Protokoll der Sitzung vom 21.07.2017

zweifellos zu den touristischen Highlights, auf die wir hier im Land zwischen den Meeren nicht verzichten wollen. Es ist daher ein wirklicher Irrsinn, von ehrenamtlichen Betreibern und Mitseglern die gleichen Voraussetzungen wie für Berufsseeleute zu erwarten. Am schwierigsten dürfte es für die Betreiber werden, die Forderung nach Ehrenamtlichkeit und der parallelen Anhebung der Anforderung an die Stammcrew zu erfüllen. Es kann nicht sein, dass zukünftig von der Stammcrew die hohen Anforderungen der Berufsschifffahrt erfüllt werden müssen.

Als Beispiel sei die angestrebte zwingende Seediensttauglichkeitsuntersuchung für ehrenamtliche Stammcrews genannt. Eine solche Vorgabe würde zukünftig ältere und erfahrene Besatzungsmitglieder von der Fortsetzung ihres ehrenamtlichen Engagements ausschließen. Das ist wirklich ein Irrsinn, meine Damen und Herren. Ein älterer, erfahrener Seemann kann doch zur Stammcrew auf einem Traditionssegler auch dann gehören, wenn er die medizinischen Anforderungen als Geräteträger für einen Pressluftatmer nicht mehr erfüllt und daher keine Seediensttauglichkeit im Sinne der BG Verkehr mehr besitzt. Mit solchen Anforderungen schießt das Verkehrsministerium in Berlin ganz deutlich über das Ziel hinaus.

Da die neuen Vorschriften über die Zulassung von Traditionsschiffen schon am 1. Januar 2018 in Kraft treten sollen, bleibt nicht mehr viel Zeit, um gemeinsam mit den Traditionsschiffern und Verbänden über mögliche Zusatzregelungen oder Abänderungen zu beraten. Daher stimmt die AfDFraktion beiden Anträgen zu und bittet die Landesregierung, entsprechend zu handeln. Lassen Sie mich auch sagen: Der Antrag der SPD ist der bessere. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort hat nun für die Abgeordneten des SSW der Kollege Flemming Meyer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir dieses Thema hier im Landtag debattiert haben. Im März war festzustellen, dass fraktionsübergreifend Einigkeit darüber bestand, Lösungen herbeizuführen, die im Sinne der Betreiber von Traditionsschiffen sind. Das ist auch gut so; denn für ein maritim geprägtes

(Jörg Nobis)

Land wie Schleswig-Holstein gehören Traditionsschiffe einfach dazu.

Richtig ist, die Sicherheit an Bord muss gewährleistet sein, und gegebenenfalls muss sie auch angepasst und verbessert werden. Darüber herrscht ja auch Einigkeit. Aber das, was man sich in Berlin mit dem Entwurf der sogenannten Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe ausgedacht hat, geht an der Realität weit vorbei. Ein Großteil der alten Segel-, Dampf- und Motorschiffe kann die neuen Anforderungen einfach nicht erfüllen. Zum Teil sind sie wirtschaftlich einfach nicht umsetzbar, aber größtenteils sind die geforderten Umbau- und Umrüstungsmaßnahmen an den Traditionsschiffen aufgrund ihrer traditionellen Bauweise nicht durchführbar. Das hat zur Konsequenz, dass die Schiffe an den Anforderungen scheitern und letztendlich nicht mehr auslaufen dürfen.

Auch die Anforderungen an die ehrenamtlichen Besatzungen gehen weit über das Ziel hinaus. Demnach sollen weite Teile der Bestimmungen an die Berufsschifffahrt angeglichen werden, und die ehrenamtlichen Besatzungen müssen Qualifikationen ähnlich wie Berufsseeleute ablegen. Die Bestimmung lässt völlig außer Acht, unter welchen Voraussetzungen die Traditionsschifffahrt betrieben wird und wie die Schiffe aufgebaut und ausgerüstet sind.

Die Stellungnahmen der Länder oder der betroffenen Verbände fanden seinerzeit bei der Erstellung der Richtlinie kaum Berücksichtigung, was quasi das Aus für weite Teile der Traditionsschifffahrt bedeutet. Das hat natürlich für sehr viel Unruhe gesorgt. Letztendlich ist es dem unermüdlichen Engagement der Betreiber, aber auch dem politischen Druck zu verdanken, dass das Bundesverkehrsministerium eingelenkt hat, indem das Inkrafttreten der Richtlinie auf den 1. Januar 2018 verschoben wurde. Dies ist ein kleiner Erfolg; denn damit wurde erst einmal Zeit gewonnen, Zeit, die genutzt werden muss, um den Wünschen der Betreiber Nachdruck zu verleihen, damit entsprechend nachjustiert werden kann.

Der Wunsch, konstruktiv mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zusammenzuarbeiten, wurde bereits früh vom Dachverband der deutschen Traditionsschiffe geäußert. Dieses Angebot wurde nun auch vom BMVI bestätigt. Mit der Einsetzung einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern des Ministeriums, der Berufsgenossenschaft sowie der Traditionsschifffahrt und Museumshäfen gibt es nun die Gelegenheit, bestehende Schwierigkeiten auszuräumen. Damit kann gemein

sam an einem Rahmen gearbeitet werden, der den Betrieb von Traditionsschiffen auch künftig ermöglicht.

Dies ist eine Chance für unsere Traditionsschiffe, und es ist eine Chance für den Standort SchleswigHolstein. Daher ist es wichtig und richtig, dass wir als Parlament deutlich machen, dass wir das Ansinnen der Traditionsschifffahrer auch politisch unterstützen. Daher werden wir auch dem Antrag der SPD zustimmen. Der vorliegende Antrag der Koalition ist, finde ich, ein bisschen schwach auf der Brust; denn er hinkt tatsächlich ein gutes Stück hinterher, wenn man ihn mit den Anträgen vergleicht, die wir im März bekommen haben, und zwar auch von der CDU.

(Beifall SSW, SPD und AfD)

Das finde ich ein bisschen schade. Trotzdem werden wir dem Antrag hier zustimmen. - Jo tak.

(Beifalls SSW und SPD)

Vielen Dank. - Ich erteile nun dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der langen öffentlich geführten Diskussion um die Zukunft der Traditionsschifffahrt in Schleswig-Holstein muss ich auf die Bedeutung des Themas für dieses Land nicht mehr hinweisen. Sie ist uns allen bewusst.

Wir wissen auch alle, dass diese Schiffe von vielen Ehrenamtlichen liebevoll gepflegt und mit großer Sorgfalt und Sachkenntnis betrieben werden. Wir alle sind uns einig, dass Sicherheit an Bord selbstverständlich sehr wichtig ist. Nur schießen eben manche der Vorschläge des Bundes zu den sicherheitsrechtlichen Vorschriften deutlich über das Ziel hinaus. Der bisherige Entwurf des Bundesverkehrsministeriums gestaltet nämlich die Rahmenbedingungen für den Betrieb alter Schiffe so, dass dies im Ehrenamt kaum mehr funktionieren kann. Wir haben - darauf ist hingewiesen worden - hier bei der letzten Windjammerparade zur Kieler Woche durch den Streik gesehen, wie die Beteiligten diese Verordnung betrachten.

Der Grundfehler dieses Entwurfs liegt darin, dass die Traditionsschifffahrt in vielen Bereichen ein

(Flemming Meyer)

fach der Berufsschifffahrt gleichgestellt wird. Der Betrieb eines Traditionsschiffes ist aber ganz anders organisiert. Es gibt keinen Fahrplan. Es gibt keine monatelangen Törns. Es gibt in der Regel außer bei besonderen Anlässen - kaum Passagiere, sondern es gibt aktive Mitfahrer, die selbst mit anpacken. Das ist der ganz wesentliche Unterschied: Dabei lernen die Mitfahrer aktiv vieles auch über die besondere Sicherheitslage an Bord eines historischen Schiffes.

Ich behaupte, kein Passagier eines normalen Fahrgastschiffes muss so viel über Sicherheitsvorkehrungen wissen wie das Teammitglied eines ehrenamtlich betriebenen Traditionsschiffes. Durch individuelle Sicherheitsanweisungen sind die Mitfahrer entsprechend geschult. Statt die Vorgaben der Berufsschifffahrt eins zu eins auf die Traditionsschifffahrt zu übertragen, wäre es zum Beispiel sinnvoller gewesen, diese Sicherheitseinweisungen verpflichtend einzuführen. Bislang erfolgen sie im Geiste guter Seemannschaft nur freiwillig. Damit hätte man an der Stelle etwas bewirkt, was vielleicht positiv noch einmal darauf gekommen wäre. Das andere schafft es nicht.

Andere Vorgaben in der Verordnung leuchten mir noch weniger ein. Warum muss zum Beispiel ein als gemeinnützig anerkannter Verein durch einen Steuerberater für 12.000 € alle fünf Jahre nachweisen, dass er die Entgelte zum Beispiel von Jugendgruppen tatsächlich aktiv von sich aus für den Erhalt des Schiffes einsetzt? Das klingt nicht nur nach unnützer Bürokratisierung, es ist leider auch nicht der einzige Bereich in diesem Entwurf.

Ich begrüße vor dem Hintergrund, dass es offensichtlich zu einer minimalen Bewegung im Bundesverkehrsministerium gekommen ist, die Verordnung erst zum 1. Januar 2018 kommen soll und man zumindest die Gespräche aufnehmen will. Das war immerhin die Kernforderung der Kritiker. Ich hoffe doch sehr, dass wir nach dem 24. September in anderer Lage sein werden, dieses Thema auch im Bundesverkehrsministerium oder jedenfalls in Berlin zu bearbeiten. Ich hoffe das nicht nur sehr, ich gehe fest davon aus; denn Ziel muss es sein, Neuregelungen so zu fassen, dass eine vernünftige Lösung gefunden wird, die sowohl den Anforderungen an die Sicherheit standhalten, aber eben auch die besonderen Bedarfe der Traditionsschifffahrt berücksichtigen. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium stehen dazu im engen Kontakt zu den Dachverbänden der Traditionsschifffahrt.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein hat sich immer intensiv um dieses Thema gekümmert und federführend gemeinsam mit den anderen norddeutschen Bundesländern eine entsprechende Stellungnahme zu den wichtigen und kritischen Punkten an das Bundesministerium übermittelt. Da bleiben wir auch dran. Wenn wir in der Sache tatsächlich nicht den Erfolg haben sollten, den wir uns vorstellen, können wir noch einmal darüber nachdenken, das Thema auf einer Verkehrsministerkonferenz auf die Tagesordnung zu setzen. Ich denke allerdings, dass das nicht nötig sein wird, weil nach dem September andere Verhältnisse auch zu anderen Regularien für die Traditionsschifffahrt führen werden. Mich wird man aus der Position als Minister in diesem Land an der Seite derjenigen wissen,

(Beifall FDP und CDU)

die sich aus Schleswig-Holstein für das maritime Erbe in besonderer Weise einsetzen und sich diesem besonders verpflichtet fühlen. Das tut jedenfalls diese Landesregierung. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und stelle fest, dass kein Antrag auf Ausschussüberweisung gestellt wurde und wir somit zur Abstimmung in der Sache kommen.

Ich lasse über den Antrag mit der DrucksachenNummer 19/59 abstimmen. Das ist der Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Wer zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Vielen Dank. Die Gegenprobe! - Vielen Dank. Die Stimmenthaltungen? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CDU-Fraktion, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion, wenn ich richtig gesehen habe auch der Abgeordneten des SSW und gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltungen der AfD-Fraktion so beschlossen. - Vielen Dank.

Wir kommen nun zur zweiten Abstimmung, zu b), Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/65. Auch über diesen Antrag, Drucksache 19/65, lasse ich in der Sache abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Vielen Dank. Die Gegenprobe! - Vielen Dank. Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CDU-Fraktion, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDPFraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

AfD-Fraktion und den Abgeordneten des SSW abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Bürgerversicherung für ein gerechtes Gesundheitssystem einführen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/68

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die SPD-Fraktion, der Abgeordnete Bernd Heinemann.

Vielen Dank. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein liberaler Kollege hat uns Sozialdemokraten - und nicht nur uns - in der letzten Debatte um die Bürgerversicherung einige Vorwürfe im Bereich der Gesundheitspolitik gemacht. Jetzt haben Sie zum zweiten Mal die Chance, Herr Minister. Jetzt kommt endlich Ihre wirksame Initiative zur dauerhaften nachhaltigen medizinischen Versorgung in Schleswig-Holstein. Nun kommt sicher ganz schnell das Krankenhausgesetz inklusive Finanzierungskonzept, Entlassmanagement, Hygieneverbesserung, Standardabsicherung für alle, E-Health-Strategie vom Feinsten und vieles mehr. Keine selbstvergessene Debatte mehr. Wir sind sehr gespannt, wie lange das unter Ihrer Führung dauert und was von Ihren vollmundigen Versprechen bleibt, Herr Minister.

Aber wir helfen Ihnen gern. Wir wollen den medizinischen Fortschritt, klassenlos und einkommensunabhängig für alle.

(Beifall SPD)

Wenn es sich im OP staut und die Patienten in Krankensälen mit vier Betten und mehr oder gar auf den Fluren liegen müssen, ist das theoretisch nachvollziehbar. Aber warum passiert das immer wieder nur den gesetzlich Versicherten? In Eutin, Kiel, Elmshorn, Flensburg, Plön und anderswo können manche Patientinnen und Patienten nur von einem Zweibettzimmer träumen - jedenfalls so manche Nacht und sogar so manche Woche. Bei Engpässen muss man das vielleicht sogar hinnehmen, aber dann bitte alle und nicht nur die gesetzlich Versicherten. Es geht hier nicht um Wettbewerb, sondern es geht schlicht um die Finanzierung des medizinischen Fortschritts und um Gerechtigkeit.

Wir Sozialdemokraten wollen allen Kassen, auch den Privatversicherten, die Chance eröffnen, Teil einer neuen Bürgerversicherung zu werden. Das geht nicht von heute auf morgen. Eine Bürgerversicherung bedarf vieler Schritte, und wir haben nun ein neues Landesparlament. Also gehen wir einen von diesen Schritten.

Die Küstenkoalition hat sich in diesem Jahr im Bundesrat für die Bürgerversicherung eingesetzt. Leider wurde dieser Einsatz nicht belohnt, daher unser erneuter Vorstoß. Wir erwarten von der neuen Landesregierung nicht weniger als genau diesen Einsatz. Die solidarische Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege muss nun endlich kommen, und mit der Umsetzung muss begonnen werden.

Wir Sozialdemokraten wollen damit beginnen, alle erstmalig und bislang gesetzlich Versicherten automatisch in die Bürgerversicherung aufzunehmen. Dazu zählen auch Beamtinnen und Beamte, für die in der Bürgerversicherung ein beihilfefähiger Tarif geschaffen wird. Die öffentlichen Arbeitgeber können wählen, ob sie für gesetzlich versicherte Beamtinnen und Beamten einen Arbeitgeberbeitrag zahlen oder wie bisher über die Beihilfe einen Anteil der Behandlungskosten direkt übernehmen. Bisher Privatversicherte können wählen, ob sie in die Bürgerversicherung wechseln möchten. Die gesetzliche Krankenversicherung machen wir für Selbstständige mit geringem Einkommen deutlich günstiger. Die Finanzierung der Bürgerversicherung muss also gerecht sein. Die einseitige Belastung der Versicherten muss beendet und die vollständige solidarische Parität mit den Arbeitgebern wiederhergestellt werden, meine Damen und Herren.

Das ist unsere klare Erwartung an die Bundesregierung, und ich füge hinzu: Ohne Bürgerversicherung sollte sich die SPD an keiner Koalition im Bund mehr beteiligen, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD - Zuruf Dennys Bornhöft [FDP])

Tatsächlich braucht es eine breitere Finanzierungsbasis für unser Gesundheitssystem. Älter werdende Menschen, die Ausbreitung von Volkskrankheiten, aber auch die hohe Zahl vieler ernster Erkrankungen wie etwa Krebs, verbunden mit gleichzeitigem medizinischem Fortschritt - all das muss finanziert und nicht mehr kontingentiert werden - so, wie das jetzt läuft.

Auch am Beispiel der Rente ist deutlich geworden: Die Sozialversicherungen leiden generell darunter, dass die großen Gruppen der Beamtinnen und Beamten und Selbstständigen nicht Teil des Systems

(Vizepräsident Rasmus Andresen)