Protokoll der Sitzung vom 07.03.2019

(Katja Rathje-Hoffmann)

le hadere ich selbst mit mir. Ihr habt mir einen Tipp gegeben und gesagt, ich könne meine Heterosexualität heilen lassen. Es gibt Therapieangebote in Deutschland, die mir helfen, auf den rechten Weg zu kommen, damit ich als Mann nicht länger auf Frauen stehen muss.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich eben gesagt habe, ist natürlich völlig absurd - und exakt so absurd und menschenverachtend ist es, wenn es um die vermeintliche Heilung von Homosexualität geht.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, vereinzelt CDU, Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Doch leider ist das nicht nur absurd, sondern es ist in Deutschland noch immer Realität. Wir wollen diese menschenverachtende Absurdität beenden und solche Vorgehensweisen verbieten.

Auch heute noch gibt es in Deutschland Organisationen, die eine Behandlung von Homosexuellen vorsehen, um diese Menschen von ihrer sexuellen Orientierung - vermeintlich - zu heilen oder sie umzupolen. Es gibt zahlreiche Gutachten, die darlegen, dass die Ergebnisse dieser sogenannten Homo-Heilung schwere Depressionen bis hin zum Suizid sind. Dies betrifft insbesondere junge Menschen, Menschen, die zum Teil noch auf der Suche nach ihrem Platz im Leben sind - dies gilt ja vor allem für Minderjährige. Wir können nicht weiter zulassen, dass gesunde Menschen krank und depressiv gemacht werden.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insbesondere, wenn man sich die zeitliche Genese zur Homosexualität und den Umgang mit ihr anschaut, ist das ein Skandal. Seit 1992 ist Homosexualität aus der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten gestrichen. Im Jahr 2013 hat sich der Weltärztetag strikt gegen sogenannte Konversions- beziehungsweise Reparationstherapien ausgesprochen. Die Ärztevertretung hielt in einer Stellungnahme fest, dass Homosexualität keine Krankheit ist und daher natürlich auch keiner Heilung bedarf. Beide Festlegungen sind richtig, auch wenn diese zeitlich sehr spät getroffen wurden.

Da ist es eigentlich unglaublich, dass man selbst im Jahr 2019 leider noch verdeutlichen und daran erinnern muss, dass Homosexualität keine Krankheit ist. Im Vorfeld dieser Debatte hat mir jemand die Frage gestellt, ob das nun nicht ein reiner Schaufensterantrag sei, da vonseiten der Bundesregierung

in Person von Jens Spahn doch bereits der feste Vorsatz geäußert worden sei, die Konversionstherapien rasch zu verbieten.

Mein fachpolitischer Kollege aus der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Brandenburg, hat die Bundesregierung im Nachgang zum „taz“-Interview mit Jens Spahn gefragt, welche konkreten Schritte denn nun im Sinne eines Verbots dieser angeblichen Therapieformen bevorstünden. Dabei stellte sich heraus, dass im gesamten Bundesgesundheitsministerium noch gar nichts diesbezüglich anhängig sei und dass der Minister lediglich seine Privatmeinung vorgetragen habe.

Um hier schnelle Abhilfe zu schaffen und die zumeist jungen Menschen, die Heranwachsenden, vor dieser Scharlatanerie, vor dieser Wertevorstellung des Mittelalters, zu schützen, muss daher auch länderseitig vorgegangen werden.

Wer sich einmal die Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen bezüglich der Homo-Heilung durchliest, wird den Eindruck gewinnen, dass dem Bundesgesundheitsministerium hier mehr Druck gemacht werden muss. Zwar erkennt die Bundesregierung sämtliche Schadwirkungen durch diese Therapieformen an, sie lehnt den Gedanken der Therapierbarkeit von Homosexualität auch strikt ab, aber auf die einfache Frage, ob sie sich folgerichtig dafür einsetzen wird, Konversionstherapien zu verbieten, kam noch im April 2018 als Antwort ein schlichtes Nein. - Das war es also.

Auch aus diesem Grund reicht es nicht, wenn der „Ankündigungsminister“ Spahn nun Themen in die Öffentlichkeit setzt, dem aber keine Aktivitäten folgen. Es ist zu hoffen, dass nach dieser Debatte nun neben Schleswig-Holstein auch noch zwei oder drei weitere Bundesländer auf ein Verbot dringen, verbunden mit der Bitte an die Bundesregierung, dies auch schnellstmöglich umzusetzen.

Ein weiterer Aspekt, der hellhörig macht, ist folgender: Auch jetzt ist es in rechtlicher Hinsicht schon so, dass Konversionstherapien keine Leistungen sind, die zulasten der GKV und im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und abgerechnet werden können. Das stellt die Bundesregierung - Bundestagsdrucksache 19/3279 - auch fest. Auch nach § 27 Absatz 1 des SGB V kommt dies nicht in Betracht. Dennoch scheint es Lücken zu geben - darüber wird hier und da auch in den Medien berichtet -, die es sogenannten Homo-Heilern ermöglichen, ihre Behandlungsstunden im Rahmen einer Psychotherapie abzurechnen. Das von uns geforderte Verbot ist mithin auch notwendig, um eine

(Dennys Bornhöft)

Zweckentfremdung von Sozialabgaben zu verhindern.

Was keine Krankheit ist, das kann auch nicht behandelt werden. Krank sind nicht die Homosexuellen, krank sind diejenigen, die diese Menschen vermeintlich - heilen wollen.

Liebe ist Liebe. - Meine Kollegen, vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Homosexualität ist keine Krankheit, und deswegen ergibt auch der Begriff der sogenannten Homo-Heilung keinen Sinn. Damit ist eigentlich alles gesagt.

(Zurufe SPD: Danke! Genau!)

Dass heute dennoch ein Antrag für ein Verbot der sogenannten Homo-Heilung vorliegt, hat einen Grund, und den finden wir in der „taz“ vom 28. Februar 2019 - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis einmal unseren Kollegen Rasmus Andresen -:

„Unser Ziel ist es, schneller zu sein als Jens Spahn.“

Genau, es wurde schon erwähnt: Auch der neue Bundesgesundheitsminister hatte sich zu Wort gemeldet; er möchte bis zum Sommer eine Vorlage für ein gesetzliches Verbot dieser sogenannten Homo-Heilungen vorlegen. Es ist in Berlin aber noch nicht klar, ob er dabei auch den Rückhalt der Regierung haben wird. Rein vorsorglich wurde Spahn von einem FDP-Abgeordneten dann auch schon mal als „Bluff-Minister“ abqualifiziert.

Aber wie dem auch sei: Wenn man von diesen kleinen Wortgefechten einmal absieht, stellt man fest, dass sich hier und heute eine Debatte wiederholt, wie sie bereits im Jahr 2013 im Bundestag stattgefunden hatte. Seinerzeit ging es den Grünen auch schon um die Ahndung dieser sogenannten HomoTherapien; die Initiative scheiterte aber am Widerstand der damaligen Bundesregierung - damals aus CDU und FDP.

Es lohnt sich, meine Damen und Herren, einmal nachzulesen, mit welchen Argumenten die Abgeordneten die damalige Initiative abgelehnt haben.

So betonte Ansgar Heveling von der CDU, dass die Notwendigkeit für eine gesetzliche Sanktionierung nicht gegeben sei; denn bereits Körperverletzungstatbestände des Strafgesetzbuchs und bei Minderjährigen darüber hinaus auch das Familienrecht reichten aus, um im konkreten Einzelfall gegen entsprechendes Handeln vorzugehen. Aufgabe des Gesetzgebers sei es aber nicht, pauschal bestimmte Therapieformen zu sanktionieren. Vielmehr müsste, selbst, wenn man diese ablehnt oder missbilligt, die autonome Entscheidungsbefugnis des einzelnen Menschen berücksichtigt werden, und zwar insbesondere dann, wenn es sich um keine Zwangstherapie handle.

Auch der FDP-Abgeordnete Jörg van Essen sprach sich in seinem Redebeitrag gegen neue Vorschriften aus und betonte stattdessen die Notwendigkeit staatlicher Aufklärungsmaßnahmen, also der Prävention.

An dieser Sachlage, meine Damen und Herren, hat sich seitdem nichts geändert. Nach wie vor besteht die Möglichkeit, gegen nachweislich schädigende Behandlungsformen strafverfolgend tätig zu werden. Darüber hinaus sind für Ärztekammern und Approbationsbehörden zahlreiche berufsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten gegeben, beispielsweise Geldbußen oder auch der Widerruf der Approbation.

In Anbetracht dieser Sachlage bewerten wir Ihren Antrag tatsächlich als Symbolpolitik. Wenn es Ihnen darum geht, schneller zu sein als Jens Spahn, dann erinnert das ein wenig an ein Wettrennen. Im Sinne eines solchen durchsichtigen Vorgehens ignorieren Sie auch die unverändert gültige Sachlage, dass nämlich bereits das Anbieterfeld dieser „Therapien“ absolut uneinheitlich ist und nicht zusammenfassend definiert werden kann. - Schauen Sie ruhig einmal - das haben Sie bestimmt schon getan - in die Antwort der damaligen Bundesregierung auf die Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 15. Juli 2014.

Wenn aber bereits ein klarer Sachverhaltsbefund nicht möglich ist, verbieten sich doch zwangsläufig auch pauschale Schnellschüsse des Gesetzgebers. Es spricht in der Tat nach wie vor einiges dafür, es bei der bestehenden, differenzierten Rechtslage bewenden zu lassen.

Die durchaus wichtige und relevante Thematik, um die es hier geht, darf nach unserer Auffassung nicht für ein Wettrennen missbraucht werden. Für eine derartige Schaufensterpolitik stehen wir in der Tat nicht zur Verfügung. Im Übrigen gilt aber: Toleranz

(Dennys Bornhöft)

lässt sich nicht mit Verbotspolitik zwangsverordnen. Prävention ist angesagt. Es gilt ebenso: Toleranz sollte auch für diejenigen gelten, die aufgrund ihrer eigenen freien Entscheidung eine Beratung, Behandlung, Seelsorge, Therapie oder wie man das auch immer nennen mag - da sollten wir nicht päpstlicher sein als der Papst -, sich also eine Veränderung oder eine Beratung oder wie auch immer wünschen.

Worauf es mir ankommt, ist, dass der Bürger mündig genug ist, für sich selbst entscheiden zu können. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vielleicht ist es in der letzten Zeit einigen von Ihnen genauso gegangen wie mir. Ich kann Ihnen gar nicht aufzählen, wie oft ich in den letzten Tagen in Verbindung mit der heutigen Tagesordnung verwundert angeschaut und gefragt wurde: Homo-Heilung, so etwas gibt es? - Ich habe geantwortet: Na ja, sollte es eigentlich nicht, aber gibt es trotzdem. Denn alle führenden internationalen psychiatrischen und psychologischen Fachverbände lehnen Behandlungsversuche dieser Art ab. Sie stehen im Widerspruch zu den heute glücklicherweise etablierten Auffassungen von Homosexualität. Der Weltärztebund hat 2013 eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er feststellt, dass derartige Behandlungen die Menschenrechte verletzen und nicht zu rechtfertigen sind. Diese Auffassung das lässt sich leider nicht ignorieren - war nicht immer selbstverständlich. Insgesamt ist es immer wieder beschämend, wie jung eigentlich diese gesellschaftliche Entwicklung ist.

Besonders evangelikale Bewegungen sehen Homosexualität weiterhin als behandlungswürdig an. Sie bieten Beratungen und Seminare an, in denen Menschen gewissermaßen umgepolt werden und ihre sogenannten heterosexuellen Potenziale entfalten sollen. Ich dachte früher immer, diese Art von Seminaren seien etwas wunderliche Veranstaltungen in den Südstaaten von Amerika. Aber ich weiß jetzt, dass diese Methoden durch Freikirchen auch hier in Deutschland angeboten werden. Das sorgt für unheimlich großes Leid, meine Damen und Herren. Den Menschen, die sich in diese Strukturen begeben, wird dort vermittelt, dass etwas mit ihnen

nicht stimmt, nicht richtig und therapiebedürftig sei.

Aber Homosexualität ist nicht therapiebedürftig. Sie muss nicht korrigiert werden, und wir müssen diesen sogenannten Therapien vorbeugen. Sie sind nicht nur diskriminierend, sondern münden besonders bei Kindern und Jugendlichen schlimmstenfalls in depressive Erkrankungen und Suizidalität, und das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Am 15. Februar 2019 hat der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der Tageszeitung „taz“ ein Interview gegeben, das für ein bisschen Aufruhr und für viel Hoffnung gesorgt hat. Darin hatte er angekündigt, Konversionstherapien, deren Anliegen, wie gesagt, ist, Homosexualität praktisch in Heterosexualität umzuwandeln, bis zum Sommer 2019 zu verbieten. Nun könnte man sagen, dass diese Ankündigung ausreicht. Tatsächlich ist es aber so, dass vielen hier leider das Vertrauen in unseren Gesundheitsminister fehlt - und das nicht ohne Grund; denn das zuständige Ministerium hat diese Pläne in der Zwischenzeit wieder relativiert: Der Minister habe im Interview seine eigenen Vorstellungen dargelegt, und im Ministerium gebe es noch keine Entscheidung über ein entsprechendes Gesetz.

Deshalb befinden wir uns nun tatsächlich, wie es einige Artikel vielleicht ein wenig spöttisch beschrieben haben, im Wettlauf mit unserem Bundesgesundheitsminister. Wir wollen den Weg über den Bundesrat gehen. Damit stehen wir nicht allein da. Hessen und Bremen haben begrüßenswerterweise auch schon Initiativen für Verbote beschlossen.

Selbsternannte pseudowissenschaftliche und religiöse Homo-Heiler helfen niemandem. Im Gegenteil. Sie lösen psychische Langzeitschäden aus, und niemals - wirklich niemals - sollen unsere Krankenkassen so etwas bezuschussen können.

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wenn homo- oder bisexuelle Menschen ihre sexuelle Orientierung als konflikthaft erleben und dies im Rahmen einer Therapie so äußern, dann - das ist für mich und für uns als SSW vollkommen klar - müssen sie im Akzeptieren ihrer sexuellen Orientierung gestärkt werden. Deshalb ist ein Verbot von Umpolung im Strafgesetzbuch wichtig. Deshalb ist es wichtig, ein gesellschaftliches Bewusstsein für diese Ungerechtigkeit zu schaffen, und deshalb reicht

(Dr. Frank Brodehl)

ein Schritt vor und zwei zurück nicht aus. Wir sollten stattdessen lieber sehr schnell ins Ziel rennen. Jo tak.