Ende des letzten Monats, Ende Februar, fiel vermutlich nicht nur mir die Kinnlade herunter, als wir in der Zeitung das Ergebnis einer Podiumsdiskussion lesen konnten: Grüne fordern den Neubau einer Bahnstrecke an der A 1.
„‚Eine solche Alternative kann man nicht einfach beiseiteschieben‘, sagt der grüne Landtagsverkehrsexperte Andreas Tietze. Seine Bundestagskollegin Ingrid Nestle assistiert: ‚Ich erwarte von der Bundesregierung, dass alternative Trassenverläufe so schnell wie möglich geprüft werden.‘“
(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man darf nicht alles glauben, was in der Zeitung steht!)
Wer dies so unwidersprochen fordert, will das Projekt beerdigen. Das ist der vollkommen falsche Weg, und diesen Weg lehnen wir entschieden ab.
Wer in die Historie geht, der findet die ersten Ansätze der Planungen für die S 4 bereits 1998. Grundlage war eine stete Steigerung der Fahrgastzahlen. Die Fahrgastzahlen haben sich von 2000 bis 2010 um sage und schreibe 50 % im Abschnitt zwischen Hamburg und Ahrensburg erhöht. 2012 fiel dann die Entscheidung der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein, gemeinsam mit der Bahn in die Planungen einzusteigen. Die Aussagen vonseiten Schleswig-Holsteins waren aber immer und wirklich unabhängig von der Landesregierung: Wir stehen zu dem Projekt, doch es muss vonseiten des Bundes eine deutliche finanzielle Beteiligung geben. - Ohne den Bund, nur mit Hamburg an der Seite, könnte das Land Schleswig-Holstein dieses mittlerweile circa 1 Milliarde € teure Projekt niemals stemmen.
Die alte und die jetzige Landesregierung haben dieses Anliegen nahtlos weiterverfolgt. Das Bauvorhaben wurde im Bundesverkehrswegeplan in den vordringlichen Bedarf hochgestuft, was auch wir als sehr hilfreich erachten. 2018 kam dann die erhoffte Zusicherung vonseiten des Bundes, dass über das GVFG und die Zusicherung der Finanzierung die
Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein stehen im Augenblick unmittelbar vor einer Finanzierungseinigung bei der Aufteilung der Kosten. Für die drei einzelnen Planungsabschnitte bis Bad Oldesloe sind alle Planfeststellungsunterlagen eingereicht, und ich glaube, wir alle warten nur auf die Genehmigung, dass der Bau beginnen kann.
dann müsste das Planfeststellungsverfahren sofort eingestellt werden, weil erst eine zweite Trasse untersucht werden müsste. Alle Finanzierungszusagen wären Makulatur, denn diese beziehen sich auf die S 4 an der Trasse der jetzigen Fernbahngleise. Diese Aussage, einfach einmal eine alternative Trasse prüfen zu lassen, mag bei dieser Veranstaltung sehr populistisch und applausbringend gewesen sein,
aber damit erweisen Sie, Herr Kollege Tietze, der Region im südlichen Schleswig-Holstein - vielleicht ist das aus dem Blickwinkel Husums anders zu betrachten - einen absoluten Bärendienst.
(Beifall SPD und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Aber Herr Vogel, Sie kennen ihn doch! - Heiterkeit FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
- Ja, ich kenne ihn, werter Kollege Vogt, deshalb weiß ich auch: Manchmal muss der Kollege Tietze auch wieder auf den grünen Pfad der Tugend zurückgeführt werden. Das ist der Grund dafür, weshalb wir uns heute hier noch einmal damit beschäftigen.
Sind wir einmal ehrlich: Wenn wir das Projekt jetzt noch einmal stoppen und verschieben, dann verschieben wir es um mindestens zehn Jahre. Ich gehe davon aus, dann ist das Projekt tot. Das kann definitiv nicht das sein, für das wir hier streiten.
Wir brauchen die S 4 an der jetzigen Bestandstrasse und erwarten von den Grünen und damit von der Koalition ein klares Bekenntnis für dieses gute und sinnvolle Projekt der S 4. Mit Ihrem heutigen Antrag zeigen Sie, dass Sie die Grünen nach einem Monat auf dem Irrweg wieder auf die Spur gebracht
(Beifall Klaus Schlie [CDU] - Dennys Born- höft [FDP]: Der Canossagang! - Vereinzelte Heiterkeit FDP, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen gab es in der Tat irritierende Presseveröffentlichungen zu Positionen der Grünen zur S 4. Auch mein Name wurde da genannt. Das ist ja schon gesagt worden.
Das hat nicht nur Ärger im Kreis der Jamaika-Koalition und bei der SPD ausgelöst, sondern auch in meiner eigenen Partei.
Ihr Antrag, Herr Vogel, gibt mir die Gelegenheit, die Dinge richtigzustellen. Das werde ich in dieser Rede auch in aller Klarheit und Deutlichkeit tun. Die Presse ist ja oben auf der Tribüne. Schreiben Sie bitte nicht: „Tietze rudert zurück“, sondern schreiben Sie: „Tietze stellt klar“!
Zunächst aber erlauben Sie mir, Folgendes zu sagen: Erstens. Wir wollen den zeitnahen Ausbau der S 4, wir wollen keine Verzögerung.
Zweitens. Wir bekennen uns zu der derzeit in Planung befindlichen Trasse, die nach Prüfung verschiedener Trassen als Vorzugsvariante ermittelt wurde.
(Beifall CDU, SPD, FDP, vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, AfD, SSW und Bei- fall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])
Drittens. Wir wollen angesichts der Klimakrise einen besseren Nahverkehr und die Menschen vom Auto auf die Bahn bringen. Dazu ist die S 4 eines unserer wichtigsten Infrastrukturprojekte.
(Beifall CDU, FDP, SSW, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [frakti- onslos])
Erlauben Sie mir, dass ich etwas zur Veranstaltung der Bürgerinitiative an der Bahnstrecke HamburgLübeck vom 8. Februar 2019 sage. In der Tat: Ich war der einzige Landespolitiker aus Schleswig-Holstein, der da war. Alle sind eingeladen worden.
Vor vollem Haus habe ich mir die Vorstellung des Gutachtens der Bürgerinitiative durch Herrn Dr. Vieregg angehört.
Lassen Sie mich hinzufügen: Ich kann verstehen, dass die Menschen, die die Lasten der FehmarnbeltQuerung - 78 Güterzüge und 22 Fernzüge - aufnehmen müssen, sich in einer Bürgerinitiative zusammenfinden. Ich sage auch: Wir als Grüne haben immer davor gewarnt, dass die Menschen in Schleswig-Holstein nichts von der Fehmarnbelt-Querung haben - auch wenn das jetzt einige nicht hören wollen -: Sie müssen Lasten tragen und haben keinen Nutzen. Das war unsere Kritik, und wir sehen uns ein Stück weit bestätigt.
Meine Damen und Herren, selbst Minister Buchholz hat - diesmal nicht zur S 4, sondern zur S 21 hier in diesem Hohen Haus und an diesem Pult gesagt: Wenn das mein Haus und meine Terrasse gewesen wäre, hätte ich wohl auch eine Bürgerinitiative gegründet. - Da war es die S 21. Ich fand das damals sehr empathisch. Wenn wir ehrlich sind, dann geht uns das genauso. Wenn wir betroffen sind, dann machen wir uns auf den Weg, und dann sagen wir: Wir sind mit dieser Planung nicht einverstanden.