Protokoll der Sitzung vom 08.03.2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wir haben eine strukturelle Männerquote - das ist mein Blickwinkel bei der Debatte. Die Vehemenz, mit der man versucht, deutlich zu machen, dass ein Parité-Gesetz nicht möglich ist, würde ich mir bei der Frage wünschen, dieses Ziel zu erreichen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

CDU und FDP sagen immer, dass eine quotierte Liste das Problem der Wahlkreise nicht löse. Bei der CDU kann man noch sagen: fair enough, ihr gewinnt Wahlkreise. Aber was ist eure Entschuldigung, liebe FDP? Soweit ich es mitbekommen habe, gewinnt ihr keine Wahlkreise, sondern eure Kandidaten und Kandidatinnen ziehen über die Liste ein. Ihr könntet also mit einer quotierten Liste arbeiten und das Ziel mehr Frauen in den Parlamenten erreichen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Tobias Loose [CDU] - Christopher Vogt [FDP]: Oder selbst entscheiden!)

Brandenburg schlägt eine Regelung vor, die die Liste quotiert. Wir Grüne finden das gut, und ein zusätzlicher Punkt ist - das ist eine weitere Option -, dass verpflichtend pro Wahlkreis eine Frau und ein Mann gewählt werden müssen. Eine andere Lösung ist, dass man eine Regelung findet, bei der der Wähler und die Wählerin zwischen einem Mann und einer Frau entscheiden muss.

Bei einem Argument der Gegenseite muss ich immer sehr schmunzeln, und zwar wenn gesagt wird, jemand sei aufgrund der Quote in die Position gekommen, man selbst aber keine „Quotenfrau“ sein wolle. Erstens ist das ein absolutes Eingeständnis dafür, dass unsere jetzigen Strukturen in der Regel Männer in die Positionen bringen. Es ist eine absurde Vorstellung, dass eine Frau, die durch eine Quotenregelung da ist, automatisch einen qualifizierten Mann aus dem Rennen schickt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Flemming Meyer [SSW] - Werner Kali- nka [CDU]: Das stimmt doch überhaupt nicht! Wer ist denn Bundeskanzlerin?)

Zweitens: Glaubt ihr eigentlich, dass auf grünen Parteitagen die quotierten Plätze leer stehen und je

mand dahingetragen werden muss? Wir hatten bei der Listenaufstellung zur Landtagswahl mehr Konkurrenzsituationen auf den Frauenplätzen als auf den offenen Plätzen, auf denen nur Männer kandidieren.

Frauen lassen sich finden, und Konkurrenz besteht nicht nur zwischen Frauen und Männern, sondern auch unter Frauen. Frauen lassen sich finden, vor allem dann, wenn Frauen dafür gekämpft haben, dass dieses Instrument verankert wird, wie bei uns Grünen. Das hat uns kein Mann geschenkt, dafür haben wir selbst gekämpft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Drittens - das ist mein wichtigster Punkt -: Ich bin morgens noch nie aufgewacht und habe gedacht: Verdammt, dieser Debatte bin ich nicht gewachsen; wäre ich bloß ein CDU-Mann, der nicht durch die Quote ins Parlament gekommen ist!

(Heiterkeit und Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zuruf Werner Kalinka [CDU])

Ich versichere Ihnen: Diese Gedanken quälen mich nicht. Ich wache jeden Morgen sehr fröhlich auf und weiß ganz genau, wofür ich kämpfe.

Falls es irgendjemanden beruhigt: Bei einer Quotenregelung werden nicht nur Frauen quotiert, sondern auch Männer. Also braucht man das Argument der Quotenfrau nicht länger zu bemühen, sondern es gibt fortan endlich auch Quotenmänner.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Flemming Meyer [SSW])

Im Grunde genommen könnte es uns als Grünen egal sein; wir erfüllen in der Regel 50 % Frauen und 50 % Männer in unserer Fraktion. Deshalb ist es umso absurder, dass gerade die Parteien CDU und FDP am vehementesten gegen eine solche Regelung kämpfen, während die Parteien, die sich diesem Wert nähern - SPD und Grüne -, am vehementesten dafür kämpfen.

Uns ist das aber nicht egal, weil unser Kampf um Gleichberechtigung nicht aufhört, solange auch Frauen anderer politischer Meinung - möglicherweise auch anderer Meinung zu frauenpolitischen Themen - im Parlament nicht angemessen vertreten sind. Unser Kampf um Gleichberechtigung ist nämlich solidarisch.

Sei es der Deutsche Bundestag, sei es unser Landesparlament, sei es irgendein anderes Parlament:

30 % Frauen sind ein Armutszeugnis für ein sich selbst progressiv nennendes Land wie Deutschland.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

In anderen Ländern auf der Welt ist die Repräsentation von Frauen viel höher: Ruanda liegt mit 61 % auf Platz 1, Deutschland liegt bei den nationalen Parlamenten auf Platz 45.

Es wird immer mit Artikel 38 unseres Grundgesetzes argumentiert, weshalb ein Parité-Gesetz nicht gehe:

„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.“

Die Gegenseite argumentiert zu Recht mit Artikel 3 des Grundgesetzes:

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Und jetzt? Meinetwegen können wir das Ganze auch ohne Gesetzesänderung regeln, aber ich höre nichts Konkretes. Artikel 3 unserer Verfassung legitimiert unseren Kampf, bis wir dieses Ziel erreicht haben.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als ich heute Morgen Instagram aufgemacht habe, habe ich gesehen, dass eine andere kluge Frau das auch gesagt hat: Angela Merkel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden dafür kämpfen und keinen Tag vorher damit aufhören, bis genauso viele Frauen wie Männer in unseren Parlamenten sitzen. Wenn ich dem wirklich Glauben schenken soll, dass das politisches Ziel ist - wie immer wieder, auch jetzt, proklamiert wird -, dass weniger Männer und mehr Frauen in den Parlamenten sitzen sollen, dann bitte her mit konkreten Maßnahmen, und zwar mehr als die, die lauten: Frauen müssen sich einfach mehr engagieren.

Heute um 16 Uhr sind am Bahnhof in Kiel so viele Frauen, die engagiert sind und die eine Menge zu sagen haben. Hört sie euch an! Dann wisst ihr, warum wir das brauchen. Die sind sauer; die haben keinen Bock mehr auf die Ausreden, warum die Parteien es seit Jahrzehnten nicht hinbekommen, für mehr Repräsentation zu kämpfen.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Ende.

Letzter Satz. - Kein Kampf um Emanzipation fing mit großer Zustimmung an. Ganz im Gegenteil, Frauen wurden müde belächelt, wurden nicht ernst genommen, haben unter allem Einsatz für ihre Rechte gekämpft.

Wir brauchen eine Lösung, und die Optionen sollten wir im Ausschuss diskutieren. Deshalb sind wir für die Überweisung des Antrags. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Christopher Vogt.

(Zuruf SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zuruf SPD)

- Frau Kollegin, für Ihre Fraktion hat Herr Rother, also auch ein Mann, gesprochen. - Es ist völlig richtig, dass es ein großes Problem in unserer Gesellschaft ist, dass Frauen auch im Jahr 2019 -100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland - in vielen Bereichen noch immer unterrepräsentiert sind, vor allem in der Wirtschaft, in der Verwaltung, in der Politik und eben auch in den Parlamenten. Das sollte sich schnell ändern.

Frau Kollegin, die entscheidende Frage ist nur, wie der beste Weg dahin aussehen könnte. Es gibt in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 1 Million mehr Frauen als Männer. Die Frauen haben also eine gesellschaftliche Mehrheit. Wenn man auf die junge Generation in Deutschland schaut, dann haben die Mädchen und jungen Frauen schon seit Jahren deutlich bessere Bildungsabschlüsse als ihre Altersgenossen. Ich kann ein Lied davon singen. Ich mache mir deshalb - auch als Vater von zwei wunderbaren Töchtern - eigentlich relativ wenig Sorgen um die Zukunft, ich kann aber die Ungeduld absolut nachvollziehen und teilen.

(Vereinzelter Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Freie Demokraten kämpfen gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung. Niemand soll we

(Aminata Touré)

gen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass viele gesellschaftliche Rahmenbedingungen noch immer eine tradierte Rollenverteilung begünstigen. Da müssen wir ansetzen.

Beim Ziel sind wir uns im Großen und Ganzen einig: Wir wollen deutlich mehr Frauen in verantwortlicher Position sehen. Auch unsere Partei hat da noch viel Arbeit vor sich, übrigens haben alle Parteien deutlich mehr Männer als Frauen. Die Nord-FDP hat zwar innerhalb der Bundespartei fast den höchsten Frauenanteil, trotzdem liegt dieser noch unter der 30-%-Marke, und die Quote ist während des Mitgliederbooms der letzten Jahre sogar noch weiter gesunken.

Wir beschäftigen uns deshalb mittlerweile extrem intensiv mit der Frage, wie wir mehr Frauen für die Parteiarbeit und die Kandidatur für Ämter und Mandate begeistern können. Es gibt da viele gute Beispiele; aber selbst wir diskutieren mittlerweile über Quoten - man höre und staune.

Den vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion, der inhaltlich ausgesprochen mager daherkommt, halten wir jedoch für den falschen Weg. Die SPD hat im vergangenen Jahr sehr vollmundig angekündigt, einen verfassungskonformen Gesetzentwurf für ein schleswig-holsteinisches Paritätsgesetz vorzulegen. Wir haben uns damals gefragt, wie dies gelingen könnte, da unser Grundgesetz aus gutem Grund keine Benachteiligung beziehungsweise Bevorzugung aufgrund des Geschlechts zulässt. Dies wäre in einem solchen Gesetz aber zwangsläufig der Fall, was der Wissenschaftliche Dienst des Landtags sehr deutlich gemacht hat. In Brandenburg hat man sich kürzlich einfach darüber hinweggesetzt, was ich für einen sehr bedenklichen Umgang mit unserer Verfassung halte.

Der SPD-Antrag bleibt ein bisschen nebulös bei der Zielbeschreibung, die man inhaltlich allerdings kritisch sehen kann. Ich hätte zum Beispiel nichts dagegen - ich gebe zu: da schaue ich in die Zukunft -, wenn wir Parlamente mit 60 % oder mehr Frauenanteil hätten. Das würde man dadurch ausschließen.

Meine Damen und Herren, ich frage mich, wie es mit dem dritten Geschlecht laufen soll, wenn die Besetzung tatsächlich paritätisch wäre.