit den Hamburgern zusammen machen; ansonsten ergäbe das keinen Sinn.

Wir Jamaikaner werden Qualität und Attraktivität des Nahverkehrs im gesamten Land verbessern. Das werden wir systematisch, seriös und fundiert angehen.

(Beifall FDP, Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Bernd Voß [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Das mag auf den ersten Blick nicht ganz so spektakulär wirken, ist aber nachhaltig und bringt uns den größeren Nutzen. Wir werden deswegen die Verkehrsströme umfassend erheben, um ein belastbares Bild der Mobilitätsnachfrage im Land zu erhalten. Wir brauchen nämlich detaillierte Informationen über das Mobilitätsverhalten. Dazu gehört: Wann sind wie viele Bürger im Land unterwegs? Welche Verkehrsmittel nutzen sie? Wieso werden diese und nicht andere Verkehrsmittel genutzt? Denn nicht jede Strecke bietet sich für jedes Verkehrsmittel gleichermaßen an.

Die Menschen haben auch unterschiedliche Erwartungen an Mobilität. Bei dem einen geht es um Schnelligkeit, bei dem anderen um den Preis, bei

(Kay Richert)

dem Nächsten um Flexibilität. Daher ist es richtig, die Strukturen zuerst zu erheben und auszuwerten.

Aus den genannten Punkten wird eines klar: Man kann die Verkehrsmittel nicht separat voneinander betrachten. Jedes Verkehrsmittel erfüllt seinen Zweck und trägt elementar zum Gesamtgelingen der Mobilität bei. Bahn, Bus, Auto, aber auch Elektroleichtfahrzeuge oder Fußgänger dürfen nicht voneinander getrennt betrachtet oder gegeneinander ausgespielt werden.

Vor allen Dingen müssen wir nach vorn schauen: Welche zukünftigen Mobilitätsformen und Angebote können integriert und genutzt werden? Dabei dürfen wir uns auch nicht vor Sharing- oder Pooling-Angeboten wegducken, weil solche Angebote den Verkehr entlasten und zur Emissionsverringerung beitragen können.

(Beifall FDP und Lukas Kilian [CDU])

Daher ist auch die angekündigte Novelle des Personenbeförderungsgesetzes eine große Chance. Diese müssen wir nutzen.

Meine Damen und Herren, Jamaika wird den Nahverkehr im gesamten Land verbessern. Zu Beginn werden wir die Datenbasis schaffen, damit wir nicht an den Bedarfen der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner vorbei bauen.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Der erste Schritt ist getan. Danach wird es - so, wie Sie es von uns kennen - in gewohnter Dynamik weitergehen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag fordert die SPD einmal mehr Verbesserungen für Berufspendler im Schienenpersonennahverkehr, dieses Mal am Beispiel der Strecken der AKN und der S-Bahn in der Metropolregion Hamburg. Höhere Taktfrequenzen sollen das Verkehrsangebot steigern - so weit, so gut; das unterstützen wir grundsätzlich.

Die Taktfrequenz in den Stoßzeiten ist mittlerweile auf vielen der genannten Strecken eigentlich ganz akzeptabel, lässt aber in den Neben- und Randzei

ten noch stark zu wünschen übrig. Der 40-MinutenTakt zwischen Eidelstedt und Kaltenkirchen an Sonn- und Feiertagen wie auch in den Abendstunden steht exemplarisch für ein längst nicht mehr ganz so zeitgemäßes Angebot.

Der grundsätzliche Bedarf auf dieser Strecke wurde auch im Rahmen der Planfeststellung des S-21Ausbaus festgestellt. Wenn wir es wirklich ernst meinen mit einer Stärkung des ÖPNV, gerade auch im verkehrstechnisch stark belasteten Hamburger Randbereich, muss das Angebot insgesamt attraktiver werden. Dazu gehört nicht nur die Taktfrequenz im Berufsverkehr, sondern auch zu anderen Zeiten. Wenn der ÖPNV nur zu ausgewählten Tageszeiten eine Alternative ist, dann ist er eben keine.

Perspektivisch ist deshalb auch ein durchgehender Nachtbetrieb erstrebenswert. Da stößt der SPD-Antrag leider an seine Grenzen. Alles darin ist wünschenswert, aber nicht alles ist in der genannten Zeitspanne auch wirklich umsetzbar. Die Finanzierung einer Taktverdichtung und Taktausweitung de facto aller Hamburger S-Bahn-Linien, durchgängiger Nachtbetrieb, das alles am besten sofort - das ist unrealistisch.

(Beate Raudies [SPD]: Das steht doch gar nicht in unserem Antrag drin!)

So ehrlich müssen wir den Bürgern gegenüber sein.

Der Alternativantrag der Regierungskoalition zeigt vor allem, dass Jamaika sich zwar mittlerweile um die Probleme mit der Deutschen Bahn an der Westküste ganz gut kümmert, aber das Hamburger Umland etwas aus dem Blick verloren hat. Ihr Antrag taugt vielleicht für das ganze Land; aber er geht in den Kreisen Pinneberg, Segeberg und Stormarn ein bisschen an der Lebenswirklichkeit vorbei.

Die beiden Anträge sind aus unserer Sicht weniger alternativ als durchaus ergänzend zueinander. Wie wir vorgestern in der Landeszeitung nachlesen konnten, ist das Grundproblem des Bahnverkehrs in der Fläche nicht die fehlende Quantität, sondern unverändert die fehlende Qualität. Es ist schon kurz angesprochen worden: Auch bei normalem Wetter müssen Bahnreisende in Schleswig-Holstein immer öfter mit Verspätungen rechnen. Die Unpünktlichkeit ist - anders als beispielsweise bei der AKN - im Landesdurchschnitt deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. Seit dem Jahr 2016 reduzierte sich die Pünktlichkeitsquote des Nahverkehrs im Norden von 91 % auf nur noch 84,5 %, wohingegen der Durchschnittswert bundesweit nach wie vor bei 91 % liegt. Das heißt, wir sind deutlich schlechter geworden. Hier liegen die entscheidenden Ursachen

(Kay Richert)

für die verbesserungswürdige Akzeptanz des ÖPNV in der Fläche. Es muss daher auch unser Ziel sein, die Qualität der bereits bestehenden Angebote zu verbessern. Wir freuen uns in diesem Sinne auf die weitere Beratung beider Anträge im Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Kollege Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als Politik haben wir natürlich das Bestreben, die Dinge stets zu verbessern. Das ist legitim, und dafür werden wir auch gewählt. Ein Antrag, der diesen Verbesserungsaspekt nun aufgreift, liegt heute vor. Hierin fordert die SPD deutliche Verbesserungen für Pendler im SPNV auf den Strecken der AKN und der S-Bahn.

Zugegeben, im ersten Moment sieht die Forderung nach besserer Vertaktung auf den genannten Strecken immer gut aus, weil dies eindeutig Vorteile für die Pendlerinnen und Pendler mit sich bringt. Denn richtig ist: Die AKN und die S-Bahnen im Hamburger Rand sind durchaus gut frequentiert, und je besser die Vertaktung ist, desto mehr gewinnt die Strecke an Attraktivität. Bessere Attraktivität bedeutet, dass wir mehr Pendlerinnen und Pendler dazu bewegen können, auf ihren PKW zu verzichten und stattdessen auf den SPNV umzusteigen, denn wir wissen, wie wichtig die Reduzierung des Individualverkehrs gerade in der Metropolregion ist.