Protokoll der Sitzung vom 21.07.2017

Er bleibt auch hinter Ihrem eigenen Koalitionsvertrag zurück. Jetzt in Regierungsverantwortung - das ist meine Vermutung - traut sich die CDU nicht mehr, sich mit Berlin anzulegen und sich anders als Dobrindt klar zu unseren Traditionsschiffen zu bekennen. Da waren wir hier im Landtag gemeinsam das war im März - schon einmal viel weiter. Versprochen, gebrochen, sage ich da nur.

(Zurufe)

Wir dagegen lehnen die Verordnung in der vorliegenden Form klar ab und verlangen ihre Rücknahme. Ich habe auch den Kollegen Vogt so verstanden: Wir wollen das Ding in die Tonne treten. Wir fordern, dass eine neue Regelung im engen und echten Dialog mit den betroffenen Vereinen und Verbänden gefunden wird. Wir erwarten, dass sich Ministerpräsident Günther dafür bei seinem Parteifreund Ferlemann und bei Herrn Dobrindt einsetzt. Schließen Sie sich unserem Antrag an, und bekennen Sie sich mit uns zum Erhalt des maritimen kulturellen Erbes Schleswig-Holsteins! - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun der Kollege Hartmut Hamerich.

(Zurufe)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Jahr 2013 fährt ein großer Teil der Flotte der Traditionsschiffe mit vorläufigen Zeugnissen, da nach der geltenden Rechtslage eine Zulassung als Traditionsschiff entweder wegen fehlender geschichtlicher Bedeutung oder wegen ihrer Betreiberkonzeption nicht möglich ist. Auf Bundesebene wurde in mehreren Gesprächen mit den Berichterstattern aller Fraktionen zum Thema Traditionsschifffahrt eine große Einigkeit dahin gehend erzielt, der bestehenden Flotte hinsichtlich ihrer Historizität und ihres Betreiberkonzepts Bestandsschutz zu gewähren und gleichzeitig für die beförderten Fahrgäste ein angemessenes Sicherheitsniveau zu schaffen. Das ist der derzeit gültige Sachstand. Es ist gut, beide Anliegen - Erhalt der Traditionsschiffe und erforderliche Sicherheitsaspekte unter ein Segel zu bekommen.

Gestatten Sie mir, an dieser Stelle die auf der Bundesebene zurzeit verhandelten Eckpunkte für ein Förderprogramm des maritimen kulturellen Erbes darzulegen. Der Dachverband der deutschen Traditionsschiffe ist aufgefordert, Bedarf und Kriterien für eine Förderung zu benennen. Der Erhalt der Traditionsschifffahrt ist Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen von CDU/CSU und SPD. Das BMVI und die Mitglieder der parlamentarischen Gruppe für die Binnenschifffahrt haben sich bereits vor über zwei Jahren auf eine eingeschränkte Bestandsschutzlösung geeinigt. Danach sollen Traditionsschiffe, die bis zum 30. September 2012 über ein gültiges Zeugnis verfügen, als historisch eingestuft gelten und deren Betriebskonzepte nicht mehr geprüft, beim Thema Sicherheit aber keine Abstriche mehr gemacht werden. Diese Schiffe erhalten zurzeit jeweils für die Dauer von zwei Jahren vorläufige Zeugnisse auf der Basis eines Erlasses. Die Sicherheitsempfehlungen der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung zum Thema Stabilitätsunterlagen wurden berücksichtigt. Eine Neufassung der Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe wurde in Form einer Rechtsverordnung erarbeitet und abgestimmt.

Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt die Einrichtung einer Ombudsstelle. Zur Beilegung von Streitigkeiten im Rahmen des Zulassungsverfahrens ist die Einrichtung der Stelle eines Ombudsmannes geplant. Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht unbedingt geübte Praxis, belegt aber, dass auch dem Bund die Thematik wichtig ist.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

(Regina Poersch)

Da es in der Vergangenheit bei der Zulassung von Traditionsschiffen immer wieder Probleme bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Historizität“ und „ideeller Zweckbetrieb“ gegeben hat und eine Einigung zwischen den Betreibern der Traditionsschiffe und der Verwaltung auf eine gemeinsame Definition nicht erzielt werden konnte, wurden die Sicherheitsvorschriften für Traditionsschiffe überarbeitet. Der Entwurf greift deshalb - hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen - die Empfehlungen der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung aus ihren Unfallberichten auf. Im Hinblick auf die Historizität enthält er gelockerte Eingangsvoraussetzungen und dient so dem Erhalt der Traditionsschifffahrt.

Noch einige wichtige Hinweise bezüglich der Vorzüge des Verordnungsentwurfs gegenüber der zurzeit geltenden Sicherheitsrichtlinie seien mir gestattet: Der Bestandsschutz der bestehenden Flotte hinsichtlich Historizität und Betreiberkonzept, die gelockerten Eingangsvoraussetzungen für neu hinzukommende Schiffe hinsichtlich ihrer geschichtlichen Bedeutung, Regelungen für Sail-TrainingSchiffe - für diese Segelschulschiffe gab es bisher überhaupt keine Regelungen -, Feststellung der Historizität durch die vom Bund bestellten Sachverständigen oder nach dem Landesrecht zuständigen Denkmalschutzbehörden. „Gewinne“ dürfen zurzeit erzielt werden, wenn sie in den Erhalt des Schiffes fließen.

Ich komme zum Schluss. Die Neuregelung auf Bundesebene entspricht sowohl dem wichtigen Sicherheitsbedürfnis der Fahrgäste einerseits sowie dem kulturellen und touristischen Interesse am Erhalt der Fahrzeuge andererseits. Aus meiner Sicht wurde nach nunmehr vier Jahren eine ausgewogene Rechtsverordnung vorgelegt, die die Belange aller Interessen berücksichtigt.

Auf eines möchte ich zum Schluss noch zu sprechen kommen, die Betreibung der Schiffe durch ehrenamtliche Crews. An diese dürfen keine Anforderungen gestellt werden, die den Anforderungen an Begleitung auf Passagierschiffen gleichzusetzen sind. Das ist alles ehrenamtlich, was da gemacht wird, ob ich die „Alexandra“ sehe oder die „Lisa von Lübeck“ sehe. Da wird anders verfahren. Ich glaube, da ist der Ombudsmann gefragt, um zu einer vernünftigen Regelung zu kommen.

(Beifall CDU und FDP)

Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag der Fraktion der SPD ab und stimmen unserem Antrag in der Sache zu. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Andreas Tietze das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat sind die politischen Ränkespiele um die Traditionsschifffahrt ein Stück aus dem Tollhaus. Vertrauen wurde verspielt. Der Minister sagt zugesagte Gespräche ab. Bei der Kieler Woche konnte man den Betonkopf sehen, der hier vor Hunderttausenden von Menschen auf der Förde immer auf und abgefahren ist. Mir ist kein anderer Bayer bekannt, der solch eine rühmliche Berühmtheit in SchleswigHolstein erfahren hat. Leider geschah dies nicht zum Wohle. Die Leute können es nicht verstehen.

Wer bei der Windjammerparade dabei war, konnte Folgendes sehen: Die „Gorch Fock“ ist über die Startlinie gefahren. Dann gab es erst einmal nichts, denn die zuständigen Traditionsschiffe haben erst einmal gewartet. Da haben die Zuschauer gesehen, was passiert, wie jämmerlich eine Windjammerparade aussieht, wenn die Traditionsschiffe fehlen. Sie findet dann nämlich nicht mehr statt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es geht um eine Bundesrichtlinie. Dafür sind wir nicht verantwortlich. Frau Poersch, unser Antrag ist deshalb nichts anderes, als noch einmal deutlich zu machen, dass auch das Parlament in der 19. Wahlperiode klar und deutlich sagt: Es ist mit den maritimen, kulturellen Einflüssen in unserem Bundesland nicht vereinbar, dass diese Windjammerparade und diese Traditionssegler eingestampft werden. 90 % der Traditionsschiffe, die von dieser Richtlinie betroffen sind, sind in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. 90 %! Von 100 Schiffen 90 Schiffe.

Deshalb ist es schon ein bisschen schwierig, Frau Poersch, wenn Sie sich hier hinstellen und das als Thema aufgreifen, wenn man weiß, Sie sitzen in der Bundesregierung. Sie sitzen ja mit am Kabinettstisch. Sie könnten all das, was Sie hier sagen, auch gegenüber Herrn Dobrindt so deutlich machen. Machen Sie es doch in einem Koalitionsausschuss zum Thema! Nein, all das passiert nicht.

(Hartmut Hamerich)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ein wenig mehr Bescheidenheit, ein bisschen mehr Solidarität wäre übrigens auch gut. Ihr Antrag ist nicht zielführend, weil er etwas beschreibt, was bereits läuft. Man muss natürlich genau beobachten, was da läuft. Ich komme gleich darauf. Wenn Sie Ihren Antrag nicht durchbringen - haben Sie doch so viel Mut und Solidarität, dass Sie zumindest in diesem Haus unserem Antrag zustimmen. In diesem Landtag wäre es notwendig, dass wir einstimmig

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

und klar das Signal nach Berlin aussenden, dass die Traditionsrichtlinie in dieser Form die Traditionsschifffahrt nicht vernichten darf.

Ich will einmal an das erinnern, was gerade verhandelt ist. Der Kollege hat das eben aufgeführt. Ich habe in meiner Recherche für heute etwas gefunden, was bisher noch nicht genannt worden ist, aber absolut wichtig ist. Es gibt nämlich auch - ich weiß nicht, ob Sie das wissen - eine europäische Verordnung für Traditionsschiffe, ein Memorandum of Understanding. Dieses Memorandum ist von Dänemark, Holland, Deutschland, Großbritannien unterschrieben worden, also großen Staaten in der EU. Sie haben eine Mindeststandardrichtlinie festgeschrieben, die vernünftig ist. Sie enthält Sicherheitsvereinbarungen, gegenseitige Anerkennung von Fahrzeugnissen, gegenseitige Anerkennung von seeweitigen Sicherheitsmaßnahmen, Schutzmaßnahmen. Unter anderem ist ja gerade die Nordkirche mit einem Schiff, der „Artemis“, unterwegs.

Jetzt passiert Folgendes: Wenn die Traditionsrichtlinie so, wie sie derzeit vorliegt, in Kraft gesetzt wird, werden weiterhin Schiffe aus Holland und aus Dänemark in diesen Markt fahren. Ich habe mir während der Kieler Woche die Zeit genommen, einmal mit einigen holländischen Skippern zu reden. Mir wurde gesagt: Wir warten nur darauf. - Es gibt ganz viele holländische Skipper, die gern in den Markt hinein und die Lücke schließen möchten. Das ist ein Verdrängungswettbewerb, den wir doch nicht wollen. Durch eine von uns geschaffene Richtlinie vertreiben wir eine gute, gepflegte Traditionsschifffahrt aus unserem Land und öffnen den Markt für Schiffe aus Dänemark und aus Holland.

Skipper aus der Traditionsschifffahrt haben mir auch gesagt: Wissen sie, Herr Tietze, wir lösen das Problem dann ganz anders. Wir flaggen unsere Schiffe aus. - Auch das ist eine Möglichkeit, die nach internationalem Seerecht geht.

(Beate Raudies [SPD]: Aber nicht für die Eh- renamtlichen!)

- Entschuldigung! Wenn wir es in einer Diskussion nicht schaffen, auf Augenhöhe und vernünftig über Sicherheitsstandards zu reden - das will die Branche ja, sie will ja nicht weniger Sicherheit, sie will nur Verlässlichkeit haben -, dann ist das ein Armutszeugnis und ein Zeugnis dafür, dass wir bis zum 1. Januar 2018 diskutieren müssen. Das versteht kein Mensch. Das versteht man nur mit dem Hinweis auf den Termin der Bundestagswahl, dass man das schön unter dem Teppich hält. Ich sage auch zur SPD, dass Sie hier mit Doppelzüngigkeit herangehen, dass Sie das unter den Teppich kehren wollen,

(Widerspruch SPD)

dass Sie nicht mit Frau Hagedorn klare Kante machen. Das zeigt, dass Ihnen das Thema anscheinend nicht so wichtig ist, wie Sie das hier in diesem Haus sagen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, hören Sie mit den politischen Spielchen auf!

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD] - Martin Habersaat [SPD]: Das war sehr verbindlich!)

Schließen Sie sich diesem Antrag an! Dann gehen wir gemeinsam einheitlich mit großer Kraft gegen Berlin vor und sagen: Auch der 19. Landtag Schleswig-Holsteins ist für die Traditionsschifffahrt in unserem Land. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin selbst fünf Jahre lang als Erster Offizier auf Kreuzfahrtschiffen zur See gefahren und habe auch ein Kapitänspatent. Sie können mir also glauben, dass mir die Sicherheit der Passagiere und der Crew immer eine Herzensangelegenheit war und ist.

Den zur Rede stehenden Änderungsentwurf der Schiffssicherheitsverordnung betrachte ich jedoch

(Dr. Andreas Tietze)

mit großer Sorge. Ohne entsprechende Änderung wird diese durch das Verkehrsministerium in Berlin ins Auge gefasste Verordnung den Tod der Traditionsschifffahrt in Deutschland einläuten. Herr Dobrindt wird der Totengräber sein.

Gerade deshalb sind wir hier in Kiel dazu verpflichtet, alles dafür zu tun, unser maritimes Kulturerbe zu bewahren und die Traditionsschifffahrt auf lange Sicht zu erhalten. Dies darf natürlich nicht auf Kosten der Sicherheit gehen. Aber eines dürfen wir auch nicht machen: Wir dürfen die Traditionsschifffahrt nicht mit der Berufsschifffahrt gleichsetzen. Wir können und dürfen nicht die gleichen Maßstäbe für Traditionsschiffe anlegen, wie sie für die moderne Berufsschifffahrt gelten. Es muss daher explizit darum gehen, eine einvernehmliche Abstimmung zwischen dem Gesetzgeber in Berlin und den Betreibern von Traditionsschiffen zu ermöglichen, um einen Weg zu finden, der praktikabel genug ist und den Betreibern eine langfristige Planungssicherheit gibt.

Natürlich sind die Bau- und Sicherheitsvorschriften, die anno dazumal beim Bau von Traditionsschiffen galten, heutzutage hoffnungslos veraltet, jedenfalls, wenn man die Maßstäbe der modernen Berufsschifffahrt zugrunde legt. Das Gleiche gilt doch aber auch analog für Oldtimer auf der Straße. Ein VW Käfer hat keine Airbags, kein ABS, kein DSC, keinen Spurhalteassistenten und auch keine Software zur Manipulation von Abgaswerten. Trotzdem nehmen Oldtimer am Straßenverkehr teil, wenn der TÜV denn die alte Fahrzeugtechnik für in Ordnung befindet. Ähnliches muss doch bitte auch für Traditionsschiffe möglich sein, eine Art Bestandsschutz bei guter Instandhaltung und gleichzeitiger Verbesserung der Sicherheit für Passagiere und Mitsegler.

Zwar besteht für Schiffe, die bis 2020 ein Sicherheitszeugnis für Traditionsschiffe erhalten haben, ein Bestandsschutz. Aber die geplanten Änderungen bezüglich der Ausbildung und Seediensttauglichkeit der vielen ehrenamtlichen Traditionsschiffer gehen an der Realität völlig vorbei. Die in der Verordnungsbegründung genannten Beispiele der Unfallentwicklung beziehen sich alle auf sehr schwere Unfälle von Wasserfahrzeugen ohne Zulassung als Traditionsschiff und sind daher nicht geeignet, die Erhöhung der Sicherheitsstandards zu begründen.

Traditionsschiffe sind überdies schwimmende Kulturgüter, deren Erhalt in unserem gesellschaftlichen Interesse liegt, da sie insbesondere den Küstenorten Identität und maritimes Flair stiften. Sie gehören

zweifellos zu den touristischen Highlights, auf die wir hier im Land zwischen den Meeren nicht verzichten wollen. Es ist daher ein wirklicher Irrsinn, von ehrenamtlichen Betreibern und Mitseglern die gleichen Voraussetzungen wie für Berufsseeleute zu erwarten. Am schwierigsten dürfte es für die Betreiber werden, die Forderung nach Ehrenamtlichkeit und der parallelen Anhebung der Anforderung an die Stammcrew zu erfüllen. Es kann nicht sein, dass zukünftig von der Stammcrew die hohen Anforderungen der Berufsschifffahrt erfüllt werden müssen.