Protokoll der Sitzung vom 08.03.2019

(Beifall SPD)

Meine Kollegin Aminata Touré hat schon sehr deutlich darauf hingewiesen. Ein Blick zu SPD und Grünen zeigt ja: Es geht ja sogar ganz ohne irgendwelche gesetzlichen Veränderungen, und zwar dadurch, dass man das selbst in der Partei gestaltet.

(Tobias Loose [CDU]: Das liegt ja daran, dass Sie keine Wahlkreise gewinnen!)

Aber wie gesagt: Freiwilligkeit hat hier leider nicht dazu beigetragen.

(Lars Harms)

Wir sehen daher Handlungsbedarf. Der Antrag, den wir hier vorgelegt haben, ist tatsächlich ein Vorschlag zu schauen, ob wir in dieser Debatte gemeinsam einen Weg finden. Brandenburg hat es schon vorgelegt, es wurde hier schon öfter genannt, und in Thüringen haben sich die Fraktionsvorsitzenden bereits geeinigt, dass sie dieses Brandenburger Modell auch einbringen werden. Und Berlin macht sich auch gerade auf den Weg.

Ich möchte noch einmal dem Parlament von hier aus sagen: Ich finde, Schleswig-Holstein muss sich in diese Debatte einbringen. Bei uns in SchleswigHolstein gab es das erste Frauenministerium, die erste Ministerpräsidentin, die erste Landtagspräsidentin. Ich finde, es steht uns sehr gut zu Gesicht, wenn wir hier in Schleswig-Holstein -

(Zuruf CDU: Und wir stellen die erste Bun- deskanzlerin!)

- Die Bundeskanzlerin hat sich sogar auch schon dazu geäußert, dass sie für ein Paritätsgesetz ist. Also, liebe CDU, geben Sie sich einen Ruck, lassen sich uns gute Vorschläge im Ausschuss miteinander diskutieren.

(Beifall SPD)

Wir möchten gern diese Diskussion mitgestalten und auch hier Vorschläge aus Schleswig-Holstein erarbeiten. Wie gesagt, nehmen Sie sich zu Herzen, was Kollege Thomas Rother gesagt hat: Nur Mut, gemeinsam werden wir das mit Sicherheit schaffen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer, wenn man den Satz hört: „Das geht nicht“, und schaut genauer hin, dann heißt die eigentliche Übersetzung in richtiges Deutsch: „Das wollen wir nicht“. Die Erfahrung damit haben wir sehr oft gemacht. Die Kollegin Touré hat zu Recht den Artikel 3 des Grundgesetzes zitiert. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Juristen haben die Aufgabe, uns als dienende Profession Wege zu zeigen, wie man innerhalb dieses Grundgesetzes diesen Grundgesetzartikel so umsetzt, dass wir das Ziel erreichen. Das Ziel steht nämlich in Artikel 3 des Grundgesetzes drin.

Die Behauptung, es gehe nicht und schränke alles Mögliche ein, ist übrigens auch den Sozialdemokraten vorgehalten worden, die für das Frauenwahlrecht eingetreten sind. Daraus kann man einiges lernen. Daraus kann man lernen, dass es manchmal relativ lange Zeit braucht, um andere zu überzeugen, und dass es sich lohnt, sich dafür einzusetzen und das Ergebnis zu erreichen. Das ist der erste Punkt, den ich sagen möchte. Ich glaube, es ist kein juristisches Problem, sondern eines des politischen Wollens. Deswegen ist übrigens unser Antrag auch einer, der zunächst einmal das politische Wollen und das Suchen nach einem verfassungsrechtlichen gangbaren Weg, das umzusetzen, in den Vordergrund stellt. Das ist das Ziel. Dafür werben wir hier in diesem Parlament.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite, was ich sagen möchte, ist: Es ist relativ billig, den Blick auf andere zu richten. Betrachtet man das über die Jahre, kann man aber das Ergebnis der Anstrengungen sehen. Schauen Sie sich einmal hier in diesem Haus um. Ich bin seit zwölf Jahren Vorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein. Wir waren diejenigen, die die erste Frau zur Ministerpräsidentin vorgeschlagen haben. Wir waren diejenigen, die den höchsten Frauenanteil aller Landesverbände hatten. Wir waren diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass es bei uns Reißverschlusslisten gibt - übrigens nicht, weil alle Männer das freiwillig gut fanden. Wir haben das durchgesetzt, weil wir es richtig fanden. Das Ergebnis sehen Sie hier im Parlament und auch anderswo. Das kann man so machen. Dann braucht man sich nicht zu verstecken.

Es ist schon eine Schande für dieses Parlament, festzustellen - das muss ich ehrlich sagen -, wie gering der Frauenanteil im Parlament nach so vielen Jahren der Bemühungen ist.

Lassen Sie mich etwas Letztes sagen. Von Rechtsextremisten lässt sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands nicht vorhalten, wir machten Vorschläge, die nicht verfassungsgemäß seien.

(Beifall SPD - Volker Schnurrbusch [AfD]: Wir sind keine Extremisten!)

Das will ich Ihnen ganz deutlich sagen. Das sage ich nicht nur, weil bei Ihnen nur Kerle sitzen, sondern weil es unverfroren ist. Das, was hier gesagt worden ist, weise ich zurück.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Niemand ist hier Rechtsextremist!)

(Serpil Midyatli)

Ich glaube wirklich, am Internationalen Frauentag ist es gut, wenn wir uns über das Ziel einig sind. Das ist übrigens nicht beliebig vergleichbar mit allen möglichen anderen Quoten. Es ist nicht irgendetwas Mögliches, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Der Staat hat die Aufgabe, nicht nur Benachteiligungen zu verhindern - da sind wir uns einig -, sondern aktiv dafür zu sorgen, dass sich das ändert. Wann, verdammt nochmal, soll das denn eigentlich passieren, wenn wir das nicht endlich hinkriegen, meine sehr verehrten Damen und Herren?

Deshalb werbe ich sehr dafür, dass die anderen Parteien zumindest das tun, was hier im Haus für die Sozialdemokraten, die Grünen und weitgehend für den SSW gilt, nämlich dass wir faktisch dafür sorgen, dass in diesem Parlament die Gleichberechtigung von Frauen und Männern erkennbar ist. Dafür haben wir zu sorgen. Das ist unser Job. Deshalb werbe ich für unseren Antrag.

(Beifall SPD, Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bevor wir mit der Rednerliste fortfahren, begrüßen Sie bitte mit mir gemeinsam auf unserer Besuchertribüne Schüler und Schülerinnen des Johann-Heinrich-Voß-Gymnasiums aus Eutin. - Seid uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Eka von Kalben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niemand sagt, dass es einfach ist, für Parität zu sorgen. Aber fast alle sagen, dass es nötig ist. Nicht einfach - das wurde mehrfach genannt - ist es deshalb, weil wir Wahlkreise haben. Es geht nicht um die Listen. Ich glaube, das ist relativ einfach. Wir Grüne beweisen seit 30 Jahren, dass es möglich ist, eine paritätisch aufgestellte Liste zu haben, wenn man es will. Es ist mitnichten verfassungswidrig, sondern seit 30 Jahren unangefochten unser Vorgehen.

Schwieriger wird es bei den Wahlkreisen. Aber auch da gibt es mittlerweile verschiedene Vorschläge. Ich finde den Vorschlag, den Frau SütterlinWaack gemacht hat, durchaus bedenkenswert, dass es zwei Personen für einen größeren Wahlkreis gibt, und zwar eine Frau und einen Mann. Dann gibt es

pro Wahlkreis zwei Personen, zwei Geschlechter sind vertreten, vielleicht von unterschiedlichen Parteien, vielleicht von derselben Partei. Dann habe ich ein aus meiner Sicht auf den ersten Blick faires Verfahren.

Ob das das richtige Modell ist, oder ein anderes das richtige ist, oder ob man am Ende wie Sie, die FDP, sagt, man komme auf keinen Fall zu einem fairen Verfahren, ist doch das, was wir im Ausschuss beraten wollen. Es kann sein, dass Sie recht haben und nichts geht. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir recht haben und es Möglichkeiten gibt. Das ist das Spannende und das Gute an dem Antrag, dass wir ihn in den Ausschuss überweisen und dort eine breite Debatte zu dem Thema haben werden, um voranzukommen.

Zu der Frage: Brauchen wir überhaupt eine gesetzliche Regelung, oder geht das nicht mit der freiwilligen Selbstverpflichtung, wie Lars Harms sagt? Ich bin fest davon überzeugt: Wenn es diese Regelung nicht gibt, gibt es auch in den nächsten 50 bis 100 Jahren weiter so viele Stolpersteine und so viele Mauern, die Frauen zu überwinden haben, dass wir zu einer Parität in den Parlamenten nicht kommen werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich kann das auch aus meiner etwa 15-jährigen Zeit in meiner Partei sagen. Ich bin im Übrigen die einzige weibliche Fraktionsvorsitzende hier im Haus. Ich kann Ihnen sagen: Ich wäre dort meiner Meinung nach nicht hingekommen, wenn es bei uns nicht die Frauenpolitik gäbe, die es gibt, und zwar nicht, weil ich blöder bin als meine männlichen Kollegen, nicht weil ich weniger am Redepult reden kann, nicht weil ich weniger Macht will, sondern weil es ganz viele - wie heißt es? - gläserne Schranken gibt. Es gibt zum Beispiel den Machtkampf um Listenplätze, bei dem man sich fragt: Muss ich mir das antun? Muss ich mir dieses Wichtigtuerische antun? - Es gibt ganz viele Hürden, die genommen werden müssen.

Ich bin meiner Partei und meinen Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar, dass wir die Quote haben. Wir sind uns verpflichtet, wir müssen quasi Nachwuchsförderung machen. Wir müssen jede junge Frau ansprechen und ihr sagen: Du kannst es auch!

Ich zitiere zum Schluss Hans-Jörn Arp aus den Videos, die ihr zu diesem Thema gemacht habt. Er hat gesagt: Wenn er einen Mann fragt, ob er einen Posten haben will, antwortet dieser: „Ja, gern“, und hinterher fragt er: „Und was muss ich da machen?“,

(Dr. Ralf Stegner)

und wenn er eine Frau fragt: „Willst du diesen Posten übernehmen?“, sagt sie: „Das weiß ich nicht; ich glaube, ich kann das nicht“.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Das ist schade!)

Das ist ein ganz großer Unterschied. Das kann man nur ändern, wenn wir uns darauf einigen, dass wir diese Denke nicht mehr wollen, dass wir allen Mut machen, hier paritätisch im Landtag zu sitzen. Deswegen kämpfe ich um eine gesetzliche Regelung, natürlich im Rahmen der Verfassung, und danke euch sehr, dass wir das im Ausschuss ausführlich besprechen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt CDU)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Unterschied, was Freiwilligkeit, Selbstverpflichtung oder gesetzliche Bestimmungen bringen, können wir gerade bei den aktuellen Zahlen bei der Besetzung der Aufsichtsräte und der Vorstände der größten Unternehmen betrachten.

Bei den Aufsichtsräten sind wir jetzt bei 28,4 % Frauenanteil; die gesetzliche Quote liegt bei 30 %. Warum haben wir keine 30 %? - Weil Plätze freigelassen werden müssen. Da hat sich deutlich was getan.

Bei den Vorständen der gleichen Unternehmen, wo es nur eine freiwillige Selbstverpflichtung gibt, sind wir bei 8,5 %.

Zum Thema Wirksamkeit - das spiegelt sich auch hier im Parlament -: Die Parteien, die in ihrer Satzung eine Verpflichtung haben, sind diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass der Frauenanteil im Bundestag bei 30 % gelandet ist, jetzt leider mit abnehmender Tendenz. Den Faktor können Sie fast am Wahlergebnis ablesen.

Über die Antwort auf die Frage, welches das wirksame Mittel ist, gibt es keine zwei Meinungen. Empirisch kann man zu keinem anderen Ergebnis kommen.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zum Zweiten: Warum haben wir keinen festen Vorschlag gemacht? - Weil wir die Bedenken ernst nehmen, und zwar nicht die Bedenken dahin, dass das